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Full text of "Vorlesungen Über Reelle Funktionen"

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VORLESUNGEN ÜBER 
REELLE FUNKTIONEN 


VON 


oc 
DR. CONSTANTIN CARATHEODORY 


ORD. PROFESSOR AN DHR UNIVERSITÄT GÖTTINGEN 


MIT 47 FIGUREN IM TEXT 


& 


1918 
LEIPZIG UND BERLIN 
VERLAG UND DRUCK VON B. 6. TEUBNER 


® 











TO NEW YORK 
PUBLIL LiLAARY 
4 \33A 


ASTOR. L7 OR AND 
TILDEN F\.ı..DATIONS 
R 1925 L 





SCHUTZFORMEL FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA 
O0OPYRIGHT 1918 BY B. G. TEUBNER IN LEIPZIG. 


Yrinteä in ermaapı 


ALLE RECHTE, EINSOHLIESSLIOH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN. 


MEINEN FREUNDEN 


ERHARD SCHMIDT 
UND 


ERNST ZERMELO 


g* 


Digitized by Google 


Vorwort. 


Die Umwälzung, welche die Theorie der reellen Funktionen durch 
die Untersuchungen von H. Lebesgue erfahren hat, ist ein Prozeß, der 
heute in seinen Hauptzügen als abgeschlossen gelten kann. Ein Ver- 
such diese Theorie von Grund aus und systematisch aufzubauen scheint 
mir daher notwendig geworden zu sein; dies hat mich bewogen die Vor- 
lesung, die ich im Sommersemester 1914 an der Universität Göttingen 
gehalten habe, auszuarbeiten, und mit manchen Erweiterungen und Zu- 
sätzen versehen, der Öffentlichkeit vorzulegen. 

Ich habe mich bemüht die Tatsachen, die zur Darstellung einer 
Theorie der reellen Funktionen notwendig sind, direkt aus den am An- 
fang des Buches angeführten Axiomen über reelle Zahlen ohne jede 
weitere Voraussetzung zu entwickeln, und in eine solche Reihenfolge 
zu bringen, daß alle Beweise möglichst aus ihrer natürlichen Quelle 
entspringen und daher zu Sätzen führen, die man mit großer Allgemein- 
heit aussprechen kann. 

Das Fundament, auf dem die ganze Theorie der reellen Funktionen 
beruht, ist die Theorie der Punktmengen, diese unvergängliche Schöpfung 
Georg Cantors. In den Kapiteln, die diesem Gegenstande gewidmet sind, 
habe ich aber durchaus nicht den Grad der Vollständigkeit erstrebt, der 
in einem der Mengenlehre selbst gewidmeten Werke — von denen es 
vorzügliche in deutscher Sprache gibt — unerläßlich wäre, sondern 
mich begnügt, die Resultate aufzustellen, die in späteren Abschnitten 
wirklich benutzt werden oder die für das allgemeine Verständnis der 
Theorie unentbehrlich sind. 

In einigen neueren ausländischen Lehrbüchern ist die Lebesguesche 
Theorie schon ziemlich ausführlich behandelt worden; sie erscheint aber 
dort meistens neben den älteren Integrationstheorien und ist dadurch 
ihres größten Vorzugs beraubt, der darin besteht, daß sie den kürzeren 
und bequemeren Weg darstellt, da wo die alte Fahrstraße oft unnötige 
Umwege macht. Deshalb habe ich in diesem Buche die Lebesguesche 
Definition des Inhalts und des Integrals als den primären Begriff 
behandelt um den sich alles übrige — insbesondere also auch die ältere 
MeßBbarkeits- und Integrationstheorie — ganz von selbst einordnet. Es 











To NEW York 
PUBLIC LiLAARY 
4 W33Ä 


ASTOR. LTOXR AND 
TILDEN F\.L..DATIONS 
R 1925 L 






SCHUTZFORMEL FÜR DIE VEREINIGTEN SYAATEN VON AMERIKA 
0OPYRIGHT 1918 BY B. G. TEUBNER IN LEIPZIG. 


Trinied in Gerne 


ALLE RECHTE, EINSOHLIESSLIOH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN. 


MEINEN FREUNDEN 


ERHARD SCHMIDT 
UND 


ERNST ZERMELO 


g* 


Digitized by Google 


Vorwort. 


Die Umwälzung, welche die Theorie der reellen Funktionen durch 
die Untersuchungen von H. Lebesgue erfahren hat, ist ein Prozeß, der 
heute in seinen Hauptzügen als abgeschlossen gelten kann. Ein Ver- 
such diese Theorie von Grund aus und systematisch aufzubauen scheint 
mir daher notwendig geworden zu sein; dies hat mich bewogen die Vor- 
lesung, die ich im Sommersemester 1914 an der Universität Göttingen 
gehalten habe, auszuarbeiten, und mit manchen Erweiterungen und Zu- 
sätzen versehen, der Öffentlichkeit vorzulegen. 

Ich habe mich bemüht die Tatsachen, die zur Darstellung einer 
Theorie der reellen Funktionen notwendig sind, direkt aus den am An- 
fang des Buches angeführten Axiomen über reelle Zahlen ohne jede 
weitere Voraussetzung zu entwickeln, und in eine solche Reihenfolge 
zu bringen, daß alle Beweise möglichst aus ihrer natürlichen Quelle 
entspringen und daher zu Sätzen führen, die man mit großer Allgemein- 
heit aussprechen kann. 

Das Fundament, auf dem die ganze Theorie der reellen Funktionen 
beruht, ist die Theorie der Punktmengen, diese unvergängliche Schöpfung 
Georg Cantors. In den Kapiteln, die diesem Gegenstaride gewidmet sind, 
habe ich aber durchaus nicht den Grad der Vollständigkeit erstrebt, der 
in einem der Mengenlehre selbst gewidmeten Werke — von denen es 
vorzügliche in deutscher Sprache gibt — unerläßlich wäre, sondern 
mich begnügt, die Resultate aufzustellen, die in späteren Abschnitten 
wirklich benutzt werden oder die für das allgemeine Verständnis der 
Theorie unentbehrlich sind. 

In einigen neueren ausländischen Lehrbüchern ist die Lebesguesche 
Theorie schon ziemlich ausführlich behandelt worden; sie erscheint aber 
dort meistens neben den älteren Integrationstheorien und ist dadurch 
ihres größten Vorzugs beraubt, der darin besteht, daß sie den kürzeren 
und bequemeren Weg darstellt, da wo die alte Fahrstraße oft unnötige 
Umwege macht. Deshalb habe ich in diesem Buche die Lebesguesche 
Definition des Inhalts und des Integrals als den primären Begriff 
behandelt um den sich alles übrige — insbesondere also auch die ältere 
Meßbarkeits- und Integrationstheorie — ganz von selbst einordnet. Es 


VI Vorwort 


liegt leider in der Natur einer solchen systematischen Darstellung, in der 
das neu erworbene mit dem älteren verschmolzen wird, daß die histo- 
rische Entwickelung unkenntlich wird. Dies drückt sich schon in den 
Bezeichnungen aus: so bin ich z. B. dazu geführt worden die Worte 
„Inhalt“ und „Integral“ für die Begriffe zu benutzen, die man bis jetzt 
„Lebesguesches Maß“ und „Lebesguesches Integral“ genannt hat.') 

Die Werke, die ich am öftesten zu Rate gezogen habe, sind neben 
dem klassischen Cours d’Analyse von Camille Jordan, aus dem die meisten 
Mathematiker meiner Generation ihre Kenntnisse erworben haben, der 
Cours d’Analyse von Ch. J. de la Vallö&e Poussin, die Arbeiten von 
Baire, Hausdorff, Lindelöf und Young, und vor allem die große 
zusemmenfassende Abhandlung von Lebesgue in den Annales de l’Ecole 
Normale aus dem Jahre 1910.?) Leider ist mir das neue Buch von de 
la Vallee Poussin „Integrales de Lebesgue, Fonctions d’Ensemble, Classes 
de Baire“ (Paris, 1916), erst nachdem das vorliegende Werk schon gesetzt 
war zu Gesicht gekommen; ich hätte sonst manchen trefflichen Gedanken 
dieses Buches noch verwerten können. 

Die im $ 541 gegebene Erweiterung des Definitionsbereichs stetiger 
Funktionen verdanke ich einer brieflichen Mitteilung von Herrn H. Bohr. 

Für Mitarbeit bei der Korrektur bin ich einer großen Reihe von 
Freunden und Kollegen verpflichtet: Herr N. Kritikos, der meine Vor- 
lesung gehört hatte, hat das Manuskript mit großer Sorgfalt gelesen 
. und mir manchen guten Rat gegeben; die Beweise des $ 373 rühren 
z. B. größtenteils von ihm her. Außerdem sind die Korrekturen von 
den Herren W. Blaschke, D. Cauer, K. Knopp und A. Rosenthal ge- 
lesen worden. Den beiden letzten Herren verdanke’ ich ganz beson- 
ders viele durchgreifende Verbesserungen. 

Eindlich möchte ich dem Verlage für die schöne Ausstattung dieses 
Buches ‚und für sein Eingehen auf zahlreiche Wünsche meinen Dank 
hier aussprechen. 


Göttingen, Dezember 1917. 
C. Carathöodory. 





1) Ebenso mußte ich den Ausdruck „beschränkte Schwankung*, der durch 
Study in die Literatur eingeführt und seitdem üblich ist, durch den älteren „be- 
schränkte Variation“ wieder ersetzen, da ich das Wort „Schwankung“ in einem 
andern Sinne schon verbraucht hatte, für den es kein zweites passendes Wort 
zu geben scheint. 

2) Vgl. für die genauen Zitate das Verzeichnis auf S. 689. 


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Inhalt. 


Einleitung. 


Anordnungs- und Verknüpfungsaxiome . . . . . 2 22220. 
Zahlenmengen. Axiome der natürlichen Zahlen. . .. ..... 


. -Das Stetigkeitsaxiom . . . 2: 2 22 nn rn ren 


Absolute Beträge. . . 2. 2: 2: I I I rn ren 
Das Zuordnungsaxiom. . . 2: 2 on en 


Kapitel I. Über Punktmengen. 


Definitionen . 2.2: 2 Co ern ee ar 
Die Grundoperationen an Punktmengen . . .. 2.2. 2222 .. 
Endliche und unendliche Punktmengen. Abzählbarkeit .... . 
Sätze über Intervalle . .. 2... 2 2 rennen. 


Vergleich einer Punktmenge mit dem Gesamtraum . . ..... 


Klassifizierung von Punktmengen . ... 2... 2.222 .. 
Überdeckungssätze . . 22:2 22 Cr 
Sätze über Häufungs- und Kondensationspunkte. . . ...... 
Häufungspunkte von Durchschnitts- und Vereinigungsmengen. . . 
Relativbegrifie . . 2.2.2: Con 
Überall dichte und nirgends dichte Punktmengen . . . . .. . . 
Sätze über gewisse Durchschnittsmengen . . . . . 2.222... 


Kapitel I. Der Grenzbegriff. 


Der allgemeine Funktionsbegriff . . . 2. 2: 22 0 nr nn na 
Der obere und der untere Limes. . . 2. 2: 2: 2: 2 2 re. 
Konvergente Zahlenfolgen. . . . .. 2222. . a a tr Er 
Summen von positiven Zahlen . . ... 2. 2 2 2 rn nn ne 
Konvergente Reihen . . . 2: 2 22 En rn rennen 
Konvergente Punktmengen. . . .». . . 2 222.202... 
Limes superior und inferior von Folgen von Punktmengen . . . . 


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8 127. 
$ 134. 
8 139. 
8 148. 


$ 147. 


$ 162. 
8 167. 
$ 111. 
& 177. 


8 185. 
$ 189. 
8 19. 
8 198. 
8 200. 
$ 204. 
& 218. 
8 220, 
$ 226. 


8 228. 
$ 238. 
$ 280. 
8 258. 
8 269. 


& 279. 
8 288. 


8 298. 
8.293. 
$ 298. 
8 304, 
& 812. 
8 316. 
$ 321. 
$ 322, 

326. 


Inhalt 


m mn m m mn 


Seite 
Halbstetigkeits- und Stetigkeitspunkte . . . . 2 2 2 2 20. . 127 
Halbstetige und stetige Funktionen. . . ». 2 2 2 2 2 2 2 2 2 en 136 
Schwankung. Punktiert- und totalunstetige Funktionen . . . 140 
Funktionen einer Veränderlichen. . . . 2.2 2:2 2 2 220. 144 
Monotone Funktionen... 2:2 2 Em ren 149 
Erzeugung stetiger Funktionen. . . . 2 2 2 2 2 rn nee. 167 
Konvergente Funktionenfolgen . . . . 2: : 2 2 2 2 2 nn nn 170 
Gleichmäßige Konvergenz 3. . 2: 2: 2 2 N m ern. 173 
Funktionen von beschränkter Variation. . 2 2 2 22220 180 

Kapitel IV. Entfernung und Zusammenhang. 
Entfernung von Punkten ... 2... 2:2 Corn 191 
Entfernung von Punktmengen . . . . 2: 2: 2 m Hr 2. 196 
Dürchmenser:...:2 5. 2.2 5 u. a an a ee ER a el 201 
Gleichmäßige Stetigkeit.. . . - : 2: CH Kr Ener. 203 
Stetige Abbildung . . » 2: mn nn nn 205 
Kontinuen . . . 2.2.2 220.0. BE a A ar a De a ah de A 208 
Begrenzung von Ponktminngen; EEE EEE 216 
Gebiete; 4 =. am han ale ne ee En ee 222 
Anwendung auf stetige Funktionen . . 2... 2: 2 2 e 220. 227 
Kapitel V. Inhalt und Meßbarkeit. 
Äußerer Inhalt . 2. Con en 229 
Maßfunktionen: ; 4. u.a se re 237 
Mebbarkeit.. ; :-..%. 8%... 20.8 2a a: wre ie er 246 
Die regulären Maßfunktionen . . . 2 2 22 2er. 258 
Anwendung der Theorie der Meßbarkeit auf den Inhalt von Punkt- 
MONKEN: :. 2.002 ee ee ee 274 
Quadrierbare Punktmengen. Räumliche Zellennetze. .. .... 289 
Überdeckungssatz von Vitali. . . 2. 2: 22 2 2 rennen 299 
Kapitel VI. Lineare Gebilde. 

Vektoren des g-dimensionalen Raumes . . .. 2. 22.2000. 507 
Lineare Vektorgebilde. . . . .. > 222er nenne 309 
Orthogonalitätseigenschaften . . . . .».- 2222 2 een 813 
Determinanten ... . 2»: 2 2 2 22 0 2 2 0 0 0 nn ... 8318 
Anwendung der Determinanten auf die linearen Vektorgebilde . . 326 
Lineare Gleichungen . . . . 2». : 22222 ne dc 329 
Lineare Punktgebilde . . . » . 2 2 N rn. 2 nenne 533 
Lineare Punkttransformationen. . . . : 2: 2 2 2 20 nenn 335 
Transformation des Inhalts von Punktmengen. . ........ 34 


8 330. 
8'332. 
8 335. 
$ 338. 


8 342. 
8 345. 


$ 366. 


8 359. 
$ 362. 
$ 367. 


8 374. 
8 379. 
$ 381. 
& 384, 
$ 388. 
8 403. 
s 410. 


x 414. 


Inhalt IX 


Orthogonale Transformationen . . . 2: 2 2 2 nen nennen su 
Punktmengen von nicht meßbarem Inhalt. . . .. 2: 2.2 2.2... 349 
Stetige meßbare Abbildungen . . . 2.22 2: on m m rn rn 354 
Kritik der Theorie der Maßfunktionen . . . . 2 2 2 2 2 2. 359 


Kapitel VII. Meßbare Funktionen. 
Darstellung von Funktionen durch Folgen von Punktmengen . . . 369 


Meßbare Funktionen . 2.2: Cm non. 22. 374 
Endlichwertige Funktionen . . 2... m Emmen 385 
Äquivalente Funktionen . 2 2 2 2 Co oo. 20.889 
Die Klassen von Baire . 2... Lo nr rn 393 
Anwendung des Klassenbegriffs auf meßbare Funktionen. ... . 401 


Kapitel VIH. Das bestimmte Integral. 


Zylindermengen, 2... u... 5 wa 3er. ea ar ee 414 
Ördinatenmengen . . . : 2: 2 2 rer. era Bet ALS 
Das bestimmte Integral von nicht negativen Funktionen. . . . . 420 
Meßbarkeit und Summierbarkeit . . . . . 2.2.2... Er tee, 728 
Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens . . ..  ... 427 
Abschätzung und Approximation von Integralen. . x. ..... 445 
Darbouxsche Summen. . . 2... 222000. een. 453 
Riemannsche Integrale . . .. 2... En nneen 459 


Kapitel IX. Das unbestimmte Integral und die additiven totalstetigen 


5 424. 
$ 430. 
$ 435. 
8 443. 
8 450. 
8 468. 


5 468. 
8 461. 
$ 465. 
8 472. 


8 483. 
8 496. 
s 500. 
8 511. 
8 514. 

Carathösodory, Reelle Funktionen. 


Mengenfunktionen. 
Das unbestimmte Integral. . . . . 2 2 2 2 2 2 nn nn. 469 
Additive totalstetige Mengenfunktionen. .. .. 2.222... 475 
Die mittleren Derivierten . ... 2.2.2... dr Keeer agne .... 480 
Die verallgemeinerten Derivierten . . . . . 2.2 2220000. 492 
Die Limesfunktionen der Derivierten . . . . 2... 222.22. . : 499 
Die additiven totalstetigen Intervallfunktionen. . . . .. 22... 502 


Kapitel X. Funktionen einer Veränderlichen. 


Die 4-Variabion. <a 23 2 1 a Sa Er Deu 510 
Die Derivierten einer Funktion . . . .. 2.222. eee.. 515 
Die Regeln der Differentialrechnung . . .».. 2.222... 518 
Die Derivierten von stetigen Funktionen als Funktionen der unab- 

hängigen Veränderlichen. ... 2.2 2222... . . 527 
Einfache Integrale und totalstetige Funktionen . ........ 542 
Die Substitutionstheorie der einfachen Integrale. . ....... 556 
Monotone Funktionen...» 2.2.22... a Be 563 
Meßbare Abbildungen. . .. . 2: 222 2 rennen 581 
Funktionen von beschränkter Variation... . 2: 22200. 584 








X Inhalt 
| . Seite 
$ 519. Die nirgends differentiierbare Funktion von Weierstraß . . .. . 690 
$ 523. Das Umkehrproblem der Differentialrechnung.. . . . . » 2... 694 
8 528. Berechnung von einfachen Integralen. . . . 2 2 2 2 22 00. 600 
$ 532. Uneigentliche Integrale . . . . 2:2: 2 CE m rennen. 606 
$ 537. Der zweite Mittelwertsatz der Integrelrechnung . ........ 612 
$ 541. Erweiterung des Definitionsbereichs stetiger Funktionen . . . . . 617 
Kapitel XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen. 
8 544. Der Satz von Fubini . . 2. 2 2 2: vr m m nn ne. 2.6231 
86548. Die wiederholten und die mehrfachen Integrale. . . ...... 628 
$ 5657. Partielle Ableitungen. Differentiierbarkeit . . . . . 2 2 2 2.0. 641 
$ 564. Die Vertauschung der Reihenfolge der Differentiation . .... . 650 
8 565. Totalstetige Funktionen von zwei Veränderlichen . . ...... 651 
8 572. Differentiation unter dom Integralzeichen. . . . . . 2 2 22.2. 661 
8 576. Differentialgleichungen . . . 2: 22mm ern. .. 668 
Literatur . . 2. 22220. Be ee ae Are ai SE are, Ya ie da 689 
Verzeichnis der Beispiele . . . 2.2: CK Eur rer. 698 


OBIBEBD. u an ne a A a ee ee Br ee ee ter 695 


Einleitung. 


1. Die Theorie der reellen Funktionen beruht auf der Theo- 
rie der reellen Zahlen. Wenn man diese genetisch aufbauen will, 
» muß man nacheinander die positiven ganzen Zahlen, die negativen 
ganzen Zahlen, die rationalen und endlich die irrationalen Zahlen be- 
trachten und ihre Eigenschaften untersuchen.*) 

Für unsere Zwecke genügt es aber, wenn wir zeigen, daß man unter 
den Eigenschaften der Zahlen einige hervorheben kann, aus denen dann 
de übrigen folgen. Diese ausgezeichneten Eigenschaften wollen wir 
‚Axiome“ nennen. Die Aufzählung der Axiome soll nun durchaus nicht 
ane Theorie’ der reellen Zahlen ersetzen (die mindestens eine Unter- 
schung über die Widerspruchslosigkeit und die Unabhängigkeit der 
Axiome und noch manches andere enthalten müßte), aber wir gewinnen 
durch eine solche Aufzählung den festen Grund, auf dem wir alles 
Übrige ohne weitere Voraussetzung aufbauen werden. 


Anordnungs- und Verknüpfungsaxiome. 

2. Die Axiome der Anordnung lauten: 

I1. Die Zahlen können angeordnet werden, d.h. wenn a 
ınd 5 zwei Zahlen bedeuten, so muß von den drei Möglich- 
keiten | 
a=b, a>b, b>a 
stets eine und nur eine erfüllt sein. 

12. Es gibt mindestens zwei Zahlen, die nicht einander 
gleich sind. 

13. Aus der Voraussetzung a>b und b>c folgt stetsa>.c. 

Die Gleichung a = b soll dabei bedeuten, daß die beiden Zeichen a 
und b dieselbe Zahl darstellen. Ist also a=b, so ist auch stets b = a, 
und aus den beiden Gleichungen a =b und b=c folgt stets a= c. Ferner 


®) Siehe z.B. O.Hölder, Die Arithmetik in strenger Begründung. Programm- 
abhandl. d. philos. Fakult. zu "Leipzig (in Kommission bei Teubner, Leipzig 1914), 
sowie E. Pringsheim, Vorlesungen über Zahlenlehre, Erste Abteilung (Teubner, 
Leipzig 1916). 
Carath&odory, Reelle Funktionen. 1 


2 Einleitung 83 
folgt aus a=b und b>c, oder aus a>b und b=c, daß a>e ist. All- 


gemein kann man, wenn a = b ist, in allen Relationen zwischen Zahlen 
das Zeichen a durch das Zeichen b ersetzen. 

Die Relation a > b wird „a größer als b“ ausgesprochen; zur Be- 
quemlichkeit der Darstellung führt man noch die Zeichen 

<, 4,23, Ss 

ein, die folgende Bedeutung haben: 

a<-b ist eine andere Schreibweise für b> a und wird „a kleiner 
als b“ ausgesprochen. 

a=>b: „a ungleich b“ bedeutet, daB entweder a>b oder a<b, 
aber nicht a = b ist. | 

a> b: „a größer oder gleich b“ oder auch „a nicht kleiner als b“ 
bedeutet, daß entweder a > b oder a = b, aber nicht a < b ist. 

a<b: „a kleiner oder gleich b“ oder auch „a nicht größer als b“ 
bedeutet, daß entweder a < b oder a = b, aber nicht a > ist. 


3. Die Axiome der Addition lauten: 


II1. Sind a und b beliebig gegebene Zahlen, so gibt es 
eine eindeutig bestimmte Zahlc, die man die Summe von a 
und b nennt; man schreibt 


c=a-+b. | 
112. DieSummenoperation besitzt diekommutativeEigen- 
schaft ER N 


II 3. Die Summenoperation besitzt die assoziative Eigen- 


schaft a+(b+o)=(a+b)+tec. 
II 4 Wenna>a’ist, sista+b>a+b. 


Aus 114 folgt erstens unmittelbar, daß, wenn a <a’ ist, die Re- 
lation a +b<a’+b gilt, und zweitens, daß wenn a +5 > oder = 
oder <a’+b ist, die Zahl a bzw. > oder = oder <a’ ist. Der Beweis 
dieser letzten Behauptung ist in allen Fällen übereinstimmend. Setzen 
wir z. B. voraus a +5>a’+b, und nehmen wir an, es wäre nicht a >a/, 
dann kann nur a >a gelten, woraus mit Berücksichtigung von II 4 
folgt: a +b >a + b, was aber der Voraussetzung widerspricht. 

Es ist selbstverständlich, daß man zwei Gleichungen gliedweise 
addieren kann: ausa=a undb=b folgt a +b=a’+b. 

Aber man kann auch zwei Ungleichheitena>b unda’>b’ 
glioedweise addieren. Denn es ist nach II4 


a+a>b+a und A +b>b-+b, 


g4—7 Anordnungs- und Verknüpfungsaxiome 3 


ferner nach Il 2 
b+ta=a+b und b’+b=-b+b, 
also nach 13 
a+ta>b+b. 


4. Das Axiom der Subtraktion lautet: 

II. Sind a und b irgend welche Zahlen, so gibt es stets 
mindestens eine Zahl c, so dadßBa=b-+c ist. Die Zahl c wird 
die Differenz von a und b genannt. 

Mit Hilfe der früheren Sätze kann man beweisen, daß es nur eine 
Zahl c geben kann, welche die Gleichung a =b-+c befriedigt. Aus 
a=b+cunda=b+c folgt nämlich b +c=b-+ c und hieraus nach 
dem vorigen Paragraphen c = c‘. 


5. Wir führen jetzt die Null ein; es gibt nach IH eine Zahl £, so 
daß für ein gegebenes a die Gleichung 
a=ct+a 


besteht. Diese Zahl & ist von a unabhängig. Denn aus b=$&'’+b 
folgt zunächst 
b+a=(E+b)+a 


und hieraus nach den Axiomen der Addition 
a+b=(E+a)+b. 


Es ist daher a = &’+ a und somit wegen der Eindeutigkeit der Sub- 
traktion &= &’. Die so definierte Zahl nennen wir Null und schrei- 
ben &=(0. 


6. Jetzt kann man positive und negative Zahlen trennen. Eine 
Zahl p heißt positiv, wenn p > 0 ist, und eine Zahl » heißt negativ, 
wenn 2 < 0 ist. Jede von Null verschiedene Zahl ist nach I1 entweder 
positiv oder negativ. 

Satz 1. Ist p eine positive Zahl, so it atp > a. 

Es ist nach Voraussetzung 9 > 0; also nach 14 ist a +p>a+0=a. 
Analog gilt für eine negative Zahl » die Gleichung: a +n <a. 

Satz 2. Ist a>b und setzt mana=b+c,soiste>Q. | 

In der Tat würde aus c<O folgen b+c<sb, was der Voraus- 
setzung b-+ c= a > b widerspricht. 


7. Zwei Zahlen a und a’ heißen entgegengesetzt, wenn ihre 
Summe Null ist: a+a’=0. Ist a= (0, so ist auch a’= 0, denn dies 
1* 


4 Einleitung 88 
folgt aus a+a’=0=a nach der Definition der Null. Ist dagegen 
@«>0,so muß a’<O sein. Denn wäre a’>0, so wäre nach dem vorigen 
Paragraphen a +a’>a>0, und wäre a’=(, so wäre a+a'=a>(, 
was beides der Definition entgegengesetzter Zahlen widerspricht. 

Das Axiom 1 2 verbunden mit diesem letzten Resultat zeigt uns, 
daß es sowohl positive, wie auch negative Zahlen gibt. | 

Ist a gegeben, so ist die zu a entgegengesetzte Zahl @’ durch die 
Gleichung a + a’= O0 eindeutig bestimmt. Man führt jetzt das Minus- 
zeichen ein, indem man schreibt a@ = —.a, wenn a und a’ entgegen- 
gesetzte Zahlen sind. Wegen der Symmetrie der Definition solcher 
Zahlen muß dann a=— a’ sein und alo a = — (—a). 

It a=c+b,so iste=a-+ (—b) oderkurzc=a — b. Denn aus 
a=c+bfolgta+(-b)=c+b+(—-b), aloa—b=c+0=c. 

8. Die Axiome der Multiplikation lauten: 

IV1. Zu zwei Zahlen a und 5b gibt es eine eindeutig be- 


stimmte Zahl c, die das Produkt beider heißt. Man schreibt 
c=a-.b, oderauchc=ab. 

Über die Multiplikation gelten die Gesetze: 

IV2. Das kommutative Gesetz: a-b=b-a. 

IV3. Das assoziative Gesetz: a-(b-c)= (a-b).c. 

IV4. Das distributive Gesetz: a-(b+c)=a-b-+.a:«c. 

IV5. Itp, >Oundp,>0,soistauch 9,9, >. 


Es seien a und 5 beliebige Zahlen; nach dem Früheren haben wir 
b=b-+0, also et: 
folglich nach IV4: a-b=a-b-+.a-0. Nach der Definition der Null 
ist daher a-O0=0. Das liefert uns den 

Satz 3. Das Produkt einer beliebigen Zahl mit der Null ist gleich Null. 

Sind a und a’ entgegengesetzt und b eine beliebige Zahl, so folgt 
aus dem letzten Satze, wegen a + a’= (0), mit Hilfe des distributiven 


ae (a+a)b=a-b+a” b=0 
oder 
(—a)-b=— (a-b). 


Aus der letzten Formel bekommen wir ferner 
-a)-(-8)= -[a-(-d]= -[-(@d)]= a:b. 
Die letzten „Vorzeichenregeln“ zusammen mit IV 5 liefern den 


Satz 4. Das Produkt einer positiven und einer negativen Zahl ist 
negativ; das Produkt von zwei negativen Zahlen ist positiv. 


| Anordnungs- und Verknüpfungsaxiome 5 









Mus folgt insbesondere der 
. Ball. Das Produkt ab von zwei Zahlen a und b verschwindet dann 
a nu nn, wenn eine der beiden Zahlen gleich Null ist. 

Dei@i für jeden der anderen möglichen Fälle ist das Produkt, wie 
ne sahaı entweder positiv oder negativ. 
Mi Sat6. Ist p eine positive Zahl, und ist a>b, so ist auch ap > bp. 

sianegative Zahl, und ist a > b, so ist an <- bn. 

Nadel Voraussetzung kann man schreiben: a=b-p,, wo p, positiv 
ist 





ap=bp+pp, >bp, 
an=bn-+pn<bn. 


9. Ias Axıom der Division lautet: 


V.Bt b+F0 unda eine beliebige Zahl, so gibt es stets 
mindest##ns eine Zahl c, so daßBa=c-bist. Man schreibt dann 


= - oderc=a:b. Die Zahlc heißt der Quotient vona durchb. 


Die Bedingung b +0 ist natürlich notwendig; ist nämlich b = 0, 
so hat di® Gleichung a = cb nur dann eine Lösung, wenn a = 0 ist, 
und im diksem Falle ist c vollständig willkürlich. 

Ist der b=+ 0, so läßt sich zeigen, daß c durch unsere Forderung 
eindentigibestimmt ist. Denn angenommen, es gäbe noch eine Zahl c', 
so daß za gleicher Zeit cbo=cbundc-+.c’ stattfinden, so könnte man 
die Gleichung aufstellen e’=c+%, wok +0 sein muß. Daraus würde 
aber folgen 

cb=(-+kb=chb+kb=+cb, 


was der Yoraussetzung widerspricht. 


10. Wir führen jetzt die Eins ein. Es gibt nach V für jedes a+0 
eime Zahlle, so daßa = ea ist. Diese Zahl ist von a unabhängig. Denn 
ist 5A und b=e’b, so ist auch ab=as’b. Da aber nach dem 
vorigen #esultat die Division eindeutig ist, so mußa= ae’ und daher 
&@ = ealsein; eine zweite Anwendung desselben Schlusses liefert dann 
die zu beweisende Gleichung &=e’. Die so bestimmte Zahl & drücken 
wir durch das Zeichen 1 aus. 

Ist irgend eine positive Zahl, so folgt aus 9-1=p> 0, mit Hilfe 
der Sätz@über das Vorzeichen rines Produktes, daß 1 weder Null noch 
negativ in kann; wir haben also: & 


1>0. 








6 Einleitung 8 11—13 


Zahlenmengen. Axiome der natürlichen Zahlen. 


11. Charakteristisch für unsere heutige Mathematik ist die N: 
zeitige Betrachtung von Gesamtheiten von Zahlen, die man Zahlen. 
mengen nennt. Die einzelnen Zahlen a, die zu der betrachteten G4. 
samtheit {a} gehören, nennt man die Elemente der Menge. Außerd m) 
betrachtet man auch sogenannte „leere“ Mengen, d.h. solche, die kelin 
einziges Element besitzen. Zwei verschiedene Elemente einer Menge 
stellen stets zwei verschiedene Zahlen dar. 

Haben zwei Mengen {a} und {b} die Eigenschaft, daB jedes Ele- 
ment 5 von {b} zugleich auch Element von {a} ist, so sagt man, daß 
die Menge |b} eine Teilmenge von {a} ist. Hiernach ist jede Menge 
eine Teilmenge von sich selbst. Man setzt außerdem noch fest, daß die 
leeren Mengen Teilmengen von jeder beliebigen Zahlenmenge sind. Ist 
(b} eine Teilmenge von {a}, gibt es aber gewisse Elemente von {a}, 
die nicht in {b} enthalten sind, so sagt man, daß (b} eine echte Teil- 
menge von {a} ist. 






12. Die Axiome für die natürlichen Zahlen lauten: 


VIl. Die Zahl 1 ist eine natürliche Zahl, und (» + 1) soll 
ebenfalls eine natürliche Zahl sein, sobald n eine solche ist. 

VI12. Jede Teilmenge von natürlichen Zahlen, welche die 
Zahl 1 und mit der Zahl k immer auch (k+1) enthält, ist mit 
der Gesamtmenge der natürlichen Zahlen identisch. 


Die Menge der natürlichen Zahlen nennt man auch die natürliche 
Zahlenreihe und bezeichnet sie folgendermaßen: 


1,2, 9,405 


hierbei it 2= (141), 3=(2+1) usf. 
Es sein eine natürliche Zahl; die Gesamtheit der natürlichen Zah- 


len k, die der Bedingung 
k<n 


genügen, ist eine echte Teilmenge der natürlichen Zahlenreihe, denn 
sie enthält nicht die natürliche Zahl (n + 1). Man nennt diese Teilmenge 
den Abschnitt der natürlichen Zahlenreihe an der Zahl » und 
bezeichnet sie durch das Symbol: 


1,2,...,% 
13. Das Axiom VI 2 ist einem Satz gleichbedeutend, den man das 


Prinzip der vollständigen Induktion oder auch den Schluß von 
n auf (» + 1) nennt und folgendermaßen aussprechen kann: 





g 14 Zahlenmengen. Axiome der natürlichen Zahlen 7 


Satz 1. Ist B(k) irgendeine Behauptung, die von einer Zahl k ab- 
hängt und 
a) für k= 1 besteht, 
b) stets mit k auch für (k +1) besteht, 
so ist die Behauptung B(k) ausnahmslos für alle natürlichen Zahlen richtig. 
In der Tat enthält die Teilmenge {»} der natürlichen Zahlenreihe, 
für welche B(k) richtig ist, sowohl die Zahl 1 als auch die Zahl (k+1), 
sobald sie die natürliche Zahl % enthält. 
Man kann sogar einen etwas allgemeineren Satz derselben Art be- 
weisen. | 
Satz 2. Ist B(k) ürgendeine Behauptung, die von einer Zahl k ab- 
hängt und 
a) für k=1 besteht, 
b) immer mit k auch für (k +1) besteht, wenn k eine Zahl des Ab- 
schnitts der natürlichen Zahlenreihe an der Zahl n bedeutet, 
so ist B(k) für alle Zahlen des Abschnitts der natürlichen Zahlenreihe an 
der Zahl (n+1), also auch insbesondere B(n + 1), richtig. 


Es sei {q} die Teilmenge der natürlichen Zahlen, für welche ent- 
weder ®B(g) besteht, oderg>n ist. Diese Menge enthält wegen a) die 
Zahl 1 und wegen b) enthält sie stets mit g auch (9-+ 11). Hieraus folgt 
nach VI 2, daß für jede natürliche Zahl k entweder B(k) oder k>n 
bestehen muß. Die Behauptung ®B(k) ist also für alle Zahlen des Ab- 
schnitts k<n richtig, und da ®(n) richtig ist, ist auch B(n + 1) richtig. 


14. Wir leiten jetzt einige der Haupteigenschaften der natürlichen . 
Zahlen ab. | 

Satz 3. Alle natürlichen Zahlen sind positiv; die Zahl Eins ıst die 
kleinste unter ihnen. 

In der Tat ist die Relation k>1 fürk=1 richtig; ist diese Re- 
lation ferner für k= n erfüllt, d.h. ist n > 1, so ist (n+1)>1. Nach 
VI2 sehen wir also, daß jede natürliche Zahl > 1 und daher positiv 
ist. Ferner muß aber auch jede von Eins verschiedene natürliche Zahl 
>1 sein. 

Satz 4. Sind a und b natürliche Zahlen und a>b, so ist die Diffe- 
renz (a—b) ebenfalls eine natürliche Zahl, und man kann schreiben a=b-+n, 
wo n eine natürliche Zahl bedeutet. 

Ist k= 1, so ist (k— 1) = 0; ist (k— 1) entweder gleich Null oder 
gleich einer natürlichen Zahl, so ist (&+D)—1)=((k—-1)+]) immer 
gleich einer natürlichen Zahl. Nach dem Satz 1 ist also jede Zahl von 


8 Einleitung 8 15 


der Form (k—1), wo k eine natürliche Zahl bedeutet, entweder gleich 
Null oder gleich einer natürlichen Zahl. Hieraus folgt aber die Richtig- 
keit unseres Satzes für b= 1 und für jedes beliebige «a >b; denn es 
ist dann (a—b)= (a — 1), und diese letzte Zahl ist wegen der Be- 
dingung a > b von Null verschieden. 

Angenommen der Satz wäre bewiesen für b= k und für jedes be- 
liebige a > b, so wird nach dem Prinzip der vollständigen Induktion 
unser Satz allgemein bewiesen sein, wenn wir zeigen, daß er auch für 
b=%k-+1 und für jedes beliebige a > 5 richtig ist. Es sei also a>k+1; 
dann ist erstens (a—1)>%>1 und folglich nach dem Früheren eine 
natürliche Zahl. Nach Voraussetzung ist nun (a—1)=k+n, won 
eine natürliche Zahl bedeutet, und daher a= (k+1)+n=b-+n, was 
wir beweisen wollten. 

Ganz ähnlich zeigt man, daß die Summe und das Produkt von 
zwei natürlichen Zahlen wieder natürliche Zahlen sind. 


15. Wir beweisen jetzt den wichtigen Satz: 


Satz 5. Jede Menge {a} von natürlichen Zahlen, die nicht leer ist, 
besitzt ein kleinstes Element, d.h. es gibt mindestens ein Element a, von 
der Eigenschaft, daß jedes beliebige Element a > a, ist. 


Wir bezeichnen mit a’ irgendein Element von {a}; ein solches 
muß nach Voraussetzung immer existieren. Um nun den Satz zu be- 
weisen, bemerken wir, daß, wenn die Zahl Eins Element von {a} ist, 
unsere Menge ein kleinstes Element besitzt, und daß dann unsere Be- 
hauptung richtig ist. Ist aber 1 nicht in {@} enthalten, so ist die Zahl 1 
kleiner als jedes Element von {a}. Wäre nun für jede natürliche Zahl %, 
die kleiner als jedes Element von {a} ist, diese Eigenschaft auf (k+1) 
übertragbar, so müßte nach VI2 jede natürliche Zahl, also auch a’, 
kleiner sein als jedes Element von {a}, was einen Widerspruch enthält. 

Es gibt also notwendig eine natürliche Zahl k, die kleiner als jedes 
Element von {a} ist, so daß die natürliche Zahl (k +1) diese Eigen- 
schaft nicht besitzt. Oder anders ausgedrückt, mindestens ein Element a, 
von {a} ist <(k+1). Da.a, eine natürliche Zahl > % ist, so ist nach 
Satz 4 

w„=krn. 


Aus a,<k+ 1 folgt dannk+n<k+1 und schließlich (Satz 3), daß 
n=1odera,=k-+1 sein muß. Für jedes andere Element a von {a} 
gilt aber ebenfalls die Darstellung a=k-+n und folglich ist 


nv<a, 


8 16 Zahlenmengen. Axiome der natürlichen Zahlen 9 


d.h. die Zahlenmenge {a} besitzt ein kleinstes Element, wie wir be- 
weisen wollten. 


16. Das Prinzip der vollständigen Induktion erlaubt auch den An- 
zahlbegriff, d.h. die Kardinalzahlen mit Hilfe unserer Axiome zu 
erklären. 


Definition. Von einer beliebigen Menge*) sagt man, daß sie 
nur aus endlich vielen Elementen besteht, wenn man ihre Ele- 
mente eineindeutig den Zahlen irgend eines Abschnittesk<n 
der natürlichen Zahlenreihe zuordnen kann, oder, wie wir 
kurz sagen wollen, wenn man die Menge auf den Abschnitt 
eineindeutig abbilden kann. 


Gelingt es nun zu zeigen, daß man jede Menge von endlich vielen 
Elementen nur auf einen einzigen Abschnitt k<n der natürlichen 
Zahlenreihe eineindeutig abbilden kann, so ist die Zahl » charakteri- 
stisch für unsere Menge, und man kann von einer Anzahl von Ele- 
menten sprechen. 

Enthält die Menge ein einziges Element, so kann man sie nur auf 
den Abschnitt k < 1 der natürlichen Zahlenreihe eineindeutig abbilden. 

Es sei nun n eine natürliche Zahl von der Eigenschaft, daß keine 
Menge, die auf den Abschnitt k<n eineindeutig abgebildet werden kann, 
auch auf einen anderen Abschnitt k<n’ abbildbar ist, wobei n’#n ist. 
Wir zeigen jetzt, daß (» +1) dieselbe Eigenschaft besitzt, und entneh- 
men dann aus dem Prinzip der vollständigen Induktion, daß diese Eigen- 
schaft, wie wir beweisen wollten, für jede natürliche Zahl gilt. 

Es sei also {a} eine Menge von endlich vielen Elementen, die ein- 
eindeutig auf die Abschnittek <n +1 undk<N +1 der natürlichen 
Zahlenreihe abgebildet werden kann; es ist zu zeigen, daß n= N ist. 
Es sei a’ dasjenige Element der Menge, das bei der ersten Abbildung 
der Zahl (n-+ 1) entspricht, a” dasjenige Element, das bei der zweiten 
Abbildung der Zahl (N -+1) entspricht. 

Wir bezeichnen mit {a} —a', {a}—a” und {a}—a’— a” die 
von a’, von a” und vona’ und a” verschiedenen Elemente von |a}.**) 
Die Menge {a} — a” ist auf den Abschnitt k < N abgebildet; man kann 
aber auch, indem man die Elemente von {a} — a’— a” sich selbst ent- 


*, Die obige Definition kann man außer auf Zahlenmengen auch auf all- 
gemeinere Mengen, z.B. auf die weiter unten definierten Punktmengen, anwenden. 

“), Im Falle, daß die Zeichen a’ und a” zufällig dasselbe Element be- 
zeichnen sollten, stellen natürlich die Symbole {a} —a’, {a} — a” und 
{a} — a’— a” dieselbe Zahlenmenge dar. 


10 Einleitung 8 17. 18 


sprechen läßt und a” auf a’ abbildet, die Elemente von (a}— a” und 
{a} — a’ eineindeutig aufeinander abbilden und folglich die erste dieser 
Mengen ebenso wie die zweite auf den Abschnitt k <» beziehen. Hier- 
aus folgt aber nach Voraussetzung, daß n = N sein muß, was zu be- 
weisen war. 

Betrachtet man die Zahlen eines beliebigen Abschnittes k<n der 
natürlichen Zahlenreihe als Elemente einer Menge, so sieht man, daß 
es Mengen von endlich vielen Elementen gibt, deren Anzahl n ist. 

Die Abbildung einer Zahlenmenge von endlich vielen Elementen 
auf den Abschnitt k <» der natürlichen Zahlenreihe kann man dadurch 
zum Ausdruck bringen, daß man die Elemente der Menge mit Indizes 
versieht, und sich einer der Bezeichnungen 


Q,; As, „..yg A, 


oder 
a, (k=1,2,...,n) 
bedient. 


17. Satz 6. Eine Zahlenmenge a,, Q,, ...., a, von endlich vielen Ele- 
menten enthält ein größtes und ein kleinstes Element. 


Jeder Zahl a, unserer Zahlenmenge ordnen wir eine Zahl b, fol- 
gendermaßen zu: es soll 5,=a, sein, und wenn %k eine Zahl des Ab- 
schnitts k<(n— 1) der natürlichen Zahlenreihe bedeutet, so soll b,, , 
gleich der größeren unter den beiden Zahlen b, und a,,, sein. Nach 
dem Satze2 des $13 sind dann die, für alle Zahlen des Abschnitts < n 
definiert; ferner ist nach demselben Satze jedes b, also insbesondere 
b, gleich einem unter den Elementen a,,@,,...,qa,, und es gilt für 
jedes k <n die Beziehung 

a,<b,<b 


= "nn? 


womit der erste Teil des Satzes bewiesen ist. Ebenso beweist man, 
daB die gegebene Zahlenmenge ein kleinstes Element besitzt. 


Das Stetigkeitsaxiom. 


18. Eine Zahlenmenge, die nicht aus endlich vielen Elementen be- 
steht, braucht kein größtes oder kleinstes Element zu besitzen. Die 
Menge der natürlichen Zahlen besitzt z. B. kein größtes Element, denn 
man kann jeder natürlichen Zabl » eine größere, nämlich (n+1) zu- 
ordnen, die auch in der betrachteten Menge enthalten ist. 

Dagegen sollen die reellen Zahlen noch folgendem letzten Axiom 
genügen: 


8 18 Das Stetigkeitsaxiom 11 


VD. Ist {a} eine beliebige Zahlenmenge, und gibt es Zah- 
len A, die größer oder gleich allen Elementen a von {a} sind, 
so besitzt die Zahlenmenge {A} aller dieser Zahlen A ein 
kleinstes Element G@, das die obere Grenze von {a} genannt 
wird. 

Mit anderen Worten: entweder gibt es überhaupt keine Zahl, die 
größer oder gleich allen Elementen von {a} ist, oder es gibt eine Zahl @, 
die nicht nur diese Eigenschaft besitzt, sondern noch eine zweite, nän- 
lich, daß man jeder Zahl EG 


ein Element a’ von {a} zuordnen kann, das größer als @’ ist: 

G’<a”. 
Die Möglichkeit, daß es überhaupt keine Zahl A gibt, die größer oder 
gleich allen Elementen von {a} ist, liegt z. B. in folgendem Falle vor: 
. Es sei & eine beliebige positive (also von Null verschiedene) Zahl; wir 
betrachten die Zahlenmenge {ke}, in der die Zahl k eine beliebige natür- 
liche Zahl bedeutet. Gibt es dann Zahlen, die > sämtlichen ke sind, 
so sei @ die obere Grenze von {ke}. Dann ist erstens für jede natür- 
liche Zahl k 
(1) ke<o, 
zweitens aber gibt es eine natürliche Zahl k,, so daß 
ist, weil (o— &) kleiner als die obere Grenze o ist. 

Nun folgt aber aus (2) 
(Ro En l)s >00, 

d.h. eine Ungleichheit, die der Bedingung (1) widerspricht. 

Wir führen jetzt folgende Definition ein: Kann man jeder be- 
liebigen Zahl « ein Element der Zahlenmenge {a} zuordnen, 
das größer ist als «, so sagt man, die Zahlenmenge {a} hat 
die obere Grenze + oo (gelesen: „plus unendlich“). 


Das Stetigkeitsaxiom kann man dann kurz aussprechen: 
Jede Zahlenmenge hat entweder eine endliche obere 
Grenze oder die obere Grenze + oo. 


Ferner liefert das soeben bewiesene Resultat einen wichtigen Satz, 
den schon Archimedes benutzt hat: 


Satz von Archimedes. Ist s eine beliebige, positive Zahl, so ist die 
obere Grenze von |e, 28, 3&,...})=+ ©. 


12 Einleitung 8 19. 20 


19. Wir betrachten jetzt die Menge {a’) der zu den Zahlen a einer 
Menge {a} entgegengesetzten Zahlen 


a=—a. 
Ist die obere Grenze von {a’} eine Zahl G’, so nennt man die Zahl 
== 


die untere Grenze der Zahlenmenge {a}. Ist die obere Grenze von 
[a’} aber + 00, so sagt man, daß die untere Grenze von {a} gleich 
— 00 ist. 

Die untere Grenze einer Zahlenmenge hat also folgende Bedeutung: 
Falls es Zahlen gibt, die < allen Elementen von {a} sind, so ist die 
untere Grenze von {a} die größte unter diesen Zahlen. Falls aber der- 
artige Zahlen nicht existieren, so ist die untere Grenze gleich — wo. 
Jede reelle Zahl wird im Gegensatz zu den Symbolen + oo als „end- 
lich“ bezeichnet. 


20. Eine Zahl, die einer natürlichen Zahl entweder gleich oder ent- 
gegengesetzt ist, oder die gleich Null ist, nennt man eine ganze Zahl. 

Der Begriff der ganzen positiven Zahlen deckt sich daher mit 
dem Begriff der natürlichen Zahlen. Ferner beweist man ohne Schwie- 
rigkeit nach unseren früheren Darlegungen, daß die Summe, die Dif- 
ferenz und das Produkt von zwei ganzen Zahlen wieder eine ganze 
Zahl ist. | 

Ist a eine beliebige Zahl, so gibt es, wenn wir im Satz von Archi- 
medes = 1 setzen, nach diesem Satze eine ganze positive Zahl p, die 
größer als — a ist: 

p>—a 

oder 
(1) p+a>d. 


Man bezeichne mit q die kleinste natürliche Zahl, die (p+ a) über- 


trifft ($ 15, Satz 5). Ist dann q >1, so ist (g—1) ebenfalls eine natür- 
liche Zahl, und man hat 


(2) ga 1spta<g; 


ist aber q= 1, so ist wegen (1) die Relation (2) ebenfalls erfüllt. Die 
ganze Zahl 


n=q—p-|1l 
hat also stets die Eigenschaft, daß | 
n<sa<nH+tl 


ist, d.h. wir haben den Satz: 


8 21 Das Stetigkeitsaxiom 13 


Satz 2. Ist a eine beliebige Zahl, so gibt es stets zwei aufeinander- 
folgende ganse Zahlen n und (n-+ 1), welche die Relation 


n<a<n-ti 
erfüllen. 


21. Eine Zahl von der Gestalt 
@ E 


wo p und q gauzzahlig sind und g=+F0 ist, heißt eine rationale 
Zahl; das Symbol (1) heißt ein Bruch, p ist der Zähler, q der 
Nenner des Bruches. Jede ganze Zahl ist rational; man braucht ja 
bloß, um die Form (1) herzustellen, p gleich der gegebenen ganzen Zahl 
und qg =1 zu setzen. 

Die Summe, die Differenz, das Produkt und der Quotient 
von zwei rationalen Zahlen sind wieder rationale Zahlen; dabei ist die 
Null als Divisor stets ausgeschlossen. 

Es seien a und b zwei beliebige Zahlen, die voneinander verschieden 
sind, und es sei a < b. Nach dem Satz von Archimedes können wir eine 
natürliche Zahl q finden, so daß 

qab—a)>1 
ist, was man auch 
(2) ga+1i1<gb 
schreiben kann. 
Nach dem vorigen Satze kann man zwei aufeinanderfolgende ganze 
Zahlen (9 — 1) und p finden, so daß 


p—-1l<zga<p 
ist, und diese letzte Relation kann ıman noch schreiben 
(8) ga<p<ga+l. 
Vergleicht man (2) und (3), so erhält man 
| ga<p<gb 
und hieraus 
a<7 <b. 


Satz 3. Sind a und b verschiedene Zahlen, so gibt es immer mindestens 
eine ralionale Zahl r, die zwischen ihnen liegt. 


Bezeichnet man mit {r} die Gesamtheit der rationalen Zahlen, die 
kleiner sind als eine gegebene Zahl a, so ist keine Zahl a’<a größer 


14 Einleitung g 22 


oder gleich allen Zahlen von {r}, da nach dem letzten Satze rationale 
Zahlen existieren, die zwischen a’ und a liegen. Hieraus folgt: 


Satz 4. Jede Zahl ist die obere Grenze der rationalen Zahlen, die 
sie übertrifft. 


Ebenso beweist man, daß jede Zahl die untere Grenze der ratio- 
nalen Zahlen ist, die die gegebene Zahl übertreffen. 


Ein anderer sehr nützlicher Satz ist folgender: 

Satz 5. Die untere Grenze der Zahlen von der Form 
1 
nn’ 

won eine beliebige natürliche Zahl bedeutet, ist gleich Null. 

In der Tat sind alle diese Zahlen positiv, ihre untere Grenze also 
sicher nicht negativ. Ist aber & eine beliebige positive Zahl, so gibt es 
nach dem Satz von Archimedes eine natürliche Zahl n, so daß 

ne>]1l 
oder , 
1 
a 
ist. Hieraus folgt aber die Behauptung unmittelbar. 


22. Die Symbole + oo und — oo, die wir eingeführt haben, sind 
keine eigentlichen Zahlen; würde man versuchen alle früheren Axiome 
auf die durch diese Symbole erweiterte Menge aller reellen Zahlen an- 
zuwenden, so würden sich sehr bald Widersprüche einstellen. Es ist 
aber möglich, Regeln für das Rechnen mit den Symbolen + oo aufzu- 
stellen, deren Anwendung äußerst bequem ist, weil sie in vielen Fällen 
die Ausdrucksweise bedeutend abkürzen. Da es sich nur um eine kleine 
Anzahl solcher Regeln handelt, kann man sich in jedem speziellen Falle 
leicht vergewissern, ob ihre Anwendung zu richtigen Resultaten führt. 
Der Leser dieses Buches muß dies stets tun und zugleich im Auge be- 
halten, daß es sich lediglich um eine Ausdrucksweise handelt, die 
nur erlauben soll, gewisse langwierige Fallunterscheidungen zu vermei- 
den. Ob im Folgenden ein Buchstabe nur eine endliche Zahl oder auch 
eins der Symbole +00 bedeuten darf, wird immer unzweideutig aus 
dem Zusammenhange hervorgehen. 

Für die durch + oo und — oo erweiterte Menge aller reellen Zahlen 
erklären wir nun folgende Bezeichnungen und Relationen: 

1. Ist a eine beliebige endliche Zahl, so setzen wir 


(1) a<+oo und a>—oo, 


8 23 Das Stetigkeitsaxiom 15 
außerdem aber noch | 
(2) . —-o<+m. 

Genügt also z.B. eine Zahl a unserer erweiterten Menge der Be- 
dingung 

a<+m®, 

so heißt das, daß a entweder eine endliche Zahl oder — oo ist. 

2. Ist a eine endliche Zahl, so setzt man 


(3) at =+o+a=+m, 

(4) a—-— = —-o ta=— 0 

und außerdem _ 

(5) + +o=-+oo, —- 00-0 = —. 


3. Bedeutet p eine positive und n eine negative Zahl, so setzt man 
PH) (+0) p-+0 
n-(+00)=(+00)-n = — oo 
2%) = 8), p=— 
n-(-o0)=(-o).n=-+o 


(6) 


und außerdem 
(+0) (+0) + 

(7) +) - Ro) (- a) (to)= 0 
x) (-0)- +0. 

Aus (6) folgt dann insbesondere, daß 


@ (0) = (-1):(-0)= +0 
ist. 
4. Ist a eine beliebige endliche Zahl, so setzt man 
a a 
(9) eh 


Die soeben erklärten Operationen werden wir sehr oft benutzen; da- 
gegen sind die folgenden Operationen nicht erklärt und sollen stets 
als sinnlos angesehen werden: 
1. die Division einer beliebigen endlichen oder unendlichen Zahl 
durch Null, 
2. Die Operationen 
+» 


+99 —-o, —o +, 0(+®), (+&%)0, ee 


23. Die Betrachtung der unendlichen Zahlen im Sinne des vorigen 
Paragraphen erlaubt insbesondere den Wortlaut gewisser Sätze über 


16 Einleitung 8 24 


obere und untere Grenzen von Zahlenmengen sehr zu vereinfachen, da 
man dann die verschiedenen Fälle, wo diese Grenzen endlich oder un- 
endlich sind, alle zusammen behandeln kann. Es können sogar unend- 
liche Zahlen unter den Elementen unserer Mengen vorkommen, ohne 
daB wir unsere Betrachtungen zu verändern brauchen: 


Satz 6. Sind {a} und |b} zwei beliebige Zahlenmengen und kann 
man jedem Element a von {a} mindestens ein Element b von |b} zuordnen, 
das nicht kleiner als a ist, so ist die obere Grenze G, von |b} nicht kleiner 
als die obere Grenze G, von {a}. 

Kann man dagegen jedem Elemente von {a} mindestens eın nicht 
größeres Element von {b} zuordnen, so besteht swischen den unteren Gren- 
zen 9, von |b} und g, von {a} die Relation 


KZH- 


Aus @,> @, würde nämlich folgen, daß mindestens ein Element 
von {a} existiert, das größer als G, und folglich als alle Elemente von 
{db} ıst; und aus g, < 9, würde man die Existenz eines Elementes von 
{a} behaupten können, das kleiner ist als g, und folglich als alle Ele- 
mente von {b}. Beides widerspricht aber den Voraussetzungen des Satzes. 


Ein spezieller Fall des vorigen Satzes ist folgender: 


Satz 7. Ist die Zahlenmenge (a) eine Teilmenge der Zahlenmenge (b}, 
so bestehen zwischen den oberen und unteren Grenzen dieser Zahlenmengen 
zugleich beide Relationen 

G.<G, wd 9,29 


In der'Tat ist dann jedes Element von {a} gleich einem Elemente 
von {b}. 


Absolute Beträge. 


24. Unter dem absoluten Betrag einer endlichen Zahl a ver- 
steht man eine nicht negative Zahl, die mit |a| bezeichnet und folgen- 
dermaßen definiert wird: 


lal=a falls a>0, 
al=--a fals a<O 
ist. 
Es ist stets 
(1) al=\-al, 


wie sofort aus der Definition erhellt. 


8 25 Absolute Beträge 17 


Sind a und b zwei beliebige endliche Zahlen, so ist: 
1. falls a >O undb>0O oder a<O y b<O ist, 
b|, 


a+d=lal+| 
2. falls a>0O undb<O oder a<O und b >O ist, entweder 
a+5=lal— |d| <jal + |d| 
a+b=|d| -jal<lal+ dl. 
In allen Fällen ist also 


oder 


(2) Ia—-ldl<ja+dl<lal+ ll. 
Ferner ist immer, wegen (1), 
(8) \a-d| = la|-\b|- 


Setzen wir ferner 


zo|=-+w, 


so sieht man leicht, daß die Relationen (1), (2) und (3) für die durch 
+ oo erweiterte Menge aller Zahlen erhalten bleiben, so lange die darin 
ausgeführten Operationen einen Sinn haben ($ 22). 


25. Sind a und b zwei endliche Zahlen, so kann man mit Hilfe 
des Begriffs des absoluten Betrages einen Ausdruck für die größere und 
die kleinere der beiden Zahlen ableiten. Es sei z.B. a<b; dann hat man 


db—-al=b-a 

| „++ al 
a 

Ist aber a >b, so findet man 


und 


d-al=a-—b 

und daher 
a+b+|jb—a > 
u a 

Die größere der beiden Zahlen ist also stets 

a+b+|b—al 

9 ’ 

und ebenso findet man, daß die kleinere der beiden Zahlen gleich 

a+b—|b—al 

Ba zer en 


ist. 
Carath&odory, Beelle Funktionen. 2 


18 Einleitung. Das Zuordnungsaxiom 2a 


Das Zuordnungsaxiom. 


26. Es ist meistens bequem, die Sprache der analytischen Geo- 
metrie zu benutzen, und statt von Zahlen, von Punkten, die auf einer 
Achse liegen, zu sprechen. Dies erfordert ein neues Axiom, das uns 
aber deshalb natürlich erscheint, weil die Streckenrechnung der Alten, 
die im Lehrbuche von Euklid ihre endgültige Darstellung gefunden hat, 
den vorhesgehenden Axiomen — soweit sie für positive Zahlen gelten — 
genügt. | 

Dieses Axiom, das die Verbindung zwischen Analysis und Geo- 
metrie herstellt, lautet: 


VII. Ordnet man jedem Punkte P einer Achse, auf wel- 
cher der Nullpunkt O und der Einheitspunkt E gegeben sind, 
eine Zahl x zu, die gleich dem Verhältnisse 


oP 
ee 
OE 
=> ee . [) 
der gerichteten Strecken OP und OE ist, so entspricht ver- 


möge dieser Zuordnung jeder endlichen Zahl x genau ein 
Punkt P der Achse. 


Wählen wir in einer Ebene zwei Achsen, die sich senkrecht schnei- 
den, und legen den Nullpunkt jeder Achse in ihren Schnittpunkt mit 
der andern, die Einheitspunkte aber in zwei andere beliebige Punkte 
dieser Geraden, so ist jedem Punkte der Ebene das Zahlenpaar seiner 
Koordinaten zugeordnet, und umgekehrt jedem Zahlenpaar ein Punkt 
der Ebene. 

Ganz analog wird jedem Zahlentripel ein Punkt des en 
sionalen Raumes zugeordnet, und umgekehrt. 

Endlich kann man aber auch die Sprache der »-dimensionalen Geo- 
metrie einführen, indem man jedem Komplex (2, %, - - ., 2,) von 
n endlichen Zahlen einen Punkt des »-dimensionalen Raumes RN, zu- 
ordnet. Damit gewinnen wir die Möglichkeit, unseren Resultaten, die 
sich eigentlich nur auf Zahlen beziehen, eine gewisse Anschaulichkeit 
zu verleihen, ohne deshalb diese Resultate weniger scharf und streng 
ableiten zu müssen. 


8 27 Kap. I. Über Punktmengen. Definitionen 19 


Kapitel I. Über Punktmengen. 
Definitionen. 


27. Betrachtet man die umkehrbar eindeutige Abbildung der reellen 
Zahlen auf die Punkte einer Achse ($ 26), so entspricht jeder Zahlen- 
menge ($ 11), die aus endlichen Zahlen besteht, eine sogenannte 
lineare Punktmenge. 

Eine lineare Punktmenge ist eine Gesamtheit von Punk- 
ten einer Geraden, die ganz beliebig ist; d.h. wir brauchen 
nur zu wissen, daß jeder Punkt der Geraden nur entweder 
zur Menge oder nicht zur Menge gehören kann. 


Beispiele von linearen Punktmengen: 


1. Die Punktmenge, die aus dem Punkte x = 0 allein besteht. 

2. Die Punktmenge, deren Elemente den ganzen Zahlen 0,1,2,3,... 
entsprechen. 

3. Die Punktmenge, die aus den Punkten 


1 


I 


(k=1,2,3,...) 
besteht. | 

4. Die Punktmenge, die aus den Punkten unter 3. und außerdem 
aus dem Punkte x = O besteht. 

5. Die Menge aller rationalen Punkte (d. h. Punkte mit rationaler 
Abszisse). 


6. Die Punktmenge, deren Punkte die Bedingung 
0<sı<l 


befriedigen. Diese Punktmenge enthält den Punkt x=0, aber nicht 
den Punkt = 1. 

7. Das lineare Intervall von a bisb (a<b). Das ist der In- 
- begriff aller Punkte der Achse, 


die der Bedingung Sr ME Fr nn 


0 a 1 b x 
a<x<b Fig. 1. 


genügen, wobei a und b endliche Zahlen bedeuten. Die Punkte a und b 
heißen die Endpunkte des Intervalls und gehören nicht zum Inter- 
vall Der Punkt 





a+b 
2 


heißt der Mittelpunkt des Intervalls, die positive Zahl (b—a) wird 
die Länge des Intervalls genannt. 
2*# 


20 Kap. I. Über Punktmengen 8 28. 29 


28. Der Begriff einer ebenen Punktmenge ist ganz analog dem 
für lineare Punktmengen auseinandergesetzten. Jedem Punkte der Ebene 
ist das Zahlenpaar seiner Koordinaten zugeordnet und eine ebene 
Punktmenge ist also als eineMenge von Zahlenpaaren aufzufassen. 

Ebenso sahen wir ($ 26), daß man jeden Komplex von » end- 
lichen Zahlen (z,, 2,,...., 2,) einen Punkt des »-dimensionalen Rau- 
mes R, nennt. Eine Punktmenge in diesem Raume ist dann jede Menge 
von derartigen Zahlenkomplexen. Hierbei ist zu beachten, daß wir einen 
solchen Zahlenkomplex nur dann als Punkt ansehen, wenn jede Zahl des 
Komplexes endlich ist. 


29. Dieselbe Rolle, die das lineare Intervalla<x<b unter 
den linearen Punktmengen spielt, spielt das Rechteck oder zwei- 
dimensionale Intervall für die ebenen Punktmengen. Ein zwei- 

dimensionales Intervall 7 in der zy-Ebene ist die Menge aller 
Punkte, für die zugleich 
a<z<b und a’<y<P 


Dr: ist. Dabei ist zu beachten, daß die Punkte, die 
man gewöhnlich als Rand des Rechtecks zu be- 
el... zeichnen pflegt, also z. B. der Punkt 


mit den Koordinaten 
a’-+ b’ 
2 

nicht zum Intervall I gehören. (Vgl. hierzu die Definition des abge- 
schlossenen Intervalls, $ 55.) 

Ähnlich können wir im n-dimensionalen Raume »-dimensio- 
nale Intervalle definieren. Dies sind die Mengen aller Punkte 
(%, +, %,), für welche zugleich die Ungleichheiten 


a,<2,<b, (k=1,2,...,n) 


ı 








wel, Y- 


stattfinden. Hierbei bedeuten die a, und 5b, vorgegebene endliche 
Zahlen; die positiven Zahlen (d, — a,) nennt man die Längen der 
Kanten des Intervalls. Ein Intervall mit lauter gleichen Kanten heißt 
ein n-dimensionaler Würfel, im speziellen Falle, won = 2 ist, ein 
Quadrat. 


Der Punkt mit den Koordinaten 


a,+b; 
2 


heißt der Mittelpunkt des Intervalls oder des Würfels. 


$ 30. 31 Die Grundoperationen an Punktmengen 2ı 


Die Grundoperationen an Punktmengen. 


30. Wir bezeichnen die Punktmengen symbolisch durch große latei- 


nische Buchstaben 
A, Bus: 


Die Punktmengen, die wir gleichzeitig betrachten und miteinander 
vergleichen wollen, sollen alle in einem und demselben »-dimensionalen 
Raume Ri, liegen, wobei » irgendeine natürliche Zahl bedeutet. Die 
Punkte des R, zusammengenommen nennen wir den Gesamtraum; 
außerdem ist es bequem auch eine leere Menge einzuführen, d. h. eine 
solche, die keinen einzigen Punkt besitzt. Für diese leere Punktmenge 
werden wir oft das Zeichen O0 benutzen. 

Sind alle Punkte einer Punktmenge B in der Punktmenge A ent- 
halten, so heißt B eine Teilmenge von A; diese Beziehung stellen wir 


durch das Zeichen 
B<A oder A>DB 


dar. Die leere Menge soll als Teilmenge von jeder beliebigen Punkt- 
menge A gelten 
0<4A. 


Unter die Teilmengen B einer Punktmenge A nehmen wir auch die 
Punktmenge A selbst auf; gibt es Punkte von B, die nicht in A ent 
halten sind, so heißt B eine echte Teilmenge von A. Ist sowohl A<B 
als aueh A >- B, so bestehen die beiden Punktmengen aus denselben 
Punkten, und wir schreiben 


A=DB. 


31. Unter der Komplementärmenge A’ einer Punktmenge A 
verstehen wir die Punktmenge, die aus allen Punkten des Gesamt- 
raumes besteht, die nicht zu A gehören, und nur aus diesen. 

Ist z.B. A die lineare Punktmenge O<x<1, der Gesamtraum 
also die x-Achse, so ist A’ die Menge aller Punkte, für welche x < 0 
oder 2 >1 ist. 

Bedeutet aber A dieselbe Strecke in der zy-Ebene, d.h. die Ge- 
samtheit der Punkte, für welche zugleich O<z<1 und y= 0 ist, so 
besteht die Komplementärmenge A’ erstens aus allen Punkten der Ebene, 
für welche y=F 0 ist, und außerdem aus den Punkten, für welche ent- 
weder z<0,y=0 oder >1,y-=0 ist. 

Für die Komplementärmenge gilt ferner die Beziehung: Ist A<B, 
so ist stets BD’ < A’. 


23 Kap. I. Über Punktmengen $ 82. 33 


32. Durchschnitt von zwei Punktmengen A und B nennen 
wir die Gesamtheit der Punkte, die sowohl in A als auch in B ent- 
halten sind. Wir schreiben, wenn D den Durchschnitt von A und B be- 
zeichnen soll, | 

D=AB*) 
Haben A und B keine gemeinsamen Punkte, so ist 
AB=0, 


indem wir wieder mit Null die leere Menge bezeichnen. Insbesondere 
ist also auch 


A-O=0. 
Es ist übrigens stets 

AB<A, 
und nur dann 

AB=4A, 


wenn A eine Teilmenge von B ist. 
Es ist trivial, daß für den Durchschnitt das kommutative Ge- 
setz gilt: Ä 
AB=BA. 
Ebenso gilt das assoziative Gresetz: 
(AB)C = A(BC) = ABC. 
Endlich sehen wir, daß, wenn A< A, und B< B,, auch 
AB<AB, 
ist. 
33. Es seien A und B zwei Punktmengen ohne gemeinsamen 
Punkt: AB=0; dann nennen wir die Punktmenge, die aus allen 
Punkten von A und aus allen Punkten von B, soweit sie vorhanden 


sind, und nur aus diesen Punkten besteht, die Summe S der beiden 
Punktmengen A und B und schreiben 


S=A+B. 
Es versteht sich von selbst, daß auch hier das Gesetz 


A+B=B+A 


*, Um diese Schreibweise als Produkt zu verstehen, denke man sich eine 
Funktion p,(P) des Punktes P(vgl. $83), die in allen Punkten einer beliebigen 
Punktmenge M gleich Eins ist und in den Punkten der Komplementärmenge M 
von M verschwindet; dann ist 


9,(P)=y9,(P) yrP). 


$ 34. 35 Die Grundoperationen an Punktmengen | 23 


gilt. Das Symbol (A+ B) + C hat aber nur dann einen Sinn, wenn 
einerseits AB=(), anderseits (A+B)C=0 ist; letzteres ist aber dann 
und nur dann der Fall, wenn AU=BC=0 ist. Aus BÜ=0 folgt 
nun, daß (B+C) einen Sinn hat, und dann aus AB=AC=(, daß 
A(B-+C)=0 ist. Man sieht schließlich ein, daß die rechte Seite der 


Gleichung 
(A+B)+C=4A+(B+O) 


einen Sinn hat, sobald dies für die linke der Fall ist, und daß die Glei- 
chung dann immer richtig ist. Das kommutative und das assozia- 
tive Gesetz gelten also für die Summe von Punktmengen. | 

Für Durchschnitt und Summe gilt ferner das distributive 
Gesetz 

C(A+B)=CA+CB, 
denn links steht die Menge der Punkte, die zu Ü und zu A oder B ge- 
hören, und rechts die Menge der Punkte, die zu C und A oder zu C 
und B gehören. 

Bei der Anwendung dieses Gesetzes ist aber dar- 
auf zu achten, daß nicht immer beide Seiten zugleich 
einen Sinn haben. Wenn die linke Seite einen Sinn 
hat, d.h. AB= 0 ist, so hat auch die rechte Seite 
einen Sinn, denn dann ist 


(CA)-(CB) = (C- CO) (AB) = C-0=0. 


Ist aber umgekehrt (CA) (CB)= CAB=0, so kann man nicht schließen, 
daB AB= 0 ist, wie die nebenstehende Figur zeigt. 





34. Ist Bin A enthalten, also AB = B, so ist die Differenz (A—B) 
der beiden gegebenen Mengen durch die Gesamtheit der Punkte definiert, 
die zu A, aber nicht zu B gehören. Differenz und Summe stehen hier- 
nach in der Beziehung: Wenn O= A—B ist, so st A=C+B. 


35. Wir gehen jetzt zum Begriff der Vereinigungsmenge über, 
einer Verallgemeinerung des Summenbegriffs, bei welcher die Leerheit 
des Durchschnitts nicht mehr vorausgesetzt wird: Die Vereinigungs- 
menge Y von zwei beliebigen Punktmengen besteht aus dem Inbegriff 
der Punkte, die zu A oder B gehören. Wir schreiben symbolisch 


V=AHB. 
Offenbar ist 
A+B=BHA, 


A+(B40)=(A+B)+C. 


24 Kap. I. Über Punktmengen 8 86. 87 


Hier gilt das distributive Gesetz ohne Einschränkung: 
C(A+B)=CA+HCB. 
Ferner haben wir für A< 4A, und B<B, 
A+B<A +B.. 


36. Die Vereinigungsmenge V von zwei Punktmengen A und B 
besteht aus allen Punkten von A und aus allen Punkten von B, die nicht 
in A enthalten sind. Man kann also schreiben: 


V=A+B=A+(B- AB). 


Die Operation (B— AB) kommt fast ebenso oft vor wie die des Durch- 
schnitts AB oder der Vereinigung A + B von zwei Mengen und muB 
daher auch unter die Grundoperationen über Mengen aufgenommen 
werden. 


37. Mit Hilfe des Begriffs der Komplementärmenge lassen sich die 
drei Grundoperationen AB, A+ B, (A— AB) aus einer beliebigen unter 
ihnen ableiten. 

Wir wollen z. B. die Operation AB zu Grunde legen; setzen wir 
V= _A+DB, so besteht die Komplementärmenge V”’ von V aus allen 
Punkten, die zugleich zu A’ und zu B’ gehören (s. Fig.4). Also ist 


(1) V’=4AbB 

und da die Komplementärmenge einer Komplementärmenge die ur- 

sprüngliche Menge ist, so hat man 
(2) A+B=(4'B'). 

‘Mit Hilfe des Schlusses von » auf (nr +1) 
kann man die Formeln (1) und (2) auf 
die Vereinigungsmenge von beliebig vielen 
Punktmengen in endlicher Anzahl übertragen. 
Setzt man nämlich 


Vu AtAt 44, 


= AtrtAr ++ Ar 


und ist nach Voraussetzung 
V=A As.:.4,, 
so folgt aus (1), wenn man diese Gleichung auf die Vereinigungsmenge 
V,„;,, von V„ und A,,, anwendet, 
Yazı = Vy-Ayyı = A)... A,+ı 


» 








$ 38 Endliche und unendliche Punktmengen. Abzählbarkeit .25 


Für jede natürliche Zahl » ist also 

(8) (AtAt + A)AAr An): 

Ähnlich sieht un, daß, wenn A und B zwei beliebige Punktmengen 
bedeuten, - 

(4) 4 —AB=APR 


ist. 
Endliche und unendliche Punktmengen. Abzählbarkeit. 


38. Die einfachsten nicht leeren Punktmengen sind die, die aus 
einer endlichen Anzahl von Punkten bestehen, und die man also ein- 
eindeutig auf einen Abschnitt der natürlichen Zahlenreihe abbilden 
kann (8 16). Über solche Punktmengen, die man endliche Punkt- 
mengen nennt, gilt folgender Satz: 


Satz 1. Jede nicht leere Teilmenge B einer endlichen Punktmenge A 
ist wiederum eine endliche Punktmenge, und die Anzahl der Punkte von B 
ist nicht größer als die von A. Ist außerdem B eine echte Teilmenge 
von A, so ist die Anzahl ihrer Punkte kleiner als die von A. 


Besteht die Punktmenge A aus einem einzigen Punkte P, so ist 
jede Teilmenge von A entweder leer oder identisch mit A. Der erste 
Teil des Satzes ist also in diesem Falle richtig. Um ihn allgemein zu 
beweisen, genügt es also nach dem Prinzip der vollständigen Induktion, 
zu zeigen, daß er für eine Punktmenge von (a + 1) Punkten richtig ist, 
sobald er für eine Punktmenge von n Punkten besteht. 

Es seien P,, P,,..., Pi, Pa+ı die Punkte von A; ist dann der 
Punkt P,,, nicht in B enthalten, so it B eine Teilmenge von (A—P, ..)- 
Diese letzte Punktmenge ist aber auf den Abschnitt k<» der natürlichen 
Zahlenreihe eineindeutig abgebildet und enthält also n Punkte. Die 
Punktmenge B ist also endlich und kann nicht mehr als » Punkte ent- 
halten. Ist dagegen P,,, ein Punkt von B, so ist entweder (B—P,,,) 
leer, und dann enthält B nur einen einzigen Punkt, oder man kann den 
vorigen Schluß auf die Punktmenge (B— P,,,) anwenden. Diese letzte 
Punktmenge ist daher eineindeutig auf einen Abschnitt k< m der natür- 
lichen Zahlenreihe abgebildet und es ist m < n. Ordnet man dann den 
Punkt P,„,, der Zahl (m+ 1) zu, so ist B auf den Abschnitt k<(m+1) 
abgebildet, und unsere Behauptung bewiesen. 

Um den zweiten Teil des Satzes zu beweisen, betrachten wir eine end- 
liche Punktmenge A von n Punkten und eine echte nicht leere Teil- 
menge B von A, die also z.B. den Punkt P, nicht enthält. Nach dem 
Vorigen ist B eine endliche Punktmenge; es sei m die Anzahl ihrer 


\ 


36 Kap. I. Über Punktmengen | 5 89 


Punkte. Nun ist aber (B+ P,) ebenfalls eine Teilmenge von A und 
die Anzahl ihrer Punkte ist (m +1); also ist (m+1)<n und daher, 
wie wir zeigen wollten, m <n. 


39. Eine zweite Klasse von Punktmengen ist die, deren Punkte 
man auf die Zahlen der natürlichen Zahlenreihe abbilden kann. Es ist 
zunächst zu zeigen, daß eine solche Punktmenge A, deren Punkte wir 
mit P,, P3, ... bezeichnen, keine endliche Punktmenge sein kann. 
Nehmen wir nämlich an, sie wäre endlich und » sei die Anzahl ihrer 
Punkte, dann müßte nach dem Satze des vorigen Paragraphen jede 
nicht leere Teilmenge B von A endlich sein und nicht mehr Punkte als 
n enthalten. Dies ist aber insbesondere nicht der Fall für die Teilmenge 


B=P+ft + Po 


von A, die auf den Abschnitt k<n +1 der natürlichen Zahlenreihe 
abgebildet ist. 

Die Punktmengen, zwischen deren Punkten und den natürlichen 
Zahlen eine umkehrbar eindeutige Zuordnung möglich ist, nennt man 
unendliche, abzählbare Punktmengen. Die Haupteigenschaft der 
abzählbaren Punktmengen ist folgende: 


Satz 2. Jede Teilmenge B einer abzählbaren Punktmenge A ist ent- 
weder endlich oder abzählbar. 


Wir bezeichnen mit.a,, a,, ... die Punkte einer abzählbaren Menge A 
und bemerken, daß die Punkte einer beliebigen nicht leeren Teilmenge C 
“ von A auf eine Teilmenge der natürlichen Zahlen abgebildet sind, die 
ein kleinstes Element besitzt ($ 15 Satz 5). Dieses kleinste Element ist 
Bild eines Punktes von C, den wir den ersten Punkt der Teilmenge C 
von A nennen. 

Nun sei B eine Teilmenge von A, die nicht ändlich ist. Mit Hilfe 
des Prinzips der vollständigen Induktion definieren wir für jede natür- 
liche Zahl p einen Punkt b, folgendermaßen. Der Punkt 


,=4a 
soll der erste Punkt der Teilmenge B En A sein, und mit 
bp +1 = Anpyı | 
soll für p > 1 der erste Punkt der Punktmenge 
B- ib, ..,b) 


bezeichnet werden. Diese letzte ER ist nämlich nicht leer, da 
sonst die Menge B selbst endlich wäre, was der Voraussetzung wider- 





8 40 Endliche und unendliche Punktmengen. Abzählbarkeit 97 


spricht. Wir bezeichnen mit B die Gesamtheit der Punkte b,; diese 
Punktmenge ist nach dem Vorigen eindeutig definiert, und man hat 
für jede natürliche’ Zahl p 
(1) (b,,..,5,})<B<DB. 
Nun bemerke man, daß wegen der Ungleichheiten 
N <m <n<-.- und >21, 
nach dem Prinzip der vollständigen Induktion, stets 
n,Z k 


sein muß. Ist jetzt a, irgendein Punkt von B, so ist also für y>% 
der Punkt 
b, = Any 


sicher von a, verschieden, und hieraus folgt, daß a, kein Punkt von 
B— (bi; d3, ee b,} 


sein kann und daher in {d,,...,d,} und nach (1) auch in B enthalten 
sein muß. | _ 
Die Punktmenge B enthält also jeden Punkt von B; es ist also’ 


B<B 
und wegen (1) 


d. h. die gegebene Punktmenge B ist abzählbar, da B nach ihrer Kon- 
struktion abzählbar ist. 


40. Die vorigen Sätze haben wir für Punktmengen bewiesen; 
wir haben aber nirgends davon Gebrauch gemacht, daß die Elemente 
dieser Mengen wirklich Punkte sind. Wir können daher endliche und 
abzählbare Mengen einführen, deren Elemente 


Ay, As, As, ... 


selbst beliebige Punktmengen sind. Solche „Mengen von Punktmengen“ 
nennt man auch endliche oder unendliche Folgen von Punktmengen. 

Wir definieren zwei neue Operationen: Die Durchschnitts- und 
die Vereinigungsmenge von abzählbar unendlich vielen Punktmengen. 


Die Durchschnittsmenge 
D=A,:4,°4;..-. 


besteht aus allen Punkten, die in jeder der HaNKUnEngeR: A, ent- 
halten sind und nur aus diesen. 


»8 Kap. I. Über Punktmengen 8 41. 42 
Die Vereinigungsmenge 
V=-A+4%+4+--- 
ist die Gesamtheit der Punkte, die in mindestens einem A, vorkommen. 
Man findet, daß auch hier die Formel ($ 37) 
V=(4A) 4.4...) 
ihre Geltung behält; denn jeder Punkt der Komplementärmenge V” 
von V muß in allen A, enthalten sein, und jeder Punkt des Durch- 
schnitts aller A,’ ist ein Punkt von V”. 
Anstatt 
V=4A+4+4,+--- 
kann man auch schreiben 
V=-B+B+B+:--,, 
wenn man unter B,, D,,... folgendes versteht: 
B=4, 
B=4—4,B, 
B=4—4,(B,+B,) 


Brrı u Ayyı = Aryı (Bi Tr =:7T B,). 
Dann ist in der Tat 

B+B+.+B=-4+4+: +4, 
Die Vereinigungsmenge abzählbar vieler Mengen läßt sich also ersetzen 
durch die Summe abzählbar vieler Mengen, die Teilmengen jener sind. 

41. Sind zwei Folgen A,, A,,... und B,, B,, : .. von je abzähl- 
bar vielen Punktmengen gegeben, und ist für jedes k 
Ar < Bi, 


so folgt aus der Definition des Durchschnitts und der Vereinigungs- 
menge der A, resp. B;, daß sowohl 


Ay-Ay-A,:: <B- BB, -- 
A+A+A4+ <B+Bt+B+-- 


als auch 
ist. 


42. Es sei mit A, eine Menge von abzählbar vielen Elementen 
Gp1,5 QApg, . .. bezeichnet, und wir nehmen an, daß wir abzählbar viele 
derartige Mengen A,, A,, ... vor uns haben. Dann kann man eine ab- 


$& 43 Endliche und unendliche Punktmengen. Abzählbarkeit 29 


zählbare Menge A finden, deren Elemente aus lauter Elementen a,, der 
A, bestehen und zwar so, daß jedes dieser Elemente einmal und nur 
einmal vorkommt. 

Wir schreiben das Schema: 


Ay: Ayı> Aygs ar + ygn-- 


Ag: Ayız Oggy Aggy +7 Oggy -- 
Az: Qyı, Oggy, Agyyı -- -, Oggy.» 
4, 


: Gy13 A,3> Q,3> .e ., A,0 .oooeo 


und ordnen die Elemente a,, (deren Gesamtheit wir mit A bezeichnen) 
folgendermaßen um: 


A: Ayı; Qgız a5 Agır gay sh Ayan ee ai ee Aare Ar 
Zu jeder Indexsumme 9+g=s gibt es nur endlich viele Elemente, 
die in der Menge A aufeinanderfolgen und nach fallendem ersten Index 


geordnet sind. Dadurch ist eindeutig der Rang jedes Elementes a,, 
festgelegt. Dem Elemente a,, gehen z. B. 


1424... 49-222 


Elemente voraus, ihm selbst kommt der Rang ep —) +1 zu. Das 


Element a,, tritt in einer Gruppe auf, die mit a,,,_,,, beginnt; daher 
ist der Rang k von a,, gleich 


(1) pero ieete=®, , 


Ist anderseits k eine beliebige positive ganze Zahl, so kann man auf 
eine und nur eine Weise zwei ganze positive Zahlen » und g so be- 
stimmen, daß die Gleichung (1) erfüllt ist: man muß zuerst die ganze 
positive Zahl s so wählen, daß 

a En Fe 1) 
ist, und hierauf 


G—-2)e— 2) 
g—k De -2 


und p=s—q 
setzen. 

43. Satz 3. Sind C,, C,, .. . endlich oder absählbar unendlich viele 
Punktmengen, von denen jede aus endlich oder abzählbar unendlich vielen 


Punkten besteht, so hat die Vereinigungsmenge V dieser Mengen dieselbe 
Ligenschaft. 


30 Kap. I. Über Punktmengen 8 44. 46 


- Man kann in der Tat 

VEBEBrse 

setzen (8 40), wobei die 3, als Teilmengen von C, ebenfalls aus endlich | 
oder abzählbar unendlich vielen Punkten bestehen ($ 39). Bezeichnet 
man die Elemente derjenigen B,, die nicht leer sind, mit a,,, Q,s, - - -, 
so werden die BD, als Teilmengen unserer Mengen A, des $ 42 erscheinen 
und V als Teilmenge der abzählbaren Menge A. Die Punktmenge V ist 

also jedenfalls abzählbar, falls sie nicht nur endlich viele Punkte enthält. 


44. Es seien abzählbar unendlich viele Folgen 
(1) Ar, Ars, Arsı - - - (k=1,2,3,...) 
von abzählbar unendlich vielen Punktmengen gegeben. Mit V, und D, 
bezeichnen wir die Vereinigungsmengen und Durchschnitte 

V,=AyıtAstAst 
D, = Ay Ars As; 
ferner mit V und D die Punktmengen 
V=-V, +9, +, +. 
D=D,D,D,--- 

Nach dem $42 kann man die ARTRHOENE A,, abzählen und folg- 
lich ihre Vereinigungsmenge 7 und ihren Durchschnitt D bilden. Jeder 
Punkt von V ist in mindestens einer Punktmenge A,, enthalten, folg- 
lich in mindestens einem V, und schließlich auch in V. Es ist also 
V<V. Umgekehrt ist jeder Punkt von V in mindestens einem V, 


folglich in mindestens einem A,, und also auch in V enthalten. Es ist 
also 





V‚=)J, 
und auf ganz analoge Weise zeigt man, daß 
D=D 
ist. | 
45. Satz 4. Die Menge der Punkte der x-Achse mit positiwer ratio- 
naler Abszisse ist abzählbar. 


Um diesen Satz zu beweisen, verstehen wir unter dem a,, des $ 42 
den Bruch £, wobei 9 und g natürliche Zahlen sind. Diese Brüche 


lassen sich also in eine Reihe bringen; darunter kommen aber einige 
rationale Zahlen öfter vor: 


15 3,5: Mor sen 1, (8) (3), G 5 aa 


& 46 Endliche und unendliche Punktmengen. Abzählbarkeit 31 


Die Menge aller rationalen positiven Zahlen ist also, als Teilmenge der 
abzählbaren Menge aller positiven Brüche, selbst abzählbar. 

Da ferner die Menge aller negativen rationalen Zahlen einschließ- 
lich der Null aus demselben Grunde auch abzählbar ist, so ist die Menge 
aller rationalen Zahlen, als Summe zweier abzählbarer Mengen, auch 
abzählbar ($ 43, Satz 3). 

Satz 5. Sämtliche Punkte der Ebene mit rationalen Koordinaten 
bilden eine abzählbare Punktmenge. 


x und y seien die rationalen Koordinaten eines Punktes P .der 
Menge; x kann dann die abzählbar vielen Werte der rationalen Zahlen 
annehmen 

re SE TE 
dasselbe gilt von y 
GE Pater Nas 


Den Punkt P mit den Koordinaten —=r, und y=r, fassen wir jetzt: 
als Element a,, unseres Schemas im $ 42 auf. Da aber die Menge.aller 
G,, &bzählbar ist, so ist damit der Satz bewiesen. 


Ganz analog beweist man mit Hilfe des Schlusses von n auf (n +1): 


Satz 6. Sämtliche Punkte des n-dimensionalen Raumes, die durchweg 
rationale Koordinaten besitzen, bilden eine abzählbare Menge. 


46. Der Begriff der Abzählbarkeit bekommt nun erst dadurch seine 
rechte Bedeutung, daß es auch nicht abzählbare Punktmengen gibt. 
Die Existenz solcher Punktmengen behauptet folgender Satz von 
G. Cantor: 


Satz 7. Ein lineares Intervall ist eine nicht abzählbare Punktmenge. 


Wir beweisen diesen Satz, indem wir zeigen, daß jede abzählbare 
Teilmenge des gegebenen Intervalls eine echte Teilmenge ($ 30) des 
Intervalls ist. 

Wir müssen also, wenn 2,,%,,... eine Folge von Punkten be- 
deutet, die im linearen Intervall a,< x < b, enthalten ist, einen Punkt & 
dieses Intervalls bestimmen, der nicht in dieser Folge enthalten ist. Zu 
diesem Zwecke werden wir eine Folge ineinandergeschachtelter Inter- 
valle: ö, > 6, >00, > --- konstruieren, von der Eigenschaft, daß ö, die 
Punkte 2,, 23, ..., 2, nicht enthält. Wir bezeichnen ein Intervall, dessen 
Endpunkte « und $ sind, durch das Symbol [«, #] und setzen d,= [a,, bu]; 
wir suchen hierauf den Punkt x, unserer Folge auf, und zerlegen das 
Intervall [x,,d,] in drei gleiche Teile durch die Teilpunkte a, und 5.. 
Wir setzen d, = [a,,b,] und bemerken, daß d, den Punkt x, nicht ent- 


32 Kap. l. Über Punktmengen | 8 47 


hält. Der Punkt x, kann nun entweder ein Punkt von Ö, sein oder nicht. 
Im ersten Falle zerlegen wir [x,, b,], im zweiten Falle [a,, b,] durch 
die Teilpunkte a, und b, in drei gleiche Teile. Das so konstruierte Inter- 
vall d,=[a,, b,] enthält x, nicht, und da d,</ö, ist, so enthält es auch 
nicht x,. Dieses Verfahren setzen wir fort: ist d, = [a,,b,] ein Intervall, 
das die Punkte x, ...x, nicht enthält, so zerlegen wir, je nachdem x, ,, 


G-—;; in 6, enthalten ist 

[a3 53 oder nicht, 

Yy 2% 2 5b, 5 3% bp das Intervall 
Fig. 5. a [x,;1,d,] oder [a,,,] in drei gleiche 


Teile und nehmen die so bestimmten 
Teilpunkte a,,, und b,,, als Endpunkte des Intervalls ö,,,. Nach dem 
Axiome der vollständigen Induktion enthält für jede natürliche Zahl % 
das Intervall d, keinen einzigen der Punkte &,, 25, -.-,%;. Außerdem 
folgt ebenfalls (nach unserer Konstruktion), daß für jede positive ganze 
Zahl die Relationen 
(1) | y.<G, <d, drı<d 


erfüllt sind. Sind also % und p zwei beliebige natürliche Zahlen, so 
ist für A<p immer ,<a,<b, und für k>p immer ,<b,<b,, 
also jedenfalls stets 

(2) a,<b,- 


Da aus (2) für jedes % die Relation a,< b, folgt, ist die obere Grenze 
& aller a, eine endliche Zahl (8 18) und es ist für jedes k 


a,<$& und E<b, 


letzteres wegen (2). Endlich folgt noch ausa, <a, ‚<&und&<b,,,<b,, 
daß 
a,<$<b, 


ist, d.h. daß der Punkt & für jedes k im Intervalle ö, liegt. Also ist 
& ein Punkt des gegebenen Intervalles [a,, b,] der von x, verschieden 
ist, was auch % für eine natürliche Zahl sein mag; d.h. & ist nicht in 
der Folge enthalten, w. z. b. w. 

Dieser Satz, den wir für das eindimensionale Intervall bewiesen 
haben, gilt auch für Intervalle beliebiger Dimension. Denn ein 
solches enthält stets ein eindimensionales Intervall als Teilmenge, kann 
also selbst nicht abzählbar sein, da die Teilmenge einer abzählbaren 
Menge selbst abzählbar ist ($ 39). 


4%. Vergleichen wir unser letztes Resultat mit dem Satze des $ 45, 
daß die Punkte mit rationalen Koordinaten, die im n-dimensionalen 


8 48. 49 Endliche und unendliche Punktmengen. Abzählbarkeit 33 


Raume, und folglich ($ 39) auch die, die in einem beliebigen Teile des 
Raumes enthalten sind, stets eine abzählbare Punktmenge bilden, so folgt 
hieraus, daß in jedem Intervall des Raumes außer diesen Punkten noch 
andere existieren müssen. Insbesondere sieht man, daß in jedem linearen 
Intervall a<x<<b zwischen zwei Zahlen, außer den rationalen Zah- 
len auch andere, sogenannte irrationale Zahlen liegen müssen. 


Außerdem gilt der Satz: 


Satz 8. Die Menge der irrationalen Zahlen eines Intervalls ist nicht 
abzählbar. 


Wäre sie nämlich abzählbar, so würde das Intervall als Summe 
von zwei abzählbaren Mengen ebenfalls abzählbar sein (8 43), was dem 
vorigen Satze widerspricht. 


48. Es ist möglich in jeder der speziellen Punktmengen, die wir 
bisher als Beispiele erwähnt haben, bestimmte Punkte anzugeben, die 
in diesen Mengen enthalten sind. So ist z. B. der Mittelpunkt eines 
Intervalls ($ 29) in diesem enthalten. Diese Operation, die als Zuord- 
nung eines bestimmten Punktes einer Menge zu dieser aufgefaßt werden 
kann, wird oft als Auswahl eines Punktes der Menge bezeichnet (vgl. 
hierzu den $ 83 unter III). | 

E. Zermelo hat bemerkt, daß man zum Beweise einer Reihe von 
Sätzen, die für den Ausbau der Analysis unerläßlich sind, die Möglich- 
keit einer Operation fordern muß, die darin besteht, gleichz eitig aus 
jeder Teilmenge des Gesamtraumes einen Punkt auszuwählen, und daß 
man diese Forderung als neues Axiom zu betrachten hat. 


Das Auswahlaxiom. Unter den Zuordnungen, bei denen jeder 
nicht leeren Punktmenge A eines n-dimensionalen Raumes, 
ein Punkt P dieses Raumes entspricht, existieren solche, bei 
denen P stets in A enthalten ist. 


Es ist m. a.W. möglich, jeder Punktmenge A eines .n-dimensionalen 
Raumes Rt, einen ihrer Punkte eindeutig zuzuordnen und dies gleich- 
zeitig für alle Punktmengen des Raumes. 


49. Das Auswahlaxiom erlaubt uns folgenden Satz zu beweisen: 

Satz 9. Jede unendliche Punktmenge enthält abzählbare unendliche 
Teilmengen. 

Es sei A eine unendliche Punktmenge; wir ordnen jeder nicht 
leeren Punktmenge C des Raumes nach dem Auswahlaxiom einen 
Punkt P..zu, der in ihr enthalten ist. Nun konstruieren wir mit Hilfe. 


Carath&odory, Reelle Funktionen. 3 


34 Kap. I. Über Punktmengen 8 50 


des Prinzips der vollständigen Induktion eine abzählbare Punktmenge 


B=(P,P,.--} 
folgendermaßen. Man setze 
P,,=P, 
und mit Hilfe der Bezeichnung 


G=4A-(P,:.., Pi) 
Pırı = Pa; 


setze man zweitens 


was immer möglich ist, weil A nach Voraussetzung eine unendliche 
Punktmenge bedeutet und daher C, nicht leer ist. Die so definierte ab- 
zählbare Punktmenge B ist eine Teilmenge von A. Außerdem aber ist 
B eine unendliche Punktmenge, weil nach unserer Konstruktion für 
k#m auch P,=#P, ist. 


Sätze über Intervalle. 


50. Um die Punktmengen näher untersuchen zu können, müssen 
wir uns ein Instrument zurechtschneiden, mit dem wir im allgemeinen 
n-dimensionalen Raume Schlüsse ziehen können. Dies wird durch fol- 
gende einfache Sätze über Intervalle erreicht. 


Satz 1. Der Durchschnitt von zwei mann ist leer oder wieder 
ein Intervull. 


Es seien im n-dimensionalen Raume (wobei rn auch gleich Eins 
gedacht werden kann) die beiden Intervalle 


I: , <a,<b, und I”: 1" < <b (k=1l,2,...,n) 
gegeben. Wir setzen 


+. +azal b _b&b+b4-|b—-b r 
a,= ki 92 ) 


dann ist a, die größere der beiden Zahlen a,’ und a,, b, die kleinere 
der beiden Zahlen b, und 5,” (825). Haben nun die Intervalle I’ und 
I” einen Punkt j 

51 6 nz 5 


gemeinsam, d. h. ist ihr Durchschnitt nicht leer, so ist für jedes k 
.<5&,<b, 

und der Punkt &,...&, ist im Intervalle 

(1) I a,<2m,<b, (k=1,2,...,%) 


8 50 Sätze über Intervalle 35 
enthalten. Ist umgekehrt für jeden Wert von k 
,<b,; 
so existiert das Intervall (1) und jeder Punkt von I ist sowohl in I’ 
als auch in /” enthalten. Man hat also 
I=I'I". 
Satz 2. Jedes Intervall ist in einem Würfel enthalten, dessen Mittel- 
punkt der Anfangspunkt der Koordinaten ist. 
Es sei | 
I: ,<z,<b, (k=1,2,...,n) 
das gegebene Intervall; man nenne c die größte unter den 2n Zahlen 
la,| und |b,|; dann genügt der Würfel 
ce <m<e (k=1,2,...,n) 
den Voraussetzungen des Satzs. 
Satz 3. Jeder Punkt P eines Intervalls I ist Mittelpunkt eines Wür- 
fels, der gamz in I enthalten ist. 
Es seien (&,, &,-.-.,&,) die Koordinaten des Punktes P und 
T: a, <2,<b, (k=1,2,...,%) 


das gegebene Intervall. Nach Voraussetzung sind die 2» Zahlen (&,—a,) 
und (db, — &,) alle positiv und von Null verschieden. Es sei % die kleinste 
unter ihnen; dann hat der Würfel 


g—h<n<&+h (k=1,2,...,n) 
die verlangten Eigenschaften. 


Satz 4. Sind P und Q zwei voneinander verschiedene Punkte mit 
den Koordinaten (&,, &,-.- -,&,) und (NM, Ng5: +; N), so kann man einen 
Würfel J finden, der P zum Mittelpunkte hat und Q nicht enthält. Ist 
außerdem P ein Punkt des Intervalls I, so kann man verlangen, daß der 
Würfel J eine Teilmenge von I sei. 


Um den ersten Teil des Satzes zu beweisen, bemerke man, daß, da 
die Punkte P und Q getrennt liegen, die Zahlen |&,—n,| nicht alle Null 
sein können. Ist z.B. die größte unter ihnen, so hat der Würfel 

—h<n,<$&+h (k=1;2,.22:5%) 
die gewünschte Eigenschaft. 

Ist zweitens P ein Punkt des Intervalls I, so nenne man J’ den 
soeben bestimmten Würfel; die Intervalle I und J’ haben den Punkt P 


gemeinsam. Nach dem Satze 1 ist also die Punktmenge I’=I-J’ ein 
3* 


36 Kap. I. Über Punktmengen & 51 


Intervall, das zwar P aber nicht Q enthält. Hierauf bestimme man den 
Würfel J, der nach Satz 3 den Punkt P als Mittelpunkt besitzt und in 
I’ enthalten ist; dieser Würfel ist der gesuchte. 


51. Es sei p eine gegebene natürliche Zahl und, ,%,,..., k, irgend- 
welche ganze Zahlen. Wir betrachten die n-dimensionalen Würfel 


—1 k 1 s 
<< G=1,2,....,n) 


und zwar sämtliche Würfel, die man erhält, wenn man p fest- 
hält und alle möglichen Kombinationen der Zahlen k, be- 
trachtet. Diese Würfel sind alle von gleicher Größe und ihre Mittel- 
punkte besitzen die rationalen Koordinaten 

k; 2 

Er (j=1,2,...,n) 
hieraus folgt aber, daß die Menge der betrachteten Würfel abzählbar 
ist ($ 45). Ist (&,,...,&,) ein beliebiger Punkt des Raumes, so kann 
man ($ 20) die k, so wählen, daß die Ungleichheiten 


k,k—1<pi,<k, +1 (j=1,2,...,n) 
sämtlich gelten; hieraus folgt, daß jeder Punkt des Raumes in der Ver- 
einigungsmenge unserer Würfel enthalten ist, oder wie wir sagen wollen, 


daß der Raum von unsern Würfeln überdeckt wird. 
Es sei endlich 








I: a,<a,<b, j=1,2,...,n) 


ein beliebiges Intervall des »-dimensionalen Raumes. Ein Würfel unserer 
Menge hat dann und nur dann Punkte mit I] gemeinsam, wenn die Un- 
gleichheiten 





BF wma <, 
pa—1<k,<pb,+1 

sämtlich erfüllt sind. Hieraus folgt aber, daß das Intervall / nur mit 
endlich vielen unserer Würfel Punkte gemeinsam hat. 

Endlich bemerken wir, daß wenn 4 eine beliebige positive Zahl 
bedeutet, und wenn wir die natürliche Zahl 

4; 
P>7z 

wählen, die Kantenlänge unserer Würfel kleiner als A ist. 


oder 


Satz 5. Man kann den ganzen n-dimensionalen Raum mit einer ab- 
zählbaren Menge von gleich großen Würfeln überdecken, deren Kanten- 


$ 52. 53 Vergleich einer Punktmenge mit dem Gesamtraum 37 


länge kleiner als eine vorgeschriebene positive Zahl A ist. Es ist außerdem 
möglich, diese Würfel so zu wählen, daß es nur endlich viele unter ihnen 
gibt, die mit einem gegebenen Intervall I des Raumes Punkte gemeinsam 
haben. 


Vergleich einer Punktmenge mit dem Gesamtraum. 


52. Definition 1. Eine Punktmenge A heißt beschränkt, 
wenn sie Teilmenge eines Intervalls ist. 


Insbesondere ist jedes Intervall beschränkt; dagegen ist z.B. die 
abzählbare lineare Punktmenge = 1,2,... nicht beschränkt. 


Definition 2. Ein Punkt P heißt innerer Punkt einer Punkt- 
menge A, wenn ein Intervall J» existiert, das P enthält und 
zugleich Teilmenge von A ist. 


Man muß also zugleich P<< I» und I» <{ A haben. Insbesondere 
ist jeder Punkt eines Intervalls innerer Punkt dieses Intervalls, weil 
man in diesem Falle /-= A setzen kann. Ein Intervall besteht aus 
lauter inneren Punkten. 


Definition 3. Eine Umgebung des Punktes P ist jede aus 
lauter inneren Punkten bestehende Punktmenge U,, die den 
Punkt P enthält. 


Jede Umgebung U, von P enthält ein Intervall I», in welchem P 
selbst enthalten ist; gäbe es nämlich kein solches Intervall, so wäre P, 
entgegen der Definition von U>, kein innerer Punkt von Up. Ander- 
seits ist aber schon ein Intervall /,, das P enthält, eine Umgebung 
von P, weil es aus lauter inneren Punkten besteht. Man kann also 
sagen, daß es notwendig und hinreichend ist, damit P innerer 
Punkt von A sei, daß eine Umgebung von P Teilmenge von 
A sei. 


53. Mit Hilfe des Begriffes der Umgebung wollen wir nun die 
Punkte des Gesamtraumes in bezug auf eine ung A klassifizie- 
ren; es bestehen folgende Möglichkeiten: 

1. Es gibt eine Umgebung U, von P, so daß UrA=0 ist. 
Dann gehört also weder P selbst noch ein anderer Punkt von Ur zu A, 
sondern U? ist Teilmenge der Komplementärmenge A’. Folglich ist P 
innerer Punkt von A, 

2. Es gibt kein Ur, so daB U, A = ist; es gibt aber min- 
destens ein Ur, das nur einen einzigen Punkt Q) von A enthält. 
Dann muß Q mit P zusammenfallen: man kann nämlich nach der Defini- 


38 Kap. I. Über Punktmengen $ 53 


tion der Umgebung ein Intervall /> finden, das P enthält und in Ur 
enthalten ist, und, falls Q@ und P voneinander verschieden sein sollten, 
ein Teilintervall /> von Ir konstruieren, das P aber nicht Q enthält 
($ 50, Satz 4). Dann ist /> eine Umgebung von P und, da pP <Ir<U7r 
ist, ist [PA<’ UA. Nun besteht Ur A nach Voraussetzung ays dem 
einzigen Punkte Q, und Q ist nicht in Jr und folglich auch nicht in 
IpA enthalten. Es müßte also [> A entgegen der ursprünglichen Voraus- 
setzung eine leere Menge sein. Also ist der Punkt P in A enthalten, 
und es gibt Umgebungen U> von P, die keinen weiteren Punkt von 
A enthalten; der Punkt P heißt dann ein isolierter Punkt der Punkt- 
menge A. | 

3. Jede Umgebung U, von P enthält mindestens einen 
Punkt von A, der von P verschieden ist. Dann muß jede Um- 
gebung Ur unendlich viele Punkte von A enthalten; angenommen 
nämlich man könnte ein Ur so wählen, daß außer etwa P nur noch 
endlich viele Punkte Q,, Q,,- - -, Q, in UrA enthalten sind, dann könnte 
man m Intervalle Z,,2,,..., Z, finden, die P enthalten und in U> ent- 
halten sind und die außerdem die Eigenschaft haben, daß J, den Punkt Q, 
nicht enthält (8 50, Satz 4). Der Durchschnitt /=11],...I, dieser 
Intervalle ist wieder ein Intervall, das P enthält, in U> enthalten ist, 
und keinen einzigen der Punkte Q, enthalten kann; dies Intervall I ist 
dann eine Umgebung von P, die außer vielleicht P keinen einzigen Punkt 
von A enthält, und dies widerspricht unserer Voraussetzung. 

In diesem Falle heißt P Häufungspunkt von 4; er kann, aber 
braucht übrigens nicht selbst ein Punkt von A sein. 

Ich wiederhole die Definition des Häufungspunktes: 

Ein Punkt P des Raumes heißt Häufungspunkt von A, 
wenn jede Umgebung Ur von P mindestens einen Punkt von A 
enthält, der von P verschieden ist; und dann müssen unend- 
lich viele Punkte von A in Üp enthalten sein. 


Unter den Häufungspunkten unterscheiden wir noch besonders 
Kondensationspunkte und innere Punkte ($ 52). 

4. Definition. Ein Häufungspunkt P heißt Kondensations- 
punkt, wenn für keine Umgebung U, von P der Durchschnitt 
U,A abzählbar ist. 


Ist also P Häufungspunkt von A, aber kein Kondensationspunkt, 
so gibt es zwar keine Umgebung U, von P, für welche U,A endlich 
ist, aber mindestens ein U>, so daß U,A abzählbar ist. 

Jeder innere Punkt von A ist Kondensationspunkt; nach 
Voraussetzung gibt es ein Intervall /-, das P enthält und in A ent- 


> 


S 54 Klassifizierung von Punktmengen 39 


halten ist. Ist dann U, eine beliebige Umgebung von P, so gibt es ein 
Intervall J>, das P enthält und Teilmenge von U; ist. Aus 


Ip <A und Jr < Ur 


IpIJp < AU. 


Nun ist IpJp ein Intervall ($ 50, Satz 1) und folglich nicht abzählbar 
($ 46), umsomehr gilt dasselbe dann von AU. 


Beispiele. Zu 1: A bestehe aus den Punkten O<xz<1. Der Punkt 
— 1 ist innerer Punkt der Komplementärmenge. 


Zu 2: A bestehe aus den Punkten O<x< 1 und außerdem aus 


folgt 


xz=—lundxz=-—.2; die beiden letztgenannten Punkte sind isolierte 
Punkte von A. 
Zu 3: A bestehe aus den Punkten 1, n > ..., . .... Nämt- 
N 


liche Punkte der Menge sind isolierte Punkte. Der nicht zur Menge ge- 
hörende Punkt O ist Häufungspunkt, aber nicht Kondensationspunkt 
von A. 


Zu 4: A besteht aus den Punkten O<x<1. Die Punkte O und 1 
sind Kondensationspunkte, die nicht in A enthalten sind. 


Klassifizierung von Punktmengen. 


54. Wir haben schon unter den Punktmengen abzählbare und nicht- 
abzählbare, beschränkte und nichtbeschränkte ($ 46, 52) unterschieden. 
Zu weiteren Unterscheidungen gelangt man, wenn man eine Punkt- 
menge A mit der Menge H, ihrer Häufungspunkte vergleicht, die von 
. vielen Autoren die Ableitung der Punktmenge A genannt wird. Im 
allgemeinen liefert allerdings dieser Vergleich nichts bemerkenswertes. 


Es gibt jedoch zwei extreme Fälle: 


1. Hı <A, d. h. jeder Häufungspunkt von A ist Punkt der 
Menge A. Dann heißt die Menge A abgeschlossen. 

2. H,> 4A, d.h. jeder Punkt von A ist Häufungspunkt von A. 
Dann heißt die Punktmenge A in sich dicht. 

3. Diese beiden Fälle brauchen, wie Beispiele zeigen ($ 55), sich 
nicht auszuschließen; eine Menge A kann sowohl abgeschlossen, als in 
sich dicht sein; dann heißt die Punktmenge A perfekt. 


Diese Begriffe und auch die Bezeichnungen sind von G. Cantor 
geschaffen worden. Ferner ist zu bemerken, daß nach unserer Definition 
eine Punktmenge A auch dann als abgeschlossen angesehen werden muß, 


40 - Kap. I. Über Punktmengen 8 55 


wenn die Menge H, ihrer Häufungspunkte leer ist. So ist z. B. die Ge- 
samtheit der Punkte mit durchweg ganzzahligen Koordinaten eine ab- 
geschlossene Punktmenge. . 


Satz 1. Die Komplementärmenge einer abgeschlossenen Punktmenge 
besteht aus lauter inneren Punkten. . 


Beweis: A sei abgeschlossen und P sei ein Punkt der Komple- 
mentärmenge A’. Dann.ist P kein Punkt von A, und, wegen der Ab- 
geschlossenheit von A, auch kein Häufungspunkt von A. Also gibt es 
eine Umgebung von P, die keinen einzigen von P verschiedenen Punkt 
von A, und folglich keinen einzigen Punkt von A enthält. D. h. der 
Punkt P ist innerer Punkt der Komplementärmenge A’. 


Satz 2. Besteht A aus lauter inneren Punkten, so ist die Komple- 
mentärmenge A’ von A abgeschlossen. 


Beweis: Es ist zu beweisen, daß jeder Häufungspunkt der Komple- 
mentärmenge A’ zu A’ und also nicht zu A gehört. Das folgt aber so- 
fort daraus, daß jeder Punkt von A innerer Punkt ist; daher gibt es um 
jeden Punkt P von A ein Intervall, das ganz zu A gehört, in dem also 
kein Punkt von A’ liegt. 


Diese Dualität zwischen abgeschlossenen Punktmengen und solchen, 
die aus lauter inneren Punkten bestehen, ist, wie wir sehen werden, sehr 
tief ausgeprägt; wir werden sie am besten dadurch auch äußerlich zum 
Ausdruck bringen, wenn wir die Eigenschaft einer Menge, lauter innere 
Punkte zu besitzen, durch einen Namen charakterisieren, der zum Worte 
„abgeschlossen“ in Beziehung steht. Wir wollen die Punktmengen, die 
aus lauter inneren Punkten bestehen, offene Punktmengen nennen; 
dies können wir umso unbedenklicher tun, als wir später beweisen wer- 
den, daß eine Punktmenge nicht zu gleicher Zeit abgeschlossen und 
offen sein kann ($ 213), es sei denn, daß sie mit dem Giesamtraum iden- 
tisch ist. 

Nach dieser Ausdrucksweise ist eine Umgebung eines Punktes P 
eine offene Punktmenge, die P enthält. Ebenso werden wir von 
Umgebungen einer beliebigen Punktmenge A sprechen: das sind 
die offenen Punktmengen, die A als Teilmenge enthalten. 


55. Wir bezeichnen mit I das Intervall 
I: ,<a,<b, (k=1,2,...,%) 
und mit I die Punktmenge, welche durch die nn | 
I: ,<x,<b, (k=1,2,...,%) 


$ 56 Ä Klassifizierung von Punktmengen 4 


gegeben ist. Ferner bezeichnen wir mit H und H die Mengen, die aus 
den Häufungspunkten von J bzw. I bestehen; da I</ I ist, so ist auch 


il) - H<H. 
Bezeichnet man mit (&,,..., &,) die Koordinaten eines Punktes P, der 
in der Komplementärmenge von I liegt, so muß von den 2n Größen 


(a, — 8,), (&;— d,) mindestens eine positiv und von Null verschieden sein. 
Es sei h die größte unter diesen Zahlen, dann hat das Intervall 


KW h<u<bth (k=1,2,...,n) 


keinen einzigen Punkt mit I gemeinsam, d.h. P ist ein innerer Punkt 
der Komplementärmenge von I. Diese Komplementärmenge ist dem- 
nach offen und I ist eine abgeschlossene Punktmenge; es ist also 


(2) H<I. 
Zweitens sieht man, daß, wenn P ein beliebiger Punkt von I ist, 
jedes Intervall J>, das P enthält, auch Punkte von I enthalten muß, 


die von P verschieden sind, d. h., daß P ein Häufungspunkt von I ist; 
demnach ist 


(3) I<H. 
Aus (1) und (2) folgt, daß H << I ist, und dies mit (3) verglichen gibt 
(4) T-H | 


Der Vergleich von (1) und (3) gibt 7< H und dies liefert in Ver- 
bindung mit (2) DE 
(5) T-H. 


Man kann die Gleichungen (4) und (5) folgendermaßen deuten: Ein 
beliebiges Intervall ZI ist eine offene Punktmenge, deren Häu- 
fungspunkte eine / enthaltende perfekte Punktmenge I bil- 
den; die Punktmenge I heißt ein abgeschlossenes Intervall. 

Insbesondere hat aber auch unsere Untersuchung gezeigt, daB es 
perfekte Punktmengen gibt, was natürlich durch die Definition des 
vorigen Paragraphen noch nicht gewährleistet war. | 


56. Man kann die Sätze des $ 50 auf abgeschlossene Inter- 
valle übertragen. 

Satz 3. Haben zwei abgeschlossene Intervalle einen inneren Punkt 
gemeinsam, so ist ihr Durchschnitt wieder ein abgeschlossenes Intervall. 


Der Beweis ist identisch mit dem oben gegebenen, nur daß man 
die Zeichen > und < durch > und < zu ersetzen hat. 


42 Kap. l. Über Punktmengen 8 57 


Satz 4. Jeder Punkt P eines Intervalls I ist Mittelpunkt eines ab- 
geschlossenen Würfels Q, der ganz in I enthalten ist. 


Es seien (&,, &,...,&,) die Koordinaten des Punktes P und 
I: ,<2,<b, (k=1,2,...,n) 


das gegebene (nicht abgeschlossene) Intervall. Nach Voraussetzung sind 
die 2» Zahlen (&,—a,) und (b,—8£,) alle positiv und von Null ver- 
schieden. Es sei h die kleinste unter ihnen; dann hat der abgeschlos- 
sene Würfel 


h h 
3,3 SuS Far: 
die gewünschte Eigenschaft. 


Durch Kombination dieses letzten Resultates mit dem Satze 4 des 
8 50 erhält man endlich: 


Satz 5. Sind P und Q zwei vomeinander verschiedene Punkte, so 
kann man einen abgeschlossenen Würfel J finden, der P zum Mittel- 
punkte hat und Q nicht enthält. Ist außerdem P ein Punkt eines ge- 
gebenen Intervalls I, so kann man noch verlangen, daß der abgeschlossene 
Würfel J eine Teilmenge von I sei. 


Überdeckungssätze. 


57. Wir leiten jetzt einige Sätze ab, welche die Grundlage für das 
‘weitere Eindringen in die Theorie der Punktmengen bilden. 


Es sei _ 
I: asısb 


ein abgeschlossenes lineares Intervall. Jedem Punkte P dieses Intervalls 
sei nun eindeutig ein (offenes) lineares Intervall ö> zugeordnet, das den 
Punkt P enthält. Dann gilt der Satz 


Das abgeschlossene Intervall / läßt sich mit einer end- 
lichen Anzahl von Intervallen öd> völlig überdecken. 


Mit anderen Worten: es gibt eine endliche Anzahl von Punkten 

PP; Ps:::, Lo, 30 daß 
I <6ön+06p,+:-:-+6r, 
ist. 

Wir wollen einen Punkt & von I erreichbar nennen, wenn der 
ausgesprochene Satz mindestens für das abgeschlossene Teilintervall 
as<z<ss$ richtig ist, und die Menge der erreichbaren Punkte 
untersuchen. Es wird zu beweisen sein, daß der Punkt x = b zu dieser 
Menge gehört. 


$ 58 Überdeckungssätze 43 


Nun ist diese Menge nicht leer; jeder Punkt & des Durchschnitts 
I-6, von 
I: a<z<b \ 


mit d, ist nämlich erreichbar. Andererseits ist nach Konstruktion für 
alle erreichbaren Punkte &<b; diese Zahlenmenge besitzt also eine 
obere Grenze ®© <b. Nach Definition der oberen Grenze darf kein 
Punkt x des Intervalles I, für welchen x > o ist, falls ein solcher Punkt 
existiert, erreichbar sein; dagegen gibt es für jedes positive % erreich- 
bare Punkte 5, für welche ©—h<& ist. Nun ist, wegen a<o<hb, 
der Punkto in I enthalten und es ist ihm nach Voraussetzung ein 
Intervall 
6: oe —h<zi<o+k 


zugeordnet. Wählt man einen erreichbaren Punkt £ zwischen (o— h) 
und © und bezeichnet mit d,, d,,..., 6, endlich viele der gegebenen In- 
tervalle ö>, deren Vereinigungsmenge "das Intervall a <x<E enthält, 
so wird die Vereinigungsmenge 
6, +6, +---+6, +0, 

alle Punkte des Intervalls a << © + k enthalten. Hieraus folgt aber, 
daß erstens & selbst erreichbar ist und zweitens, daß = b ist; denn 
wäre @ <b, so würden Punkte & von ZI im Intervalleo <r<o-+k 
liegen. Diese Punkte wären aber erreichbar, und es wäre für sie zu- 


gleich > o, was der Konstruktion von © widerspricht. Also ist der 
Punkt b selbst ein erreichbarer Punkt, w. z. b. w. 


58. Dieser Satz läßt sich durch den Schluß von n auf (n+1) auf 
mehrdimensionale Intervalle übertragen; der Wortlaut des Satzes wird 
dabei nicht geändert: Es sei I ein abgeschlossenes n-dimensionales In- 
tervall, und jedem Punkte P dieses Intervalls ein (n-dimensionales) In- 
tervall Öp zugeordnet, das P enthält. Es gibt dann endlich viele Punkte 
P,,P3,..., P, von I von der Eigenschaft, daß 


I <0r,+02,+:--+06r, 
ist. 
Wir nehmen an, der Satz sei für (a —1) Dimensionen bewiesen, 
und betrachten die Punkte P des abgeschlossenen Intervalls 
I: ,<a,<b, (k=1,2,...,n) 
für welche 
A - 


ist, wobei & irgendeine feste Zahl des linearen abgeschlossenen Inter- 


44 Kap. 1. Über Punktmengen 8 58 


valls a, <&<b, bedeutet. [Die Fig. 6 stellt die Konstruktion für den 
Falln= 2 dar.] 
Diese Punkte P werden auf gewisse Punkte P’ des (n — 1)-dimen- 
sionalen Raumes x,,2%,...,2,_, projiziert und die Gesamtheit der 
Punkte P’ erfüllt ein abgeschlossenes (n — 1)-dimensionales In- 
2, tervall u 
J: ,<sa<b,.. (k=1,2,...,n—1)) 


b, b,b, Ebenso wird das 
Intervall d>, das ei- 
nem Punkte P zu- 
geordnet ist, aufein 


(n — 1)-dimensiona- 
ODE DRS ZIIIITTIIHI a "%o, les Intervall d> pro- 
ne WIRKTE) x" 
BRETT 





jiziert,dasdenPunkt 
P’ enthält. 

a,! Nun kann man 
nach Voraussetzung 
eine endliche 
Anzahl von 

7 Punkten PD; 
Pısasis:D,5 
.., P,, finden, so daß, wenn man mit ö,,...,d,,...,6, ihre zuge- 

ordneten (» — 1)-dimensionalen Intervalle bezeichnet, 


IT <a ty 4-46, 





ist. Wir kehren jetzt zu unserem n-dimensionalen Raume zurück, und 
betrachten die Punkte P,, deren (n— 1) erste Koordinaten mit denen 
von P, zusammenfallen und für welche außerdem z, = ist; die diesen 
Punkten zugeordneten Intervalle bezeichnen wir mit 


6: N <E< PN (k=1,2,...,") 
und bemerken, daß die 2m Zahlen 
(8,9) und (Br —$) gel, 2,. ..,m) 


alle positiv und von Null verschieden sind. Es sei 2%; die kleinste unter 
diesen Zahlen; dann muß jeder Punkt des n-dimensionalen abgeschlos- 
senen Intervalls 
IT, | ,S,Ssb, 
& 


k=1,2,...,n—1 
E-h,.<a,<$+h ( 7» ‚n )) 


8:59 | Überdeckungssätze 45 


in der Vereinigungsmenge | 
40,4: +0, 
liegen. n. 

Nun wenden wir den Satz des vorigen Paragraphen an: Wir haben 
jedem Punkte & des abgeschlossenen linearen Intervalls a <x,<b, 
ein lineares Intervall 8 — h.<x,< 8 + h, zugeordnet. Wir können also 
endlich viele Punkte &,,8,,.- ,$, finden, so daß das lineare Intervall 
a,<a,sb, durch die Vereinigung der Intervalle 


 h,<<i+t he, (k=1, 2,2435 9) 


überdeckt wird. Dann ist aber auch für unser gegebenes n-dimensio- 
nales abgeschlossenes Intervall 


I<BH,+H,+ +H, 
und da jedes der Intervalle H,, H,,..., H;, durch die Vereinigungs- 


menge von endlich vielen d> überdeckt werden konnte, so gilt dasselbe 
von I. 


59. Unser Resultat läßt eine weitere Verallgemeinerung zu, durch 
die es erst in brauchbarer Form erscheinen wird: 


Überdeckungssatz von Borel. Ist jedem Punkte P einer abge- 
schlossenen und beschränkten Punktmenge A eine Umge- 
bung d> eindeutig zugeordnet, so kann man die ganze Punkt- 
menge A mit einer endlichen Anzahl dieser Umgebungen 
überdecken. 


D.h. es gibt endlich viele Punkte P,, P,,.--, P„, so daß 


e A<In+6r,+-:-+02, 
ist. 

Die Punktmenge A ist beschränkt; man kann also ein Intervall 
($ 52) und folglich auch ein abgeschlossenes Intervall I finden, das A 
in seinem Inneren enthält. Alle Punkte von = A)=IA4’ sind innere 
Punkte von A’, da die Komplementärmenge einer abgeschlossenen Menge 
nur aus inneren Punkten. besteht (8 54). Jedem Punkte Q von (T— A) 
kann man also ein Intervall yg zuordnen, das Q, aber keinen Punkt von 
A enthält. Den Punkten P von A kann man aber Intervalle ö> zuord- 
nen, die P enthalten und jedesmal Teilmengen der gegebenen Umgebungen 
öpr von P sind. Nach dem vorigen Satze kann man endlich viele Punkte 
Q,,Qs,---, Q, und P,,P,,..., P, von I finden, so daß 


A<I<yatrat try td ton, + 402, 


:46 Kap. I. Über Punktmengen 8 60 
ist. Da nun die Intervalle yg keinen Punkt von A enthalten, ist 
A<önFt+6dr, +. +5, <dp+6n,t-- +6, 


womit der Borelsche Satz bewiesen ist. 


Die beiden Voraussetzungen der Beschränktheit und Abgeschlossen- 
heit der Menge A sind für den Satz aber notwendig: Jedem Punkte der 
beschränkten, aber nicht abgeschlossenen unendlichen Punkt- 
mengel, 3, 4,... oder jedem Punkte der abgeschlossenen, aber 
nicht beschränkten unendlichen Punktmenge 1,2,3,... kann man 
z. B. ein Intervall zuordnen, das nur ihn enthält, so daß also erst un- 
endlich viele Intervalle hinreichen, um die Menge zu überdecken. 


60. Setzt man weder die Abgeschlossenheit noch die Beschränkt- 
heit der Menge voraus, so gilt aber wenigstens noch der folgende Über- 
deckungssatz: 


Überdeekungssatz von Lindelöf. Ist jedem Punkte P einer be- 
liebigen Menge A eine Umgebung Ur zugeordnet, so kann 
man eine höchstens abzählbare Teilmenge P,, P,,... von A 
finden, so daß 

A<U,+UR,+--- 
ist. 

Die dem Punkte P zugeordnete Umgebung U? enthält ein Inter- 
vall, das P enthält; dieses Intervall enthält einen Würfel, der P zum 
Mittelpunkte hat ($ 50, Satz 3). Wenn man bewiesen hat, daß A sich 
mit abzählbar vielen solcher Würfel überdecken läßt, so ist damit erst 
recht bewiesen, daß es sich mit abzählbar vielen Umgebungen U? über- 
decken läßt. Jedem Punkte P der Menge A ordnen wir also einen 
Würfel W> zu, der P als Mittelpunkt enthält. (Wir können der Ein- 
deutigkeit halber festsetzen, daß W> der größte der ganz in U7> liegen- 
den Würfel sein soll, die P zum Mittelpunkte haben, da ein derartiger 
größter Würfel immer existiert, sofern Ur nicht identisch mit dem Ge- 
samtraum ist.) Die Seitenlänge von W7 sei ap. 


Wir zerlegen jetzt die gegebene Punktmenge A in abzählbar viele 
Teilmengen A,, Ay,...,A,,.... Hierbei sei A, die Menge der Punkte 
von A, für welche ar >1 ist, ferner A, die Menge derjenigen Punkte, 
für welche 1 > ar > +, und allgemein A, die Menge derjenigen Punkte, 
für welche 


1 1 
FaıS®>% 


ist; einige dieser Punktmengen A, können leer sein, aber jeder Punkt 


8 61 Überdeckungssätze 47 


von A ist in einer und nur einer dieser Mengen enthalten: 


A=-A+At+At 


Wenn man noch zeigt, daß man jede dieser Mengen A, mit endlich oder 
abzählbar vielen Würfeln Wr überdecken kann, so ist der Beweis ge- 
führt ($ 42). Zu diesem Zweck überdecken wir den ganzen Raum mit 
abzählbar unendlich vielen kongruenten Würfeln, deren Seiten gleich 


3 sind ($ 51, Satz 5). Wir bezeichnen mit w,, w,,... die abzählbare 
Teilmenge ($ 39) dieser Würfel, die mindestens einen Punkt von A, ent- 
halten. Dann ist 
4, <wtwtwt:;, 
und für jede natürliche Zahl 5 
4,w,=+V0. 


Nach dem Auswahlaxiom (8 48) kann man jeder dieser Punktmengen 
4A,w, einen ihrer Punkte zuordnen. Der zu einem solchen Punkte P 
gehörende konzentrische Würfel W> überdeckt Bann den entsprechenden 


Würfel w,, da die Seite des letzteren kleiner als = ist. Die Punkt- 


menge A, ist somit von endlich oder abzählbar vielen Würfeln W7 
und folglich von abzählbar vielen Umgebungen Ur überdeckt. Da die 
Vereinigungsmenge abzählbar vieler abzählbarer Mengen wieder ab- 
zählbar ist, so kann A selbst mit abzählbar vielen Umgebungen U 
überdeckt werden. 


61. Der soeben bewiesene Satz kann im Falle, wo A beschränkt 
und die Umgebungen U, Würfel sind, die P zum Mittelpunkte haben, 
noch etwas verschärft werden. In diesem Falle gibt es nach dem Satze 5 
des $ 51 nur endlich viele Hilfswürfel w,, w,,... und folglich in der 
abzählbaren Folge W,, W,,... von Würfeln, die A überdecken, nur 
endlich viele, die im Beweise des vorigen Paragraphen einem A, zu- 
geordnet sind. Es gibt also ebenfalls nur endlich viele dieser Würfel, 


deren Seitenlänge größer als r ist, wo 9 eine beliebige natürliche Zahl 
bedeutet. 

Hieraus folgt aber, daß man die W,, W,, ... nach absteigender 
Länge ihrer Kanten ordnen kann: 

Satz. Ist jedem Punkte P einer beschränkten Punktmenge A ein 
Würfel Wr mit P als Mütelpunkt zugeordnet, so kann man die Punkt- 
menge A mit abzählbar vielen Würfeln W,, W,, ... überdecken, deren 
Sestenlängen Q,, Ay, ... die Relation a, > a,,, befriedigen. 


48 Kap. I. Über Punktmengen 8 62. 63 


Sätze über Häufungs- und Kondensationspunkte. 
62. Satz 1. Jede nicht leere beschränkte Punktmenge ohne Häufungs- 
punkt besteht aus endlich vielen Punkten. 


Wegen ihrer Beschränktheit liegt die Punktmenge A in einem ab- 
geschlossenen Intervall /. Um jeden Punkt P von I kann man, weil P 
nach Voraussetzung kein Häufungspunkt von A ist, eine Umgebung U> 
von P so bestimmen, daß U> entweder keinen einzigen Punkt von A 
oder nur den Punkt P allein enthält (853). Nach dem Borelschen Über- 
deckungssatz kann man nun endlich viele Punkte P,, Ps, ..., P„ 80 
finden, daß = 

I<Up,+Ur,+-: +0 


A=AI=A(U2, +U2,+--:+7,,) 
ist. Die Punktmenge A besteht also nach der Konstruktion der Um- 
gebungen U? höchstens aus den endlich vielen Punkten P,, P,,-:-, P 


Durch Umkehrung folgt hieraus: 

Satz 2. Jede aus unendlich vielen Punkten bestehende ‚beschränkte 
Punktmenge besitzt mindestens einen Häufungspunkt. 

Ferner gilt der Satz: 


Satz 3. Die Menge H, der Häufungspunkte einer Pumktmenge A ist 
abgeschlossen. 


und folglich 


Es ist zu beweisen, daß, wenn der Punkt P? Häufungspunkt von 
H, ist, er in der Punktmenge H, selbst enthalten ist. Jede Umgebung 
Ur von P enthält nach Voraussetzung mindestens einen Punkt Q von 
Hı; die Punktmenge U> ist aber zugleich auch ($ 52, Definition 3) eine 
Umgebung von ©. Sie muß also unendlich viele Punkte von A ent- 
halten und aus der Tatsache, daß letzteres für jede Umgebung von ? 
zutrifft, folgt, daß P, wie wir es beweisen wollten, ein Häufungspunkt 
von A ist. 


63. Satz 4. Jede Punktmenge A, die keinen in ihr liegenden Kon- 
densationspunkt besitzt, ist endlich oder abzählbar und hat also überhaupt 
keinen Kondensationspunkt. 


Um jeden beliebigen Punkt P der Punktmenge A kann man, weil 
P kein Kondensationspunkt von A ist, eine Umgebung U, von P so 
bestimmen, daß die Punktmenge UA aus höchstens abzählbar vielen 
Punkten besteht. Nach dem Lindelöfschen Überdeckungssatz (8 60) kann 
man nun A mit höchstens abzählbar unendlich vielen derartigen Um- 


8 63 Sätze über Häufungs- und Kondensationspunkte 49 








gebungen überdecken. Die Punktmenge A erscheint dann als Vereini- 
gungsmenge von abzählbar vielen abzählbaren Mengen und ist folglich 
selbst abzählbar, falls sie nicht endlich ist ($ 43, Satz 3). 


Durch Umkehrung dieses Satzes erhält man: 
Satz 5. Jede nicht abzählbare Punktmenge enthält mindestens einen 
ihrer Kondensationspunkte. 


Ist daher A eine nicht abzählbare Punktmenge und (, die Menge 
ihrer Kondensationspunkte, so ist der Durchschnitt AC, von A und (, 
nicht leer. Die Punktmenge (A— AC,), die auch leer sein kann, besitzt 
keinen einzigen Kondensationspunkt; denn sie ist eine Teilmenge von A 
und ihre Kondensationspunkte müßten daher alle in CO, enthalten sein, 
d.h. in einer Punktmenge, die mit (A— AC,) keinen einzigen gemein- 
samen Punkt besitzt. Nach Satz 4 ist also (A— AC,) eine abzählbare 
Punktmenge. 

Für jede Umgebung T7 eines beliebigen Punktes P desRaumes ist nun 
(1) AU,-= AC,AU, + (A— ACQ,)UD>; 
die Punktmenge (A— AC,)U> ist als Teilmenge von (A— AC,) ab- 
zählbar. Ist nun AC',U> ebenfalls eine abzählbare Punktmenge, so muß 
also nach (1) dasselbe auch von der Punktmenge AU? gelten und 
hieraus folgt, daß P dann kein Kondensationspunkt von A sein kann. 

Wenn dagegen P ein Kondensationspunkt von A ist, d. h. wenn P 
in C, enthalten ist, so muß also für jede Umgebung U von P die Punkt- 
menge AC,U?r aus nicht abzählbar unendlich vielen Punkten bestehen, 
d.h. der Punkt P ist auch Kondensationspunkt von AC,. Da nun aber 
anderseits jeder Kondensationspunkt von AC, in C, enthalten sein 
muß, weil AC, eine Teilmenge von A ist, sehen wir, daß die Punkt- 
mengen A und AC, dieselben Kondensationspunkte besitzen. 


Satz 6. Bezeichnet man mit Ö, die Menge der Kondensationspunkte 
einer nicht abzählbaren Punktmenge A, s0 ist: 

a) die Punktmenge ACı ebenfalls nicht abzählbar und die Menge 
ihrer Kondensationspunkte identisch mit CA, 

b) die Punktmenge (A— AC,) leer oder höchstens abzählbar. 


Aus dem Satz 6 a) entnimmt man, daß jeder Punkt von AC/, Kon- 
densationspunkt von AC, ist, und daß folglich umsomehr die Punkt- 
menge AÜ, in sich dicht ist. Jede nicht abzählbare Menge ent- 
hält also eine in sich dichte Teilmenge und die Punktmengen, 
die wie die Menge der Zahlen 

es 
keine in sich dichte Teilmenge enthalten, sind alle abzählbar. 
Carathsodory, Beelle Funktionen. 4 


50 Kap. L Über Punktmengen 8 64. 66 


Ebenso sieht man, daß die Menge Ü, der Kondensationspunkte 
von A in sich dicht ist; denn jeder Punkt von C, ist Kondensations- 
punkt und folglich auch Häufungspunkt von AC,, d. h. einer Punkt- 
menge, die in C, enthalten ist. 

Anderseits kann man durch dieselbe Schlußweise, wie beim Satze 3, 
einsehen, daß die Punktmenge Ü, abgeschlossen ist. Ist nämlich P ein 
Häufungspunkt von C\, so enthält jede Umgebung U> von P mindestens 
einen Punkt Q, der zu C, gehört und da Ur auch Umgebung von Q ist, 
so kann nach der Definition der Kondensationspunkte die Punktmenge 
UA nicht abzählbar sein. Also ist P selbst ein Kondensationspunkt 
von A und folglich in C, enthalten. Da die Menge C, der Kondensa- 
tionspunkte von A sowohl in sich dicht als auch abgeschlossen ist, 
gilt der | 

Satz 7. Die Menge C, der Kondensationspunkte einer nicht abzähl- 
baren Punktmenge A ist perfekt. 


64. Ist eine Punktmenge A abgeschlossen und nicht abzählbar, so 
ist die Menge CO, ihrer Kondensationspunkte, als Teilmenge der Menge H, 
ihrer Häufungspunkte, eine Teilmenge von A und es bestehen die Glei- 


chungen 
AC,h=C, und (A—-AQ)=A— C,. 


Der Vergleich mit den Sätzen 6 und 7 liefert uns dann unmittelbar den 
Cantor-Bendixonschen Satz, der folgendermaßen lautet: 


Satz 8. Jede abgeschlossene Punktmenge ist abzählbar oder perfekt 
oder die Summe einer abzählbaren und einer perfekten Punktmenge. 


Es ist leicht, Beispiele von nicht abgeschlossenen Punktmengen zu 
geben, die weder abzählbar noch perfekt sind und die sich nicht als 
Summe einer perfekten und einer abzählbaren Punktmenge darstellen 
lassen: z. B. das lineare Intervalla <x<<b. Dies Intervall / ist weder 
abzählbar noch perfekt. Ist ferner 7’ eine beliebige perfekte Teilmenge 
von I, so enthält die offene Komplementärmenge 7’ von 7 den Punkt a 
und die Punktmenge I — 7 = IT’ ist eine offene Punktmenge, die min- 
destens ein Intervall enthält, das a zum Endpunkte besitzt; sie kann 
demnach nicht abzählbar sein. 


65. Es ist sehr merkwürdig, daß man den Satz 7 (863) in gewisser 
Hinsicht umkehren kann: 


Satz 9. Jede perfekte Punktmenge ist nicht abzählbar und identisch 
mit der Menge ihrer Kondensationspunkte. 


$ 65 Sätze über Häufungs- und Kondensationspunkte 51: 


Ist A perfekt, also abgeschlossen, so ist 
O4 <A. 


Man braucht also nur zu zeigen, daß jeder Punkt von A in ©, enthal- 
ten ist, oder daß, wenn P ein Punkt von A ist und wenn ]z ein Inter- 
vall bezeichnet, das P enthält, die Punktmenge 1-4 nicht abzählbar ist. 
Dies läßt sich ganz ähnlich beweisen ,‚ wie die Nicht- Abzählbarkeit des 
Intervalls 846). . 

Da P Häufungspunkt von A ist, enthält I, p4 unendlich viele 
Punkte. Wir nehmen an, daß diese eine abzählbare m. Ä 


(1) | LA=P,+P,+-+P, + 


bilden. Da P, und P, verschiedene Punkte sind, die in = ja so 
kann man um p, als Mittelpunkt einen abgeschlossenen Würfel W, kon- 
struieren, der m Ip liegt und P, nicht enthält (8 56, Satz 5). Da nun 
nach Voraussetzung die Punktmenge A in sich dicht ist und folglich 
der Mittelpunkt P, von W, Häufungspunkt von A ist, gibt es sicher 
im Innern des (offenen) Würfels W, Punkte von A, die von P, ver- 
schieden sind; unter diesen, die eine Teilmenge von (1): bilden, sei P, 
der mit dem. kleinsten Index ($15, Satz5). Um P,, als Mittelpunkt 
legen wir einen abgeschlossenen Würfel W,, der in w, enthalten ist 
und den Punkt P, nicht enthält. Der Mittelpunkt I: des WürfelsW, 
ist dann der erste Punkt der Reihe (1), der in W, enthalten ist; außer- 
dem sieht man, daß m, >2 ist. Mit P,, heseichnen wir den ersten 
Punkt der Reihe (1), der im Innern von W, liegt und von P,, ver- 
schieden ist; ein solcher Punkt existiert immer, weil P,, (ebenso wie 
oben P,) Häufungspunkt von A ist. Um P, als Mittelpunkt legen wir 
wieder einen abgeschlossenen Würfel W,, der in W, enthalten ist und 
P,, nicht enthält. | 

Indem wir auf diese Weise fortfahren, erhalten wir eine Folge von 
ineinandergeschachtelten abgeschlossenen Würfeln ee | 


Pe | 


(2) w>W,>W,>---, 
deren respektive Mittelpunkte 
(3) | PD Pas Don Ems * > 


folgende Eigenschaften haben: 


a) der Punkt P,, ist der erste Punkt der Reihe (1), der inW, 
vorkommt; | 
b) der Punkt P,„, Kommt in dieser Reihe später als #, ‚nor, d. b 


es ist stets m, > k. 
4* 


52 | Kap. I. Über Punktmengen $ 66. 67 








Die Punktmenge {P,,, Pa, ; - .} besteht dann aus unendlich vielen von- 
einander verschiedenen Punkten, die alle in I> liegen; sie hat also min- 
destens einen Häufungspunkt 2 ($ 62, Satz 2). In jeder Umgebung Ua 
von & liegen unendlich viele von den Punkten P,„_,P.,,..., also un- 
endlich viele, die in der Folge (3), bei fest gewähltem %, später als 
P,, vorkommen. Da diese Punkte dann auch in W, vorkommen müssen, 
ist & Häufungspunkt von W, und dann auch (weil W, abgeschlossen 
ist) in W, enthalten. Hieraus folgt, daß X in jedem W, enthalten 
ist und also nicht unter den Punkten der Reihe (1) vorkommen kann, 
von denen jeder, wegen der Eigenschaften a) und b) von W, nur in 
endlich vielen W, enthalten sein kann. Anderseits aber sind die P,, lau- 
ter Punkte von A; der Punkt 2% ist also Häufungspunkt von A, und 
weil A perfekt ist, in A enthalten. Da endlich ® <W, < I ist, können 
die Punkte von /p A entgegen der Voraussetzung keine abzählbare 
Menge bilden. 


66. Betrachtet man die Menge M, der Häufungspunkte und C, der 
Kondensationspunkte einer beliebigen Punktmenge A, so kann man vier 
neue Punktmengen bilden. Die Menge Hz der Häufungspunkte von 
Häufungspunkten, die Menge Oz der Kondensationspunkte von Häufungs- 
punkten, und endlich die Mengen 4. und Ü. von Häufungs- und Kon- 
densationspunkten der Kondensationspunkte (,. 


Es folgt aus der Definition 
(1) C4 2% HB, , 
und weil HM, abgeschlossen ist ($ 62, Satz 3) 
OÖ <Hr<Hı. 
Nun ist aber C, perfekt (8 63, Satz 7) und, wegen des Satzes 9, 
Cc = H. an Ca; 
anderseits hat man wegen (1) 
Oc< Cr 
oder, wenn man alles miteinander vergleicht, 


C=Hre=0(u<Ca<Ha<H,. 


Häufungspunkte von Durchschnitts- und Vereinigungsmengen. 


67. Sind A,, As, . .. endlich oder abzählbar unendlich viele Punkt- 
mengen und D) ihr Durchschnitt, und betrachtet man die Menge H, der 
Häufungspunkte von D, so liegt nach Voraussetzung in jeder Um- 
gebung U, eines Punktes P von H» ein von P verschiedener Punkt Q 


8 68 Häufungspunkte von Durchschnitts- und Vereinigungsmengen 53 


der Menge D. Dieser Punkt © ist aber als Punkt von D auch Punkt 
jeder beliebigen unter den Punktmengen A,; also ist P Häufungspunkt 
von A, und folglich in der Menge H,, dieser Häufungspunkte enthalten. 
Da dicnes für jedes k gilt, ist P ein Punkt des Durchschnitts aller 7, 
und also Hp» eine Teilmenge dieses Durchschnitts: 


(1) Hy» < HıHıH...... 


Es braucht aber natürlich, selbst wenn nur endlich viele Punkt- 
mengen A; gegeben sind, Z/» nicht identisch mit dem Durchschnitte 
der H,, zu sein. Sind z.B. A, und :A, zwei abgeschlossene lineare Inter- 
valle, die einen einzigen gemeinsamen Punkt. P besitzen, so ist Hp 
leer, wogegen MH, H,, den Punkt P enthält. 


68. Ist 
V=4+4+4,+--- 


die Vereinigungsmenge von endlich oder abzählbar unendlich vielen 
Punktmengen und wird mit Hy, die Menge der Häufungspunkte von 7 
bezeichnet, so ist, wie man sofort sieht, jeder Häufungspunkt P von 4; 

auch Häufungspunkt von V, oder in Zeichen 


(2) Hy>Ha+H,+H,+--- 


Sind die A, in unendlicher Anzahl, so kann es Punkte von Hy geben, 
die nicht in der Vereinigungsmenge der H,, liegen. Bestehen z. B. die 
A, aus einem einzigen Punkte mit rationalen Koordinaten und sind alle 
rationalen Punkte in Y vertreten, so sind die ZH, alle leer ud dasselbe 
gilt von der Vereinigungsmenge 


Hy+ Hut; 
jeder Punkt des Raumes ist dagegen in Hy enthalten. 
Sind aber die A, in endlicher Anzahl, so ist immer 


(3) . Hyr=H,+Hatr:  +Hu 
wenn 


VA As, 


ist. Diese Relation braucht nur im Falle von zwei Punktmengen A, 
und A, bewiesen zu werden; sie kann dann ohne weiteres, mit Hilfe des 
Schlusses von » auf (n-+ 1), verallgemeinert werden. 

Es sei also VY=A,+4, und P sei ein Punkt von Hy. Ich be- 
haupte, daß P entweder in ZH, oder in ZH, enthalten ist. Wäre näm- 
lich P weder in der einen noch in der andern dieser Punktmengen ent- 
halten, so würde es zwei Intervalle I, und /, geben, die beide P ent- 


54 2. Kap.I. Über Punktmengen 8 69 








ee ST 


halten und die so: bestimmt werden können, daß I, außer vielleicht P 
keinen Punkt von A, und I, außer eventuell P keinen Punkt von A, 
enthält. Dann würde das Intervall I= II, (850, Satz 1) den Punkt P, 
aber keinen von P verschiedenen Punkt von V enthalten, d.h. P wäre 
entgegen der Voraussetzung kein Punkt von Hy. Es ist also 
H,<H,+H,i 
und, wegen (2), 
H,=H,+ Ha: 


69. Satz 1. Der Durchschnitt vom endlich oder abeählbar unendlich 
vielen abgeschlossenen Punktmenyen ist leer oder abgeschlossen. 
Es seien A,, A,,... abgeschlossene Punktmengen, d.h. H,, < 4:. 
‚Hieraus folgt ($ 41) 
HH: -<AAy =D 
und, wegen (1), 8 67: 


: Satz 2, Sind die night leeren Punktmengen A,, A,, . . - abgeschlossen 
und ineinandergeschachtelt 
A>A>A>--, 


ist außerdem A, beschränkt, so ist der Durchschnitt D dieser Punktmengen 
nicht leer. 

Der Satz bedarf nur dann eines Beweises, wenn die Punktmengen A, 
in unendlicher Anzahl vorhanden sind. Wäre nun der Durchschnitt D 
aller A, leer, so könnte man jedem Punkt P von A, eine kleinste Zahl 
kp zuordnen, so daß die Punktmenge A,, unserer Folge den Punkt P 
nicht enthält. Da ferner A,, abgeschlossen ist, so ist die Komplemen- 
tärmenge Ar, von A;, eine Umgebung von P ($ 54, 52). Nach dem 
Borelschen Überdeckungssatz kann man hierauf die beschränkte und 
abgeschlossene Punktmenge A, mit einer endlichen Anzahl dieser 
Umgebungen überdecken. D.h. man kann endlich viele ganze Zahlen 
Kıskoay. -, k,, finden, so daß jeder Punkt von A, in mindestens einer 
der Komplementärmengen von An, Ars: - > At liegt. Es sei k die 
größte unter den Zahlen k,,Äy,. . ., Km; dann ist A, eine Teilmenge von 
jeder der Mengen A, , Ar., ---, Ar ‚ weil die gegebenen Mengen A,,A,.- 
ineinandergeschachtelt waren. Die Komplementärmenge A; von A; ent- 
hält also jede einzelne unter den Komplementärmengen von A, ,Ar,,.. „Az, 
und folglich nach unserer Konstruktion auch A, selbst. Es müßte da- 
nach der Durchschnitt A, A, leer sein, und dies ist im Widerspruch mit 
der Voraussetzung, daß A, nicht leer und eine Teilmenge von A, ist. 


8.70 Häufungspunkte von Durchschnitts- und Vereinigungsmengen 55 





Ohne die Voraussetzung, daB A, (oder allgemeiner, daß mindestens 
eine der Punktmengen A,) beschränkt sein soll, hätten wir unseren Satz 
nicht beweisen können. Die linearen Punktmengen 


A,: ksze (k=1,2,...) 
sind abgeschlossen und ineinandergeschachtelt, ihr Durchschnitt ist 
aber leer. 

Satz 3. Die Vereinigungsmenge von endlich vielen abgeschlossenen 
Punktmengen ist abgeschlossen. 
In der Tat folgt aus 
H,=H,+YH,+'  +H. 


Hu< 4, (k=1,2,...,m) 


und aus 


daß auch 
H,<V 


ist, d. h. daB V eine abgeschlossene Punktmenge ist. 


Dagegen braucht die Vereinigungsmenge von unendlich vielen ab- 
geschlossenen Punktmengen nicht abgeschlossen zu sein; die rationalen 
Punkte des Raumes bilden z. B. eine nicht abgeschlossene Punktmenge, 
die als Vereinigungsmenge von abzählbar unendlich vielen Mengen, die 
aus einem einzigen Punkte bestehen, also abgeschlossen sind, angesehen 


werden kann. 
v 


«0. Satz 4. Die Vereinigungsmenge 
V=-4+4+--: 


von endlich oder abzählbar unendlich vielen in sich dichten Mengen ist in 
sich dicht. 

Der Satz folgt direkt aus (2), $ 68 und aus der. VO daß 
für jeden Wert von k 
5 Hu, > A: 
18t. 

Satz 5. Der Durchschnitt einer offenen und einer in sich dichten 
Punktmenge ist in sich dicht, sobald er nicht leer ist. 


Ist A eine offene, B eine in sich dichte Punktmenge und P ein 
Punkt von AB, so gibt es ein Intervall J>, das P enthält und in A ent- 
halten ist. Ist dann /> ein beliebiges Intervall, das P enthält, so hat 
das Intervall I>Jr dieselbe Eigenschaft. Da B in sich dicht ist, gibt es 
in Ir Jr einen von P verschiedenen Punkt Q, der in B und folglich, 


56 Kap. I. Über Punktmengen 8 71 








da I < A ist, in n AB enthalten ist. Also ist P Häufungspunkt von 
AB und die Panktmenge AB in sich dicht. 
Erinnert man sich an die Definition der perfekten Punktmengen 
($ 54), so folgt aus unseren Sätzen 3 und 4: 

Satz 6. Die Vereinigungsmenge von endlich vielen nerfekt Punkt- 
mengen ist perfekt. 

Dagegen braucht weder der Durchschnitt von zwei, noch die Ver- 
einigungsmenge von unendlich vielen perfekten Punktmengen perfekt zu 
sein. Betrachtet man z. B. die perfekten linearen Punktmengen 

; | 
An: ee t, eu (n=1,2,...) 
so besteht der Durchschnitt Au- ‚A, aus dem einzigen Punkt 1:% und 
die Vereinigung A, + A, +--- kann geschrieben werden O<r<1; 
die beiden letzten Panktmengen sind aber nicht perfekt. 


‘1. Um die analogen Sätze über offene Punktmengen abzuleiten, 
benutzen wir die Tatsache, daß die Komplementärmenge einer offenen 
Punktmenge abgeschlossen ist. 


Sind A,, A,, -.. offene Punktmengen, A,’, A,,... ihre Komple- 

mentärmengen, so ist ($ 40) 
A, +4,+- = (4'444: ..). 

Nach Satz 1 ist A,’A, A, ... abgeschlossen oder leer; wir haben 
also den . 

Satz 7. Die Vereinigungsmenge von endlich oder abzählbar unendlich 
vielen offenen Punktmengen ist offen. 

Ähnlich entnehmen wir aus 

A,4A,...4A,= (Ar + At. +4,) 

mit Hilfe des Satzes 3 


Satz 8. Der Durchschnitt von endlich vielen offenen Punktmengen 
ist offen, falls er nicht leer ist. 


Dagegen kann man über den Durchschnitt von abzählbar unendlich 
vielen offenen Punktmengen keine so einfache Aussage machen. Es. 
ist leicht, Beispiele zu bilden, bei denen dieser Durchschnitt leer ist 

A: 0<a<], 


oder aus isolierten Punkten besteht 


a 1 1 
A: = er <Xx < > 


$ 72.73 Häufungspunkte von Durchschnitts- und Vereinigungsmengen 57 





oder perfekt ist 
A: — = <re<1l+ — 
u. s. f. (vgl. hierzu den $ 81). 

42. Satz 9. Ist A eine beliebige Punktmenge und HL, die Menge 
ihrer Häufungspunkte, so ist (A + H,) abgeschlossen; ist A in sich dicht, 
so ist (A+ HL) perfekt. Die Punktmenge n + H,) nennen wir die ab- 
geschlossene Hülle von A. 

Setzt man 
(1) | B=A+4H, 
und bezeichnet man mit Hz die Häufungspunkte von H,, so ist, weil 
H, abgeschlossen ist, 


Haz< AH, 
und folglich nach der Gleichung (3) des $ 68 
(2) IBR=H,+Hzı=HL<B; 


ist aber A in sich dicht, d.h. A< A,,so ist nach (1) B= H, und 
folglich nach (2) 
M=B. 


Die Wichtigkeit des Begriffs der abgeschlossenen Hülle einer Punkt- 
menge A wird durch folgenden Satz hervorgehoben: 

Satz 10. Die abgeschlossene Hülle (A+ H,) einer beliebigen Punkt- 
menge A ist die kleinste abgeschlossene Punktmenge, die A als Teilmenge 
enthält. 

Wir bezeichnen mit B eine beliebige abgeschlossene Punktmenge, 
die A als Teilmenge enthält. Man hat dann die Beziehungen 
(3) A<B ud H;<B; 


aus der ersten dieser Relationen a a< H; und die zweite zeigt 
hierauf, daß 


(4) H,<PB 
ist. Der Vergleich von (3) mit (4) liefert dann 
A+Hı<B, 


womit unsere Behauptung bewiesen ist. (Vgl. hierzu die $$ 213—215.) 
73. Man kann abzählbar unendlich viele Punktmengen 


(1) : Yıs Pa» 37 - -- 
ein für allemal so definieren, daß jede offene Punktmenge des n-di- 


58 Kap. I. Über Punktmengen $ 74 


PAS BEESNESEE  L EE NEEILE DER nn 


mensionalen Raumes als Vereinigungsmenge von Mengen, die 
eine Teilfolge von (1) bilden, angesehen werden kann. Durch 
Bildung von Komplementärmengen kann man dann jede abgeschlossene 
und also auch jede perfekte Punktmenge aus den Mengen der Folge (1) 
ableiten. 

Die Wahl der „Grundmengen“ y, ist natürlich in hohem Grade 
willkürlich; man kann z.B. festsetzen, daß die y, lauter Würfel sind, 
deren Mittelpunkte rationale Koordinaten besitzen und deren Kanten. 
längen 

erg (p=1,2,3,...) 
sind und sämtliche Würfel dieser Art in die Folge (1) aufnehmen. Nach 
den $$ 45 u. 42 bilden nämlich diese Würfel wirklich eine abzählbare 
Menge. 

Es sei nun A eine beliebige offene Punktmenge und P ein Punkt 
von A; es gibt dann einen Würfel W, der P zum Mittelpunkt bat, ganz 
in A liegt, und dessen Kantenlänge 1:m ist. Man nenne W, den zu W 
konzentrischen Würfel, dessen Kantenlänge 1:2 m ist, und Q sei ein be- 
liebiger Punkt mit rationalen Koordinaten, der im Inneren von W, 
liegt. Der Würfel W,, der @ zum Mittelpunkte hat und dessen Kanten- 
länge 1:2 m ist, ist einerseits in W, also auch in A enthalten, anderseits 
enthält er aber auch P in seinem Inneren. Der Würfel W, ist aber in 
unserer Folge (1) enthalten; es gibt also Mengen in dieser Folge, die 
zugleich Teilmengen von A und Umgebungen von P sind. 

Bezeichnen wir also der Reihe nach mit y,,7,,-- Hieenikn 
Würfel der Folge (1), die in _A enthalten sind, so liegt jeder Punkt » von 4 
in der Vereinigungsmenge 

V= In, + Ft 3: 
umgekehrt ist aber V eine Teilmenge von A und man hat daher V= A, 
wie wir zeigen wollten. 

Die soeben geschilderte Konstruktion behält ihre Gültigkeit, wenn 
wir jeden der Würfel y,, die wir benutzt haben, durch seine abge- 
schlossene Hülle y, ersetzen. 

Wir sehen hieraus, daß man jede offene Punktmenge als 
Vereinigungsmenge von abzählbar unendlich vielen abge- 
schlossenen — und sogar perfekten — Punktmengen dar- 
stellen kann. 


Relativbegriffe. 


74. Von einer Teilmenge A: einer gegebenen Punktmenge 5 sagt 
man, daß sie auf S (oder relativ zu S) abgeschlossen ist, wenn 


8 74 Relativbegriffe 59 


ee 


punkte von Ain A enthalten ist; es soll m. a. W. sein: 
(1) HS <A<S. 


Die relative Abgeschlossenheit einer Punktmenge unterscheidet sich 
also lediglich dadurch von der gewöhnlichen (8 54), daß man die Häu- 
fungspunkte von A, die in $ enthalten sind, allein berücksichtigt. 

Wir bezeichnen mit A die abgeschlossene Hülle von A; dann ist 
wegen (1) e 

AS=(A+H)S=A4, 


d. h. eine Punktmenge A, die auf $ abgeschlossen ist, ist der Durch- 
schnitt von $ mit ihrer abgeschlossenen Hülle A. 
Ist anderseits .B eine abgeschlossene Punktmenge, d.h. ist 


(2) H5<B, 
und setzt man | 
(3) | A=BS, 
so folgt zunächst aus (3) 

H,ı<Hs 
und daher nach (2) 

H,<DB. 
Also ist auch 

H\S<BS=4A, 

d.h. A ist abgeschlossen auf $. \ 


Satz 1. Dafür, daß eine Punktmenge A auf einer gegebenen Punkt- 
menge S abgeschlossen sei, ist notwendig und hinreichend, daß A der Durch- 
schnitt von S mit einer abgeschlossenen Punktmenge sei; dann ist auch stets 


A gleich dem Durchschnitt von S mit der abgeschlossenen Hülle A von A. 


Es seien A,, A,,... endlich oder abzählbar unendlich viele Punkt- 
mengen, die auf $ abgeschlossen sind, A,, A,, . . . ihre abgeschlossenen 
Hüllen. Aus 


folgt 


A,=4S, 4,=Ä4,S,... 


4A,4,:::=S(4,A,...) 
und nach dem Satze 1 des $ 69 sieht man, daß auch der Durchschnitt 


A,A, ... auf S abgeschlossen sein muß. Ganz ähnlich beweist man 
den zweiten Teil des folgenden Satzes. 


Satz 2. Der Durchschnitt von endlich oder abzählbar unendlich vielen 
und die Vereinigung von endlich vielen Punktmengen A,, die auf S abge- 
schlossen sind, sind ebenfalls auf S abgeschlossene Punktmengen. 


60 _ Kap. I Über Punktmengen 8 75 


A dem Satze 1 folgt ferner, daß wenn $ selbst abgeschlossen ist, 
jede auf $S abgeschlossene Punktmenge, als Durchschnitt von zwei ab- 
geschlossenen Punktmengen, ebenfalls im gewöhnlichen Sinne abge- 
schlossen sein muß. 


Satz 3. Jede Punktmenge A, die auf einer abgeschlossenen Punkt- 
menge S abgeschlossen ist, ist eine abgeschlossene Teilmenge von 8. 


75. Von einer Punktmenge A wollen wir sagen, daß sie auf S 
(oder relativ zu S) offen ist, wenn A eine Teilmenge von 8 und ($— A) 
auf S abgeschlossen ist. Ist A offen auf S, so ist 


8 — 4)-— 


wobei B nach dem ersten Satze des vorigen Paragraphen eine abge- 
schlossene Punktmenge bedeutet. Nun ist die Komplementärmenge B’ 


von B offen und 
A=S—-(S-A)=8S—- BS=BS 


der Durchschnitt einer offenen . Punktmenge B’ mit $. Ist umgekehrt 
A=U.S, 


wo U eine offene Punktmenge bedeutet, so ist die Komplementärmenge 
U’ von U abgeschlossen und 


S—-A=S8S- US=-U’S 
eine auf S abgeschlossene Punktmenge. 


Satz 4. Dafür, daß eine Punktmenge A offen auf einer Punktmenge 8 
liege, ist notwendig und hinreichend, daß A der Durchschnitt von S mit 
einer offenen Punktmenge sei. 


Man sieht ebenso, wie im vorigen Paragraphen, daß die Vereini- 
gung von endlich oder abzählbar unendlich vielen und der Durchschnitt 
von endlich vielen Punktmengen, die auf $ offen sind, ebenfalls auf S 
offene Punktmengen sein müssen; und daß, wenn S selbst eine offene 
Punktmenge ist, jede Punktmenge 4A, die auf S offen liegt, ebenfalls 
eine im gewöhnlichen Sinne offene Punktmenge sein muß. 


Beispiele von relativ abgeschlossenen und relativ offenen Punkt- 
mengen: 

1. Die lineare Punktmenge 0 <x<1 ist abgeschlossen auf dem 
Intervall O<x2<2. | 

2. Die lineare Punktmenge O<xr<1 ist offen auf dem abge- 
schlossenen Intervall O<zr< 2 


8 76 Überall dichte und nirgends dichte Punktmengen 61 





Überall dichte und nirgends dichte Punktmengen. 


76. Definition. Ist S eine gegebene Punktmenge, so heißt 
eine beliebige Punktmenge A überall dicht auf S, wenn jeder 
Punkt von $S Häufungspunkt des Durchschnitts AS ist, oder 
in Zeichen, wenn | 
(1) S<Hıs 
ist. | 

Danach liegen z. B. die rationalen Punkte des »-dimensionalen 
Raumes überall dicht auf jedem offenen oder abgeschlossenen Intervall 
dieses Raumes. 

Da AS eine Teilmenge von $ ist, ist 


(2) 'Hıs<JHs, 
also muß nach (1) 
(3) | S < Hs ’ 


d.h. die Punktmenge $S muß notwendig in sich dicht sein. 
Die abgeschlossene Hülle von S 
T=S+Hs 


ist dann, nach dem Satze 9 des $ 72 eine perfekte Punktmenge und 
man hat: 


Ist P irgend ein Punkt von T, so ist P nach (4) Häufungspunkt 
von S, also nach (1) Häufungspunkt von H4s, und da diese letzte Punkt- 
menge abgeschlossen ist, ist P ın 7,s enthalten; wir haben mithin: 


T< Hıs ’ 
Nun folgt aber aus S<T, daß auch AS< AT und daß 
Hıs<Hır 
ist; also ist auch 
T< H, Ty 


d.h. die Punktmenge A ist überall dicht auf T. 


Satz 1. Jede auf einer beliebigen (in sich dichten) Punktmenge S über- 
all dichte Punktmenge A ist auch auf der (perfekten) abgeschlossenen Hülle 
von 8 überall dicht. 


Ferner gilt folgender Satz: 
Satz 2. Sind A,, A,,... und S,, S,,. . . beliebige Punktmengen in 
endlicher oder absählbarer Anzahl gegeben, und ist für jedes in Betracht 


62 Kap. I. Über Punktmengen 8 77 
kommende k die Punktmenge A, überall dicht auf S,, selet man ferner 
A=A+4,+4+--- 
S=-8+8,+S5,+---, 

so ist A überall dicht auf 8. 
Setzt man in der Tat 
= 4,8, + 4,5 + 4,8 + en =, 
AS=AS, +48, +48, +- 
>Y, 
Hıs> Hr. 
Anderseits ist nach der Relation (2) des 8 68 


Hy>H,s,+Has+°. 
und nach Definition 
Hs > S,- 


so ist 


also 


Also ist schließlich 
Hıs > Ss +8 +. -S, 


womit die Behauptung bewiesen ist. 


77. Ist A überall dicht auf S, so liegt in jeder Umgebung U 
eines Punktes P von S nach Definition mindestens ein Punkt von AS, 
der von P verschieden ist und diese Bedingung ist hinreichend, dafür, 
daß A überall dicht auf $ sei. Benutzt man aber die Eigenschaft von S, 
in sich dicht zu sein, die wir als notwendig erkannt haben, so genügt 
es zu verifizieren, daß Up überhaupt einen Punkt von AS enthält, um 
schließen zu können, daß A überall dicht auf S ist. 


Weil nämlich $ in sich dicht ist, gibt es dann in Ur einen von P 
verschiedenen Punkt Q von S und man kann eine Umgebung U, von © 
finden, die P nicht enthält und Teilmenge von Ur ist. Diese Punkt- 
menge U, enthält nach Voraussetzung mindestens einen Punkt P,, der 
in AS liegt; dann ist P, + P und in AST, enthalten, d.h. P ist 
Häufungspunkt von AS. 


Satz 3. Dafür, daß die Punktmenge A auf der in sich dichten Punkt- 
menge S überall dicht liege, ist notwendig und hinreichend, daß jede Um- 
gebung Ur eines beliebigen Punktes P von S mindestens einen Punkt von 
AS enthält. | 


1) 


8 78 Überall dichte und nirgends dichte Punktmengen 63 





Jetzt beweisen wir den Satz: 

Satz A. Der Durchschnitt AB einer offenen Punktmenge A und einer 
beliebigen Punktmenge B, die beide überall dicht auf S sind, ist ebenfalls 
überall dicht auf 8. 

Es sei P ein beliebiger Punkt von $ und U, eine Umgebung von P. 
Da die Punktmenge A überall dicht auf $ ist, ist Up AS nicht leer und 
die Punktmenge UA enthält mindestens einen Punkt Q von $S. Nun 
ist UrA, weil A offen ist, ebenfalls eine offene Punktmenge und somit 
eine Umgebung U, von Q. Also kann, mel B überall dicht auf 8 ist, 


die Punktmenge 
UBS = U,ABS 


nicht leer sein und Ur enthält mindestens einen Punkt von ABS. 
Anderseits ist $ notwendig in sich dicht, so daß, nach dem rongen 
Satze, AB überall dicht auf S liegen muß. 


78. Aus dem soeben bewiesenen Satze folgt ohne weiteres, daß der 
Durchschnitt von endlich vielen offenen Punktmengen, die sämtlich 
überall dicht auf $ sind, ebenfalls überall dicht auf $S sein muß. Für 
den Durchschnitt von abzählbar unendlich vielen Punktmengen ist dies 
keineswegs immer der Fall, wie folgendes Beispiel zeigt. 

Es seien r,, ?,, ... die rationalen Punkte des Raumes und man 
setze $ gleich der Summe aller dieser rationalen Punkte und A, gleich 
der Komplementärmenge des Punktes r,; dann sind die A, offene, auf S 
überall dichte Punktmengen und der Durchschnitt A,A,A, ... aller 
Punktmengen A, hat keinen Punkt mit $S gemeinsam und ist also nicht 
überall dicht auf $. | 


Um so interessanter ist folgender für die Anwendungen wich- 
tiger Satz: 

Satz 5. Sind die absählbar unendlich vielen Punktmengen A,,4,,--- 
alle offen und überall dicht auf einer Punktmenge S, die perfekt oder offen 
oder allgemeiner der Durchschnitt TU einer perfekten Punktmenge T und 
einer offenen Punktmenge U ist, so ist der Durchschnitt 


(1) D= A, AA; -- 
dieser Punktmengen ebenfalls überall dicht auf 8. 


Es sei P ein Punkt von S= TU und U; eine beliebige Umgebung 
von P. Nach Voraussetzung enthält U, einen Punkt Q, von A,S und 
es existiert dann auch, weil A, und U offene Punktmengen sind, ein 


64 Kap. I. Über Punktmengen 8 79 


abgeschlossener Würfel W,, der Q, zum Mittelpunkte hat und i inA,UU, 
enthalten ist: _ 
(2) W,<A,UU,. 


Der offene Würfel W,, der aus den inneren Punkten von W, besteht, 
ist eine Umgebung von @, und enthält daher mindestens einen Punkt 
Q,, derin A,S enthalten ist; wir können dann, weil nach Voraussetzung 
A, eine offene Punktmenge ist, einen abgeschlossenen Würfel W, finden, 
der Q, zum Mittelpunkte hat und in A,W, enthalten ist. Indem wir 
auf diese Weise fortfahren, bestimmen wir nacheinander für alle natür- 
Hchen Zahlen k=1,2,... Punkte Q,, die auf $ liegen, und abge- 
schlossene Würfel W. mit den inneren Punkten W,, die Q, zum Mittel- 
punkte haben, und welche den Beziehungen 





8) W.<AW,ı | (k=2,3,...) 
genügen. Aus diesen ft: 

(4) W.<W. 

und = 

(5) W,<4; 

setzen wir jetzt | no 

(6) B=W\,T, 


so sind die Punktmengen B, für jeden Wert von %k als Durchschnitt 
von zwei abgeschlossenen Punktmengen abgeschlossen und nicht leer, 
weil diese ja beide mindestens den Punkt Q, enthalten. Ferner ist, 
wegen (4) und (6) 


B>B>B>:-: 
und für jedes k, wegen (5) und (6) 
(7) | B,<AT. 


Endlich ist B, als Teilmenge von W, eine beschränkte Punktmenge. 
Nach dem Satze 2 des $ 69 ist der Durchschnitt B,B,B,... der 
Punktmengen DB, nicht leer; dieser Durchschnitt ist aber einerseits, 
wegen (1) und (7), eine Teilmenge von DT, anderseits wegen (6) und 
(4) eine Teilmenge von W, und folglich nach (2) von UU,. Mithin 


„st die Punktmenge 
DTUU,;,= DSD; 


nicht leer, woraus folgt, daß D überall dicht auf S liegt ($ 77, Satz 3). 
79. Definition. Eine Punktmenge A heißt nirgends dicht 
auf einer insich dichten Punktmenge 8, wenn die Menge Bder 


inneren Punkte derKomplementärmenge von ASüberall dicht 
auf S liegt. 


8 79 Überall dichte und nirgends dichte Punktmenge 65 


Da die Punktmenge B nach Voraussetzung überall dicht auf S 
liegen soll, so gibt es in jeder Umgebung U> eines Punktes P von S 
einen Punkt Q, der zu BS gehört. Es sei U, eine Umgebung von Q, 
die in der offenen Punktmenge B enthalten ist. Für die Punktmengen U? 
und U, gilt dann erstens die Bedingung 


(1) U, UrS +0 
und zweitens ist, weil U,’ B und B keinen Punkt von AS enthält, 
(2) ASUUr =. 


Nehmen wir umgekehrt an, daß man jeder Umgebung U?7 eines belie- 
bigen Punktes P von S eine offene Punktmenge Ug zuordnen kann, so 
daß die Relationen (1) und (2) zugleich erfüllt sind. Die Punktmenge 
UgUr besteht dann aus lauter Punkten der Komplementärmenge von 
AS und da U,Ü7 eine nicht leere offene Punktmenge bedeutet, so sind 
diese Punkte innere Punkte dieser Komplementärmenge. Wir können 
also schreiben 


UgUr<B 
und daher auch | 
U,Ur < BU;; 
also ist nach (1) 
| BU,S=+0, 


und da dies für jede Umgebung U7 eines Punktes P von $S gelten muß, 
und S eine in sich dichte Punktmenge bedeutet, so ist nach dem Satze 3 
des $ 77 die Punktmenge B überall dicht auf S. 

Anderseits besteht nach demselben Satze die notwendige und hin- 
reichende Bedingung dafür, daß die Punktmenge A nicht überall dicht 
auf U>S liege, in der Forderung, daß eine Umgebung U, eines Punktes Q 
von ÜrS existiert, für die der Durchschnitt A U,UpS leer ist, so daß 
dann die Relationen (1) und (2) zugleich stattfinden. Alles zusammen- 
fassend haben wir den 


Satz 6. Dafür, daß eine Punktmenge A nirgends dicht auf einer 
Punktmenge S liege, ist notwendig und hinreichend, daß man jeder Um- 
‚gebung U» eines beliebigen Punktes P von S eine offene Punktmenge U%g 
zuordnen kann, so daß die beiden Relationen U,UrS=+0 und ASU,U?=0 
zugleich erfüllt sind, was damit gleichbedeutend ist, daß keine offene Punkt- 
menge U existiert, die mit S gemeinsame Punkte besitzt, so daß A überall 
dicht auf US liegt. 

Es gilt nun der Satz: 

Satz 7. Der Durchschnitt S einer perfekten Punktmenge T und einer 
offenen Punktmenge U kann nicht als Wereinigungsmenge von abzählbar 

Carath&odory, Bevile Funktionen. 5 


66 Kap. I. Über Punktmengen 8 80 


nirgends dicht auf 5 liegen. 
Setzt man nämlich 
: V=A+4,+4+--- 


und bezeichnet mit V’, A,', A,,... die Komplementärmengen von 
V, A,, Ag, ., so ist (8 40) 
V=4,A4 .... 


Nun sind nach Voraussetzung die A, Teilmengen von S und wenn 
man mit B, die inneren Punkte der Komplementärmenge von 4,=A,5 
bezeichnet, so ist B<A4,. 

Also hat man 
 V>BBB,.... 

Wenn nun die offenen Punktmengen B, überall dicht auf $ liegen, 
so gilt dasselbe nach dem Satze 5 des vorigen Paragraphen vom Durch- 
schnitt B,B,B,... und die Punktmenge 

S-V=SV’>SBB,... 


kann daher nicht leer sein. 


Sätze über gewisse Durchschnittsmengen.*) 
80. Wir betrachten eine Folge 
.(1) B>B,>B>--- 
von abzählbar unendlich vielen ineinandergeschachtelten abgeschlos- 
senen Punktmengen von folgender Beschaffenheit: 

Die Punktmenge B, be- 
steht aus 2* abgeschlos- 
senen getrennt liegenden 
Würfeln, deren Kanten- 
längen alle <1:2* sind, und 
jeder Würfel der Punkt- 
menge B, enthält zwei von 
den Würfeln der Punktmenge B,,,- 

Ferner sei 


Fig.7. (2) A,>4>4 >: 


eine Folge von abzählbar unendlich vielen ineinandergeschachtelten ab - 
geschlossenen Punktmengen, und es sei 


(8) A<B, 
*) Dieser Abschnitt wird erst im Kap. X benutzt werden. 





5 81 8i Sätze über gewisse Durchschnittsmengen 67 





und für jeden der abgeschlossenen Würfel W_, die in B, vorkommen, sei 
(4) A,W, m. 0. | 


Da die beiden letzten Bedingungen natürlich erfüllt sind, wenn man 
4,= DB, setzt, werden wir die allgemeineren Punktmengen A, statt der 
B, nur dann einführen, wenn wir durch äußere Umstände dazu veran- 
laßt sind (vgl. $ 82). 

Wir wollen jetzt zeigen, daß der Durchschnitt 


5) A=4,4A4,- 


eife perfekte Punktmenge darstellt. Zuerst bemerken wir, daß nach 
den Sätzen 1 und 2 des $ 69 die Punktmenge A abgeschlossen und 
nicht leer ist. Ist nun P ein Punkt von A und T7 eine beliebige Um- 
gebung von P, eo kann man die natürliche Zahl k so bestimmen, daß 
der abgeschlossene Würfel W, der P zum Mittelpunkte hat und dessen 
Kantenlänge gleich 1:2*-1 ist, ganz in U? liegt (88 52, 56). Unter den 
2* Würfeln, aus welchen die Punktmenge B, zusammengesetzt ist, gibt 
es, wegen (3) und weil P in A, liegt, einen, z. B. W_, der den Punkt P 
enthält. Da nun die Kantenlänge von W, kleiner oder gleich 1:2* ist, 
hat man 


W.<W <TD. 


Die Punktmenge W,B,,, besteht nach Definition aus zwei ge- 
trennten, abgeschlossenen Würfeln, von denen der eineW , den Punkt P 
“nicht enthält. Nun liegen aber für jedes #>(k-+ 1) eine Anzahl der 
Würfel von B, innerhalb w; und nach (M ist dann für jede dieser 


Zahlen p AW.+0 
PR i 


Nach (2) gilt dieselbe Relation für alle übrigen Werte von p, die 
<(%k+1) sind, und da die Punktmengen A, W, alle abgeschlossen sind, 
ist der Durchschnitt 

= (4,W ,) (AW,)... 


nicht leer ($ 69, Satz 2). Dies besagt aber, daß die Punktmenge A in 
der Umgebung U, von P mindestens einen von P verschiedenen Punkt 
enthält, und da P ein beliebiger Punkt von A und Up eine beliel,ige 
Umgebung von P bedeutete, muß A in sich dicht sein. Wir hatten aber 
schon gesehen, daß A abgeschlossen ist; also ist die Punktmenge A 
eine perfekte Punktmenge. 


81. Wir sind jetzt imstande, zwei Sätze zu beweisen, die uns Eat 
nützlich sein werden (vgl. 8 473). 
5* 


68 Kap. I. Über Punktmengen 8 81 


Es seien mit U,, U,,... abzählbar unendlich viele offene Punkt- 
mengen bezeichnet; wir betrachten den Durchschnitt 


(1) D-UD,... 


dieser Mengen, von dem wir voraussetzen, daß er eine in sich dichte 
Punktmenge H enthält. 


Es seien P, und P, zwei Punkte von H, die also beide in D und 
folglich in T, enthalten sind. Wir können zwei getrennt liegende ab- 
geschlossene Würfel w, und W, finden, die P, und P, zu Mittel- 
punkten haben, beide in U, enthalten sind und deren Kantenlänge die 
Zahl 1:2 nicht übersteigt. Nennen wir B, die Summe der beiden SUrEN 
so hat man 


B<UD. 


Da H in sich dicht ist und der Punkt P, von H im Inneren des 
Würfels W, liegt, gibt es mindestens zwei Punkte P,, und P,, von H, 
die innere Punkte von W, sind. Man kann dann, weil P,, und P., 
als Punkte von H in D und folglich in der offenen Punktmenge Ü. 
liegen, zwei abgeschlossene Würfel W,, und W,, finden, die getrennt 
liegen, in U, W, enthalten sind, deren Mittelpunkte die Punkte P,, und 
P,, sind und deren Kantenlänge < <1:2°? ist. Ebenso kann man in U, W, 
zwei abgeschlossene Würfel Wi und W,, bestimmen, die getrennt 
liegen, und deren Kantenlänge < 1:2? ist. Setzt man dann 


B, =W,ı +W: +W;, +W 
B<T, 


und besitzt die Eigenschaften, die im vorigen Paragraphen von der 
gleichnamigen Punktmenge gefordert waren. 

Allgemein bestimmt man, indem man auf diese Weise fortfährt, 
für jede natürliche Zahl k Punktmengen B,, die aus 2* abgeschlossenen 
Würfeln bestehen, deren Mittelpunkte Punkte von H sind, für welche 
außerdem die Relation 


(2) B,.<U, 


gilt und für welche sonst die übrigen Bestimmungen stattfinden, die 
wir im vorigen Paragraphen festgesetzt hatten. 


Der Durchschnitt aller B, ist, wie wir sahen, eine perfekte Punkt- 
menge, die wegen (2) und (1) eine Teilmenge von D ist. Aus der Vor- 
aussetzung, daß D eine in sich dichte Teilmenge enthält, folgt also, daß 
es auch eine perfekte Punktmenge enthalten muß und daher nicht 


so ıst 


8 82 Sätze über gewisse Durchschnittsmengen | 69 


abzählbar sein kann ($ 65, Satz 9). Enthält die Punktmenge D keine 
in sich dichte Punktmenge, so muß D notwendig abzählbar sein (8 63); 
wir haben also den Satz: 


Satz 1. Der Durchschnitt von abeählbar unendlich vielen offenen 
Punktmengen ist entweder leer, oder eine abzählbare Punktmenge, die 
keine in sich dichte Punktmenge enthält, oder aber er enthält mindestens 
eine perfekte Punktmenge. 


Ein interessantes Ergebnis dieses Satzes ist, daß nicht jede ab- 
zählbare Punktmenge als Durchschnitt von abzählbar vielen offenen 
Punktmengen dargestellt werden kann. Die Menge der rationalen Punkte 
z. B. ist abzählbar und zugleich in sich dicht; der Durchschnitt ‚von 
abzählbar vielen offenen Punktmengen kann also nicht aus diesen 
Punkten allein bestehen, wenn er sie alle enthält. 


82. Wir betrachten jetzt eine Folge M,, M,,... von Punktmengen, 
von denen jede die Vereinigung von abzählbar unendlich vielen abge- 
schlossenen Punktmengen N,, ist: Ä 


(1) M,=Na+tNst (k=1,2,...) 
und nehmen an, daB der Durchschnitt | 
(2) D=M,M,4,;. 


dieser Punktmengen nicht abzählbar ist. Wir bezeichnen mit C'y die 
Kondensationspunkte von D und setzen 


C= DC); 


dann ist ($ 63, Satz 6) die Punktmenge Ü nicht abzählbar und in der 
Menge Cp ihrer eigenen Kondensationspunkte enthalten und ferner ist 
C in jedem M, enthalten, also 

(3) C=ÜM, (k=1,2,...). 


Es seien P, und P, zwei Punkte von C und W,, W, zwei getrennt 
liegende (offene) Würfel, die P, und P, zu Mittelpunkten haben, und 
deren Kantenlänge <1:2 ist. Da W, einen Kondensationspunkt von C, 
nämlich P, als Mittelpunkt besitzt, ist die Punktmenge W, © nicht ab- 
zählbar und das Gleiche gilt wegen (3) von der Punktmenge M, W, 0. 
Wären nun die Punktmengen | 

N,,W,C j=1,2,...) 
alle abzählbar, so würde dasselbe von ihrer Vereinigung M, W,C gelten 
müssen, was nicht der Fall ist; man kann daher eine natürliche Zahl », 
finden, so daß N, „m WıC nicht abzählbar ist. Ebenso kann man aber 


70 Kap. I Über Punktmengen. - — Sätze über gewisse Dur Durchschnittsmengen $ 82 


auch eine natürliche Zehl 9, finden, so daB N,, W,C nicht abzähl- 
bar ist. Setzt man nun, indem man mit W, und w, die abgeschlos- 
senen Hüllen von W, und W, bezeichnet, 


DB, — w, + W, und A, = (N; n, + N,.)B: N) 
so ist A, abgeschlossen, weil N, N,, und B, es sind ($ 69, Satz 1 


199 
und 3). Ferner ist A,<’ M, und Ä<EH B, und die Punktmengen A, W,C, 
A,W,C sind nicht abzählbar. Bezeichnen wir mit C, die Menge der 
Kondensationspunkte von (A, W,C + 4A,W,C), soweit sie in dieser 
Punktmenge enthalten sind, und wählen in C,W, und C,W, je zwei 
Punkte P,,, Pi, und P,,, Pys, so können wir die obige Konstruktion, 
in der man (’ durch C, ersetzt, wiederholen; ich behaupte, daß man 
auf diese Weise zwei Folgen von abgeschlossenen Punktmengen B,, 
B,,... und A,,A,,... erhält, welche die Eigenschaften, die im $ 80 
für die gleichnamigen Mengen gefordert waren, besitzen. Es handelt 
sich darum zu zeigen, daß, wenn die B, und A, gegeben sind, die B,,, 
und A,,, konstruiert werden können. Von den A, verlangen wir nun 
folgendes: Es soll AA< M,, A,< DB, und A,< A,_, sein und für jeden 
Würfel W_, der in B, vorkommt, soll 4,W_C nicht abzählbar sein. 
Nun ist nach (3) 





4,W,C= M,,,4,W,C 


und daher die Punktmenge M,,,4,W,„C ebenfalls nicht abzählbar. 
Es seien Q, und Q), zwei Kondensationspunkte dieser Menge, die in ihr 
liegen und W ,, W., zwei Würfel, die Q, und @, zu Mittelpunkten 
haben, deren Seiten < 1:2*+! sind und deren abgeschlossene Hüllen 
W und W _, getrennt liegen und Teilmengen von B, sind. Dann kann 
man wie oben die natürlichen Zahlen g, und q, so wählen, daß die 


Punktmengen 
N a4 Waı Ar C und Na4Da We A, ÜC 


nicht abzählbar sind. Führt man diese Operation für alle 2: Würfel W_ 
der Punktmenge B, aus und bezeichnet mit B,,, die Summe der ab- 
geschlossenen Würfel WW, und mit V,,, die ee aller 
2*+! abgeschlossenen Punktmengen N, ,1,» N, 41a; ,, 30 genügt es 


Ayrı = Y,41 Ar Bari 


zu setzen, um allen geforderten Eigenschaften zu genügen. 
Der Durchschnitt 
A=AhrAs.: 


aller A, ist dann nach dem $ 80 eine BEE An die in D 
enthalten ist, und wir haben den Satz: 


$ 83 Kap. 1I. Der Grenzbegriff. — Der allgemeine Funktionsbegriff 711 


Satz 2, Der Durchschnitt 
D-MMM,... 


von abzählbar unendlich vielen Punktmengen, von denen jede die Vereini- 
gung abzählbar vieler abgeschlossener Punktmengen ist, enthält eine per- 
fekte Teilmenge, sobald er nicht abzählbar ist. 


Da jede offene Punktmenge als Vereinigung von abzählbar unendlich 
vielen abgeschlossenen Punktmengen angesehen werden kann ($ 73), 
enthält der letzte Satz einen Teil des vorigen. Nur kann hier der Durch- 
schnitt D sehr wohl abzählbar und in sich dicht sein, was früher nicht 
der Fall war. Es könnten z. B. alle M, einander gleich sein und aus der 
Menge der rationalen Punkte des Raumes bestehen. 


Kapitel I. Der Grenzbegriff. 
Der allgemeine Funktionsbegriff. 


83. Der moderne Begriff einer Funktion deckt sich mit dem einer 
Zuordnung. 


I. Im einfachsten Fall der reellen eindeutigen Punktfunk- 
tionen wird jedem Punkte .P einer gegebenen beliebigen Punktmenge A 
des n-dimensionalen Raumes eine endliche oder unendliche Zahl ein- 
deutig zugeordnet, die man z.B. mit /(P) bezeichnet, um die Abhängig- 
keit dieser Zahl vom Punkte P hervortreten zu lassen. Die Punktmenge A, 
die gegebenenfalls alle Punkte des Gesamtraumes R, umfassen kann, 
heißt der Definitionsbereich der Funktion f(P). 

Unter den einfachsten Punktfunktionen sind diejenigen hervorzu- 
heben, deren Definitionsbereich A aus einer abzählbaren unendlichen 
Punktmenge besteht. Den Punkten 


N RE SE 
von A entsprechen dann eindeutig die Zahlen 
(1) ER 


Diese Gesamtheit der Zahlen a,, von denen jede durch ihren Index k 
einer natürlichen Zahl eindeutig zugeordnet ist, nennt man eineZahlen- 
folge. Zahlenfolgen unterscheiden sich dadurch von den Punktfolgen, 
die wir bisher betrachtet haben (s. z. B. den $ 40), daß zwei verschie- 
dene Elemente a, und a, der Folge (1) dieselbe Zahl bedeuten können 
Wir werden manchmal eine Zahlenfolge durch Angabe ihres allgemeinen 
Elements, also z. B. die Folge (1) mit a,, bezeichnen. 


12 Kap. II. Der Grenzbegriff 3 84 


nd Se mn 


IL. N eben den Ponktfunktionen, die uns hauptsächlich beschäftigen 
werden, werden wir auch sehr oft Mengenfunktionen betrachten: 
diese erhält man dadurch, daß man jeder Punktmenge A einer gewissen 
Menge A von Punktmengen eine endliche oder unendliche Zahl zuord- 
net, die wir z. B. auch mit f(A) bezeichnen werden. Die Menge U, die 
gegebenenfalls alle möglichen Punktmengen eines Raumes AR, umfassen 
kann, heißt dann ebenfalls der: Definitionsbereich der Mengen- 
funktion f(A). 

So kann man z. B. die Summe der Kantenlängen der Intervalle 
(829) als eine Mengenfunktion ansehen. Hierbei besteht der Definitions- 
bereich X aus der Gesamtheit der Intervalle des betrachteten Raumes. 


Ill. Ein weiterer Funktionsbegriff, dem man fast alle Gebilde, die 
bisher in der Analysis betrachtet worden sind, unterordnen kann*), ist 
folgender: 


Jeder Punktmenge A einer gewissen Menge X von Punktmengen 
wird nicht mehr eine Zahl, sondern wieder eine Punktmenge B desselben 
oder eines anderen Raumes eindeutig zugeordnet. 

Der Gesamtheit X der betrachteten Punktmengen A entspricht dann 
also eine Gesamtheit ® der zugeordneten Punktmengen B und man 
sagt, daB A auf B eindeutig abgebildet ist. 

Als Beispiel fübren wir die abgeschlossene Hülle A einer Punkt- 
menge A an, die ja jeder Punktmenge zugeordnet ist ($ 72). 

Der am meisten gebrauchte Fall einer Abbildung ist der, wo 
die Punktmengen A und B jede aus einem einzigen Punkte bestehen 
und die Gebilde A und ® wieder gewöhnliche Punktmengen sind 
(vgl. $ 200). 


84. Unter dan Abbildungen von zwei Mengen X und B von Punkt- 
mengen A und B aufeinander sind die eineindeutigen Abbildungen 
besonders zu beachten. Man sagt, daß die Abbildung eineindeutig ist, 
wenn zwei verschiedenen Punktmengen A, und A, von U stets zwei 
verschiedene Punktmengen B, und B, von ® zugeordnet sind. Dann 
entspricht umgekehrt jeder Punktmenge B von ® wieder eine eindeutig 
bestimmte Punktmenge A von U. Bei eineindeutigen Abbildungen ist 
also sowohl A auf ® als auch ® auf A abgebildet. 


*) 2. B. die mehrdeutigen Funktionen, die analytischen Funktionen einer 
komplexen Veränderlichen, die Funktionen von abzählbar unendlich vielen Ver- 
änderlichen, die Gebilde, die aus endlich oder unendlich vielen Funktionen dieser 
verschiedenen Arten bestehen u.a m. 


8 86. 86 Der obere und der untere Limes 73 








Der obere und der untere Limes. 


85. Es sei A eine beliebige Punktmenge und f(P) eine Funktion, 
deren Definitionsbereich A ist. Wir führen nun, wenn « eine beliebige 
endliche Zahl oder + oo bedeutet, folgende Bezeichnung ein, die uns 
auch später gute Dienste leisten wird: 


M(f>«) 


soll die Teilmenge von A bedeuten, die auch leer sein kann, in welcher 
die Werte der Funktion f(P) größer als « sind, 


M(f=«e) @ 


soll die Teilmenge von A bedeuten, in welcher f(P)) den Wert « an- 
nimmt; und ähnlich erklären wir die Symbole | 


M(f<e), M(fze), M(fse), M(f+e), uf. 
Setzen wir jetzt zur Abkürzung 
A [oar>, Arm utze, 
B, = M(f<e), B,* zu M(f<se), 
so haben wir 


(2) A, +B*=B,+A*=4. 
Außerden: haben wir 


AF=-4,+4M(f=e) 
und daher 
(3) AA 
und ebenso findet man 
(4) B,<B#. 


Sınd nun « und ß zwei Zahlen, und hat man « < ß, so ist 


Au er A,* + M(«<f<ß) 


und daher 

(5) . A,* < As; 
ebenso beweist man, daß 

(6) BF<B, 
ist. 


86, Es sei jetzt f(P) eine Funktion, deren Definitionsbereich A 
eine unendliche Punktmenge ist. Wir betrachten die Zahlenmenge [«}, 
die aus allen Zahlen besteht, für welche die oben definierte Punktmenge 
A, sus unendlich vielen Punkten besteht. Ist diese Zahlenmenge nicht 


14 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 86 


leer, so sei ihre obere Grenze mit & bezeichnet; ist die Zahlenmenge {« } 
aber leer, so setzen wir = — oo. 


Die Zahl «, die also in jedem Falle eindeutig bestimmt ist, heißt 
der obere Limes des Wertevorrats der Funktion f(P)in ihrem 
Definitionsbereiche A. 


Wir werden bald an Beispielen sehen (888), daß dieser obere Limes 
sowohl endlich als auch gleich + oo sein kann. Zuerst wollen wir aber 
zeigen, daß man die Zahl & auch auf andere Weise definieren kann. 

Es sei erstens «<+ oo und 8 eine beliebige Zahl, die‘« übertrifft, 

a<$ 
dann gibt es Phlen &', die zwischen & und & liegen, 
a«a<gö<$, 
und die Relationen (3) und (5) des vorigen Paragraphen lehren, daß 
A; < Ar< A, 
ist. Nun ist aber, weil &°>« ist, nach Definition A, eine endliche 
Punktmenge, d.h. eine solche, die nur aus höchstens endlich vielen Punk- 
ten besteht; nach dem Satze 1 des $38 müssen also ihre Teilmengen A; 
und A;* ebenfalls endliche Punktmengen sein. 

Wir sehen also, daß, sofern Zahlen & existieren, die größer als « 
: sind, die beiden Punktmengen 4A; und A,” endlich sein müssen. 

Zweitens sei & > — oo und n eine beliebige Zahl, die von « über- 
troffen wird, 

n<e; 
dann ist nach der obigen Definition A, eine unendliche Punktmenge, 
und das gleiche gilt, wenn man die Relation (3) des vorigen Paragraphen 
berücksichtigt, von A, *. 

Wir sehen also, daß, sofern Zahlen n existieren, die kleiner als « 
sind, die beiden Panktmengen A, und A,* aus unendlich vielen Punkten 
bestehen müssen. 

Hieraus folgt, daß Zahlen & für welche A; oder A;* endliche Punkt- 
mengen sind, dann und nur dann existieren, wenn « <+ oo ist, und 
daß dann & die untere Grenze dieser Zahlen ist, und daß Zahlen n, für 
welche A, und A,* unendliche Punktmengen bedeuten, dann und nur 
dann existieren, wenn & > — oo ist, und daß dann « gleich der oberen 
Grenze dieser Zahlen ist. 


Wir können demnach den Satz aussprechen: 


Satz 1. Man erhält den oberen Limes & des Wertevorrats einer Funk- 
tion f(P) in ihrem Definitionsbereich A, indem man die obere Grenze 


87 Der obere und der untere Limes 75 


der Zahlen n bestimmt, für welche die Punktmengen 
M(f>») ode M(fzn) 
unendlich sind, oder die untere Grenze der Zahlen & bestimmt, für welche 


die Punktmengen 

M(f>8) ode M(f=}) 
endliche Punktmengen sind. Von diesen vier Operationen sind entweder 
nur swei ausführbar, und & ist dann gleich + oo, oder sie sind alle vier 
gleichzeitig ausführbar und liefern dann denselben Wert für « . 

87. Wir führen jetzt folgende Definition ein: 

Definition. Der untere Limes « des Wertevorrats einer 
Funktion f(P) in ihrem Definitionsbereich A ist eine Zahl, 
die dem oberen Limes ß des Wertevorrats von — f(P) ent- 
gegengesetzt ist, d. h. es soll 

e——ß 
sein, falls ß eine endliche Zahl ist, und « gleich —oo oder + 
sein, je nachdem ß gleich + oo oder — oo ist. 


Wir bemerken, daß für jede endliche Zahl « die Gleichungen 


M(f<e)- M(-f>-.) 
gelten. Es sei nun erstens « > — oo und 
n<e; 
dann ist nach Definition ß <-+ oo und 
—n>B. 
Also bestehen nach dem vorigen Paragraphen die Punktmengen 
(2) M(-f>-m wd M(-f2-n) 


aus höchstens endlich vielen Punkten; da nach (1) diese Punktmengen. 
identisch sind mit unseren früheren Punktmengen B, und B,*, so müssen 
diese ebenfalls endliche Punktmengen sein. 


Zweitens sei & < + oo und 
a<$ 
dann ist —&<ß, und nach dem vorigen Paragraphen müssen die 


Punktmengen 
M(-f>-}) ud M(-f=-5) 


76 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 88 


oder, was dasselbe ist, die Punktmengen B, und B,* aus unendlich 
vielen Punkten bestehen. 


Satz 2. Der untere Limes « des Wertevorrats einer Funktion f(P) 
ist gleich der oberen Grenze der Zahlen n, für welche die Punktmengen 


M(f<n) ode M(f<sn) 


endlich sind, oder auch gleich der unteren Grenze der Zahlen &, für welche 
die Punktmengen 


. M(f<$) odr M(fs$) 


unendlich sind. Von diesen Operationen sind entweder nur zwei oder alle 
vier ausführbar, je nachdem « unendlich oder endlich ist. 


Wir wollen jetzt die Zahlen & und « miteinander vergleichen. Es 
sei @ <-+ oo und & eine beliebige Zahl, die & übertrifft: 


(3) ea<$. 


_ Dann ist die Punktmenge A; eine endliche Punktmenge; nach der Glei- 
chung (2) des $ 85 ist aber Ä 


B*+ 4: un A, 


und da A eine unendliche Punktmenge ist, muß’auch B;* aus unend- 
lich vielen Punkten bestehen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn 


(4) >. 


ist; wäre nun @ > «, so könnte man Zahlen & finden, die zwischen den 
beiden Zahlen & und «& liegen, und die beiden Relationen (3) und (4) 
könnten nicht gleichzeitig bestehen. Es muß also stets 

«sa 
sein. Wir haben die letzte Relation nur unter der Voraussetzung be- 
wiesen, daß «<< + oo ist; im Falle & = + 00 ist sie aber von selbst 
erfüllt, und wir haben den Satz: 


Satz 3. Der untere Limes « des Wertevorrats einer Funktion f(P) 
ist nie größer als der obere Limes « dieses Wertevorrats. 


88. Wir werden den Begriff des oberen und des unteren Limes im 
folgenden ausschließlich auf Zahlenfolgen ($ 83) anwenden, und es ist 
daher zweckmäßig, die folgenden Sätze, die übrigens — bis auf die Kon- 
struktion des $ 95 — auch mit der bisherigen Allgemeinheit gelten, nur 
für diese auszusprechen. 


8 88 Der obere und der untere Limes 77 


Ist 


(1) Ay, Ag, Agy »». 


irgendeine Folge von (endlichen oder unendlichen) Zahlen, so bezeichnet 
man die Zahlen & und « auch öfter durch die Zeichen 


«=lima,, 
Nn=%8 

& zu lim a,, 
Nn=8 


in denen a, das allgemeine Element der gegebenen Zahlenfolge bedeutet. 
Diese Größen & und & werden die Hauptlimites der Zahlenfolge ge- 
nannt; & heißt der obere, « der untere Limes der Folge. Sie haben 
nach den früheren Betrachtungen folgende Bedeutung: 


Die Zahl & ist die obere Grenze der Zahlen n, für welche eine 


der Relationen 
n<a, oder n<sa, 


für unendlich viele Werte der natürlichen Zahl k erfüllt ist, oder 
auch die untere Grenze der Zahlen &, für welche eine der Relationen 


£<a, oder E<a, 


nur für höchstens endlich viele Werte von % erfüllt ist. 
Die Zahl «& ist die obere Grenze der Zahlen 7, für welche eine der 


Relationen 
n>a, oder 72a, 


nur für höchstens endlich viele Werte von %k befriedigt ist, oder auch 
die untere Grenze der Zahlen &, für welche 


E>a, oder 8 >a, 
für unendlich viele Werte von % erfüllt ist. 


Unsere ursprüngliche Definition von « ($ 87) liefert uns übrigens 
den Satz 


Satz 4. Es gilt stets die Relation 
lim (— a,) = — lim a,. 
Wir wollen an einigen Beispielen zeigen daß die Hauptlimites 


einer Folge von Zahlen sowohl voneinander verschieden als auch ein- 
ander gleich, sowohl endlich als unendlich sein können: 


18 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 89 





a=—, 

n 
so wird jede negative Zahl durch unendlich viele a, übertroffen, jede 
positive Zahl aber nur durch höchstens endlich viele. Es ist also 


=0, 
und ebenso siebt man, daß 
ist. 
2. Ist 
a=n, 


so findet man 


3. Es sei 
1 1 
A,_, =1-— ee 1+ n (n=1,2,3,...); 
dann ist 
e=—]1 und a=-H+]1. 
4. Es sei : 
%,„-ı 7% ,= N (n=1,2,3,...); 
dann findet man 
“= —00, &=+ 89 
5. Es sei 
1 
Gn-ı a,— N (n=1,2,3,.. ); 
dann ist 
e=0, &=+o 
89. Es sei 
(1) Ay, Ag, Ay, »-. 
eine beliebige Zahlenfolge mit den Hauptlimites « und « und 
(2) De: 0a; De: 


sei eine Teilfolge von (1) mit den Hauptlimites ß und ß. 
| Es sei nun &<+ oo, und & bedeute eine beliebige Zahl nel &. 
Es gibt dann nur höchstens endlich viele a,, für welche | 


E<a, 


ist, und weil die Folge (2) eine Teilfolge von (1) ist, ebenfalls nur 
höchstens endlich viele d,, für welche 


E<b, 


E>ß, 


ist. Hieraus folgt aber 


8 90 Der obere und der untere Limes 79 


—n nn nn -—-n 


und da dieses für alle Zahlen & gilt, die & übertreffen, muß auch 
B<a 
sein. Die letzte Relation gilt natürlich auch, wenn « = + oo ist, und 
ıst daher allgemein. Ebenso findet man die Relation 
| up. 


Ist nun $<x, so gibt es Zahlen &, die zwischen ß und « liegen. 
Diese Zahlen & werden dann selbst von unendlich vielen Elementen a, 
übertroffen, aber nur von höchstens endlich vielen b,, und hieraus 
folgt, daß es dann unendlich viele Elemente a, geben muß, die in der 
Folge (2) nicht enthalten sind. Ebenso schließt man für den Fall, 
wo «a <ß ist. 


Satz 5. Zwischen den Hauptlimites « und «& einer Zahlenfolge 


Gy, Ag, Qys . | 
und den Hauptlimites ß und ß einer beliebigen ihrer Teilfolgen 
Dis da dan 


bestehen siets die Relationen 5 
.spspse. 


Gribt es nur endlich viele Elemente der ersten Folge, die nicht in der zwei- 
ten vorkommen, so ist außerdem immer 


«a=ß und «=Pß. 


Nach genau derselben Methode beweist man den Satz: 
Satz 6. Bestehen zwischen den Elementen zweier Zahlenfolgen a,, 
A, -.. und b,, b,, -... die Bedingungen 
a,b, (n=1,2,3,...), 
so gelten auch zwischen ihren Hauptlimites &, a, B und ß die Relationen 
asß und as ß. 
90. Wir betrachten zwei beliebige Zahlenfolgen 
Ay, Ag, As, . 5 
b,, b2, b5, >, 


sowie die Zahlenfolge 
> ER, PER PR 


80 Kap. II. Der Grenzbegriff g 90 


die ıman erhält, wenn man die Folge der a, und b, gliedweise summiert, 
„=4a.+b, (n=1,2,3,...) 
und bezeichnen resp. mit &, «, ß, ß, 7, » die Hauptlimites dieser Fol- 


gen. Hierbei wird natürlich stillschweigend vorausgesetzt, daß (falls nicht 
alle a, und b, endliche Zahlen bedeuten) die Operation a,+b, für jeden 
Wert von n ausführbar ist (5 22). 


Es seien zunächst % und ß endliche Zahlen und p eine beliebige 
positive Zahl. Die Menge N, der natürlichen Zahlen %, für welche 


a.>«eH+ - ; 
ist leer oder endlich; desgleichen die Menge N, der natürlichen Zahlen, 
für welche 

,>ß+3 
ist. Für alle natürliche Zahlen, die er zu N, noch zu N, gehören, 
ist zugleich 

„<&+% und <h+? 

und daher 


Es gibt aber höchstens endlich viele natürliche Zahlen, die in der 
Vereinigungsmenge (N, + N,) enthalten sind; für diese allein kann 
„>a+ß+tp 
sein und hieraus schließt man, daß 
<a+ß+p 
sein muß. Die letzte Relation ist für jede positive Zahl p richtig und 
man hat daher auch 


(1) y<aH+ß. 
Es sei zweitens die eine der beiden Zahlen & oder ß gleich — oo 
und die andere von + oo verschieden, so daß nach dem $ 22 


@+ß=-oo 
ıst. Ist z.B. 


@=—-o und B<+to, 


so wähle man eine beliebige Zahl & und eine zweite beliebige Zahl », 
die ß übertrifft. Die Menge der natürlichen Zahlen, für welche 


a„>&6—n ode 5b,>n 


8 91 Der obere und der untere Limes 81 


ist, ist dann leer oder endlich und es gibt nach demselben Schluß wie 
früher ebenfalls nur höchstens endlich viele Zahlen c,, für welche 


„>6—-n+mM)=5 | 
ist. Hieraus folgt aber y<& und weil & eine beliebige endliche Zahl 
bedeutet _ BE 
y=—-o=ac+Bß. 
Ist endlich eine der Zahlen & oder $ gleich + oo-und die andere 
verschieden von — oo, so ist - 
ä+ß=+ 
und die Relation (1) ist wieder erfüllt. Diese Relation ist m. a. W. stets 
erfüllt, außer wenn von den beiden Zahlen « und ß die eine gleich + oo, 
die andere gleich — oo ist, d.h. wenn die Summe «& + ß nicht definiert 
ist ($ 22). 
91. Wir wollen jetzt 7 mit (@ + ß) vergleichen; es seien zunächst die 
beiden Zahlen «@ und ß endlich und p eine beliebige positive Zahl. Die 
Menge N, der natürlichen Zahlen, für welche 


| A, >u— 9y> 
ist unendlich; die Menge N,, für welche 
1, <ß-— 3 : 
ist leer oder endlich. Unter den Tlenanten von N, sind also sicher un- 
endlich viele vorhanden, die nicht in N, enthalten sind, und für diese 


ist zugleich en n >86 
a>e. —- — un _ 
n 2 


es gibt also eine unendliche Menge von natürlichen en für welche 


C, > a + ß -p 
ist. Hieraus folgt aber oL_ 
vza+ß-—p; 
und, da die positive Zahl p beliebig ist, 
(1) rzZa+pß. 


Es sei zweitens & = + oo und ß von — oo verschieden; ist dann & 
eine beliebige Zahl und 7 <ß, so sieht man genau wie oben, daß es 
unendlich viele natürliche Zahlen gibt, für welche zugleich 

0 @>5—n wd 5>7 


Carathsodory, Beelle Funktionen. 6 


82 Kap. II. Der Grenzbegriff g 9 





stattfinden. Also gibt es auch unendlich viele natürliche Zahlen », für 
welche u Ä 


ist. Ebenso wähle man n <« und & beliebig, wenn «> — oo und 

ß=+ 0 ist; dann gibt es unendlich viele Zahlen », für welche zugleich 
a>n ud b>&—n 

stattfinden. Für diese natürlichen Zahlen ist dann auch 


>58. 
In den beiden letzten Fällen muß also 7 > & sein, und weil & be- 
liebig war, 
y-r®=a+ß 
sein. Die Bedingung (1) ist ferner stets erfüllt, wenn der eine der 


beiden Hauptlimites @ und 8 gleich — oo und der andere von + © 
verschieden ist, denn man hat dann 


a+ß=-— 0; 


wir sehen also, daß sie immer stattfindet außer, wenn die Operation 
& + ß nicht ausführbar ist, d.h. wenn die eine "der Zahlen « a oder ß 
gleich + oo und die anders gleich — 00 ist. 
Durch Vertauschung der beiden Folgen a, und, erhält man aus (1) 
die Relation 
F>Za+ß. 


Wendet man endlich die Resultate des vorigen und dieses Para- 
graphen auf die Folgen (— a,), (— b,) und (— c e an und berücksichtigt 


den Satz 4 des $ 88, so kommt: 
-+<-)+-9 -r2-)+-B); er 
oder - 
y2Zat+tß; r<Sat+ß; ySce+ß 

und wir können also den Satz behaupten: 

Satz 7. Zwischen den Hauptlimites «, «, B, ß, y, 9 der drei Zahlen- 
folgen u 

a,b, =a,+b, (n=1,2,3,...) 

besichen stets die sechs Bedingungen: 


8 92 Der obere und der untere Limes 


Ze... 


Jede dieser sechs Bedingungen ist immer richtig, wenn sie einen Sinn hat, 
d. h. wenn nicht in den vorkommenden Summen (a,-+b,), («+ ß) u. s. f. 
der eine Summand gleich + oo, der andere gleich — oo ist. 








92. Es seien a,, a,,... und b,, b,,... zwei Zahlenfolgen, die aus 
lauter positiven, endlichen Zahlen bestehen und für welche die Glei- 
chungen 
(1) ab, =1  n=1,2,...) 
sämtlich erfüllt sind. Die Hauptlimites dieser Zahlenfolgen bezeichnen 
wir wieder mit «, &, ß und 8 und bemerken, daß keine dieser Zahlen 
negativ sein kann. Ist nun @>0O und 7 eine positive Zahl, die kleiner 
als « ist, 

(2) O<n<a, 
so gibt es unendlich viele natürliche Zahlen %, für welche a >n 
ist, und daher nach (1) 


b,<- 
ist. Hieraus folgt aber 
(3) B<.- 
Ist zweitens &« < + oo und 5 eine beliebige Zahl oberhalb «, 
(4) a<$, | 


so gibt es nur höchstens endlich viele natürliche Zahlen, für welche 
a, > & und daher auch nach (1) 


b,< 


un| 


ist. Hieraus folgt aber 
(5) B>2 4: 


Ist also zunächst & eine endliche und von Null verschiedene Zahl, 
so folgt aus (3) und (5), daß die Zahl ß ebenfalls endlich und von Null 
verschieden sein muß, und diese Relationen können dann geschrieben 
werden 


Os n<g<E. 
Hieraus folgt aber - 
(7) 


weil man sonst entweder eine Zahl n oder eine Zahl & finden könnte, 
für welche die Relationen (2), (4) und (6) nicht zugleich gelten können. 
6* 


=4(, 


Itn| 1 


84 Kap. I. Der Grenzbegriff 8 98 





einer beliebigen positiven Zahl p setzen und es folgt dann aus (3) 
(oder (5)) 
ß=0 bzw. P=+tm. 


Satz 8. Bestehen zwischen swei Zahlenfolgen mit positiven Elementen 
a, und b, die Bedingungen 
a,b, =1, (n=1,2,...) 
so ist von den beiden Hauptlimites « und ß der eine gleich Null, falls der 
andere unendlich ist und umgekehrt, und in jedem anderen Falle ist 


B-1. 


Das Ergebnis des vorigen Satzes kann ohne Mühe auf den Fall er- 
streckt werden, daß die a, auch die Werte O und + oo annehmen, und 
die entsprechenden b, gleich + oo bzw. gleich O sind. 


93. Wir betrachten jetzt wieder drei Zahlenfolgen, deren Elemente 
a,, b,, c, nicht negativ und durch die Gleichungen 
„ = Q, b, 


miteinander verbunden sind. Die Voraussetzung, daß die Zahlen a,, b, 
alle endlich sein sollen, ist für das Folgende nicht notwendig; wir müssen 
nur verlangen, daß, wenn a, = + 00 ist, b,> 0 und wenn a, = 0 ist, 
b,<-+oo sein soll. Es seien wieder «, &, ß, 8, y und 7 die Haupt- 
limites dieser Folgen. . 

Wir nehmen zunächst an, die beiden Zahlen % und ß seien beide 
endlich und bezeichnen mit 9 eine beliebige positive Zahl. Es gibt nur 
höchstens endlich viele natürliche Zahlen, für welche 


a,>«+p» oder b,>ß+p 
ist. Ist aber zugleich a <@+punddb,<fß-+p, so ist auch 
ab, <(&+P)(ß+P) 


und hieraus folgt, daß es nur höchstens endlich viele natürliche Zahlen 
gibt, für welche 


„>(@+P)(P+P) 
sein kann. Dies besagt aber, daß für jedes p > 0 


MD) r<(e+P)(B+p) 


S 94 Der obere und der untere Limes 85 


ist. Es sei nun & eine beliebige positive Zahl; setzen wir p gleich der 
kleineren der beiden Zahlen 





1 und Den 
+ß+1 
so Ist: . 5 u 
(@a+p)(ß e +p(@+ß+p) 
(2) <aß+p(@+ß+I) 
Zap 


Aus (1) und (2) folgt dann, daß 7<%ß-+ e ist, und da letzteres 
für jedes positive & gelten muß, bekommt man 
(3) r<ap. 

Die letzte Relation ist natürlich auch dann erfüllt, wenn eine der 


beiden Zahlen gleich + oo ist und die andere endlich oder unendlich 
aber +0; denn man hat dann 


aß=+mw. 


94. Wir nehmen jetzt an, die beiden Zahlen & und ß seien endlich 
und von Null verschieden. Sie müssen dann beide wegen unserer Vor- 


aussetzungen positiv sein, und wenn & eine beliebige positive Zahl be- 
deutet, so ist die kleinste der drei Zahlen 


& Ba 249 
ebenfalls positiv; diese letzte Zahl bezeichnen wir mit p. 
Es gibt nur höchstens endlich viele natürliche Zahlen », für welche 


b, s ß p 
ist, dagegen unendlich viele, für welche 

A, > & — pP 
ist. Also gibt es auch unendlich viele natürliche Zahlen, für welche 
zugleich 

a„,>a—p und b,>ß—p 

und daher auch Br 
„=a,,>(e—p)(ß—Pp) 
stattfindet. Mithin ist 
(1) r2(e—-pP)(P—P). 


86 Kap. I. Der Grenzbegriff 5 94 
ee . 
(—p)(B—-pP)=auß—plea+Pß)+ pP" 
>uaß-p(e+P) 
Zzuß-—e. 





Es ist also, da & beliebig gewählt werden konnte, 
(2) rzuß. 

Zu demselben Resultate gelangen wir, wenn eine der Zahlen « 
oder ß gleich + oo und die andere #0 ist. Es siz.B. «= + 00; 
man wähle zwei positive Zahlen & und n, von denen die erste beliebig 
und die zweite kleiner als $ ist. Dann beweist man mit ähnlichen Über- 
legungen, wie diejenigen, die zu (1) führten, die Relation 

y>dn 
und da nach fester Wahl von n die Zahl & beliebig genommen werden 


kann, muß B 
y-tro-ä 


sein. Endlich ist die Relation (2) ebenfalls erfüllt, wenn die eine der 
Zahlen & oder ß verschwindet und die andere endlich ist; denn es ist 
dann eß =. 

Gibt es unter den Elementen a, oder b, unendlich viele verschwin- 
dende, so gilt dasselbe für die Folge der c, und wir haben 


e—-y—V0 


und daher auch 5 
r<aß, 


außer, wenn die Produkte «ß oder «ß nicht ausführbar sind. 

Sind aber nur höchstens endlich viele natürliche Zahlen vorhanden, 
für welche a, oder b, verschwinden, so kann man, um die Unbestimmt- 
heitsgrenzen «,«&, ß, ß, 9,9 zu berechnen, von diesen absehen ($ 89, 
Satz 5), und daher voraussetzen, daß die Elemente a,, b, und ec, alle 
positiv sind. Wendet man dann die vorhergehenden Resultate auf die 
drei Folgen 


n=1,2,..,) 





an, so ergibt sich mit Hilfe des $ 92 


8 96 Der obere und der untere Limes 87 


oder i 
(3) | eB<y<aup. 


Bei dieser Überlegung muß man natürlich die Fälle, in welchen 
eine oder mehrere der Zahlen «, ß, ß, y gleich Null Sder unendlich 
sind, wieder getrennt behandeln, und man sieht leicht ein, daß die Rela- 
tionen (3) immer dann stattfinden, wenn in den vorkommenden Produk- 
ten nicht die eine Zahl gleich Null und die andere gleich + oo ist. 


Satz 9. Sind 
| a,b, und c„=a,:b, (n=1,2,...) 


drei beliebige Folgen von nicht negativen Zahlen mit den Hauptlimites «, «, 
ß, P, Y, Y, so bestehen zwischen diesen Zahlen immer die Relationen 


eB<y< <H<aß, 


" 


solange nicht in den vorkommenden Produkten der eine Faktor gleich Null 
und der andere gleich + oo ist. 


95. Die Hauptlimites einer Zahlenfolge kann man durch schritt- 
weise Bildung von oberen und unteren Grenzen berechnen: 


Satz 10. Bezeichnet man mit «, die obere, mit «) die untere Grenze 
der ee 


(1) On; On +15 Q,+3) er 

und setzt 

(2) & = untere Grenze von {«&,, &,...}, 
(3) | n = obere Grenze von {«,', &y,...}, 


so sind die Zahlen &E und n gleich den Hauptlimites & und « der Zahlen- 
folge 


(4) GA, Ay... 
Der Wortlaut dieses Satzes ist so zu verstehen; sind alle «, = + 0, 
so hat man auch & = + oo zu setzen, und ebenso muß man 7 = — 


nehmen, wenn sämtliche &/ gleich — oo sind. 

Wir wollen z. B. beweisen, daß die durch die Gleichung (2) defi- 
nierte Zahl & gleich dem oberen Limes der Folge (4) ist. Dazu be- 
merken wir, daß die Zahlenfolge (1) durch Weglassen von endlich vielen 
Elementen von (4) entsteht; nach dem Satze 5 des $ 89 haben also die 


‘88 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 96 
beiden Folgen dieselben Hauptlimites, und es kann daher die obere 
Grenze «, von (1) nicht kleiner als « sein: 

(5) oa. 

Ist insbesondere & = + 00, so ist für jedes # die Zahla, = + 
und dasselbe gilt dann auch von &; man kann dann schreiben 
(6) .g E=u. 

Ist aber « < + oo, so sei 8’ irgend eine Zahl, die & übertrifft. Es 
gibt dann nur höchstens endlich viele natürliche Zahlen », für welche 
(?) 5 
ist. Bezeichnet man mit %, die größte unter diesen natürlichen Zahlen, 
oder die Zahl Null im Falle, daß die Bedingung (7) für keinen Wert 
von n stattfindet, so ist für n > n, stets a, < 8° und man hat daher. 

nr Sh 

Hieraus folgt aber nach (2) 

| E<E 
und da &’ eine beliebige Zahl bedeutet, die & übertrifft: 
E<sau. 
Anderseits entnimmt man aus (2) und (5) 
E>o; 
und es muß daher, wie wir angekündigt hatten, 
= 


sein. Genau ebenso beweist man, daß 7 = « ist. 


Konvergente Zahlenfolgen. 

‚96. Definition. Eine Zahlenfolge 
(1) RO FO RR | 
beißt konvergent, wenn ihre beiden Hauptlimites zusammen- 
fallen: SE 
lim a, = lim a,; 
der gemeinsame Wert dieser beiden Zahlen heißt der Grenz- 
wert der Folge (1) und wird mit 


lım a, 
n=@ 


bezeichnet. 


8 96 Konvergente Zahlenfolgen 89 





Der Grenzwert einer Zahlenfolge kann sowohl endlich als auch un- 
endlich sein.*) Er ist z. B. dann und nur dann gleich + oo, wenn 
lim a, = + © 


Nn=o® 


ist; wegen des Satzes 3 des $ 87 ist dann nämlich auch immer 


lim a, = +. 


Ist die Zahlenfolge (1) konvergent, und ist der Grenzwert 


a«=lima, 
eine endliche Zahl, sa gibt es — wenn : eine beliebige positive Zahl 
bedeutet — nur endlich viele natürliche Zahlen », für welche 


(2) a,>a+e oder a „<a—e 
ist. D.h. es gibt nur endlich viele natürliche Zahlen », für welche 
(3) | a, = «| >E 


ist. Existiert umgekehrt eine endliche Zahl «, so daß für jedes belie- 
bige positive e nur endlich viele Elemente der Zahlenfolge (1) die Be- 
dingung (3) befriedigen, so konvergiert die Zahlenfolge gegen «. In der 
Tat ist, wenn man mit « und & die Hauptlimites unserer Folge be- 
zeichnet, für jedes positive & 
e<ae+te und a >a—: 
und daher 
«a<e a>u. 


Diese beiden letzten Bedingungen in Verbindung mit & < « zeigen aber, 
daß 

v=0=«4 
ist. 

Satz 3. Dafür, daß eine Zahlenfolge a,, Q,, ... gegen eine endliche 
Zahl « konvergiere, ist notwendig und hinreichend, daß bei beliebig vor- 
geschriebenem & > 0, nur höchstens endlich viele natürliche Zahlen n exi- 
stieren, für welche 

a, —_ e| > € 
ist. 


*, Gewöhnlich werden Zahlenfolgen mit unendlichem Grenzwert als diver- 
gent bezeichnet; die im Text benutzte Terminologie besitzt aber in Hinsicht 
auf unsere späteren Ziele große Vorteile, auf welche wir nicht verzichten wollen. 


90 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 97 





97. Es sei 
(1) Gy, Ag, Ag, ... 
eine beliebige Folge von endlichen Zahlen. Wir setzen 
(2) b, = obere Grenze von {|a,,,—a,|, |a,,s—a,|, -- .}- 


Ist der obere Limes & der Zahlenfolge (1) gleich + oo, und bezeichnet 
man mit & eine beliebige positive Zahl, so gibt es unendlich viele natür- 
liche Zahlen k, für welche, wenn die Zahl » gegeben ist, die Ungleichheit 


a,>a,+5 
gilt. Unter den Zahlen ja,,,—@,|, Q„4s— 4, ,... gibt es also auch 
mindestens eine, die größer als & ist und man folgert hieraus 
6, >8 
und daher auch, weil & eine beliebige positive Zahl bedeutet 
b,=+8. 


Alle Elemente der Zahlenfolge b, sind dann gleich + oo und man findet 
ebenso, daB ebenfalls alle 5) —= + oo sind, wenn der untere Limes der 
Zahlenfolge (1) gleich — oo ist. Wenn aber weder @=-+ oo noch @ = — 00 
ist, so müssen beide Zahlen « und @ endlich sein. Ist dann & eine be- 
liebige positive Zahl, so gibt es nur höchstens endlich viele natürliche 
Zahlen k, für welche a, außerhalb des Intervalls 
& — 5 <r<e+t : 

liegt. Hieraus folgt erstens, daß man ein Intervall finden kann, in 
dem sämtliche Zahlen der Folge (1) liegen, woraus man entnimmt, 
daß die 5b, lauter endliche Zahlen sind, die alle unterhalb einer festen 
Schranke liegen. Zweitens aber folgt aus dieser selben Tatsache, daß 
man eine natürliche Zahl N finden kann, so daß für jede natürliche 
Zahl n > N die Bedingung 


a-,<a,<at, 
stattfindet, und daß daher für jedes » > N und für jede natürliche Zahl » 
a,,,—0,|<@- 0) +. 
Die Definitionsgleichung (2) von b, zeigt dann, daß für jedes n > N 
b,<(e—-o)+e. 


Es gibt also nur höchstens endlich viele b,, welche die Zahl («—«)+ & 
übertreffen, und man hat, wenn man mit ß den oberen Limes der Zah- 


8 97 Konvergente Zahlenfolgen 91 


lenfolge b,, b,, .... bezeichnet 
P<(@-e)+e. 
Die letzte Relation ist für jedes beliebige & > 0 erfüllt, und man hat 
daher _ 
(8) P<a-e. 
Anderseits hat man, wenn man mit ß, die untere Grenze und mit ß 


den unteren Limes der Folge b,, b,, ... bezeichnet und wenn man be- 
rücksichtigt, daß kein b, negativ sein kann, 


(4) <A <B<B. 


Konvergiert nun die Zahlenfolge (1) gegen eine endliche Zahl «, so 
hat man 


(d == 
und daher nach (3) und (4) 
(6) 0=-ß,=- ß . ß. 


Die Zahlenfolge b,, b,, ... konvergiert also ebenfalls und zwar 
gegen Null und die untere Grenze ß, der Zahlen b, ist auch gleich Null. 
Es sei umgekehrt 
(7) Bo — 0; 
dann kann man, wenn & eine beliebige positive Zahl bedeutet, eine natür- 
liche Zahl r finden, für welche 
b,<- 


ı=9 


ist. Ist dann » eine beliebige natürliche Zahl, so ist nach (2) stets 
oder 


Es gibt also nur höchstens endlich viele natürliche Zahlen %, nämlich 
die Zahlen des Abschnitts k < (a— 1) der natürlichen Zahlenreihe, für 
welche a, außerhalb des abgeschlossenen Intervalls 


& & 
,—- , SIeSa,+,z 


2 
viele a, übertrifft, und daß (a, +.) nur durch höchstens endlich viele 


liegen kann, und hieraus folgt, daß (a, — 3) nur höchstens endlich 


9 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 98 


a, übertroffen wird. Man kann daher schreiben, wenn man noch die 
Relation « < « berücksichtigt, 
und also auch 


Da & beliebig ist, muß also « = « sein, d. h. die Folge (1) muB konver- 
gieren und es müssen also auch die Zahlen $ und ß gleich Null sein. 


Satz 2. Esseia,,a,,.... eine Zahlenfolge mit den endlichen Haupt- 
limites « und «. Setst man für jede natürliche Zahl n 


b„ = obere Grenze von {ja,,,—a,|, |a,,s—@,|,-- -}, 


so ist notwendig und hinreichend für die Konvergenz der Folge der a, daß 
die Folge der b, gegen Null konvergiere oder auch nur, daß die untere 
Grenze der b, gleich Null sei. 


Drückt man die Bedingung, daß die untere Grenze ß, der Folge 
b,,d,,... verschwinden soll, explizite aus, so führt der letzte Teil des 
vorigen Satzes auf das Konvergenzkriterium von Cauchy. 


Satz 3. Cauchys Konvergenzkriterium. Eine notwendige und 
hinreichende Bedingung dafür, daß eine Zahlenfolge a,, a,, ..... konvergent 
sei und einen endlichen Grrenzwert besitze, ist die, daß man zu jeder posi- 
tiven Zahl e mindestens eine natürliche Zahl N(e) zuordnen kann, so daß 
für jede natürliche Zahl p die Bedingung 


lanıp—an<e 


erfüllt ist. Man kann dann zu jeder positiven Zahl s eine Zahl N’ zu- 
ordnen, so daß für jede natürliche Zahl p und für jede natürliche Zahl 
n>N . 


[n+2 


u a, Ss € 
ist. 
98. Ist a,,a,,... eine konvergente Folge von Zahlen und b,,b,,... 


irgendeine ihrer unendlichen Teilfolgen, so gelten nach dem Satze 5 des 
$ 89 zwischen den Hauptlimites dieser Folgen die Beziehungen: 


e<p<p<u 
und da hier e=«a= « ist, muß auch BP - ß=« sein: 


Satz 4. Jede Teilfolge einer konvergenten Zahlenfolge ist konvergent 
und besitzt denselben Grenzwert. 


8 98 Konvergente Zahlenfolgen 93 


_— 


Man kann einen Satz derselben Art auch für nicht konvergente 
Zahlenfolgen aufstellen: 

Satz 5. Jede unendliche Zahlenfolge a,, Q,, . . . besitet Teilfolgen 
b,,ba,..., die gegen ihren oberen Limes « oder gegen ihren unteren 
Limes «& konvergieren. 


Wir wollen z.B. b,, b,, ... so bestimmen, daß 
lImb,=« 
ist. Ist «= — 00, so ist die Folge der a, konvergent, und man kann 


b, = a, setzen. 
Ist & eine endliche Zahl und p eine gegebene natürliche Zahl, so 
betrachten wir di6 Gesamtheit N, der natürlichen Zahlen », für die 
| 
a, >a— » 


ist. Für jedes » ist dann N, eine unendliche Menge von Zahlen; wir 
setzen n, gleich der kleinsten natürlichen Zahl von N,, hierauf n, gleich 
der kleinsten Zahl von N,, die >n, ist, also n, gleich der kleinsten Zahl 
von N,— {n,}N, und allgemein n,,, gleich der kleinsten Zahl, die in 


N,41 (N, N9,.- +5 N, Ny;1 


vorkommt. Setzt man dann 
br = Any, (k=1,2,...) 


so ist die Zahlenfolge d,, b,,... eine Teilfolge der gegebenen und für 
ihren oberen Limes ß gilt daher die Relation 
(a) | B<a. 
Anderseits ist für jede natürliche Zahl Ak > p 


ee 1 = 1 
u Pu 


Es gibt also nur höchstens endlich viele Zahlen b,, b,, ..., die durch 
(« —_ —) übertroffen werden, und der untere Limes ß vr Zahlenfolge 
b,,d,,... genügt der Relation 

B>a- Lu 
Da dieses für jede natürliche Zahl p stattfindet, so hat man 

Ba 
und daher mit Berücksichtigung von (1) und von ß< <ß 
B=ß=e. 


3 


94 Kap. II. Der Grenzbegriff 899 | 





Ist schließlich « = + oo, so ändere man den obigen Beweis dahin, 
daß man die Zahlenfolge 


a 1 
(«-,) | (=1,2,...) 
durch die Folge der natürlichen Zahlen ersetzt. 


Ein Korollar unseres letzten Satzes ist folgendes: 


Satz 6. Wenn der obere Limes jeder unendlichen Teilfolge einer ge- 
gebenen Folge a,, Qy, ... immer gleich einer und derselben Zahl ist, so 
konvergiert die Folge der a,. 


Wäre nämlich «<a, so könnte man zwei Teilfolgen von a,, a,,. 
finden, die bzw. gegen « und « konvergieren, more ‚obere Limites also 
voneinander verschieden sind. 


99. Die Sätze 4—10 der $$ 88—95 erlauben das Rechnen mit 
konvergenten Zahlenfolgen zu begründen. Wir bedienen uns der 
folgenden bequemen Symbolik: 

,.—.« 
soll bedeuten, daß die Folge a,, a,,.... konvergiert, und daß 
Iıma=« 
k=o 
ist. 
Wir entnehmen nun aus dem SNatze 6 des $ 89 folgendes Resultat: 
Satz 7. Ist für jedes k die Relation a, < b, erfüllt, so folgt aus 


a.—>a und b,.—Bß, 
auch «<Pß. 


Ferner liefert der Satz 4 des $ 88 unmittelbar das Ergebnis: 


Satz 8. Ist für jedes k die Relation a,= — b, erfüllt, so folgt aus 
a,— ua auchb, > — a. 


Eine direkte Folge des Satzes 7 des $ 91 ist ferner: 


Satz 9. Sind a,,a,,... und b,,b,,.... zwei gegebene Zahlenfolgen, 
von denen die erste gegen « komvergiert, so gelten die Gleichungen 


lim (a, + b,) = “+ß, 
lim (a, +b)=e«+Bß, 
solange die vorkommenden Summen ausführbar sind. Aus 


a—>a und b,.—Pß 


$ 100 Konvergente Zahlenfolgen 05 
folgt dann insbesondere 


EST AR ————n 








(,+b)—>(e+P), 
falls diese Summen einen Sinn haben. 


100. Bei der Übertragung des Satzes des $ 94 kann man sich von 
der Bestimmung, daß die vorkommenden Zahlen alle positiv sein müssen, 
befreien, und folgendes behaupten: 


Satz 10. Sind die Folgen a,, as, -.- und b,, b,, ... konvergent, so 
folgt aus , > undb,— ß, daß auch 


a,d, — aß, 
wenn diese Produkte einen Sinn haben. 


Es seien zunächst die Grenzwerte « und ß beide positiv; dann 
gibt es nach Voraussetzung nur höchstens endlich viele a, und ebenso 
nur höchstens endlich viele b,, die negativ oder Null sind. Es gibt also 
eine Zahl N, so daß für jede natürliche Zahl » sowohl ay+,>0O als 
auch by+»> OÖ ist. Die Zahlenfolgen ay;ı, an+a,.. . und by+ı, dxv43; --- 
konvergieren als Teilfolgen der gegebenen Folgen gegen die Grenzen « 
und ß (8 98, Satz 4) und die Relationen des Satzes 9 in $ 94 liefern dann 


lim UN+pON+p = aß. 


p=o 


Die Folge a,b,, ayb,, . ..., die sich von der Folge ay+ıdy+1, Qn+2dv+ 2: -- 
nur um endlich viele Elemente unterscheidet, hat dieselben Hauptlimites 
wie diese (8 89, Satz 5) und muß daher auch gegen «ß konvergieren. 


Ist zweitens die eine der beiden Zahlen « und ß, z.B. die Zahl a, 
negativ, so setze man a, =—.a,. Dann ist nach dem Satz 8 des vorigen 
Paragraphen die Folge a,’,a,,... konvergent und 


„—>—0; 
nach dem soeben bewiesenen Resultat ist dann 
a,b, ——aß, 
und, da für jedes % die Zahlen a,b, und a,b, entgegengesetzt sind, 
a,d, —> aß. 
Ähnlich sieht man die Richtigkeit unserer Behauptung ein, wenn 
beide Zahlen «@ und ß negativ sind. 


Ist schließlich «= 0 und ß eine endliche Zahl, so ist die Folge 
b,,d,,... beschränkt, falls nicht einige b, unendlich sind. Es gibt 


96 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 101. 102 





aber jedenfalls eine Zahl M und eine natürliche Zahl %,, so daß für 
jedsk>k, 
di<M 


ist. Ist dann & eine beliebige positive Zahl, so gibt es, weil a, gegen 
Null konvergiert, nur höchstens endlich viele natürliche Zahlen k, für 
welche 


1%; 2 ” 
ist; für alle anderen Werte von k ist aber dann 
ab|<e. 


Es gibt also nur höchstens endlich viele Werte von %, für welche 
Ia,b,| > e ist, d.h. 


ad, —d. 
Der angekündigte Satz ist also für alle Fälle bewiesen. 


101. Endlich gilt noch der Satz: 


Satz 11. Ist unter denselben Voraussetzungen wie im vorigen Satze 
jedes b, endlich und #0, B +0, und sind « und ß nicht beide oo, so 
ist die Folge 


GG 


bb’? 
konwergent, und es ist 
| I 
b; B 


Es genügt den Satz für 6 > 0 zu beweisen, da man diese Voraus- 
setzung erzwingen kann, indem man mit Berücksichtigung des Satzes 8 
(899) nötigenfalls jede der Zahlen a, und b, durch die entgegengesetzten 
Zahlen —a, und —b, ersetzt. Es sind dann höchstens nur endlich viele 
Zahlen b, nicht positiv und für die übrigen gilt nach dem 8 92 

; 1 1 
rn 
Diese Relation gilt aber dann ebenfalls, wenn wir die negativen b, hin- 


zufügen, und der behauptete Satz reduziert sich nun auf eine einfache 
Anwendung des vorigen. 


102. Eine Zahlenfolge a,, a,, Q,,... heißt monoton wachsend, 
wenn stets für jede natürliche Zahl % 


(1) zz % 


8 103 Konvergente Zahlenfolgen 97 
ist, sie heißt monoton abnehmend, wenn für jedes % 
4 S4 
1st. 

Satz 12. Eine monotone Zahlenfolge konvergiert stets. Ist sie wachsend, 
so konvergiert sie gegen ihre obere Grrenze, ist sie abnehmend, gegen ihre 
untere Grenze. 


Wir wollen z. B. eine monoton wachsende Zahlenfolge betrachten 
und mit «, & und « ihre beiden Hauptlimites und ihre obere Grenze be- 
zeichnen. Wir haben dann mit den Bezeichnungen des $ 95 und, wenn 
wir die Bedingungen (1) berücksichtigen: 


«&, = obere Grenze von {a,,a,,1,.::)=«, 
«&, = untere Grenze von {a,,Q,,1,:.-)=@,. 
Ferner haben wir nach dem Satze 10 desselben Paragraphen 
& = untere Grenze von (@,,%,...)=e«, 
& = obere Grenze von [a,',&,...)\=«. 


Also ist, wie wir beweisen wollten, 
w=a=«. 
103. Es sei s eine positive Zahl; wir wollen die Folgen unter- 
suchen, die dadurch entstehen, daß man 
a=s und ,,=5'q, 
setzt. Dann ist a, eine sogenannte Potenz von s und man schreibt 


a,=s*. Ist s größer als Eins, etwa gleich (1+»), so ist die Folge 
der Potenzen s, s?,... monoton wachsend, denn es ist 


stt!=(1+p)s’> st; 


sie konvergiert also gegen ihre obere Grenze, von der wir zeigen wollen, 
daß sie gleich + oo ist. Dazu beweisen wir die Ungleichheit 


- st>(1+%kp). 
Diese Relation ist in der Tat für %=]1. erfüllt, und wenn sie für ein 
beliebiges %k erfüllt ist, so ist 
sr = (1+pP)s>(1+p)(1+kp), 
und folglich 
stH1> 1 + (k+1)o+kp?>1+ Rp 


Carath&sodory, Reelle Funktionen. 


98 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 104 
Ist M eine beliebige Zahl, so kann man % so wählen, daß 
1+kp>M 


ist ($ 18); das entsprechende s* ist dann auch größer als M, und die 
obere Grenze aller s* ist also größer als jede beliebige Zahl und also 
gleich +00. Wir können also schreiben 


t—+® (fürs>]). 
Ist dagegen s< 1, so setze man 


Es ist dann 

1 
== SE y 
und, da #>1 ist, folgt nach dem Obigen 


Ä 1 
An ge: 


also nach dem Satze 11 des $ 101 
:—0 (0<s<1). 


Endlich sieht man, daß die letzte Relation auch für negative s statt- 
findet, sobald |s|<1 ist, denn es ist allgemein 


1’ = sit. 


ft 


Summen von positiven Zahlen. 
(1) Pır Pr, Pa» - -- 


eine Folge von lauter nicht negativen Zahlen. Ist 


N, Nor 


irgendeine Menge, die aus endlich vielen verschiedenen natürlichen 
Zahlen besteht, so nennt man die Summe 


(2) DntPut + pm, 
eine Teilsummme der Folge (1). 
Definition. Wir definieren jetzt als Summe 


(3) s -2p. 


sämtlicher Zahlen der Folge (1) die obere Grenze aller mög- 
lichen Teilsummen (2). 


8 105 Summen von positiven Zahlen 99 


Diese Summe ist also stets eine nicht negative Zahl, die auch gleich 
+ 00 sein kann. Um sie zu berechnen, genügt es, diejenigen ihrer Teil- 
summen zu betrachten, die den Abschnitten der natürlichen Zahlenreihe 
entsprechen. Es gilt der Satz: 
Satz 1. Setzt man 
= MtPpt + Du 
s= Ip, = lim s,. 
k 


so ıst stets 


In der Tat ist stets 


und daher Im nF Parı 


I... 2 8,: 
Die Folge ° - 


er 
ist also monoton wachsend und konvergiert gegen ihre obere Grenze 
($ 102, Satz 12), die wir mit 0 bezeichnen wollen: 
>‘. 
Nun ist nach unserer Definition der Zahl s= p, stets 
k 
| ss 
und daher ist auch die obere Grenze 6 der s,, nicht größer als s, 
(4) o<s. 
Ist anderseits 
s=p,tP.t ae + Dn, 


eine beliebige Teilsumme, und bezeichnet man mit m die größte unter 
den endlich vielen Zahlen »,,...,n,, so enthält s,, jede der Zahlen, die 
in s’ vorkommen und (s_— s’) ist entweder gleich Null oder gleich einer 
Summe von endlich vielen nicht negativen Zahlen. Es ist daher 


"<s, se | 
und, da 3’ eine beliebige Teilsumme von (1) bedeutet, muß auch 
(5) s<o 
sein. Aus (4) und (5) folgt endlich 
o=S, 


wie wir beweisen wollten. 


105. Der Hauptsatz über Summen von positiven Zahlen ist fol- 
gender: 
7* 


yBamizn 


100 Kap. I. Der Grenzbegriff 8 106 


Satz 2. Sind P,,.Ps,- . . endlich oder abzählbar unendlich viele nicht 
negative Zahlen und ist jedes P, die Summe von endlich oder absühlbar 
unendlich vielen nicht negativen Zahlen pr, 


Ei - Ion, 
so ist die Summe der P., gleich der Summe der py: 
>37 = Pr x 


Man setze 


(1) 8 == P„ 6 = Pas; 


wir wollen s und 6 vergleichen. . 
Wir betrachten eine beliebige Teilsumme der 9, , 


(2). = en Pın,’k' + DPm,' ky' + eh Pmmy’ky'; 


die erste dieser Zahlen wird zu einer Summe P,„, gehören; man streiche 
aus der Teilsumme (2) sämtliche p,, weg, die zu dieser Summe ge- 
hören. Die Summe der weggestrichenen Zahlen sei x,; es ist dann 
x, < Pm,. Die erste der übrigbleibenden Zahlen von (2) gehöre zu P,,; 
man streiche aus (2) nun auch sämtliche Zahlen, die zu P„, gehören, 
weg; ihre Summe sei x, und wir haben x, < P„,. Wenn man so fort- 
fährt, ist man nach höchstens j Schritten zu Ende und es folgt hieraus 
Pak t Dmsi t°°° + Dim; %; = 1 + ++, 
| SPmtPmt' + Pas 
<s. 


Da die Teilsumme (2) beliebig war, ist für die obere Grenze 6 aller 
solchen Teilsummen | 
(3) 6<s. 
Es sei nun A eine beliebige positive Zahl, die kleiner als s ist, und u 
eine Zahl zwischen A und s: 

A<u<s. 


Die Zahlen A und u sind endliche Zahlen, selbst wenn s=-+ oo ist. 
Man kann nach dem vorigen Paragraphen eine natürliche Zahl r so 
finden, daß 


(4) ,=-P+P+--+P,>u 
ist. Nun wähle man die natürlichen Zahlen kı,ka,-. .,A,, derart daß 


8 106 | Konvergente Reihen 101 





PıtPst"+9m,>Pı et, 
Pat Pat 4m, >B-8, 
a 





| P,ı +P3+ nr + 2,1, > P,— 


r 


Die durch Addition dieser Ungleichheiten links entstehende Teilsumme 
der 9,, heiße ,; dann ist 


c>2m>F+tP++P,+Q@-—u) 
und mit Berücksichtigung von (4) 
o>4A. 
Da die letzte Ungleichheit für jede Zahl A <s gilt, muß 


und also, wegen (3), 
6=S 
sein. | 
Dieses Resultat zeigt: man erhält die Summe von abzählbar un- 
endlich vielen nicht negativen Zahlen auch, wenn man die gegebene 
Menge in endlich oder abzählbar unendlich viele Teilmengen zerlegt, 
jede für sich summiert, und die erhaltenen Zahlen wieder addiert. 


Konvergente Reihen. 


106. Es sei 
(1) Gy, Ag, Ag, ..- 


eine Folge von abzählbar unendlich vielen beliebigen reellen endlichen 
Zahlen. Wir bilden die Summen 


(2) HB htartr ta 

die aus den m ersten Zahlen der Folge (1) bestehen und betrachten die 
. Zahlenfolge | 

(8) | S17 99, 95° 


Definition. Konvergiert die en er Bagen einen 


endlichen Grenzwert s. 
8 ns, 


102 Kap. I. Der Grenzbegriff 8 106 





so sagt man, die Reihe 

(4) tg tat: 

konvergiert*), und besitzt die Summe s; man schreibt: 
s- +, +%+:--. 


Die Reihe (4) konvergiert also dann und nur dann, wenn das 
Cauchysche Kriterium ($ 97, Satz 3) für die Folge s,,8&,... der Ab- 
schnitte der Reihe erfüllt ist. Nun ist aber 


Sm+p Im Am+1 FAn4st + Am+p? 
so daß man das betreffende Kriterium folgendermaßen aussprechen kann: 
Satz 1. Dafür, daß eine Reihe 
auat+%+:-- 
komnvergiere, ist notwendig und hinreichend, daß man jeder positiven 


Zahl e mindestens eine natürliche Zahl N zuordnen kann, so daß für jede 
natürliche Zahl p 


(5) lanzı tan+2+' +anıp| Se 


sei. Man kann dann stets jeder positiven Zahl e eine natürliche Zahl N’ 
zuordnen, so daß für jede natürliche Zahl p und jede natürliche Zahln> N’ 


(6) IQyy4ı ar Any! s € 
ist. 


Aus dem zweiten Teil des vorigen Satzes folgt als Korollar, wenn 
man p=1 setzt: 

Satz 2, Dafür, daß eine Reihe a, + a, +: - komvergiere, ist not- 
wendig, daß 
(7) lim a, = 0 


ser. 





”, Nach unserer früheren Terminologie ($ 96, Fußnote) müßten wir konse- 
quenterweise auch diejenigen Reihen konvergent nennen, für welche die Zahlen- 
folge (8) einen unendlichen Grenzwert besitzt; z. B. müßte dann die Reihe 


1—-1+2? —-1+3—1+--- 
konvergent genannt werden. Dies würde aber nicht nur einer hundertjährigen 
Gewohnheit widersprechen, sondern auch an sich unzweckmäßig sein. Gelegent- 
lich werden diese Reiben eigentlich divergent genannt im Gegensatz zu den 
Reihen, wie 
1—-1+1—1+---, 


für welche s, keinen Grenzwert besitzt, und die uneigentlich divergent ge- 
nannt werden. 


$ 107 Konvergente Reihen 103 


Aus der Bedingung (7) folgt übrigens nicht, daß eine Reihe not- 
wendig konvergieren muß. Setzt man z.B. 


ada=—. 
so ist zwar (7) erfüllt, aber es ist 


a.41t "+ 0,,,|> =. a +...+ en (p mal genommen) 


r7; 
ja Art -+%,>3- 


Die Bedingung (6) kann also für keinen Wert von » erfüllt werden, 
wenn man 


und daher fürrp=n 


=; 


3 
nımmt. 


107. Es sei q,, 9, --- eine Folge von positiven Zahlen, deren 
Summe endlich ist; ferner sei a,, @,,.... eine Folge von Zahlen, die 


der Bedingung 
ml 4m 
genügen. Dann ist stets 


(1) | 41 Teer Ar < Ianrıl zu + a er 
< Inzı re In+p' 


Nun kann man, weil die Summe der g, endlich ist, jeder positiven 
Zahl & eine Zahl N zuordnen, so daß für jedes p 


at + m, Ze 
ist. Es ist dann auch nach (1) für jedes p 
larrı+ tan Se, 
„ta+r-- 


d.h. die Reihe 


ist konvergent. 


Definition. Eine Reihe ,a+@+--- heißt absolut konver- 
gent, wenn man eine Folge von nicht negativen Zahlen q,,9, --- 
finden kann, deren Summe endlich ist, und für welche 


(2) la.|sq. (m=1,2,...) 
stattfindet | 


104 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 108 
Aus (2) folgt: wenn die Reihe a, + a, + absolut konvergiert, 

so muß die Summe der nicht negativen Zahlen 

(8) || (m=1, 2, 3...) 

endlich sein; denn keine Teilsumme der Folge (3) ist größer als die 


Summe der q,„. Ist umgekehrt die Summe der Zahlen (3) endlich, so 
konvergiert die gegebene Reihe absolut: 


Satz 3. Für die absolute Konvergenz einer Reihe 
Q, + Ag +...» 
ist notwendig und hinreichend, daß die Summe 


lan! 
endlich sei. 

Wir betrachten noch folgendes Beispiel. Es sei a eine beliebige 
Zahl, die der Bedingung 
| al<]l 
genügt. Die Reihe 
(1) l+a+ta?+a’+--- 
konvergiert, Denn es ist 

tar sr Tl ta 





und daher 
_ 1l—a 
Sm — 1-—a?’ 
woraus folgt ($ 103) 
>; = _. 





Die Reihe (1) konvergiert aber absolut, weil die Summe 
I+lalt ja tlarit 


1 
1— la 


den endlichen Wert 


besitzt. 


108. Um zu zeigen, daß es konvergente Reihen gibt, deren Summe 
endlich ist. und die nicht absolut konvergieren, Dre wir eine 
monoton abnehmende Zahlenfolge Ä 


(2) 2 >y>,>.--, 
die gegen Null konvergiert 
(8) 0, 











8109 Konvergente Reihen 105 


und hierauf die Reihe. 
(4) +. — at... 


Die Teilsummen s,,, dieser Reihe mit geradem Index bilden eine mono- 
ton wachsende Zahlenfolge, denn es ist 


an SGgm+3 — Gm Mmrı  Mmr3 > 0- 
Ferner ist 
gm 4) ln) <M, 


und hieraus folgt, daß die obere Grenze dieser Zahlen die Zahl a, nicht 
übertrifft und daher endlich ist. Die Grenze Ä 


s = lim s,,, 


M=® 


ist also endlich. Ganz analog beweist man die Existenz einer endlichen 
Grenze s’ für die Teilsummen mit ungeradem Index 


s’= lim 5, ,;ı- 
Endlich sieht man, daß - 
s— s-lim (,,,1— 53m) — lim 9 „,1= 0 


ist, woraus die Konvergenz der Reihe (4) leicht folgt. 
Setzt man nun 


so sind die Bedingungen (2) und (3) erfüllt, und daher die Reihe 


Bee} SEE Eu: Vre © 
1 2 3 4 


konvergent. Diese Reihe ist aber nicht absolut konvergent, weil die 
Summe 


ist ($ 106). 


l+4 +44. =+0@ 


109. Es sei 
(1) s-e4ur%Tr° 
eine konvergente Reihe und A eine beliebige endliche Zahl. Wir setzen 
(2) b,= ka, (n=1,2,3,...) 
und betrachten die Reihe 
(3) ++. 


Es folgt dann mit den Bezeichnungen 
Hut t, mebti +6, 


106 Kap. ll. Der Grenzbegriff 8 109 
aus der Gleichung 

in = 15m 
daß die Zahlenfolge 4, t,, ... konvergiert und daß 


limit, =Alims,, 


ist ($ 100, Satz 10). Die Reihe (3) ist also ebenfalls konvergent und ihre 
Summe gleich dem Produkte von A mit der Summe von (1). Ist die 
Reihe (1) absolut konvergent, so ist die Summe der positiven Zahlen 
B.1-12lla,, (m=1,2,...) 
endlich, woraus die absolute Konvergenz der Reihe (3) folgt. 
Satz 4. Ist 


(4) =4,tr%+t°' 

eine konvergente Reihe und 1 eine beliebige endliche Zahl und setzt man 
b,= Aa,» (n=1,2,3,...) 

so ist die Reihe 

(5) t=b+rb+t..: 


konvergent und man hat 
t=4-S, 
Ist die Reihe (4) absolut komvergent, so gilt dasselbe von der Reihe (5). 
Wir beweisen ferner den Satz: 
Satz 5. Sind 
(6) s=,+%+:--- und t=b+b+--- 
zwei konvergente Reihen von Zahlen, so ist die Reihe 
2) r-(+)+ +) +, 


die man durch gliedweise Addition erhält, ebenfalls konvergent, und stellt 
die Zahl (s+t) dar. Sind die beiden Reihen (6) absolut konvergent, so 
gilt dasselbe von der Reihe (7). 


Setzt man in der Tat 
u ar en u ebt tb 

. an tb)t tl tn): 

so Ist 
u EA 
und daher die Folge »,, r,,.... konvergent ($ 99, Satz 9); außerdem gilt 
dann die Gleichung | 
imr =lims, +tlimti, =s+t. 


Nn=n M=0 


8 110 Konvergente Reihen 107 


Den letzten Teil des zu beweisenden Satzes entnimmt man aus der 
Relation 
+ dn| s I, + dm|- 
Ein ganz analoger Satz gilt über die gliedweise Subtraktion von 
zwei konvergenten Reihen. | 


110. Es sei 
(1) s=u,u+%+:-- 
eine absolut konvergente Reihe und man setze 
(2) 2. tan, qm. 


Die Zahlen p,, und g, genügen den Bedingungen 
(3) s sp Ss am, 0<mSs LIRP 
(4) Pm Im” Am» 


und hieraus folgt, daß man die Reihe (1) durch gliedweise Subtraktion 
von zwei Reihen mit nichtnegativen Gliedern 


(5) P=AtPpt; 
(6) g=-,trart' 


erhalten kann, die beide eine endliche Summe besitzen. Wir haben also 
s=9—g; nun bemerke man, daß nach (2) die Zahlen », gleich a,, 
oder gleich Null sind, je nachdem «,, positiv ist oder nicht. Die Reihe (5) 
ist also gleich der Summe der positiven Glieder der Reihe (1), falls es 
solche gibt und gleich Null im entgegengesetzten Fall; und ebenso sieht 
man, daß (6) gleich der Summe der absoluten Beträge der negativen 
Glieder von (1) ist, falls es solche gibt und gleich Null im entgegen- 
gesetzten Fall. 


Da auch umgekehrt die Reihe (1) absolut konvergiert, wenn p und q 
endlich sind, haben wir den Satz: 


Satz 6. Für die absolute Konvergeng einer Reihe 
s=a4,+%+:-: 


ist notwendig und hinreichend, daß die Summe p ihrer positiven Glieder 
und die Summe — q ihrer negativen Glieder beide endlich seien. Es ist 
dann stets 

s=P9—4. 


108 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 111 
111. Es seien | 


I, ya Yusy + - 


(1) Qgy, Oggy, Agsı - - - 


abzählbar unendlich viele Folgen von Zahlen. Die Gesamtheit der Zahlen 
@,.„ ist abzählbar ($ 42). Wir nehmen nun an, daß die Summe der ab- 
zählbar unendlich vielen nicht negativen Zahlen 'a,_,| endlich ist. 
Dann ist, wenn 


(2) bi, Da, bay... - 


eine Folge bedeutet, die durch Umordnung der Zahlen (1) in eine ein- 
fache Folge entsteht, die Reihe 


s=b,+b+b,+--- 


absolut konvergent, ebenso wie auch jede der Reihen 


(3) Sm Amı Ft Ama Ft ms tt (m=1,2,3,...). 
'_ Wir setzen 
b b b,\—b 
PR ul = Mid, 
Pan en Anz! t, An ! Inn = An! ma 


und Benaiten daß die Summen 
P=-2m 09-2 
Pa= Pan Om = Imn 
lauter endliche Zahlen bedeuten, die den Gleichungen 
s=P-Q, = Pa- In 
gentigen, Ferner ist nach dem Satze 2 des $ 105 
P=P,+PR,+P+--- 


= tra +9 tt: 
und daher, weil P und Q endliche Zahlen sind ($ 109) 


2% P-Q=(P -Q)+(R-Q9)+: 2 
oder 
(4) s=s +8, +58 +°.. 


$ 112 Konvergente Reihen 109 


Man zeigt ebenso, daB wenn man 


(5) =, tt, t°°. 
setzt, 
ist. 


Satz 7. Sind abzählbar unendlich viele Zahlen a,„ gegeben und ist 
die Summe ihrer absoluten Beträge |a,,„| endlich, so ist 


(7) Ann -2(Ia,,) - 23a.) 
Alle Reihen, die in der Gleichung (7) vorkommen, sind absolut konvergent. 


Nach dem $ 105 ist es für die Endlichkeit der Summe der |a,,,| 
notwendig und hinreichend, daß die Reihen 


Sant amt Be 


SE 


einen endlichen Wert besitzen. Dagegen folgt diese Endlichkeit nicht 
aus der absoluten Konvergenz der Reihen (3) und (4) allein; es können 
sogar die vier Reihen (3), (4), (5) und (6) absolut konvergieren und die 
Reihen , +s,+---undd}, +14 -+ --- verschiedene Zahlen darstellen. 
Betrachten wir z. B. das Schema 


und 


1 1 1 1 
0, 7%) 49 89 19- 
1 1 ı ı 
937 0, 33 9) 39° 
1 1 ı 1ı 
479 0, 2,7 4° 
1 1 1 1 
370 4709 0, 39° 
Man hat hier 
1 1 
Sm - > Ian ” gm-10 in > Oman — — n-1 
m 
und daher 
sts+'=2, utbre=—2, 


obgleich alle betrachteten Reihen absolut konvergieren. 
112. Es seien die Reihen 
(ı) en 
t=b+bH+ 
beide konvergent. Wir betrachten die Produkte a,b, und nehmen an, 
daß die Summe der abzählbar unendlich vielen nicht negativen Zahlen 


v 


110 Kap. II. Der Grenzbegriff $ 113 


Ia„d,| endlich ist. Dann sind erstens die Reihen (1) absolut konver- 
gent, und zweitens ist nach dem vorigen Satze 


(2) Dad, - I (Da,b,) 2 
Anderseits ist 
Dad, = a. 0, = an .t 


Da,b,=-tDa,=s-t. 
mn m 
Sind umgekehrt die Reihen (1) absolut konvergent, so sind die 
Zahlen 
S=2|a,| und T-2]b,| 


endlich, und man beweist durch eine analoge Rechnung wie die obige, 
daß die Summe aller |a,b,| gleich ST, und daher endlich ist. 
Satz 8. Sind 
s=-4+%+-- ud t=b+b+--- 
zwei absolut konvergenie Reihen, so ist stets 
st=Da,b,- 
mn 
Man kann also insbesondere schreiben 
st=ab tab, tab tab tab tab rad, +... 


und daher nach (2) 


Konvergente Punktmengen. 


113. Es sei A eine beschränkte lineare unendliche Punktmenge 
und f(P) eine Funktion, die in jedem Punkte P von A gleich der 
Abszisse x des Punktes P ist, d.h. es sei 


f(B) = «. 

Der obere Limes & und der untere Limes & des Wertevorrats der 
Funktion f(P) auf A (8 86, 87) sind dann endliche Zahlen und stellen 
die Häufungspunkte von A dar, welche die größt- oder kleinstmögliche 
Abszisse besitzen. Denn es ist einerseits, wenn ß>« ist, und g eine 
Zahl bedeutet, die zwischen & und ß liegt, d.h. wenn 

ae<qg<Pß 


ist, die Halbgerade q<.x eine Umgebung von f, die nur höchstens 
endlich viele Punkte von A enthält, so daß der Punkt ß kein Häufungs- 


% 


8 114 Konvergente Punktmengen 111 





punkt von A sein kann, und anderseits liegen, wenn 9<« ist, un- 
endlich viele Punkte von A auf der Halbgeraden » < x und daher auch 
im Intervall 9 <x<{g, woraus folgt, daß & ein Häufungspunkt von A 
ist. Ganz analoge Betrachtungen gelten für «. Die Zahlen « und « 
sind also dann und nur dann gleich einer und derselben Zahl «, wenn 
die Menge H, der Häufungspunkte von A, die nicht leer sein kann, 
($ 62, Satz 2) aus einem einzigen Punkt P, besteht. Wir nennen dann, 
ähnlich wie im $ 96 für Zahlenfolgen, die Punktmenge A konvergent 
und P, die Grenze von A. | 


Den Begriff einer konvergenten Punktmenge kann man nun leicht 
auf Punktmengen des »-dimensionalen Raumes übertragen: 


Definition. Von einer Punktmenge A des n-dimensionalen 
Raumes sagen wir, daß sie gegen einen Punkt P, konver- 
giert, und daß sie diesen Punkt als Grenze besitzt, wenn A 
beschränkt ist, der Punkt P, Häufungspunkt von A ist und 
A keinen anderen Häufungspunkt besitzt. 


114. Über konvergente Punktmengen gelten folgende Sätze: 


Satz 1. Eine konvergente Punktmenge besteht aus unendlich vielen 
Punkten und ist abzählbar. 


Wäre nämlich die Punktmenge A endlich, so hätte sie keinen 
einzigen Häufungspunkt und wäre sie nicht abzählbar, so hätte sie 
mindestens einen und folglich unendlich viele Kondensationspunkte 
($ 63) und daher entgegen der Voraussetzung auch unendlich viele 
Häufungspunkte. 

Satz 2. Dafür, daß eine unendliche Punktmenge A gegen einen 
Punkt P, konvergiere, ist notwendig und hinreichend, daß nur höchstens 
endlich viele Punkte von A außerhalb einer jeden Umgebung U von P, 
liegen. | 

Wenn es nämlich eine Umgebung U von P, gibt, so daß (A— AU) 
unendlich viele Punkte enthält, so muß (A— AU), wenn es beschränkt 
ist, mindestens einen Häufungspunkt P, enthalten, der sicher von P, 
verschieden ist. Die Punktmenge A ist also entweder nicht beschränkt 
oder sie besitzt mindestens einen von P, verschiedenen Häufungspunkt. 
In keinem dieser Fälle kann sie gegen P, konvergieren. 

Ist umgekehrt A eine Punktmenge, die nicht gegen P, konvergiert, 
so ist sie entweder nicht beschränkt und es liegen unendlich viele Punkte 
von A außerhalb einer beliebigen beschränkten Umgebung von P,, 
oder sie besitzt einen von P, verschiedenen Häufungspunkt P, und man 
kann zwei getrennt liegende Würfel W, und W, konstruieren, die P, 


112 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 114 


und P, zu Mittelpunkten haben. Der Würfel W, ist dann eine Um- 
gebung von P,, außerhalb welcher unendlich viele Punkte von A liegen, 
nämlich die Punkte, die im Inneren des Würfels W, enthalten sind. 


Satz 3. Dafür, daß eine unendliche Punktmenge A gegen einen 

Punkt P, konvergiere, ist (notwendig und) hinreichend, daß, wenn man 
sich eine beliebige Folge 
(1) W,W,W;,..- 
von Würfeln gibt, die P, zum Mitelpunkte haben, und deren Kanten- 
längen gegen Null konvergieren, nur höchstens endlich viele Punkte von A 
außerhalb eines jeden Würfels der Folge liegen. 
Ist nämlich U eine beliebige Umgebung von P,, 80 gibt es min- 
destens einen Würfel W, der Folge (1), der in U als Teilmenge ent- 
halten ist ($ 52); hieraus folgt aber, daß nur höchstens endlich viele 
Punkte von A außerhalb von U liegen können, und nach dem vorigen 
Satze, daß A gegen P, konvergiert. 


Satz A. Jede Punktmenge A, die einen Häufungspunkt P, besitet, 
enthält auch mindestens eime Teilmenge B, die gegen P, konvergiert. 


Es sei 
W,>W,>W,>W,> Per 
eine Folge von ineinandergeschachtelten Würfeln, die P, zum Mittel- 
punkte haben, und deren Kantenlänge gegen Null konvergiert. Nach 
Voraussetzung enthält jeder dieser Würfel unendlich viele Punkte 
von A. Hieraus folgt, daB unter den Punktmengen 


A(W,—-W;), A(W, —W,), A(W,—-W,), BER 


unendlich viele existieren, die nicht leer sind. Jeder dieser nicht leeren 
Punktmengen ordnen wir nach dem Zermeloschen Auswahlaxiom ($ 48) 
einen ihrer Punkte zu, und bekommen eine unendliche Folge P,, P;, - -- 
von Punkten, die in A liegen und gegen P, konvergieren. 


Satz 5. Eine Folge P,, Ps, : . . von Punkten konvergiert dann und 
nur dann gegen einen Punkt 


oo I: rl, 
wenn für die Koordinaten 


: Opıy Uay +, Yan 

eines jeden Punktes P, der Folge das Gleichungssystem 

2) lim a,,=e, G=1,2,...9%) 
besteht. 


$115.116 Limes superior und inferior von Folgen von Punktmengen 113 


Das Gleichungssystem (2) ist nämlich identisch mit der Bedingung, 
daß außerhalb eines jeden Würfels | 
1 1 
m: (,-,)<,<(s,+,) Gel2,...n) 


der Folge W,, W,, W,;, ... von Würfeln nur höchstens endlich viele 
Punkte unserer Punktmenge liegen. Der zu beweisende Satz ist also 
inhaltlich mit den früheren Sätzen 2 und 3 identisch. 


Limes superior und inferior von Folgen von Punktmengen. 
s 


115. Die Eigenschaft einer Punktmenge B, Teilmenge einer Menge 
A zu sein: 


(1) B<A, 
hat eine gewisse formale Ähnlichkeit mit der Beziehung 
b<sa 


zwischen zwei Zahlen. Hierauf fußend kann man den Begriff der oberen 
und der unteren Grenze einer Zahlenmenge auf Folgen von Punktmengen 
übertragen: Die obere Grenze einer Zahlenmenge {a} ist die kleinste 
Zahl «&, die von keiner Zahl der Menge übertroffen wird. Ähnlich können 
wir, wenn eine Folge 


(2) U: A, Ay, Ay... 


von Punktmengen gegeben ist, eine Menge V aufsuchen, die erstens jede 
der Mengen A, als Teilmengen enthält, und zweitens selbst in jeder 
Punktmenge enthalten ist, die der ersten Forderung genügt. Es ist klar, 
daB die Vereinigungsmenge 


V=4A,+4, Ei 


beide Eigenschaften besitzt, und daher der oberen Grenze entspricht. 
Ähnlich sieht man, daß der Durchschnitt 


D= A,Ay4;... 


alle Punktmengen enthält, die Teilmengen von A, für jedes k sind, und 
daß er bei unserer Analogisierung dem Begriffe der unteren Grenze 
entspricht. 


116. In Anlehnung an den $ 95 können wir jetzt zwei Punkt- 
mengen definieren, die das Analogon der Hauptlimites von Zahlen- 
folgen sind. Wir setzen, wenn die Folge (2) von Punktmengen 'ge- 
geben ist, für jede natürliche Zahl k 


Carathöodory, Reelle Funktionen. 8 


114 Kap. IL Der Grenzbegriff 8117 


(3) V=4A, + Arı + Ars t° 
und 
(4) D,— A, Aryı Arra 
Hierauf schreiben wir für die gesuchten Analoga der Hauptlimites: 
(5) lim sup A,=V,V, V5,:-. 
(6) imnf A=D+D,+D,+---. 


k=o» 


Die geometrische Bedeutung der beiden Punktmengen (5) und (6) 
ist dann folgende* 


Satz 1. Der Limes superior einer Folge von Punktmengen besteht 
aus allen Punkten des Raumes, die in unendlich vielen Mengen der Folge 
enthalten sind. Der Limes inferior aber aus den Punkten des Raumes, 
die in allen Mengen der Folge mit Ausnahme von höchstens nur endlich 
vielen enthalten sind. 


Ein Punkt P des Raumes, der in unendlich vielen der Mengen 
A,, Ag, ... enthalten ist, ist in jedem V, enthalten, da auf jedes A, 
sicher noch ein A,,, folgen muß, das P enthält; er ist also auch in 
dem Durchschnitte aller V,, d.h. in lim sup A, enthalten. Ist dagegen 
P in nur endlich vielen A,, z.B. in 


Ay Ans: Am 


enthalten, so wähle man k größer als die größte der Zahlen k,, kg, ... An- 
Dann ist P sicher nicht in V, und folglich auch nicht im Durchschnitte _ 
aller V, enthalten. 

Ist zweitens P in endlich vielen A,, z.B. in 


Add 


nicht enthalten, wohl aber in allen übrigen, so ist P auch in D, ent- 
halten, sobald %k größer ist als die größte der Zahlen k,, ka,.-. Km- 
Also ist P in der Vereinigungsmenge aller D,, d. h. in lim inf A, 
enthalten. Ist dagegen P in unendlich vielen A, nicht enthalten, so ist 
P in keinem D, enthalten, weil auf jedes A, mindestens ein A,, , folgt, 
das P nicht enthält. Es kann also auch nicht P in der Vereinigungs- 
menge der D,, d.h. in lim inf A, enthalten sein. 


117. Der Limes superior und der Limes inferior einer Folge von 
Punktmengen genügen folgenden Sätzen, die unseren früheren Sätzen 
über die Hauptlimites von Zahlenfolgen analog sind: 


$ 117 Limes superior und inferior von Folgen von Punktmengen 115 


Satz 2. Ist A,, A,,. - . eine gegebene Folge von Punktmengen, so ist: 
(1) lim inf A, < lim sup A, (vgl. $ 87, Satz 3). 


k=o 

In der Tat ist jeder Punkt, der in allen A, mit Ausnahme von 
höchstens endlich vielen enthalten ist, gewiß in unendlich vielen A, 
enthalten. 

Satz 3. Ist A eime Folge von Punktmengen A,, As, - -. und ist W’ 
die Folge der zugehörigen Komplementärmengen A,', As, - . -, so gelten 
die Relationen 
(2) lim sup A, = (lim inf A,)’ 


(3) lim inf A, = (lim sup A,)’ (vgl. $ 88, Satz 4). 


Der lim sup A, besteht nämlich aus allen Punkten, die in unendlich 
vielen A, enthalten sind; die Komplementärmenge dieser Punktmenge, 
aus allen Punkten, die nur in höchstens endlich vielen A, enthalten sind. 
Diese letzten Punkte sind aber dann in allen A, mit Ausnahme von 
höchstens endlich vielen enthalten; sie fallen also mit den Punkten von 
lim inf A, zusammen. Somit ist die erste der beiden Gleichungen bewiesen. 

Die zweite folgt aber aus der ersten durch Vertauschung von A 
mit 4”. 

Satz 4. Es seien A,, A,,... und B,, B,,. . . zwei beliebige Folgen 
von Punktmengen und der Limes superior und inferior einer jeden dieser 
Folgen mit A, A, B, B beseichnet. Wir betrachten ferner die Folge der 
Vereinigungsmengen (A, + B,) und die Folge der Durchschnitie A,B, und 
seizen | 


C=-lmsup(4,+B), C=-lminf(4,+B,), 


D = lim sup A,B,, D = lim inf 4,B,; 
dann gelten die Relationen: 
A+B_0_A44B 
(4) A+HB<l<,,,„<0-ädtB 
und BR 
6) AB-D<7,<D<AB 


(vgl. $ 91, Satz 7 und $ 94, Satz 9). 


Jeder Punkt, der in unendlich vielen A, enthalten ist, ist in un- 
endlich vielen (A, + B,) enthalten, und es ist also 
C>4; 
8* 


116 Kap. II. Der Grenzbegriff 8 117 





ebenso findet man, daß B eine Teilmenge von C ist, so daß auch 
O>AH+B 

sein muß. Anderseits ist aber ein Punkt von © in unendlich vielen 

(A, + B,) enthalten und muß daher entweder in unendlich vielen A, 

oder in unendlich vielen B, enthalten sein, so daß man schreiben kann 
C<AHB. 

Es ist daher en 
(6) C=-A+B, 
und wegen unseres Satzes 2 


(7) C>A+B und O>A+B. 


Jeder Punkt, der in sämtlichen A, enthalten ist, mit Ausnahme 

von höchstens endlich vielen unter ihnen, ist auch in allen (A, + B,) 
enthalten mit Ausnahme von höchstens nur endlich vielen unter ihnen; 
es ist also 

A4A<LC; 
ebenso findet man 

B<CG, 
so daß man auch 
(8) A+B<C 


schreiben kann. Endlich ist jeder Punkt, der in allen (4, + B,) mit 
Ausnahme von höchstens nur endlich vielen unter ihnen enthalten ist, 
entweder in unendlich vielen A, und folglich in A enthalten, oder aber 
er ist in nur höchstens endlich vielen A, enthalten und dann kann er 
in nur höchstens endlich vielen B, nicht enthalten sein; d. h. er ist dann 
ein Punkt von B. Man hat also in jedem Fall 


0) C<A+B 
und durch Vertauschen von A, und B, in der vorigen Schlußkette 
(10) C<AHB. 


Die Relationen (6) bis (10) sind aber identisch mit (4). 
Auf ganz analogem Wege beweist man die Relationen &; man 
kann sie aber auch mit Hilfe des Satzes 3 und der Betrachtung von 
Komplementärmengen aus (1) entnehmen (vgl. $ 40). 
Die beiden letzten Sätze erlauben auch, wenn man sie miteinander 
vergleicht, ein ähnliches Resultat für die un der (A,— A,B,) 
auszusprechen. Es ist nämlich 


(A, ze A,B,) = AB; 








$ 118 Limes superior und inferior von Folgen von Punktmengen 117 


und daher z. B. u 
lim sup (A, — A,B,) <A lim sup B, ; 


nach dem Satze 3 ıst aber 
A-limsup B/=A(B/=A-—AB. 


Durch ähnliche Überlegungen erweist man die übrigen Behaup- 
tungen im folgenden 


Satz 5. Für je zwei Mengenfolgen A,, A,,... und B,, B- 
gelten die Relationen 
rg A-—AB 
A—-4AB=lminf(A,—-4B)<,_4B 
<limsup (,—4A,B)<4A—AB. 


Satz 6. Ist B, B,,... eine beliebige Teilfolge von A,, As; -- -; 
so ist stets 


(11) lım inf A, < lim inf B, < lim sup B, < lim sup A,. 


Wird aber B,, B,,  . . durch Streichen von endlich vielen Elementen von 
A,, 4A,, . - . gebildet, so ist 


(12) lım inf A, = lim inf B, < lim sup B, = lim sup 4, 
(vgl. $ 89, Satz 5). 


Die mittlere Ungleichheit (11) ist nichts anderes als die Behauptung 
des Satzes 2. Ferner ist jeder Punkt, der in nur höchstens endlich vielen 
Punktmengen A, nicht enthalten ist, erst recht in nur höchstens endlich 
vielen Punktmengen B, nicht enthalten, und jeder Punkt, der in 'un- 
endlich vielen B, enthalten ist, erst recht in unendlich vielen A, ent- 
halten. 

Entsteht aber B,, B,,... durch Streichen von endlich vielen Ele- 
menten von A,, A,,..., so ist auch umgekehrt jeder Punkt, der in nur 
höchstens endlich vielen B, nicht enthalten ist, auch in nur höchstens 
endlich vielen A, nicht enthalten, und jeder Punkt, der in unendlich 
vielen A, enthalten ist, ist auch in unendlich vielen B, enthalten. 


118. Wir definieren jetzt die Konvergenz der Mengenfolgen genau 
so, wie früher die Konvergenz von Zahlenfolgen ($ 96). 


Definition. Eine Folge von Punktmengen A,, A,, Ay - - - 
konvergiert gegen die Menge A, wenn 


lim sup A, = lim inf A, = A 
k=o k=o 


118 Kap. 1 Der Grenzbegriff $ 118 











ist. Wir schreiben dann 
im A =4A oder A,—A. 
k=o® 


Aus dem letzten Satze folgt dann unmittelbar das Resultat: 


Satz 7. Jede unendliche Teilfolge einer konvergenten Folge von Punkt- 
mengen ist konvergent und hat denselben Limes (vgl. $ 98, Satz 4). 


Umgekehrt beweisen wir den Satz: 
Satz 8. Gilt für alle unendlichen Teilfolgen B,, B,, -.. vn A,, As ,--- 
lim sup B, = lim sup A4,, 


so konvergiert die Hauptfolge (und also auch jede Teilfolge). Ein analoger 
Satz gilt für den Limes inferior (vgl. $ 98, Satz 6). 


Nehmen wir an, die Folge der A, konvergiere nicht; dann gibt 
es einen Punkt P, der in lim sup A,, aber nicht in lim inf A, ent- 
halten ist. Ich nenne B,, B,, -.. die Teilfolge von A,, A,,..., die 
aus sämtlichen Punktmengen A, besteht, welche den Punkt P nicht 
enthalten. Die Teilfolge B,, B,,. ... besteht aus unendlich vielen Punkt- 
mengen, da sonst P in lim inf A, enthalten wäre. Nun enthält aber 
der lim sup B, nicht den Punkt P und ist entgegen der Voraussetzung 
von lim sup A, verschieden. 

Man Kann mit konvergenten Folgen von Punktmengen ähnlich wie 
mit konvergenten Zahlenfolgen rechnen. Hierzu benutzen wir die 
Sätze 3, 4 und 5 des $ 117. | 


Satz 9. Aus 
A, —>A 
folgt m die Komplementärmengen A, und A’ von A, und A 
4, —4 (vgl. 8 99, Satz 8). 
Satz 10. Aus 


A,>A und B—DB 
folgen die Gleichungen 
(4, +B)—A+B 
A,B,—> AB 
(A, — 4A,B) — (A— AB) 
(vgl. $ 99, Satz 9 und $ 100, Satz 10). 
Übrigens bemerke man, daß die Sätze des $ 117 uns erlauben, den 


Limes superior und den Limes inferior der Folgen (A,+ B,), A,B, und 
(A,— 4A,B,) zu berechnen, wenn nur eine der Folgen A,, A,, ... oder 





8119 Limes superior und inferior von Folgen von Punktmengen 119 





B,, Ba, - : - konvergiert. So hat man z. B., wenn A, — A ist: 
limsupp(A,+B) =4A+tB 
lim sup A,B, - AB 
lim sup (A, — A,B)=4— AB 
lim sup (B, — A,B)= B— BA 
und ähnliche Gleichungen für die lim inf dieser Mengenfolgen. 


119. Folgen von ineinandergeschachtelten Punktmengen 


a) A<h<A<-: 
(2) B>B>B>-- 


wollen wir, ähnlich wie im $ 102 für Zahlenfolgen, monoton wachsend 
und monoton abnehmend nennen. Es gilt dann der Satz: 


Satz 11. Monoton wachsende Folgen von Punktmengen konvergieren 
gegen ihre Vereinigungsmenge, monoton abnehmende Folgen von Punkt- 
mengen gegen ihren Durchschnitt (vgl. $ 102, Satz 12). 

Setzen wir nämlich mit der Bezeichnung des $ 116 

= AtrAyıt 
D, = 4,4,.,°°° 
so ist wegen (1) j DD 
V,=V,, D=4, 
und daher 
lim sup 4,=V,V,V, = P, 
lim nf 4, =D,+D,+---=P,; 
es ist also 
imA4,-Nh-AtAat:. 
Setzt man zweitens 
VF=B +B +: 
D*=BB...-- 
so ist nach (2) j Be: 


V*=B, und D*=D,*. 
Also | 
lim sup B,= V,*V,FV,*.. = D,* 
lim nf BB=D*+ D#*+-..-=D,* 
und schließlich 
‚im B,=D*=B BB, ...: 


120 Kap. II. Funktionen g 120. 121 


120. Beispiele. 1. Es sei im linearen Raum 
La, = (0,1,2,3,..,2k) und Z,,,={1,3,5,...,(2%+1)). 
Dann ist die Null und jede positive Zahl in unendlich vielen ZL, ent- 
halten; die geraden Zahlen und die Null sind in unendlich vielen Z,, 
nicht enthalten; jede ungerade Zahl (2% + 1) kommt aber in allen Z, 
vor, mit Ausnahme der 2% ersten. Es ist also 
lim nf ZL, = {1,3,5,...}, 
lim sup ZL, ={0,1,2,3,...}. 
2. A, bestehe aus dem abgeschlossenen zweidimensionalen Intervall, 
das in der m. durch die Bedingungen | 


Ay: ar SeSur: 0<ysi 


definiert wird in = Man sieht leicht ein, daß kein Punkt [| 
der Ebene in unendlich vielen A, vorkommt. Es ist also 

lim sup A,, eine leere Punkt- 

menge und das gleiche gilt 

dann notwendig von dem lim 

inf. Die Folge der Punkt | 
mengen konvergiert: 





lim 4,=0. 
Fig. 8. = Fig. 9. 
3. Die Folge A,, 4,,.... bestehe wieder aus zweidimensionalen 


Intervallen und es sei | 
A: —g<a<ı, —k<y<k. 
Dann besteht sowohl lim sup A, als auch lim inf A, aus der ganzen 
y-Achse (Fig.9). Bezeichnet man diese (nicht beschränkte) Punktmenge 
mit Y, so ist ine 


k=ow 


Kapitel IT. Funktionen. 
Definitionen. 


121. Bei Punkt- und Mengenfunktionen ($ 83) ist es nützlich, unter 
den Zahlen, die als Werte der Funktion vorkommen können, auch die 
Symbole + oo und — oo aufzunehmen. Eine Funktion, die auf ihrem 
ganzen Definitionsbereich ausschließlich endliche Werte annimmt, heißt 
eine endliche Funktion. 


$ 122 Definitionen 12 1 


Die Gesamtheit der r Werte, die eine Punkt- oder Mengenfunktion 
innerhalb ihres Definitionsbereiches A annehmen kann, bildet eine Zah- 
lenmenge, deren obere und untere Grenze die obere und untere 
Grenze der Funktion auf A genannt werden; wir werden im fol- 
genden diese Zahlen durch die Zeichen 


G(f; A) bzw. g(f; A) | 
darstellen. Sind diese Zahlen beide endlich, so heißt die Funktion auf 
A beschränkt. 


Eine endliche Funktion braucht nicht beschränkt zu sein; z. B. ist 
die Funktion f(x)=x auf der ganzen x-Achse endlich, aber nicht be- 
schränkt und dasselbe gilt von der Funktion f(x) = 1:x innerhalb des 
Intervalls O<z<1. 


Besteht bei einer Punktfunktion für einen Punkt Py von A die 
Gleichung 
Pu) = G@(f; 4), 


so sagt man, daß die Funktion f(P) im Punkte P, einMaximum besitzt. 
Ähnlich spricht man von einem Minimum der Funktion im Punkte P,, 
wenn die Gleichung | 
| f(P.) = 0(1; 4) 
gilt. 
Sind /, und f, zwei Punkt- oder Mengenfunktionen, mit demselben 
Definitionsbereich, so kann man mit Hilfe der Rechenoperationen 


fl, htf hf» ft, 


neue Funktionen definieren, die für alle Elemente des Definitionsbe- 
reiches erklärt sind, für welche diese Operationen ausführbar sind. 





122. Eine Punktfunktion F(P), die auf einer Punktmenge B eines 
m-dımensionalen Raumes erklärt ist, kann auch als Funktion der Ko- 
ordinaten z2,,%,..., x, des Punktes P angesehen werden; man schreibt 


dann 
F(P)=f(&,%;:- --, Im) 


und spricht von einer Funktion der m Veränderlichen #2, ...x,. 

Es seien %,, %,, -.., %,„ gegebene endliche Punkt- oder Mengen- 
funktionen, die denselben Definitionsbereich A besitzen. Jedem Elemente 
von A entspricht dann im m-dimensionalen Raum ein Punkt Q mit 
den Koordinaten 

Yı, Var 3 Ums 


122 Kap. II. Funktionen 8 123 


wir nehmen an, dieser Punkt liege stets im Definitionsbereiche B der 
Funktion F(P). Dann ist jedem Elemente von A eine Zahl 


F(Q) = fibı, Ya. -., Ym) 


zugeordnet und wir haben eine neue Funktion erklärt, die den Defini- 
tionsbereich A besitzt, und von der man sagt, daß sie durch Substi- 
tution der Funktionen %,.... y, in f(2,,...,2,„) entstanden ist. 








Limesfunktionen einer Punktfunktion. 


123. Eine Punktfunktion f(P), die auf einer Punktmenge A definiert 
ist, ist auch auf jeder Teilmenge B von A definiert, und die obere Grenze 
G(f; B) der Funktion f(P) auf B, sowie auch ihre untere Grenze g(f; B) 
sind wohldefinierte Zahlen. Diese Größen sind Mengenfunktionen, deren 
Definitionsbereich ®B aus allen Teilmengen B von A besteht. Es ist nun 
stets, weil die Menge der Funktionswerte von f(P) auf B in der Menge 
der Funktionswerte von f(P) auf A enthalten ist, 


76 A)<gl; DS Alf; B)<Ss elf; A). 
Es sei nun HM, die Menge der Häufungspunkte von A und 
ÄA=A+H, 


die abgeschlossene Hülle von A (8 72). Ist P ein Punkt von A und 
U, eine beliebige Umgebung von P, so ist der Durchschnitt UA nie 
leer, weil der Punkt P entweder Punkt oder Häufungspunkt von A ist. 
Es existieren also die beiden Zahlen 


GG; UrA) und g(f; UrA). 


Wir halten nun P fest und betrachten die Menge der Zahlen G(f; UA) 
für alle möglichen Umgebungen U, von P; die untere Grenze ®(P) 
dieser Zahlenmenge soll der obere u. der Funktion f(P) im 
Punkte P genannt werden. 

Ähnlich erklären wir den unteren Di: der Funktion f(P) 
im Punkte P als die obere Grenze p(P) der Zahlenmenge g(f; UA) 
für alle möglichen U,. Die Zahlen ®(P) und p(P) können als Funk- 
tionen von P aufgefaßt werden, die den Definitionsbereich A besitzen; 
wir wollen diese Funktionen die Limesfunktionen von f(P) nennen, 
und zwar soll ®(P) die obere und p(P) die untere Limesfunktion 
heißen. Für jeden Punkt P des Definitionsbereiches A von f(P) und 
für jede Umgebung U, von P hat man g(f; UA) <f(P)< G(f; U,A) 
und daher gelten auch die Relationen 


e(P)SfP)SOlP). (P<A) 


8 124 Limesfunktionen einer Punktfunktion 123 


124. Um ®(P) wirklich zu berechnen, betrachten wir eine mono- 
ton abnehmende Folge von konzentrischen Würfeln | 


(1) Ww>W,>W>:--, 


die P enthalten und deren Kantenlängen gegen Null konvergieren. 
Wegen W,,,4< W,A ist, wenn man 
9,(P) = @(f; AW,), PP) = g(f; AW,) 
setzt, nach (1) 
9, SP, und HZ P- 


Die Folgen ®,, ®,,... und 9,,9,,... sind also beide monoton und 
konvergieren daher gegen ihre untere und obere Grenze. Nun sind die 
Zahlen ®,, ®,,.... unter den Zahlen G@(f; UA) enthalten, weil jedes 
W, eine Umgebung von P ist, also ist 


(2) o(P) < lim ®,; 
k=o 

anderseits gibt es, wenn Ur eine beliebige vorgeschriebene Umgebung 

von P bedeutet, mindestens ein W,, das in diesem U enthalten ist. Es 


gibt also nach (1) mindestens ein ®,, das nicht größer ist als @(f; AU?); 
um so mehr ist dann die untere Grenze der ®,, 


lim 8, < G(f; UrA), 
k=o 


und, da die letzte Relation für jedes willkürliche U7> gilt, ist 


(3) lim d,< &(P). 
k=o 
Der Vergleich von (2) und (3) liefert 
®(P)=1lim®,(P), 
k=o 
und ebenso findet man _ 
»(P) = lim g,(P). 


Für jedes k ist nach Definition 
9(P)s BP), 
also ist auch nach dem Satze 7 des $ 99 
p(P)< GP). 
Satz 1. Die untere Limesfunktion einer Funktion f(P) ist in keinem 


Punkte von A größer als die obere Limesfunktion von f(P) in diesem 
Punkte. 


124 Kap. III. Funktionen 8 125. 126 
125. Betrachtet man die Funktion 
i(P)=-f(P) 


auf dem Definitionsbereich A von f(P), so ist für jede Umgebung Ur 
eines Punktes P der abgeschlossenen Hülle A von A 


G(fi; UrA) = — g(f; UrA) 
g(f; UrA) = — G(f; UrA). 
Hieraus folgt aber der Satz: 


Satz 2. Zwischen den Limesfunktionen von zwei Funktiomen f(P) 
und f‚,(P), die denselben Definitionsbereich besitsen und entgegengesetzt 


sind, 
h(P)=—fP), 


und 


gelten stets die Relationen 
®,(P)--g(P) und g(P)-— 9). 


126. Es sei P, ein Häufungspunkt von A und Q,, Q,, -.. eine 
Folge von Punkten, die in A enthalten sind und gegen P, konvergieren 
($ 114, Satz 4). Ist im Punkte P, die obere Limesfunktion ®(P) unserer 
Funktion f(P) nicht gleich + oo und ist die Zahl 


(1) p>©(P,), 
so gibt es nach Voraussetzung eine Umgebung U, von P,, für die 
(2) G(f; UrA) sp 


ist. Es liegen aber nur höchstens endlich viele Punkte Q, außerhalb 
von Ur ($ 114, Satz 2) und es gibt folglich wegen (2) nur höchstens 
endlich viele Q,, für welche 

fQ)>r 


sein kann. Hieraus folgt aber ($ 86) 
lim f(Q) sp 


und da p eine beliebige Zahl bedeutet, die nur der Ungleichheit (1) 
genügen soll, so ist auch 


im /(Q) < @(P,) 


eine Bedingung, die offenbar auch dann erfüllt ist, wenn @(P,)= +00 ist. 


Ganz analog beweist man die zweite Behauptung des folgenden 
Satzes: 


8 126 Limesfunktionen einer Punktfunktion 125 


Satz 3. Ist P, ein Häufungspunkt des Definitionsbereichs einer Funk- 
tion f(P), so gelten für jede gegen P, konvergierende Folge von Punkten 
Q,, Qs; - - . die beiden Relationen 


@) im f(Q))< &(P,), 
(4) lim f(Q,) = p(P,)- 


Ist nun @(P,) = — 00, so konvergiert wegen der Bedingung (3) 
jede Folge von Zahlen 


(9); f(Q), ER 
gegen ®(P,). Ist aber @(P,) > — ©, 50 sei 
PR <m<Pp<: 


eine monoton wachsende Folge von Zahlen, die gegen ®(P,) konver- 
gieren, 


(5) 29, — ®(B,); 
und 
w>W,>-W,,... 


eine monoton abnehmende Folge von Würfeln, die sämtlich P, zum Mittel- 
punkt haben und deren Kantenlängen gegen Null konvergieren. Aus 


@1; WA) P(P)>p, 


folgt nach dem Auswahlaxiom ($ 48), daB man innerhalb eines jeden 
dieser Würfel einen Punkt Q,’ von A ausfindig machen kann, für welchen 


(6) KA) >P: 
ist. 

Nun sind zwei Fälle zu unterscheiden: gibt es erstens nur endlich 
viele unter den so konstruierten Q,, die vom Punkte P, verschieden 
sind, so können von einer gewissen Stelle ab die W, keinen von P, ver- 
schiedenen Punkt Q, enthalten und es müssen daher diese Q/ mit P, 
zusammenfallen. Dann ist aber wegen (6) für jedes k 


fP)>P 
und wegen (5) 
M) fP) 2 BP.) 


Dieser erste Fall kann natürlich nur dann eintreten, wenn P, in A ent- 
halten ist; anderseits ist aber dann stets für jede Umgebung U> von P, 


f(P.) < @(f; UrA) 


126 Kap. III. Funktionen 8 126 
und folglich 

(8) f(B) < ®(P,). 

Der Vergleich von (7) und (8) liefert endlich 


KP)= PR.) 


Im zweiten Falle, in welchem es unendlich viele Q,' gibt, die von 
P, verschieden sind, können wir alle diejenigen Werte von k, für welche 
vielleicht Q, mit P, oder ein Punkt Q,, mit einem früheren Punkt Q,, 
zusammenfällt, außer Betracht lassen, und es bleibt immer noch eine 
unendliche Punktfolge 


Qı Q; Os wen 
übrig, die gegen P, konvergiert. In der Zahlenfolge 
(9) FA), FAQ, --- 


gibt es dann höchstens endlich viele Elemente, die unter den (k—1) 
ersten zu suchen sind, für die 


ist. Hieraus folgt aber 

um (Om) Z Pr 
und, weil die letzte Ungleichheit für jeden Wert von % gilt, 
(10) lim (9) 2 DB). 


Da nun der Satz 3 auch für unsere spezielle Folge gilt, bestehen 
beide Ungleichheiten (3) und (10) gleichzeitig und die Zahlenfolge (9) 
konvergiert daher ($ 96) gegen ®(P,). 


Satz 4. Ist P, ein Häufungspunkt des Definitionsbereiches A einer 
Funktion f(P), so gibt es stets eine gegen P, konvergierende Folge von 
Punkten Q,, Qs, - - -, so daß 


lim f(Q,) = öG(P,) 
ist, oder P, ist ein Punkt von A, in dem 
fi (P 0) Fi o(P 0) 
ist. Diese beiden Möglichkeiten schließen sich aber nicht aus. 


Ein entsprechender Satz gilt natürlich auch für die untere Limes- 
funktion p(P) von f(P). 


$ 127. 128 Halbstetigkeits- und Stetigkeitspunkte 127 


Halbstetigkeits- und Stetigkeitspunkte. 


127. Für jede Umgebung U, eines Punktes P des Definitionsbe- 
reiches A einer Punktfunktion f(P) hat man 


g(f; UA) Sf(P) <S G(f; UA) 
und daher auch 


(1) (P)SfP)<S DR). 


In allen isolierten Punkten von A ($ 53) sind natürlich diese drei 
Zahlen gleich, da bei geeigneter Wahl von U, dieMengen U,A aus einem 
einzigen Punkte bestehen. Die übrigen Punkte von A liegen auf dem 
Durchschnitt AH, der Punktmenge A mit der Menge H, ihrer Häu- 
fungspunkte. Für jeden Punkt P dieser letzten Punktmenge sagt man: 
die Funktion f(P) ist in P nach oben halbstetig (oder auch auf- 
wärts halbstetig), wenn 

| fP)= PP) 
ist, sie ist in diesem Punkte nach unten halbstetig (oder auch ab- 
wärts halbstetig), wenn 
fKP)=gp(P) 


ist, und sie ist im Punkte P stetig, wenn sie sowohl nach oben als 
nach unten halbstetig ist, d. h. wenn 

y(P)=-fP)=- OP), 

ıst. 

128. Es gibt Funktionen, die in keinem Punkte von AHL halb- 
stetig, geschweige denn stetig sind. Wir definieren z. B. die Funktion 
f(x) der einen Veränderlichen x rue auf der Halbachse 2>0: 


Für jeden rationalen Punkt = — = (wo p und g teilerfremd und 
positiv sein sollen) ist f(x) =1-— u: ‚ wenn q eine gerade Zahl und 


fa) = —1+ 7 ‚ wenn g eine ungerade Zahl bedeutet, und für jeden 


irrationalen Punkt ist f(x) = 0. Bezeichnet man mit Ö ein beliebiges 
Intervall, das einen Punkt der Halbachse x > 0 enthält, und mit % eine 
beliebige ganze Zahl, so liegen unendlich viele rationale Punkte p:g, wo 
p und g teilerfremd und q gerade ist, im Intervall d, dagegen nur end- 
lich viele dieser Punkte, bei denen q < k ist. Es gibt also sicher inner- 
halb ö Punkte, für welche | 


f@)21-- 


128 Kap. III. Funktionen $ 129 


ist. Da diese Eigenschaft für jeden Wert von % erfüllt ist, muß 
@(;)>1 


sein. Anderseits ist für jedes x > 0 nach Definition f(x) < 1; die obere 
Grenze von f kann daher nicht größer als Eins sein und wir haben für 
jedes beliebige unter den betrachteten Intervallen ö 


G(f,6)=1. 
Hieraus folgt aber für jeden Punkt x > 0 
O(a)=1, 
und genau ebenso würde man finden, daß 
yaa=—1 
ist; da aber für jeden positiven Wert von x 
fa) <1 
ist, kann niemals f(x) = P(x) oder f(x) = p(x) sein. 
129. Wenn in einem Punkte P von AH, die Funktion f(P) nach 


oben halbstetig ist, so muß entweder f(P) = + oo sein, oder man kann, 
weil hier f(P) = ®(P) ist, jeder Zahl A, die f( P) übersteigt, 


(1) KP)<A, 
eine Umgebung U, von P zuordnen, so daß 
(2) G(f; UA) <A 


ist. Umgekehrt sieht man, wenn f(P) = + oo ist, so muß die obere 
Limesfunktion ®(P), die nie kleiner als f(P) sein kann, ebenfalls gleich 
+ 00 sein. Anderseits folgt aber aus der Ungleichheit (2) 


8) D(P)<A; 


kann man also schließen, daß jeder Zahl A, die die Bedingung (1) er- 
füllt, eine Umgebung U, von P zugeordnet werden kann, für welche 
(2) gilt, so muß 

a(P)<f(P) 


sein, woraus mit Hilfe der Bedingung (1) des $ 127 die Halbstetigkeit 
von f(P) im Punkte P folgt. 

Wir können also folgenden Satz aussprechen, dessen zweite Hälfte 
entweder direkt bewiesen oder mit Hilfe des Satzes 2 ın $ 125 auf die 
erste zurückgeführt werden kann: 


8 130 Halbstetigkeits- und Stetigkeitspunkte 129 


Satz . Dafür, daß eine Funktion f(P) in einem Pumkte P, von 
AH, nach oben halbstetig sei, ist notwendig und hinreichend, daß entweder 


jeder Zahl 














A>f(P,) 
eine Umgebung Ur von P, zugeordnet werden könne, für die 
G(f; U7,A) <A 


stattfindet, oder daß f(P,) = + © sei. Für die Halbstetigkeit nach unten 
muß in analoger Weise entweder f( P,) = — °© sein, oder 


g(f; UrA)>A 
bestätigt werden können, sobald A < f(P,) ist. 


Es sei Q,, Q,, -.. eine beliebige Punktfolge, die in A liegt und 
gegen den Punkt P, von AH, konvergiert. Aus dem Satze 3 des $ 126 
folgt, daß, wenn f(P) im Punkte P, aufwärts halbstetig ist, stets 


lim n f(Q,) <f(P,) 


stattfinden muß. Ist Free r, ein Punkt von AH,, in dem die Funk- 
tion f(P) nicht aufwärts halbstetig ist und daher 


fP) <BR) 
ist, so gibt es nach dem Satze 4 des $ 126 Punktfolgen Q,, Qs; - - - 
für die nu 
im f(Q,) = @CP,) > F(Rı) 


ist, und hieraus folgt der Satz, dessen zweiter Teil sich ganz analog be- 
weisen läßt: 

Satz 2. Dafür, daß eine Funktion f(P) in einem Punkte P,von AH, 
nach oben halbstetig sei, ist notwendig und hinreichend, daß für jede in A 
liegende und gegen P, komvergierende Punktfolge Q,, Qs, - - - 


© Im f(Q) STR) 


ist. Für die Halbstetigkeit nach unten in P, lautet die entsprechende Be- 
dingung 
(6) lim /(Q) > f(Pı) 


130. Die beiden letzten Sätze erlauben auch Kriterien für die Ste- 
tigkeit einer Funktion auszusprechen. 
Carath&odory, Reelle Funktionen. 9 


130 Kap. III. Funktionen g 130 


Satz 3. Dafür, daß eine Funktion f(P) in einem Punkte P, von AH, 
stetig sei, ist notwendig und hinreichend, daß man, wenn f(P,) endlich 
ist, jeder positiven Zahl e eine Umgebung U, von P, zuordnen kann, so 
daß für jeden Punkt Q von U,A 

rP)—- FO S: 
ist, und daß, wenn f( P,) unendlich ist, 9 (P,)= +00 oder D(P,)= — 00 sei. 

In der Tat ist in allen drei Fällen die Funktion f(P) im Punkte P, 
sowohl aufwärts wie auch abwärts halbstetig und man hat p(P,) = 
f(P,) = D(P,)-*) 

Satz 4. Wenn eine Funktion f(P) im Punkte P, endlich und stetig 
ist, so kann man jeder positiven Zahl e eine Umgebung U von P, zuordnen, 
so daß für je zwei Punkte Q, und Q, von UA 

FA) - FO) SE 
gilt. 

Man braucht nämlich nur die Umgebung U von P, so zu wählen, 
daß für jeden Punkt Q von U nach dem vorigen Satze 


fP)-fOQI<z 
ist, und hierauf die Relation 


If(Q,) — f(Q)| s 'f(Q) — f{P,)| Tr f(P,) — f(Q) 


anwenden, die aus 
F(Q) — F(Q) = (FQn — FPo) + (fPo — Fi) 


Die notwendige uud hinreichende Bedingung dafür, daß die Rela- 
tionen (4) und (5) des vorigen Paragraphen zugleich erfüllt seien, ist 


das Bestehen von 
f(Q) —f(P); 


folgt 


hieraus folgt der 


Satz 5. Für die Stetigkeit einer Funktion f(P) in einem Punkte P, 
von AH, ist notwendig und hinreichend, daß für jede in A liegende und 
gegen P, konvergierende Punktfolge Q,, Qs, - . . die Gleichung 
ae f(Q) = FR) 
bestehe. | 


*) Gewöhnlich wird die Stetigkeit einer Funktion nur in solchen Punkten ?, 
von AH, definiert, in denen f(P,) endlich ist. Die im Text gegebene Definition 
hat lediglich den Zweck, gewisse Fallunterscheidungen zu vermeiden. 


8 131 Halbstetigkeits- und Stetigkeitspunkte 131 








Die Funktion einer Veränderlichen 
fa)=% 
ist für jeden Wert x, stetig; denn im Intervall 
6: m —e<a<mte 


AN) rnte md ge) -m—E;, 


woraus folgt, daß f(&) sowohl nach oben wie nach unten halbstetig ist. 
Ein Beispiel einer Funktion f(x), die in einem Punkte stetig ist, 
wo sie unendlich wird, erhält en wenn man | 


f(&) = A für x = 0 


ıst 


setzt und 
f(0) = 
nımmt; in der Tat ist dann auch 
(0) = 


131. Die letzten Sätze in Verbindung mit denen der $$ 91—94 
erlauben uns folgende Resultate auszusprechen: 


Satz 6. Sind die Funktionen f‚(P) und f,(P) in demselben Be- 
reiche A definiert, und beide in einem Punkte P, von AH, nach oben 
(unten) halbstetig, so ist ihre Summe, falls sie in einer Umgebung P, 
ausführbar ist, ebenfalls nach oben (unten) halbstetig in diesem Punkte. 


Es sei Q,, Q,, -.. eine Punktfolge, die in A enthalten ist und 
gegen P, konvergiert. Dann folgt aus 


im (SAP) und lim %(Q,) < fs(P,) 


die Relation . 
im ot) SAP) + (Po); 
und ebenso folgt aus ° 


lim (Q)Zfı(P,) und limf%(Q)=/(P,) 
die Relation 
im (+ hin) ahP) +thPo)) 


womit der Satz bewiesen ist. 
Auf ganz analogem Wege beweist man die Sätze: 
Satz 7. Sind die Funktionen f,(P) und f,(P) in demselben Bereiche A 


definiert, positiv, und in einem Punkte P, von AH. nach oben (unten) 
9* 


132 Kap. III. Funktionen g 132 


halbstetig, so ist ihr Produkt f,(P)f,(P), falls es ausführbar ist, eben- 
falls nach oben (unten) halbstetig in diesem Punkte. 

Ist ferner f,(P) nach oben (unten) halbstetig im Punkte P,, so ist 
— fı(P) dort nach unten (oben) halbstetig. 

Satz 8. Ist f(P) nicht negativ und in einem Punkte P, vn AH, 
nach unten (oben) halbstetig, so ist die durch die Gleichungen 


HP) 5 für f(P)> 0 


v(P)=+@ für f{P- 
definierte Funktion v(P) nach oben (unten) halbsteig im Punkte P.,. 


Für Stetigkeitspunkte erhält man, wenn man den Satz 5 des 
vorigen Paragraphen mit den Resultaten der $ 99—101 vergleicht: 


Satz 9. Sind zwei Funktionen fı(P) und f,(P), die denselben Defi- 
nitionsbereich A besitzen, beide stetig in emem Punkte P, von AH,„, 
so ist die Summe, die Differenz, das Produkt und der Quotient der beiden 
Funktionen, solange diese Operationen in einer Umgebung von P, aus- 
führbar sind, ebenfalls stetig im Punkte P,. 


132. Es seien f,(P) und f,(P) zwei Funktionen mit demselben 
Definitionsbereich A; wir bezeichnen mit Z(P) die Funktion, die in 
jedem Punkte von A gleich der größeren der beiden Zahlen /,(P) und 
fs(P) und mit y(P) die Funktion, die auf A stets gleich der kleineren 
dieser Zahlen ist. 

Sind nun die Funktionen f,(P) und f,(P) nach oben halbstetig in 
einem Punkte P, von AH,, so gilt dasselbe sowohl von P(P) als 
auch von Y(P). Es genügt übrigens den Fall zu betrachten, wo die . 
Funktionen #(P) und y(P) im Punkte P, von + oo verschieden sind, 
da eine Funktion in jedem Punkte, wo sie gleich + oo ist, von selbst 
aufwärts halbstetig ist. Ist nun zunächst & eine beliebige Zahl, die 
%(P,) übertrifft, so übertrifft « sowohl f,(P,) als auch %,(P,) und es 
gibt, weil beide Funktionen in P, halbstetig sein sollen, zwei Umgebungen 
U’ und U” von P,, so daß 


ar; VA)sua, Gi; U’A)<a. 
Setzt man U= U’U”, so ist für jeden Punkt Q von U sowohl /, 
als auch /, nicht größer als « und daher 
GP, UA)<o; 
nun ist aber U eine Umgebung von P, und folglich #(P) nach oben 
halbstetig im Punkte P,. 


$ 133 Halbstetigkeits- und Stetigkeitspunkte 133 


Zweitens sei ß eine beliebige Zahl, die y(P,) übertrifft; dann ist 
mindestens eine der beiden Zahlen /,(P,) und f,(P,) kleiner als ß. Es 
sei z.B. /,(P,) <ß und U eine Umgebung von P,, für die wegen der 
Halbstetigkeit von f,(P) im Punkte P, 


G(h; UA)SPB 
ıst. Es wird aber dann um so mehr 
GW; UA)<PB. 


sein, woraus folgt, daß y(P) im Punkte P, nach oben halbstetig ist. 
Ganz ähnlich schließt man, daß P(P) und y(P) im Punkte P, nach 
unten halbstetig sind, wenn das gleiche für (P) und f,(P) zutrifft. 

Also müssen auch die Funktionen P(P) und Y(P) beide in jedem 
Punkte stetig sein, für welchen f,(P) und f,(P) zugleich stetig sind. 

Satz 10. Haben zwei Funktionen f, (P) und f,(P) einen gemeinsamen 
Definitionsbereich A, und bezeichnet man mit P(P) die größere, mit y(P) 
die kleinere der beiden Zahlen f,(P) und f,(P), so sind in jedem Punkte 
P,, in welchem die Funktionen f,(P) und fs(P) beide nach oben oder 
beide nach unten halbstetig oder beide stetig sind, ebenfalls die Funktionen 
P(P) und y(P) nach oben oder unten halbsietig oder stetig. 


Bemerkt man, daß der absolute Betrag |f( P)| einer Funktion f(P) 
als die größere der beiden Zahlen f(P) und — f(P) angesehen werden 
kann, so folgt noch aus dem letzten Satze: 


Satz 11. Ist die Funktion f(P) stetig in einem Punkte P, ihres De- 
finitionsbereiches, so gilt auch dasselbe von der Funktion |\f(P)|. 


133. Satz 12. Bezeichnet man mit A die abgeschlossene Hülle des 
Definitionsbereiches A einer Funktion f(P), mit ®(P) und p(P) ihre 
beiden Limesfunktionen und mit U eine offene Punktmenge, so gelten, 
wenn AU nicht leer ist, die Gleichungen: 


(1) G(d; AU) = 6(B;, AU) = 6G(f, AD) 
(2) g9(9; AU) =g(9; AU) = g(f; AU). 


Für jeden Punkt P des Durchschnitts AU ist (weil U eine Um- 
gebung von P ist) nach der Definition von ®(P) 


o(P)< 6; AD). 
Es ist daher auch für die obere Grenze von ®(P) auf AU 
(8) G(9; AUD)<G(f; AU). 


134 Kap. II. Funktionen $ 133 
Anderseits hat man in jedem Punkte P von AU 


rP)s®#(P) 
und daher auch 
(4) G(; AU) < (8; AD). 
Endlich ist A eine Teilmenge von A, woraus folgt 
(5) G(9; AU)<S @(9; AU). 


Der Vergleich von (3), (4) und (5) liefert aber sofort die Gleichungen (1) 
und ebenso beweist man die Gleichungen (2). 


. Der folgende Satz rührt von Weierstraß her: 


Satz 13. Ist der Definitionsbereich A einer Funktion f(P) eine be- 
schränkte Punktmenge, die mehr als einen Punkt enthält, so gibt es auf 
der abgeschlossenen Hülle A von A mindestens zwei Punkte Pu und P,,, 
so daß die Gleichungen 


(6) ®(P,) = 6G(fj 4) 
(7) | p(P,) = 9(;4) 
gelten. 


Es genügt, den Satz für den Fall zu beweisen, daß die Funktion 
f(P) keine Konstante ist; dann ist @(f; A) > — oo und wir können 
eine monoton wachsende Zahlenfolge 


(8) M<Pm<Pm< 

konstruieren, für welche 

(9) lim 9, = @(f; 4) 

ist. Jedem Punkte P der abgeschlossenen Hülle A von A, für den 

10). 0(P) < 6(f; 4) 

ist, können wir nun eine Zahl p, der Folge (8) zuordnen, so daß 
F<Pp 

ist, und es gibt dann auch eine Umgebung U> von P, für die 

(11). G(f; UrA) <p, 


ist. Da aber der Definitionsbereich A unserer Funktion beschränkt ist, 
so ist die abgeschlossene Hülle A ebenfalls beschränkt. Unter der An- 
nahme, daß in jedem Punkte von A die Ungleichheit (10) erfüllt ist, 
kann man nach dem Borelschen Überdeckungssatze endlich viele Punkte 


P,P,,...P 


@ 


$ 138 Halbstetigkeits- und Stetigkeitspunkte 135 


bestimmen, so daß die Vereinigung der zugeordneten Umgebungen 
(12) . Un, Ur, :-- Ur 


& 


die beschränkte und abgeschlossene Punktmenge A und daher auch 
die Punktmenge A enthält. Es ist nun nach (11) jedem Punkte P, 
eine natürliche Zahl k, zugeordnet, so daß 


Gl; Ur,A) Sp, j= 124...) 


ist. Bezeichnet man mit ß die größte unter den endlich vielen Zahlen 
kı,--. k,, so ist für jeden Punkt P von A 


fP)s Pa; 
weil P stets in mindestens einer der Punktmengen (12) liegt; es müßte 


aber dann auch 
G(; 4) < Dz 
stattfinden, was nach (8) und (9) nicht möglich ist, da 


P<Prp S G(f; A) 


ist. Die Annahme, daß die Ungleichheit (10) für jeden Punkt von A 
erfüllt ist, ist also nicht richtig, und es muß, weil nach dem Satze 12 
stets 

P)< Gl, A) 


ist, für mindestens einen Punkt P„ von A 
(Pu) = af; A) 


sein. Genau ebenso beweist man die zweite Hälfte des Satzes d. h. die 
Gleichung (7). 

Ist A nicht beschränkt, so braucht die Zahl G(f; A) für keinen. 
Punkt von A durch ®(P) angenommen zu werden; für die Funktion 
f(x) = x, die auf der ganzen x- Achse definiert ist, ist z. B. 


@(; 4) = 
| B(a)=r< Gef, 4). 
Da nach dem Satze 12 
G(f; 4) = 6(9; A) 
ist, besagt der Weierstraßsche Satz, daß die obere Limesfunktion ®(P) 
auf der abgeschlossenen Hälle A von A, falls diese beschränkt ist, ein 


Maximum Py besitzt (8.121). Ist dann U’ eine beliebige Umgebung 
von Pu, so folgt aus 


GG; AU’) > BP) = (f; A), 


136 Kap. IH. Funktionen 8 134. 136 


daß auch | 
G(f; AU) = G(f; A) 


sein muß. Genau ebenso schließt man, daß für jede Umgebung U”vonP, 


gf; AUT) = g(f; A) 
gilt. 
Halbstetige und stetige Funktionen. 

134. Definition. Eine Funktion, dieaufeiner in sich dichten 
Punktmenge A definiert ist, heißt nach oben halbstetig, wenn 
siein jedem Punkte von A nach oben halbstetig ist und ebenso 
sagen wir, daß sienach unten halbstetig oder stetig ist, wenn 
sie in jedem Punkte ihres Definitionsbereiches die gleich- 
namige Eigenschaft besitzt. 


Es sei f(P) eine Funktion, die auf ihrem Definitionsbereich A 
nach oben halbstetig ist und B eine beliebige in sich dichte Teilmenge 
von A. Wir bezeichnen nun mit ®,(P) die obere Limesfunktion von 
f(P), wenn man B als Definitionsbereich von f(P) betrachtet. Dann 
ist, wenn P einen beliebigen Punkt von B und U> eine Umgebung von 


P bedeutet 
G(f; BU,) < G(fj AUp), 


woraus folgt, wenn wir wieder mit ®(P) die obere Limesfunktion von 
f(P) im Definitionsbereiche A bezeichnen, 
2(F)S EP). 
Anderseits ist ($ 123) 
f(P)<s ®,(P) 
und nach Voraussetzung, weil f(P) eine auf A nach oben halbstetige 


Funktion bedeutet, 
KP)-®(P); 


f (P ) -6d,(P ) 
und können folgenden Satz aussprechen, dessen zweite Hälfte ebenso 
zu beweisen ist: 

Satz 1. Eine Funktion f(P), die auf einer Punktmenge A nach oben 
halbstetig ist, ist auf jeder in sich dichten Teilmenge B von A ebenfalls 
nach oben halbsietig. Ebenso ist f( P) in B nach unten halbstelig oder stetig, 
wenn sie die gleiche Eigenschaft auf A besitst. 


135. Die obere Limesfunktion @(P) einer beliebigen Funktion f(P) 
ist auf der abgeschlossenen Hülle A des Definitionsbereiches A von f(P) 


wir haben also auch 


8 136 Halbstetige und stetige Funktionen 137 


definiert. Es sei B eine in sich dichte Teilmenge von A und #(P) die 
obere Limesfunktion von ®(P), wenn man die letzte Funktion auf der 
 Punktmenge B allein betrachtet. 

Ist nun P irgend ein Punkt von B, so hat man erstens ($ 123) 
(1) &(P) < w(P) 
und anderseits, wenn U? eine beliebige Umgebung von P bedeutet 

Y(P)< G(B; BU.) <G(B;, AU)); 
nun ist nach dem Satze 12 des $ 133 
G(9; AU.) = G(f; AU)) 
T(P) < G(f; AUr) 
für jede beliebige Umgebung U, von P. Hieraus folgt aber 
v(P)< OP), 


o(P) = #w(P). 


Die Funktion ®(P) ist also nach oben halbstetig auf B; ebenso 
sieht man, daß p(P) nach unten halbstetig auf B ist. 


Satz 2. Auf jeder im sich dichten Teilmenge der abgeschlossenen 
Hülle A des Definitionsbereiches A einer Funktion f(P) ist die obere 
Limesfunktion ®(P) der Funktion f(P) nach oben halbstetig, die untere 
Limesfunktion g(P) dieser Funktion nach unten halbstetig. 


Ist schon A selbst in sich dicht, so ist A perfekt und die Funk- 
tionen ®(P) und Y(P) halbstetig auf ihrem gesamten Definitions- 
bereich A. 


136. Mit Benutzung der Relativbegriffe, die wir in den $ 74, 75 
eingeführt haben, können wir folgenden Satz aussprechen, den wir später 
($ 344, Satz 3) noch vervollständigen werden: 

Satz 3. Dafür, daß eine Funktion f(P) auf einer in sich dichten 
Punktmenge A nach oben halbstetig sei, ist notwendig und hinreichend, 
daß für jede beliebige endliche Zahl « die Punktmenge 

M(f> «) 


leer oder relativ zu A abgeschlossen sei; oder auch, daß für jedes end- 
liche « die Punktmenge 


und daher auch 


oder mit Hilfe von (1) 


M(f<e) 
leer oder relativ zu A offen sei. Für die Halbstetigkeit nach unten der 


138 Kap. III. Funktionen $ 136 

Funktion f(P) ist notwendig und hinreichend, daß die Pumktmenyen 
M(fse) odr M(f>«), 

falls sie nicht leer sind, abgeschlossen oder offen auf A seien. 


Es sei z.B. f(P) nach oben halbstetig auf A; es ist zunächst zu 
beweisen, daß jeder Punkt von A, der Häufungspunkt von M(f > «) 
ist, in der Punktmenge M(f > «) enthalten ist ($ 74). In der Tat kann 
nicht, wenn Q ein solcher Punkt ist, f(@) <« sein; denn es würde 
dann, wenn man bedenkt, daß f( P) nach oben halbstetig ist, jeder Zahl p, 
die zwischen f(®) und « liegt, eine Umgebung U, von Q zugeordnet 
werden können, für welche 


G(f; RA) Sp 


wäre, und der Punkt Q könnte nicht Häufungspunkt von M(f>«) sein. 
Ist umgekehrt f(P) nicht halbstetig nach oben in jedem Punkte 
von A, so existiert ein Punkt Q von A, in dem f(Q)< PD(Q) ist; 
wählt man nun die Zahl « zwischen f(Q) und ®(Q), so ist in jeder 
Umgebung U, von © 
eh; WAZ IO)>« 


<a. 


Es gibt also Punkte von U,, die zu der Punktmenge M(f > «) 
gehören und diese Punkte sind von @ verschieden. Der Punkt © ist 
also Häufungspunkt von M(f>e«); er gehört außerdem zu A, aber 
nicht zu M(f>e), d.h. die Punktmenge M(f>«) ist nicht abge- 
schlossen auf A. Die erste Behauptung unseres Satzes ist also erwiesen. 
Nach dem 8 75 folgt dann sofort, daB es notwendig und hinreichend 
ist, daB M(f<.a) offen auf A liege, wenn f(P) nach oben halbstetig 
sein soll. | 

Die Sätze 1 und 4 der $$ 74, 75 zeigen uns dann, daB unsere 
Funktion f(P) dann und nur dann nach oben balbstetig ist, wenn die 
Punktmengen M(f>«) der Durchschnitt von A mit abgeschlossenen, 
die Punktmengen M(f< «) der Durchschnitt von A mit offenen Punkt- 
mengen sind. Der zweite Teil des obigen Satzes läßt sich ganz ähnlich 
behandeln. 

Erinnert man sich an die Definition der stetigen Funktionen, so 
hat man als Korollar des vorigen Satzes: 

Satz 4. Dafür, daß die Funktion f(P) auf einer in sich dichten Punkt- 
menge A stetig sei, ist notwendig und hinreichend, daß für jedes beliebige 
endliche « die Punktmengen M(f > «) und M(f< «) abgeschlossen auf A 
oder daß die Punktmengen M(f > «) und Mif<.) offen auf A seien. 


und zugleich 


$ 137. 138 Halbstetige und stetige Funktionen 139 





137. Der Satz 13 des $ 133 liefert ferner unmittelbar, wenn man 
ihn mit der Definition der halbstetigen und m Funktionen kom- 
biniert, folgende Resultate: 


Satz 5. Eine Funktion f(P), die auf einer beschränkten und abge- 
schlossenen Punktmenge A definiert ist und die in jedem Häufungspunkt 
von A. nach oben (unten) halbstetig ist, besitst mindestens ein Maximum 
(Minimum). 

Die obere Limesfunktion ®(P) erreicht nämlich unter den Voraus- 
setzungen des Satzes ihren Maximalwert in einem Punkte P,„, und es ist 
zugleich /(P) = ®(P) in jedem Punkte von A, also insbesondere , 


f(Pu) = (Pu) = G(f; 4). 
Satz 6. Eine auf einer beschränkten und abgeschlossenen Punktmenge 
definierte endliche Funktion, die in jedem Häufungspunkt ihres Definitions- 
bereiches stetig ist, ist beschränkt. 


In der Tat erreicht nach dem vorigen Satze f(P) in einem Punkte 
P, ihr Maximum und in einem Punkte P, ihr Minimum und es ist stets 


fP)sfP)SiPR). | 
Die Zahlen f(P,) und f(P,) sind nach ihrer Definition endlich; be- 
zeichnet man mit M die größere der beiden Zahlen |f(P,)| und 'f(P,)|, 
so ist stets, wie wir zeigen wollten, 


fPISM. 
138. Es sei F(Q)=f(&,, &, - - -, &„) eine beliebige Funktion des 


Punktes Q in einem m-dimensionalen Raum R,, die auf einer Punkt- 
menge B definiert ist; ferner seien | 


(1) &(P), 5(P), -- -, Em(P) 


stetige Funktionen des Punktes P eines n-dimensionalen Raumes R,, 
deren gemeinsamer Definitionsbereich eine in sich dichte Punktmenge A 
ist. Jedem Punkte P von A sollen gemäß (1) Werte entsprechen, die, 
als Koordinaten eines Punktes des m-dimensionalen Raumes aufgefaßt, 
einen Punkt Q darstellen, der in BD liegt; dann ist ($ 122) die Funktion 


F(P)= f(&(P), &(P), ..., &m(P) 
auf der Punktmenge A definiert. Wir baeichnen mit ©, (P), 9,(P) 
die oberen und unteren Limesfunktionen dieser Funktion und mit ®(Q) 
und $(@) die oberen und unteren Limesfunktionen von F'(Q). 
Es sei Ug eine beliebige Umgebung von Q im R,, We. ein Würfel 
mit der Kantenlänge 2:, dessen Mittelpunkt Q ist und der ganz in Üy 
enthalten ist. Man kann, weil die Funktionen (1) stetig sind, Umge- 


140 Kap. III. Funktionen 8 139 
bungen U”, UP, ...., U” finden, so daß für jeden Punkt P’ der Um- 


gebung U? 
&(P) —8,(P)|<e G=1,2,...m) 


Da (1) 7T(9 (m) 
Ur re Ur Ür ... U; ’ 


so liegt für jeden Punkt P” dieser Punktmenge, die auch eine Um- 
gebung von P ist, der Punkt des m-dimensionalen Raumes mit den 


Koordinaten . ’ 
&(P), 5lP"), -- , Em(P”) 
im Inneren von W, und also auch im Inneren von U,. Man hat demnach 
9,(P) s G(F,, 0,4) s G(F, U,B) 


9,(P)Zyg(F,, UrA) >g(F, UgB). 


Da diese Relationen für jede beliebige Umgebung U, von @ statt- 
finden, ist schließlich 
9,(P)s D(Q) 


9,(P)=yp(9), 
also auch 


VE HP)SHP)- FQ)SP(P)< DR). 
Ist also insbesondere die Funktion F(®) im Punkte Q nach oben 
halbstetig, d. h. ist 
FQ)- ED), 


so muß im entsprechenden Punkte P 
F(P)=®,(P) 


sein, d.h. F\(P) ist ebenfalls nach oben halbstetig. Ebenso sieht man, 
daß, wenn F'(Q) im Punkte Q nach unten halbstetig ist, die durch Sub- 
stitution gewonnene Funktion F,(P) im entsprechenden Punkte P nach 
unten halbstetig ist. 

Am meisten werden diese Sätze angewandt, wenn F'(Q) sowohl 
nach oben wie nach unten halbstetig ist, d.h. wenn F(Q) eine stetige 
Funktion ist; dann muß auch die durch Substitution gewonnene neue 
Funktion F\(P) ebenfalls stetig sein. | 


ist. Setzt man 


und 


Schwankung. Punktiert und totalunstetige Funktionen. 
139. Wenn man um jeden Punkt P des Definitionsbereiches A 
einer Funktion f(P) eine Umgebung U, so abgrenzen kann, daß die 


beiden Zahlen G(f; AU) und g(f; AU») 


$ 140 Schwankung. Punktiert und totalunstetige Funktionen 141 








endlich sind, so wollen wir sagen, daß die Funktion f(P) im Kleinen 
beschränkt ist. Die Funktion f(P) ist dann jedenfalls endlich; sie 
braucht aber nicht beschränkt zu sein — wie das Beispiel f(x) = x 
zeigt — außer wenn die Punktmenge A abgeschlossen und beschränkt 
ist, in welchem Falle man eine ähnliche Schlußweise wie für den Satz 13 
des $ 133 anwenden kann. 

Der Satz 12 des $ 133 zeigt, daß, wenn die Funktion f(P) im Klei- 
nen beschränkt ist, ihre Limesfunktionen ®(P) und p(P) in jedem 
Punkte von A endlich sind und daß sie sogar im Kleinen beschränkt 
sind, wenn man ®(P) und p(P) auf der Punktmenge A allein betrach- 
tet, d.h. von den Werten dieser Funktionen auf der Punktmenge (A— A) 
absieht. Dagegen brauchen diese Limesfunktionen auf der Punktmenge 
(A—A) nicht endlich zu sein, wie das Beispiel der Funktion 


7 


im Intervalle O<x<1 zeigt, deren Limesfunktionen im Punkte x = 0 
beide gleich + oo sind. 

Sind umgekehrt ®(P)undy(P) endlich auf A, so kann man jedem 
Punkte P von A eine Umgebung U? zuordnen, so daß 


GH; AU) SHP)+1l, gh5AUD)ZyP)—1 
stattfindet, d.h. f(P) ist auf der Punktmenge A im Kleinen beschränkt. 


Satz 1. Dafür, daß eine Funktion f(P) auf ihrem Definitionsbe- 
reiche A im Kleinen beschränkt sei, ist notwendig und hinreichend, daß 
ihre Limesfunktionen B(P) und p(P) in jedem Punkt von A endlich 
seien. Dann sind diese letzten Funktionen ebenfalls auf der Punktmenge A 
im Kleinen beschränkt. 


140. Sind die Limesfanktionen ®(P) und p(P) in einem Punkte P 
der abgeschlossenen Hülle A des Definitionsbereichs A einer Funktion 
f(P) beide endlich, so nennt man die Differenz 


S(P)= &(P)- p(P) 


die Schwankung der Funktion im Punkte P; man bemerke, daß diese 
Zahl nie negativ sein kann. Wir bezeichnen mit g, (P) die untere Limes- 
funktion der Funktion ®(P) im Punkte P; aus der Tatsache, daß stets 
p(P)< @(P) ist, folgt, daß die untere Limesfunktion der Funktion p(P), 
die, wie wir gesehen haben, gleich p(P) ist (8135, Satz 2), die Zahl 9, (P) 
nicht übertreffen kann. 


142 Kap. III. Funktionen 


8 141 
Es ist daher 





| (PD <gp(PD)< (PR) 
und die Schwankung 
Sa(P)= BP) — pP) 


der Funktion ®(P) im Punkte P kann nicht größer sein als $(P). Eine 
analoge Betrachtung über die Schwankung S,(P) der Funktion p(P) 
liefert den 

Satz 2. In einem Punkte P von A, in welchem die Schwankung S(P) 
einer Funktion f(P) definiert ıst, sind die Schwankungen Sp(P) und 
S,(P) der Limesfunktionen ®(P) und p(P) nie größer als S(P). Daß 
unter Umständen Sß(P) < S(P) und S,(P) < S(P) sein kann, zeigt das 
Beispiel des $ 128. 

Wir geben uns eine beliebige positive Zahl & vor und bestimmen, 
unter der Voraussetzung, daß ®@(P) und g(P) endliche Zahlen sind, 
zwei Umgebungen U> und Up des Punktes P, so daß 


G“hUrA)<O(P)+z; 


9, 7A) Y(P)- 
ist. Für zwei beliebige Punkte Q und R des Durchschnitts U, = U, Ur 
unserer beiden Umgebungen ist dann 


9(P-,<fQ<UPA+,; 
y(P)— „<f(R<@(P)+,, 


und hieraus entnimmt man den 


Satz 3. Jeder positiven Zahl & kann man eine Umgebung Ur eines 
Punktes P von A zuordnen, so daß für je zwei Punkte Q und R von U? 


«die Bedingung | | 
| FQO)-FRSS(P)+E 

erfüllt ist, vorausgesetzt, daß die Schwankung S(P) von f(P) im Punkte P 
definiert ist. | 

141. Es sei eine Funktion f(P) auf einer Punktmenge A erklärt, 
die perfekt oder offen oder der Durchschnitt einer perfekten und einer 
offenen, also jedenfalls eine in sich dichte Punktmenge ist (8 70, Satz 5); 
ferner sei f(P) im Kleinen beschränkt auf ihrem Definitionsbereich. 
Dann ist auch in jedem Punkte von A die Schwankung 
(1) S(P)= BP) — pP) 
definiert; außerdem sind nach dem Satze 2 des $ 135 die Funktionen 


8 141 Schwankung. Punktiert und totalunstetige Funktionen 143 . 


®(P) und p(P) halbstetig auf A, die erste aufwärts, die zweite abwärts 
und nach den Sätzen 6 und 7 des $ 131 ist ihre Differenz S(P) eine 
nach oben halbstetige Funktion auf A. Ist also p Bauen, natür- 
liche Zahl, so ist die Teilmenge von A 


(2) B,-M(S<) 


eine auf A offene Punktmenge ($ 136, Satz 3) und kann ($ 75) als der 
Durchschnitt von A mit einer offenen Punktmenge U, dargestellt werden. 
Es kann nun vorkommen, daß jede der unendlich vielen Punktmengen 


DD; Dis: 


überall dicht auf A liege (876); das Gleiche gilt dann auch von den offenen 
Punktmengen T,, U,, U,,... und nach dem Satze 5 des $ 78 vom 
Durchschnitt | 

U == U, UT, or. 
Also ist auch die Punktmenge 
(3) B=BBB,:--=AU 


überall dicht auf A; in jedem Punkte von B ist nach (2) und (3) die 
Schwankung S(P) kleiner als jede der Zahlen 1:» und daher gleich Null, 
und folglich ist jeder Punkt von B ein Stetigkeitspunkt unserer Funk- 
tion f(P). 

Ist zweitens nicht jede der Punktmengen B, überall dieht auf A, 
so kann man eine Umgebung U> eines Punktes P von A und eine natür- 
liche Zahl p, so wählen, daß für jeden Punkt von AU? 


s(P) > —- 
Po 
ıst. 

Bei den unstetigen Funktionen, die auf einer beliebigen in sich 
dichten Punktmenge A definiert werden, unterscheidet man die punk- 
tiert unstetigen Funktionen, deren Stetigkeitspunkte überall dicht 
auf A liegen und die totalunstetigen Funktionen, welche diese Eigen- 
schaft nicht haben. Mit dieser Terminologie gilt also nach dem 
Öbigen der 

Satz 4. Wenn der Definitionsbereich A einer Funktion f(P), die im 
Kleinen beschränkt ist, perfekt ist, oder offen, oder der Durchschnitt einer 
perfekten und einer offenen Punktmenge, so ist es hinreichend dafür, daß 
dse Funktion f(P) punktiert unstetig sei, daß für jede natürliche Zahl p 
die Punktmenge ; 

M(S<-,) 


überall dicht auf A liege. 


. 144 Kap. III. Funktionen $ 142. 143 


Die Beschränkung über den Definitionsbereich A ist natürlich wesent- 
lich: es bestehe z. B. A aus allen rationalen Zahlen 


= 7 (p und g teilerfremd, q>0) 
der x-Achse mit Ausnahme der Null und es sei 
1 
Fa | 


Die Funktion f(x) ist halbstetig nach oben und ihre Schwankung $(z) 
ist in jedem Punkte von A gleich f(x). Sie ist also totalunstetig, 
obgleich die Punktmenge 
1 
M(S<-) 

für jeden Wert von g überall dicht auf A liegt. Dagegen ist die obere 
Limesfunktion ®(x) von f(x), die in jedem Punkte der x-Achse definiert 
ist, punktiert unstetig. Die Punkte der Komplementärmenge von 
A sind Stetigkeitspunkte von P(z). 


142. Satz 5. Jede halbstetige, im Kleinen beschränkte Funktion ist 
punktiert unstelig, falls ihr Definitionsbereich A denselben Bedingungen 
wie im vorigen Satse genügt. 


Es sei U> eine beliebige Umgebung eines Punktes P von A; ferner 
sei f(P) z. B. nach oben halbstetig. Wir bezeichnen mit V> eine Um- 
gebung von P, in welcher f(P) beschränkt ist. Dann ist die Zahl | 


g(f; AU?V)) 


endlich und es gibt für jede natürliche Zahl p einen Punkt Q von AU>V,, 
so daß 


f(Q) Ss g(f; AUrPr) + , 


ist. Aus 
9(f; AUrVr) <yp(Q)<f(®) 
und aus 
XQ) = PO) 
folgt dann 


s)-Q)-HPA<-, 


womit nach dem vorigen Satze unsere Behauptung erwiesen ist. 


Funktionen einer Veränderlichen. 


143. Bei den Funktionen einer Veränderlichen spielen gewisge Be- | 
griffsbildungen, die mit dem Vorhergehenden in engem Zusammenhange 





8.148 Funktionen einer Veränderlichen 143 
stehen, eine wichtige. Rolle. Wir nehmen an, es sei das Intervall 
I: a<zxz<b men: 


im Definitionsbereich A einer Funktion f(2) enthalten. Wir betrachten 
die Limesfunktionen ®, (x) und 9,(x) der Funktion f(x), wenn man 
die Funktion f(x) nur auf dem Intervall I betrachtet. Die bei- 
den Funktionen ®, (x) und 9,(x) sind alsdann in den Endpunkten a 
und b des Intervalls I definiert, und wir können die Bezeichnungen ein- 
führen: 


a) Bla) - Im fl), 
(2) | 9,(@) = lim f(a), 
(3) 9,6) = lim fe), 
(a) 9, (6) — lim ff). 


In diesen Formeln sollen die Symbole (a-+0), (b—0O) daran erinnern, 


daß a den Anfangs- und 5 den Endpunkt des Intervalls I bedeutet. 
Sollen also die beiden Ausdrücke 


(5) lim fx) und lim f(«) 
z=a+V0 zs=a—0) 
zugleich einen Sinn haben, so muß die Funktion f(x) in allen Punkten 


einer gewissen Umgebung von a, die von a verschieden sind, definiert 
sein. Die größte der beiden Zahlen (5) bezeichnen ‚wir dann mit 


(6) Üim fe) 

und ebenso bezeichnen wir die kleinere der beiden Zahlen 

Mm limf(a) und limf(a), 
z=a+0 z=ar0 

falls sie beide definiert sind, mit 

(8) lim f(@). 

Es gelten natürlich stets die Relationen 

(9) lim f(x) > lim f(@), 

z=a+0 "z=arh 
dio) fa) > lim fe), 
T=40—- z=za—0 
(m) Gm f(a) > lim f(@). 


Carathöodory, Reelle Funktionen. 10 


146 "Kap. III. Funktionen | 8 144 


Haben die Zahlen (1) und (2) denselben Wert, so bezeichnen wir sie 
mit einem der einfacheren Symbole 


(12) lim fix) oder f(a-+0); 

z=a+0 
ebenso schreiben wir für die Zahlen (3) und (4), falls sie gleich sind, 
(13) lim f(x) oder, f(b—0). 

z=b-0 


Endlich schreibt man für die Zahlen (6) und (8), wenn sie einander 
gleich sind, | 
lim f@). 


Dies letztere kann dann und nur dann vorkommen, wenn die vier Zah- 
len (5) und (7) ein und denselben Wert haben, oder wenn die Zahlen 
f(a+0) und ffa—0) beide definiert und einander gleich sind, so daß 
man hat 


(14) lim f(a) = fia+0) = f(a-0). 


144. Ist die Funktion f(x) in allen Punkten einer Umgebung des 
Punktes x = a, also auch im Punkte a selbst definiert, so ist der obere 
Limes ®(a) von f(x) im Punkte a gleich der größeren der beiden Zahlen 


f(a) und Iim fl), 
und der untere Limes p(a) gleich der kleineren der beiden Zahlen 
f(a) und lim f(x); 


die Funktion f(x) ist also dann und nur dann im Punkte = a nach 
oben halbstetig, wenn 


(15) - f(a) > lim f(«) 
ist, und sie ist dann und nur dann in a nach unten halbstetig, wenn 


(16) f(a) < lim f(x) 


ist. Endlich ist f(x) dann und nur dann stetig in a, wenn die beiden 
letzten Relationen zugleich stattfinden; dies ist aber wegen (11) dann 
und nur dann der Fall, wenn 


fa) — lim /{x) — lim f(e), 





g 145. 146 Funktionen einer Veränderlichen | 147 
oder, mit Berücksichtigung von (14), wenn 

(17) fea)=fa+09)=fla—0) 

ist. Ä 


145. Für den speziellen Wert a= 0 kann man die Bezeichnungen 
der vorigen Paragraphen etwas vereinfachen, indem man z. B. statt 


„im f@) 
einfach . 
(1) Im f(a) 
z=+0 


schreibt, und ähnlich für die anderen vorkommenden Symbole. Ebenso 
werden wir dann f(@+0) einfach durch f(+0) ersetzen. Ist ferner die 
Funktion f(x) für alle Werte von x definiert, die eine positive Zahl « 


übertreffen, so ist f: (-) für alle Punkte des Intervalls O<x< = de- 
finiert. Für die Größe 


1 
nz) 
schreiben wir dann Bu 
(2) lim f(x) 
s=+® 
und ebenso setzen wir 
(8) lim f(z.) — lim fe). 
z=+0 z=+® 


Im Falle, daß die Größen (2) und (3) einander gleich sind, bezeich- 
nen wir sie durch die einfacheren Symbole 


lim f(x) oder f(+ oo). | 
=+® 
Ganz ähnlich definiert man, wenn die Funktion f(x) für alle Werte von 
x erklärt ist, die kleiner sind als eine negative Zahl ß, die Ausdrücke 
und im Falle der Gleichheit dieser Zahlen bezeichnet man sie wieder mit 
lim f(x) oder f(— oo). 


146. In einem Intervall a<x<b, das im Definitionsbereich A 
einer Funktion f(x) enthalten ist, betrachten wir eine Zahlenfolge z,, 
X, . .. die gegen a konvergiert: 

(1) >“ (2, > a). 
10* 


148 Kap. III. Funktionen 8 146 


Der Satz 3 des $ 126 lehrt uns dann, wenn wir die Bug (1) 
und 2) des $ 143 berücksichtigen, daß 


& If) <Im fe), 
8) lim fo) > Im fl). 


Ebenso zeigt uns der Satz 4 des $ 126, daß die beiden letzten Relationen 
bei geeigneter Wahl der Folge z,,2,,... als Gleichungen geschrieben 
werden können. Endlich schließen wir aus dem $ 130, daß f(a+0) 
dann und nur dann existiert, wenn für jede Folge z,,2,,... die Zah- 


me Ka), Mad -. 


konvergent ist; es ist dann stets 
(4) fa) > fla+9). 

Betrachtet man Zablenfolgen z,, &,, - . ., die den Bedingungen 
(5) 2. —>u (2,< a) 


genügen, so gelten genau dieselben Resultate, in denen man nur (a+0) 
durch (a— 0) zu ersetzen hat. 
Es ist nützlich, zu bemerken, daß die Sätze der $8$ 99—101, wenn 
man sie auf unsere Relation (4) anwendet, folgendes Resultat liefern: 
Existieren für zwei Funktionen f, (x) und f,(x) die Symbole f, (a+0) 
und f,(a+0) und setzt man 


s@)=- fa) +h@), 


ra)=ha) ha), 
a(&) an A ’ 





so kann man auch schreiben 
s(a+0)=fi(a+0)+fla+0), 
p(a+0Q)=f(a+0)-f(a+0), 


h (a+0) 
aa+0)= 7049, 
solange die betreffenden Operationen ausführbar sind, und dasselbe gilt 
auch, wenn man in diesen Gleichungen (a +0) durch (a—0) ersetzt. 
Endlich kann man die Resultate dieses Paragraphen auf den Fall 
übertragen, daß a eine der Zahlen + oo ist. 





8147. 148 Monotone Funktionen 149 


Monotone Funktionen. 
147. Die Gesamtheit der Punkte einer offenen Funktmenge 


a<ı<b, 


wobei a und 5 endliche oder unendliche Zahlen le nennt man 
ein lineares Gebiet (vgl. $ 225). 

Von einer endlichen Funktion f(x), die auf einem Gebiete A. de- 
finiert ist, sagt man, sie sei monoton wachsend, wenn stets für 
zwei beliebige Punkte x, und z, des Gebietes A die Relation 


(1) (a — 2) (fa) — fir,)) 2 0 


stattfindet; man sagt die Funktion ist monoton abnehmend, wenn 
stets 

(2) Ä | (2) fa) — fa))s0 

ist. Beide Arten von Funktionen bezeichnet man kurz als monotone. 
Die Funktion f(x)=x ist z.B. monoton wachsend, die Funktion f(x)=—x 
monoton abnehmend. Die Relation (1) ist gleichbedeutend mit der Be- 
dingung, daß stets mit 2, > z, auch f(z,) > f(x,) stattfinde, die Rela- 
tion (2), daß stets mit % > a, auch f (2,) <f(x,) sei. 

Man sieht leicht ein, daß die Konstanten die einzigen Funkilonen 
sind, die sowohl monoton wachsend als abnehmend sind. Ist jedesmal, 
wenn 2, > x, auch f(2,) > f(x,), so sagen wir, daß die Funktion f(x) 
stets wachsend ist, und ebenso sprechen wir von stets-abnehmen- 
den Funktionen, wenn mit 2,>x, immer auch f(z,) < f(x,) stattfindet. 

Ist f(x) eine monoton wachsende Funktion, so sind die Funktionen 


—f(a) und fl) 
monoton abnehmend; jede Eigenschaft der monoton wachsenden Funk- 
tionen läßt sich also sofort auf monoton abnehmende dberkragen und 
es genügt, die ersteren genauer zu studieren. 


148. Es kei f(x) eine monoton wachsende Funktion, die in einem 
Gebiete 
A: a<zx<b 


definiert ist und & ein beliebiger Punkt dieses Gebietes. Wir bezeichnen 
mit &(&) die untere Grenze der Funktionswerte f(x), die auf dem Ge- 
biete &E< x < b angenommen werden, 

(1) = ghä<e<P) 

und setzen ebenso 


(2) e(d)= Alf; a<rı<i). 


150 Kap. III. Funktionen 8 148 
Sind z, und z, zwei Punkte des Gebietes A, die der Bedingung 


n<i<z 
genügen, so ist wegen der Monotonie von f(x) 
8) fa)se(d)sie)set)s ta), 


woraus folgt, daB die beiden Zahlen «(&) und «(&) endlich sind. Als 
Funktionen von &E aufgefaßt, sind die Funktionen «($&) und «($&) außer- 
dem noch monoton wachsend im Gebiete A. 

Es sei £,, £,, - ... eine Folge von Zahlen, die alle im Gebiete E<r<b 
liegen und gegen den Punkt &£ konvergieren. Da stets f(£,) > «ı£) ist, 
hat man 


(4) lim f(&) > &(). 
Anderseits kann man, wenn man sich eine positive Zahl & vorgibt, die 
Zahl x, in der Relation (3) so wählen, daß 

fa) sel) te 
ist; da nur endlich viele Punkte &,, &,,... außerhalb des Intervalls 
£E <x<x, liegen und für alle übrigen Punkte f(&) <f(z,) ist, muß 
nun auch _ 
Im fe) Ste) Sal) +0 
sein, und weil die letzte Relation für jedes positive & gilt, hat man 


Ole Kim f(k) <a). 


Die Bedingungen (4) und (5), die gleichzeitig gelten müssen, zeigen nun, 
daß die Zahlenfolge f(£&,), f(&,), - .. Konvergiert, und daß 


f(&) > «(). 
Nach dem $ 146 kann man also schreiben 
(6) «(&) = fl&E+0) 
und ebenso findet man 
(7) «($) = flE—0). 


Dieselbe Schlußweise zeigt, daß im Anfangspunkte a des linearen 
Gebietes a < x < b, der Ausdruck f(a-+ 0) oder, falls a = — oo ist, der 
Ausdruck f(— oo) einen Sinn hat. Diese Zahl braucht aber nicht end- 
lich zu sein und kann auch den Wert — oo annehmen, und ähnliches 
gilt von der Zahl f(b—0) bzw. f(+ oo), die ebenfalls definiert ist. 


& 149 Monotone Funktionen | 151 


Nach dem $ 144 ist die obere Limesfunktion ®(x) der Funktion 
f(x) in einem beliebigen Punkte des Gebietes A gleich der größten 


der drei Zahlen 
fl2—-0), f@), f@+0) 


und die untere Limesfunktion p(x) gleich der kleinsten dieser Zahlen. 
Nun ist aber nach (3), (6) und (7), wenn wir die Buchstaben x und & 


vertauschen, 
f@-9)<f@)sfe+0) 
und daher auch 
pa) = fa—0), Da) fa +0). 


Indem wir alles zusammenfassen haben wir den 
Satz 1. Die Limesfunktionen D(z) und p(x) einer in einem linearen 
Gebiete A definierten monoton wachsenden Funktion f(x) sind monoton 
wachsend und durch fulgende Gleichungen definiert: 
Oo) =-fa+)-glhe<i<d), 
PR) = f@-0) =; a<i<a). 
Sind x, und x, zwei Punkte des Gebietes A und hat man 2, <z,, 


so haben die beiden Punktmengen 2, <z<bunda<x<x, gemein- 
same Punkte und es ist daher 


ahm<e<d)<eha<z<m). 

Hieraus entnehmen wir den | 

Satz 2. Für zwei Punkte x, und x, des Gebietes A ist, mit den Be- 
seichnungen des vorigen Satzes, wenn x, < x, gül, 

Pla) <S pr). 

149. Die untere Limesfunktion der monoton wachsenden Funktion 
©(z) ist nach dem Satze 1 gleich ®(r—0). Nun bemerke man, daß 
aus D(x) > f(x) stets 
() Ba —0) 2 fe —0)= yle) 
folgt. Anderseits ist nach dem Satze 2 für jedes x, < x, wenn beide 
Punkte x und z, in A liegen, 


. D(z)<yp(e) 
und hieraus folgt 
(2) DR -O)<S pe). 
Aus (1) und (2) folgt, wenn wir noch berücksichtigen, daß p(x) halb- 


- 


152 Kap. III. Funktionen 8149 
stetig nach unten ist ($ 135, Satz 2), | 


(3) 0 2E=0)=- pl) = PR—0) 
und ebenso findet man | 
(4) p(z + 0)= Bla) = Dla+0). 


Haben zwei monoton. wachsende Funktionen f(x) und f(x) dieselbe 
obere Limesfünktion ®(x), so muß nach (3) sowohl f(«—0) wie auch 
fi (2 —0) gleich ®(x—0) sein und wir haben den Satz: 

Satz 3. Zwei monoton wachsende Funktiomen, welche dieselbe obere 
(untere) Limesfunktion besitzen, müssen auch dieselbe untere (obere) Limes- 
funktion haben. | 

"Wir betrachten eine beliebige Funktion f, (x), welche der Relation 
(5) . a) sh@)s an 
genügt, und bemerken, daß, wenn x’ und x” zwei Punkte von A be- 
deuten und wenn 2’ <x 2 nach dem Satze 2 


EIS) SPA) SHE 
stattfinden muß, woraus folgt, daß f(x) ebenfalls monoton wachsend 
ist. Es folgt aber dann noch außerdem aus (5) 
ya+N)SAR@+NSPle+0); 
dies, verglichen mit der Gleichung (4), liefert ,(2-+0) = P(zx), und 
ebenso findet man f,(x—0) = gp(z). Die Funktion /,(x) hat also die- 
selben Limesfunktionen wie f(x); umgekehrt muß aber jede Funktion 
fı(&), welche die Funktionen p(z) und P(x) als Limesfunktionen be- 
sitzt, die Relation (5) befriedigen. 

Satz 4. Dafür, daß eine Funktion f, (x) dieselben Limesfunktionen 
D(x) und p(x) wie die monoton wachsende Funktion f(x) besitze, ist not- 
wendig und hinreichend, daß | 

| Pla) <f.e)< OA) 
sei. Die Funktion f(x) ist dann ebenfalls monoton wachsend. 


Die Schwankung S(z) einer monoton wachsenden Funktion ist 
durch die Gleichung gegeben 


SC) - Hd) -Ne+0 -Na-0). 
Mit Hilfe von (3) und (4) haben wir also den Satz: 


Satz 5. In jedem Punkte ihres Definitionsbereiches A ist die Schwan- 
kung einer, monoton wachsenden Funktion gleich der Schwankung einer 
jeden ihrer Limesfunktionen (vgl. $ 140, Satz 2). 


$ 150. 151 Monotone Funktionen 153 
150. Die Summe 


(1) s@)= he) + (a) 
von zwei monoton wachsenden Funktionen f(x) und f,(x) ist ebenfalls 
monoton wachsend. Außerdem folgt aus dem $ 146, daß Ä 


S@+)-h@+N) ++), 
sein muß, und hieraus erhält man durch gliedweise Subtraktion den Satz: 


Satz 6. Die Schwankung ‚der Summe von zwei monoton wachsenden 
Funktionen, die denselben Definitionsbereich A haben, ist in jedem Punkte 
von A gleich der Summe der Schwankungen dieser Funktionen. 


Ebenso sieht man, daß das Produkt 
»(&) = fı(a) h@) 


von zwei monoton wachsenden positiven Funktionen monoton wachsend 
ist und daß die Relation 


p(2+0)- pa -)-fa+N)Aa+) - Aka) ha 0) 
gelten muß. Ist endlich f(x) positiv und monoton wachsend, so ist 
1 
ga) = fe) 
monoton abnehmend und man hat 


1 1 
1E-9)-9ge+)- 5 Faro‘ 


151. Wir bezeichnen mit B, die Teilmenge des Definitionsbe- 
reichs A einer monotonen Funktion f(x), in der die Schwankung S(x) 


dieser Funktion die Zahl rn übertrifft: 
(1)  B=-M(8>-). 


Wir wollen nun zeigen, daß die Punktmenge B, für jeden Wert der 
natürlichen Zahl » eine höchstens abzählbare Punktmenge ist. Im ent- 
gegengesetzten Falle würde sie mindestens einen Kondensationspunkt 
besitzen, der im Gebiete.A liegt ($ 63) und es würde ein Intervall 


(2) a«a<i<p 


geben, das mit seinen Endpunkten in A enthalten ist, und in dem 
nicht abzählbar unendlich viele Punkte von B, enthalten sein müßten. 


154 Kap. III. Funktionen 8 151 


Es seien anderseits SE 62... 5, beliebig viele Punkte von B,, die in 
(2) enthalten sind; wir können die Bezeichnungen so festsetzen, daß 


a<i<i<- Wr 
‚ist. Wählt man ne welche Punkte z,, 2,,..., &._,, die den Be- 


%o = ®, dingungen 
a nn 


genügen, und führt noch die Bezeichnung ein 
=, P=2%,, 
so ist nach der Relation (3) des $ 148 
Ka) -fa)2r& +) -f&ü-9)-S6) k=1,2,...,P) 


und daher 


(8) FB) — fie) -3 (fa) — fr_) 
>S(&)++8(). 


Nun sollten die &, alle in B, enthalten sein, d. h. es sollte 


(4) SsW)>- (k=1,2,...,P) 
sein; dann folgt aber aus (3) und (4) 
FB) — fa) > 


P<n(fA — fl). 
Die Anzahl der Punkte von B,, die im Intervall (2) liegen, ist also nicht 
größer als die endliche Zahl nf — — f(«)); daher kann die Punktmenge BD, 
keinen Kondensationspunkt besitzen und muß höchstens abzählbar sein. 
Die Vereinigungsmenge 
B+B+B+--- 
ist also ebenfalls abzählbar ($ 43), und sie enthält alle Punkte von A, 
in denen die Schwankung S$(x) nicht verschwindet; daher der Satz: 
Satz 7. Jede monotone Funktion besitst höchstens absählbar viele Un- 
stetigkeitsstellen. 
In jedem Intervall, das einen Punkt von A enthält, gibt es also 
mindestens einen Stetigkeitspunkt von f(x), und da A in sich dicht und 


f(x) im Kleinen beschränkt ist ($ 139), so ist jede monotone Funktion 
f(x) entweder stetig oder höchstens punktiert unstetig ($ 141). 


oder 


8 152 Monotone Funktionen | 155 


152. Es seien x, und x, zwei beliebige Punkte des linearen Ge- 
bietes A, in dem die monoton wachsende Funktion f(x) definiert ist und 
es sei 2, < x%,. Die Unstetigkeitspunkte dieser Funktion, die im Intervall 


(1) <E<U 
liegen, bilden eine aus höchstens abzählbar unendlich vielen Punkten 
(2) Bar Bar in - 


bestehende Punktmenge. Wir führen die Funktion D(z,,x,) der zwei 

Veränderlichen z, und x, ein, die durch die Gleichung 

8) Da,2) = (fa +0) - fi) +3 55) + (fa) - fm 0) 

definiert ist, wenn die Punktmenge (2) nicht leer ist, und durch 
Dea,2)= (fa +9 —-fız)) + (fa) - fi — 0), 


wenn. diese Punktmenge leer ist. Nach dem Satze 1 des $ 104 ist, wenn 
die Punktmenge (2) unendlich viele Punkte enthält 


(4) 35%) -1im 2s). 


Nun ist, wenn man ein Intervall « <x<< ß betrachtet, dessen Endpunkte 
in (1) liegen und welches die Punkte &,,&,,...,&, enthält, nach der 
Relation (3) des vorigen Paragraphen 


sw <r@ -1@) 


und daher, weil | 
fe) Sf —0) und fe) > fa +0) 
ist, 
p 

25Ww sta) - fa +0- 
Nach (4) ist also auch 

256) sfr) —- fa, +0) 
und, wenn man diese letzte Relation mit (3) vergleicht, 
(5) D(2,,%)<f(a2) — f(%). 
Man sieht sofort ein, daß die Relation (5) auch dann bestehen muß, 


wenn die Punktmenge (2) nur aus endlich vielen Punkten besteht oder 


auch, wenn diese Punktmenge leer ist. 
Die Funktion D(x,,x,), die ihrer Natur nach nie negativ sein kann, 
wollen wir die totale Diskontinuität der Funktion f(x) im Inter- 


156 Kap. III. Funktionen $ 168 


vall (1) nennen, die Differenz (fan) — f(z,)) heißt dis Variation der 
monoton wachsenden Funktion f(x) in diesem Intervall (vgl. $ 178). 
Die Relation (5) kann also folgendermaßen ausgesprochen werden: 


Satz 8. In jedem Teilintervall des Definitionsbereichs A einer monoton 
wachsenden Funktion f(x) ist die totale Diskontinuität der Funktion nie 
größer als ihre Variation. 


153. Sind z,, x, und x, drei Punkte des Definitionsbereichs 4 
unserer monotonen Funktion f(x) und ist 


<<, 


so folgt aus der Gleichung (3) des vorigen Paragraphen in Verbindung 
mit dem Satze 2 des $ 105, daB stets 


(1) D(2,,2;) = D(2,,23) + D(,%3) 
sein muß. Nun sei x, ein fester Punkt und z ein beliebiger Punkt von A; 
wir definieren auf dem Gebiete A eine Funktion y(x) folgendermaßen: 
| va) Dia,2) für >, 
(2) | ve) = — D(a,%) für <a, 
Y(z,) = 0 


Mit Hilfe von (1) sieht man sofort ein, daß, wenn x, und x, zwei be- 
liebige Punkte von A bedeuten und x, < x, ist, die Gleichung 


(8) | Ua) — Ya) = Dia) 
stattfinden muß. Hieraus folgt aber, daß y(x) eine monoton wachsende 
Funktion ist, und daß in jedem Intervall ihre Variation gleich der to- 


talen Diskontinuität von f(x) ist. Ferner liefert die letzte Gleichung in 
Verbindung mit den Relationen (3) und (5) des vorigen Paragraphen 


(4) fa) - fa -0) Sy) - via), 
(5) fa +9) - fa) SU) — ver), 
(6) 2) — fa) 2 dl) — Ya). 


Aus der Relation (4) folgt 
lim Yay) - va) 2 fa) — - fm — 0) 


v5) - vn VE) - fa 09); 
ähnlich schließt man aus (6) 
fa) - a -) va) - vr —0) 


oder 


8 153 | Monotone Funktionen 157 


und diese beiden Relationen geben zusammen 
(2) - vr —-0)= fl) - fr 0). 
Ebenso folgt aus (5) und (6) 
| +0) - va) =fa +0) -f@). 
Da die Punkte x, und x, ganz beliebige Punkte von A waren, sehen wir 
also, daß für jeden Punkt x von A die Gleichungen 


o | via) - va 0) = Fa) - fa0), 
ve +0) va) = Flar+0) - fa) 
gelten müssen. Aus diesen beiden letzten Gleichungen folgt nicht nur, 
daß in jedem Punkte von A die Schwankung der Funktion y(z) gleich 
der Schwankung von f(x) ist, sondern auch nach der Gleichung (3) des 
vorigen Paragraphen, daß die totale Diskontinuität von Y(x) in einem 
beliebigen Intervall x, < x < x,, dessen Endpunkte in A enthalten sind, 
gleich der totalen Diskontinuität von (x) in diesem Intervall ist. In 
einem solchen Intervall ist also die totale Diskontinuität von y (x) gleich 
ihrer eigenen Variation. 
Setzt man 
(8) f{@) = ve) + (a), 
so ist für je zwei Punkte x, und x, von A 
(23) — f(x) = vlas) — Hl) + 2a) — 1@) 
und daher nach (6), wenn 2, < 2, ist, 
a) —- ra) 0. 
Die Funktion y(z) ist also monoton wachsend; ferner folgt aus (8) 
nach dem Ergebnis des $ 146 
f@ +9) —- fa-9)=-va+0) -v@-09)+4@+0) - la —0) 
oder, wenn man die Gleichungen (7) en | | 
(+0) - 2a 0) - 
Die Funktion x(z) ist also eine stetige nn und wir haben den 
Datz: 


Satz 9. Jede auf einem linearen Grebiete A definierte monoton wachsende 
Funktion f(x) kann als Summe von zwei monoton wachsenden Funktionen 
dx) und x(z) betrachtet werden, deren erste y(x) in jedem abgeschlos- 
: senen Teilintervall von A eine totale Diskontinuität besitzt, die gleich ihrer 

‚eigenen Variation und auch gleich der totalen Diskontinuität von f(x) in 
diesem Intervall ist, und deren zweite x(x) eine stelige Funktion ist. 


158 Kap. III. Funktionen 8 154. 155 


154. Ist c eine Konstante und setzt man 
0) K)=r@)+e LM 
so ist wiederum $(z) eine monoton wachsende Funktion, deren totale 
Diskontinuität in irgend einem Teilintervall von A gleich ihrer Varia- 


tion in diesem Intervall ist, und x(x) ist eine stetige monoton wachsende 
Funktion; überdies hat man 


f(@) = va) + 2@). 
Man erhält auf diese Weise sämtliche Zerlegungen von f(x) in eine 


Summe von zwei Funktionen, welche die oben genannten Eigenschaften 
haben. Denn aus der Stetigkeit von x(zx) folgt 


f@+0) - fa) Var) —- va), 

f(z) - fa 0) = dla) - Ha —0), 
und hieraus, daß in jedem Intervall, dessen Endpunkte in A liegen, die 
totalen Diskontinuitäten von f(x) und Y(z) einander gleich sind. Folg- 
lich müssen die Variationen von Y(x) und Y(x) in jedem solchen Inter- 


vall ebenfalls einander gleich sein; d. h. man muß für jeden Punkt x 
von A 





vlR) — vn) = ver) — dla) 
haben, woraus dann leicht die Gleichungen (9) folgen. 


155. Es sei mit 
dd) 
eine abzählbare Punktmenge bezeichnet, die auf dem linearen Gebiete A 
überall dicht liegt; ferner sei jedem Punkte x, eine Zahl y, zugeordnet 
und für zwei beliebige natürliche Zahlen %k,, k, sei stets 


(2) (2, — %,) (Yı, _ Y,,) 0. 
Ist dann x irgendein Punkt von A und mit 2,, 2,, -. - diejenige Teil- 
menge der natürlichen Zahlenreihe bezeichnet, für welche 
(3) 2% 
ist, und setzt man 
f(x) = untere Grenze von {Y,„, Ya +) 


Ir Kg; .e.oe 


so ist die Funktion f(x) wegen (2) monoton wachsend und außerdem 
ist für jede natürliche Zahl % 


(4) fi) = Yı- 
Wir bezeichnen mit ®(z) und p(x) die Limesfunktionen der so- 
eben konstruierten Funktion f(x) und bemerken, daB jede monoton 


& 1856 Monotone Funktionen 159 
wachsende Funktion f, (2), welche die Bedingung 


() h)=Y (k=1,2,...) 
befriedigt, dieselben Limesfunktionen wie f(x) haben muß. In der Tat 
liegen in jedem Teilintervall des linearen Gebietes A Punkte z,, für 


welche 
far) = fh (@) 
ist, und daher folgt auch für jeden Punkt x von A 


fe+0)=-Ahl@+0) und fa-0)= file). 


Es ist also 
(6) py(e)<H@)< Bla) 


und hieraus folgt, daß die Punktmenge, in welcher die Funktion f, (z) 
von f(x) verschieden sein kann, aus den Unstetigkeitspunkten von f(x) 
besteht, die in der Folge (1) nicht enthalten sind. 

Umgekehrt wächst jede Funktion f,(z), die die Bedingung (6) 
erfüllt, monoton ($ 149, Satz 4). Die Gesamtheit der monoton wachsen- 
den Funktionen, welche in den gegebenen Punkten z, die vorgeschrie- 
benen Werte y, annehmen, fällt also zusammen mit der Gesamtheit der 
Funktionen, die die Bedingungen (5) und (6) zugleich befriedigen. 


156. Die Unstetigkeitspunkte einer monoton wachsenden Funktion 
können überall dicht auf dem Gebiete A liegen. 
Wir ordnen, um dies an einem Beispiele zu zeigen, jedem Punkte 
des Intervalls O<x<1, mit rationaler % 
Fig. 11. L ä 








Abszisse p:q (p undg teilerfremd), deren ; 
Nenner g eine Potenz von 2 ist, zwei 
Zahlen ®(x) und y(z) zu, die durch 
folgende Regel berechnet werden, nach- 
dem wir noch außerdem 


1) 9(0) = p(0) = 0 
eh)=-l)=-1 4 


gesetzt haben. Man zerlege das Ordi- $ 
natenintervall von ®(O) bis p(1) (siehe # r 
Fig. 11) in drei gleiche Teile und setze ,Ö- 

o9() gleich der Ordinate des unteren it: ı 8 88 
Teilpunktes und @®(}) gleich der des oberen; d. h. es sei 


2) Gr. PE)=5 


“3 er wo 





[5 a nm 





160 Kap. III. Funktionen 8 156 





Dann teile man wieder die Ordinatenintervalle von ®(0) bis (4) und 
von ®($) bis p(1) je in drei gleiche Teile und wähle ebenso die unteren 
Teilpunkte für p(4) bzw. p(2 )) die oberen Teilpunkte für 0 bzw. 
- (2). Ebenso teile man, um im allgemeinen 


KW +) und ® >) 
zu bekommen, das Ordinatenintervall 
9 (a) <<) 


in drei gleiche Teile und setze die erste der Zahlen (3) gleich der Ordi- 
_ nate des untersten dieser Teilpunkte, die zweite der Zahlen (3) gleich 
der Ordinate des obersten Teilpunktes; d.h. es gelten die Rekursions- 


formeln 
e)rtee): 
5) - seG)+t3 rl). 
Wir haben auf diese Weise die Funktionen p(x) und ®(x) auf einer 


abzählbaren Punktmenge %,, %, %,, . ... definiert, die auf dem Intervall 
0<z<1 überall dicht liegt; hierbei ist 








(4) 








(5) Benennung 
und für jedes x, 
(6) | pm) < Pla). 


Sind ferner x, und x, zwei Punkte unserer Folge und ist 2, <%,, 80 
zeigt man leicht, daß 


() ®(z,) <yp(z,) 


ist. Aus (6) und (7) folgt erstens nach dem vorigen Paragraphen, daß 
man im Intervall O<x<1 zwei monoton wachsende Funktionen 
p(x) und D(x) bestimmen kann, welche in den Punkten der Folge (5) 
die vorgeschriebenen Werte annehmen und zweitens, daß die Gleichungen 


(8)  PBler0)=gpla+0) und De—0)=plr—0) 


überall befriedigt sind. Die Gleichungen (8) zeigen, daß die Funktionen 
®(x) und p(x) dieselben Limesfunktionen besitzen und daß also ihre 
Schwankung S(z) in jedem Punkte mindestens gleich dem absoluten Be- 
trage ihrer Differenz ist. Für die Punkte der Folge (5) ist insbesondere 


(9) 5) Z Da) — Pl). 


-8 157 Monotone Funktionen 161 


Die totale Diskontinuität D(0, 1) der beiden Funktionen im Intervall 
0 <z<.1 genügt nun der Bedingung 


(10) DO, 2 IS) 
und es ist daher nach (9) 
a) D0,1)2 Ion - pa). 


Nun ist aber, wenn man die letzte Summe ausrechnet, 
| 2, 2? j 
BALL - 4 ag 


ae are 
und also m 
(12) D0,1) >21. 


Anderseits ist, wegen der Bedingungen 
O<pa)<1l, O<d@)<Ii 


die Variation der Funktionen ®(x) und p(x) höchstens gleich Eins im 
Intervall O<x<1 und dies ist nur dann mit (12) verträglich, wenn 


20,1)=-1 
(13) - Io) - =) 


ist. Aus der letzten Gleichung folgt aber, daß die Gleichheitszeichen 
auch in den Relationen (9) und (10) gelten müssen, und dies besagt 
erstens, daß unsere Funktionen außer in den Punkten der Folge (5) 
keine Unstetigkeiten haben können und zweitens, daB ihre Schwankung 
in diesen Punkten gleich ihrer Differenz ist. Hieraus folgt, wenn man 
noch die Gleichungen (8) berücksichtigt, daß ®(x) aufwärts und p(z) 
abwärts halbstetig ist. 


157. Jeder beschränkten, in einem abgeschlossenen Intervall de- 
finierten, monoton wachsenden Funktion f(x) kann man ein geometrisches 
Bild zuordnen, das man den Graph der Funktion nennt, Der Graph ist 
eine ebene Punktmenge, die aus allen Punkten der xy-Ebene besteht, 
deren Abszissen x auf dem abgeschlossenen Intervall 


(1) A: asrısb 
liegen, und deren Ördinaten y der Bedingung 
(2) 92) SYS Pla) 


Carath&odory, Reelle Funktionen. 11 





162 Kap. Ill. Funktionen 8 168 





genügen, in der wieder 
8) y@)=fe-0), Da)=-Fe+0) 
genommen worden sind. Zwei mono- 
ton wachsende Funktionen, welche 
dieselben Limesfunktionen besitzen, 
haben demnach denselben Graph; 
insbesondere ist der Graph von f(x) 
derselbe wie der Graph von ®(z) 
und p(2). 
Der Durchschnitt des Graphs 
von f(x) mit einer Parallelen 
zZ x==£ zur y-Achse, welche die 
x-Achse in einem Punkte E von A 
schneidet, besteht nach (2) entweder 
aus einem einzigen Punkt oder aus einem abgeschlossenen linearen 
Intervall auf der betrachteten Geraden. | 


158. Wir wollen jetzt die Punkte des Graphs bestimmen, die auf 
einer Parallelen y= n zur x-Achse liegen, und bemerken dazu, daß die 
Abszissen dieser Punkte, d. h. die Werte von x, für welche 


[= 2) — an a Em ED Cum En m am En CE GE TE 


Fig. 12. 


| y(2) Sn Ss Pie) 
ist, mit dem Durchschnitt der beiden Punktmengen 
(4) Mo@sn) md MoW=zn) 


identisch sind. Es genügt den Fall zu untersuchen, in dem .die gegebene 
Funktion f(x) nicht konstant ist; setzt man 

6) «=gy(a) und B-D0b), 

so ist dann @« < ß und eine der beiden Punktmengen (4) ist leer, sobald 
'n nicht auf dem abgeschlossenen Intervall 

(6) | 4,: a sysß 

liegt. Anderseits ist aber für « <n<ß keine der Punktmengen (4) leer 
und diese Punktmengen sind beide — weil p(zx) abwärts und D(x) auf- 
wärts halbstetig ist — abgeschlossen auf A ($ 136, Satz 3). Berück- 
sichtigt man noch die Monotonie dieser Funktionen, so sieht man, daß 
es in A zwei Punkte & und & gibt, so daß die erste Punktmenge (4) iden- 
tisch ist mit der Punktmenge 2 

(7) asıs$ 

und die zweite mit der Punktmenge 

(8) E<Sı<sb. 


8 159 Monotone Funktionen 163 


Übrigens muß & <E sein, denn sonst würde in A mindestens ein Punkt &’ 
existieren, so daß E<&’<E wäre. Es würde dann aus &’>E die Re- 


lation 
g(E)>n 


BE)<n 


folgen, was nicht zu gleicher Zeit stattfinden kann, weil stets g(&)<@&(E”) 
sein muß. Der Durchschnitt der beiden Punktmengen (7) und (8) be- 
steht also im Falle &=$ aus einem einzigen Punkt £=E& und im Falle 
£ < E.aus dem abgeschlossenen Intervall 


E<e<i. 


Die Zahlen & und & können als Funktionen von n aufgefaßt werden, 
deren Definitionsbereich das abgeschlossene Intervall A, ist; wir schreiben 


und aus &’< & die Relation 


(9) = pıln) = ®,(n)-. 

Nach unseren bisherigen Überlegungen ist dann stets 

(10) 9,(n) SP, (m) 

und der Durchschnitt des Graphs mit der Geraden y = n durch die Be- 
dingung | 

(11) MD) SEeSQ,(n) 


charakterisiert. Die Bedingung (11) wird mithin durch genau dieselben 
Punkte der xy-Ebene befriedigt, wie die Bedingung (2). 


159. Wir wollen jetzt zeigen, daß die Funktionen 9,(y) und ®,(y) 
als Limesfunktionen einer monoton wachsenden Funktion von y auf dem 
abgeschlossenen Intervall A, aufgefaßt werden können. 

Es seien 7 und n’ zwei Punkte von A, und n<n',; wir setzen 


= (0), = MM): 


Da die erste der Punktmengen (4) und die Punktmenge (7) identisch 
sind, ist 


p(£) s Nn, 
und ebenso findet man 
Be). 
Hieraus folgt mit Berücksichtigung vonn<n 
Pe) < BEN), 


11* 


164 Kap. IT. Funktionen 8 159 


was nicht möglich ist, wenn &’<’& sein sollte @ 148, Satz 2). Aus 
n<n' folgt also E<$r, oder 

(12) AUETAUD! 

Mit Hilfe von (10) hat man dann auch 


9,(n)<spln) und SWS ala), 


d. h. die beiden Funktionen p,(y) und ®,(y) sind monoton wachsend. 
Hieraus folgt mit Berücksichtigung von (10) 


A) SAMT) SAMr0); 
anderseits aber hat man, weil die Relation (12) eine Folge von n<n’ ist, 


2, -NVSAala). 


Nun folgt aber, nach dem Satze 4 des $ 149, aus diesen letzten Rela- 
tionen, die für jedes beliebige 7 oder 7’ innerhalb A, gelten und die 
man daher schreiben kann 


‚2W-)<spW)<s9d,Yy+0), 


daß die beiden monoton wachsenden Funktionen 9,(y) und D,(y) die- 
selben Limesfunktionen haben müssen. 

Da die zweite der Punktmengen (4) und die Punktmenge (8) iden- 
tisch sein sollen, folgt aus 
a Pı (n) 


DE)<n 


sein muß. Ist dann n” eine Zahl zwischen ©(&’) und 7, so muß E<pla ”) 
sein; denn aus &°>9,(n") würde, entgegen der Definition von 7”, die 
Relation (EN) > n" folgen. Man kann also, weil n"<pnistundg,(n) 
monoton wächst, schreiben: 


und aus E’<$, daß 


<am—0). 
Da die letzte Relation für alle Zahlen 8’<E& gilt, ist auch 8<gp,(n —0O) 


oder 
aM) ern. 
Anderseits ist aber p,(y) monoton wachsend und daher 


Mm) <gln); 


An —0) = yılm, 
d.h. die Funktion g,(y) ist nach unten halbstetig. Ganz ähnlich 


man muß also haben 








8 160 Monotone Funktionen 165 


beweist man, daß 
1 O,(n) ii (N +0) 


ist, d. h. daß die Funktion ®,(y) nach oben halbstetig ist. Hiermit 
ist, das behauptete Resultat bewiesen. 


160. Die beiden monoton wachsenden Funktionen D(x) und D,(y) 
haben nach dem Obigen die Eigenschaft, denselben Graph zu besitzen. 
Die Beziehung zwischen den Funktionen ®(x) und p(z) einerseits und 
den Funktionen ®,(y) und @,(y) andererseits ist also eine symmetrische 
und dieselben Überlegungen, die uns erlaubt haben ®,(y) und y,(y) zu 
berechnen, wenn ®(z) oder p(x) gegeben waren, führen zur Bestim- 
mung von ®(x) und p(z), wenn man ®,(y) oder y,(y) kennt. 

Aus der Bedeutung der Relationen (7) und (8) des 8 158 folgt, wie 
wir schon bemerkt haben, 


v<T< dh), 
was man auch schreiben kann | 
(1) aD) Er dam). 
Für jeden Punkt y des Gebietes A, haben wir also 
(2) (Ay) <ySs dla); 
ebenso muß für jeden Punkt x des Gebietes A die Relation 
(8) BE KT DEZ NT) 


erfüllt sein. 
Sind die Funktionen (2) und p(x) nicht stets wachsend, d. h. gibt 
es zwei Punkte &’ und &” des Gebietes A, für welche 


6<5” und PET) DE) - HE) PE)- 
ist, so muß zugleich 


ym)sH und 9mM)>E" | 
sein, d.h. die Funktionen ®,(y) und g,(y) besitzen eine Unstetigkeit 
im Punkte y=n. Ist umgekehrt dieses der Fall, d.h. ist 9,(n)<®,(n), 
so muB 
(P,m) 2 dp m) 
stattfinden und dies in Verbindung mit (1) liefert 
9(B,)) = DM), 


was nur dann möglich ist, wenn die Funktionen p(x) und ®(zx) nicht 
stets wachsend sind. 


166 Kap: III. Funktionen 8 161 


ar — ne a 


Die Funktionen ®,(y) und g,(y) sind also dann und nur dann stetig 
im Gebiete A,, wenn eine der Funktionen ®(x) undgy(x) (und dann auch 
beide) im Gebiete A stets wachsend sind. Und ebenso sind ®(z) und 
(x) dann und nur dann stetig in A, wenn die Funktionen ®,(y) und 
9,(y) stets wachsend in A, sind. 

Ist die Funktion ®(x) stetig und stets wachsend, d. h. ist für jeden 
Punkt x von A 

D(2) = ya) 


und für jedes Punktepaar x’, x” dieses Gebietes, für welches 2’< x” ist, 
auch 


(2) < De”), 
so ist die Funktion ®,(y) stetig und stets wachsend, und man hat ins- 
besondere 


9, (Y) = 9 (Y). 
Die Relationen (2) und (3) werden dann einfach 


(9, W)=y, D(P@) =x 


und die Funktion = ®,(y) heißt die zu y= ®(z) inverse Funk- 
tion, oder auch die Umkehrung der Funktion ®(z). 


161. Die Summe von zwei stetigen und stets wachsenden Funk- 
tionen hat dieselbe Bigenschaft, ebenso das Produkt von zwei derartigen 
Funktionen, falls sie positiv sind ($ 131, Satz 9). | 

Ebenso sieht man leicht ein, daß, wenn y—»(u) und u—= f(x), 
beide stetig und stets wachsend sind, dasselbe von 


y=v(fiw) 
gelten muß ($ 138). 

Da die Funktion y= x monoton und stets wachsend ist, so gilt 
auf der Punktmenge 0 <x<+00 dasselbe von y-r u). Die Um- 
kehrung dieser Funktion 

| y- Ve, 


die für nicht negative x definiert ist, hat demnach dieselbe Eigenschaft. 

Ebenso sieht man, daß dieUmkehrung von y= 1" (für ganzzahlige m), 
die für positive x definiert ist, stetig und stets wachsend ist; man schreibt 
diese Funktion in der Gestalt: | 


> 
: Yy = gm . 
Endlich kann man, wenn man 


ee und u=fa)=ır 


8 162. 163 Erzeugung stetiger Funktionen 167 


setzt und die Bezeichnung 


P ? 
uf) = =* 
v. 
einführt, nach dem obigen Resultat schließen, daß x? für positive Werte 


von & definiert ist und eine stetige und stets wachsende Funktion von 
x darstellt, deren Inverse leicht zu berechnen ist. 


Erzeugung stetiger Funktionen. 

162. Da unter allen Punktfunktionen die Klasse der stetigen Funk- 
tionen die einfachsten und daher wichtigsten Funktionen umfaßt, ist es 
notwendig, bestimmte Regeln anzugeben, durch welche man derartige 
Funktionen bilden kann. 

Zunächst bemerken wir, daß, wenn P einen Punkt des #-dimensio- 
nalen Raumes mit den Koordinaten , 


P: Lu, Igy +9 Ip +, X 


n 


bedeutet, für jeden festen Wert von % die Funktion 
| P)=% 
stetig ist. Die Gesamtheit der Punkte 


[4 [4 , 
d: Ly %gy +: + Ta 


u h<m<za+h (h>0) 
ist, ist nämlich eine Umgebung von P, für welche 


AP) — FO <h 


ist, dieses ist aber für die Stetigkeit von f(P) hinreichend ($ 130, Satz 3). 

Ebenso sieht man, daß jede Konstante eine stetige Funktion dar- 
stellt. Benutzt man die Sätze, daß Summe und Produkt von stetigen 
Funktionen wieder stetige Funktionen sind, so sieht man leicht ein, daß 
ganze rationale Funktionen oder, wie wir sagen wollen, Polynome in 
den n Veränderlichen &,,..., x, stetig sind. Denn man kann jeden Aus- 
druck der Form 


für welche 


kıy.k k 
Sa,atına...x,in 
als eine Summe von Produkten von stetigen Funktionen ansehen. 


Ebenso ist jede rationale Funktion mehrerer Veränderlichen’stetig, 
solange der Nenner nicht verschwindet. 


163. Zu neuen stetigen Funktionen kommt man durch Einsetzen 
von Polynomen in nicht rationale stetige Funktionen einer Veränder: 


168 | Kap. III. Funktionen 8 164. 165 





lichen, z. B. in solche, die man durch Inversion von monotonen stets 
‘ wachsenden Funktionen erhält. So ist z. B. der Ausdruck 


Va” + a - nt tm) 
eine stetige Funktion der 2» Veränderlichen z,....2,, Yı - - - Y,, die für 


jeden Punkt dieses 2%-dimensionalen Raumes definiert ist, weil der Aus- 
druck unter dem Wurzelzeichen nie negativ sein kann. 


164. Zu komplizierteren stetigen Funktionen kann man mit Hilfe 
des folgenden Satzes gelangen: 


Satz 1. Es seien die Funktionen fi (P) und f,(P) auf den perfekten 
Punkimengen A, bzw. A, stetig und in den Punkten des Durchschnittes 
A,A, einander gleich. Dann ist die Funktion fi P), die auf der Ver- 
einigungsmenge 

A=4A, +4, 


definiert ist und in jedem Punkte von A, gleich f,(P), in jedem Punkte 
von A, gleich f,(P) ist, ebenfalls stetiy auf A. 


Ist nämlich « eine beliebige endliche Zahl, so besteht die Teilmenge 
(1) | M(f2«) 


von A aus der Vereinigung der Teilmengen M(f, >«) von A, und 
M(f,>«) von A,. Die letzten Punktmengen sind relativ zu A, und 
A, abgeschlossen ($ 136, Satz 3); da aber A, und A, perfekte Punkt- 
mengen sind, müssen sie ($ 74, Satz 3), und daher auch ihre Vereini- 
gungsmenge (1) im gewöhnlichen Sinne abgeschlossen sein und ebenso 
sieht man, daß | 

M(f<se) 


eine abgeschlossene Punktmenge ist. Dies ist aber nach dem Satze 4 
des $ 136 hinreichend dafür, daß f(P) eine stetige Funktion sei. 


165. Unter den stetigen Funktionen, die man mit Hilfe des letzten 
Satzes bilden kann, sind die stückweise linearen Funktionen beson- 
ders zu erwähnen. 

Für Funktionen einer Ver- 
änderlichen zerlegt man das In- 
tervall, in dem die Funktion de- 
finiert werden soll; in eine end- 

liche Anzahl von Teilintervallen 
si ah iu s und gibt sich die Werte der 
Funktion in den Endpunkten &,, &,,... dieser Teilintervalle. Im Inneren 














8 166 Erzeugung stetiger Funktionen :169 


dieser Intervalle ist dann die Funktion durch die Bedingung der Linea- 
rität eindeutig bestimmt.*) 


166. Aus dem Resultat des 8 138 folgt ohne weiteres, daß die 
Funktion von %k Veränderlichen, die man erhält, wenn man in einer ste- 
tigen Funktion von n Veränderlichen (n— k) unter diesen Größen gleich 
Konstanten setzt, auf jeder in sich dichten Teilmenge ihres Definitions- 
bereiches ebenfalls stetig ist. 

Insbesondere sind die Funktionen der einen Variablen z, 

IC /UR FPgepr FERPE. FL FRURREFR MM} 
die man erhält, wenn man alle Variablen bis auf die Eine x, festhält, 
stetig. 

Die Umkehrung dieses Satzes ist aber nicht richtig; es gilt viel- 
mehr der 

Satz 2. Eine Funktion von n Veränderlichen kann, als Funktion 
jeder einzelnen ihrer Variablen aufgefaßt, stetig sein und doch als Punkt- 
funktion des n-dimensionalen Raumes Unstetigkeiten aufweisen. 


Wir wollen dies an einem Beispiele zeigen: 
Wir betrachten die Funktion f(x, y), die im Punkte z=y=0 ver- 


schwindet, 0,0) = 0, 


und in allen anderen Punkten der Ebene durch die Gleichung 


f&y) = ER, 


gegeben ist. Für y = y, ist unsere Funktion als Funktion von x stetig, 
sowohl wenn y,=# 0 ist, als auch wenn y,= 0 ist, in welchem Falle f(z,0) 
identisch verschwindet. Ebenso ist f(x, y) stetig als Funktion von Y, 
wenn man x = 1, setzt. Anderseits gibt es in jeder Umgebung des 
Punktes = y= 0 Punkte, in denen 2=y ist; für diese Punkte hat 
f(z,y) den Wert +, solange x = 0 ist, und den Wert Null, wenn 20 
ist. **) | 

*, Ähnlich muß man sich für Funktionen von zwei Veränderlichen die Werte 
der Funktion in den Ecken eines Dreiecknetzes, für Funktionen von drei Ver- 
änderlichen ihre Werte in den Eckpunkten eines Tetraedernetzes usf. geben. 

*) Man kann das Beispiel leicht so modifizieren, daß u = fe, y) auf jeder 
Geraden der Ebene stetig und dennoch als Fanktion von zwei Veränderlichen 
unstetig ist. Man braucht bloß wieder /(0,0)=0 und in allen anderen Punkten 
der Ebene 


fay)= np nei y*® 
zu setzen. 


170 Kap. II. Funktionen 8 167. 168 





Konvergente Funktionenfolgen. 


167. Es sei A eine beliebige Punktmenge und auf A seien abzähl- 
bar viele Funktionen 


(1) AP), AP), --- 


definiert. Diese Funktionen können nun überall endlich sein, ohne doch 
beschränkt zu sein ($ 121). Ferner kann eine jede der Funktionen f,(P) 
überall beschränkt sein, ohne daß doch eine Zahl M zu existieren 
"braucht, so daß für jedes k 


(2) Ik(P)I<M 


ist. Es ist z. B., wenn f,(P)= % ist, jede Funktion f,(P) beschränkt, 
aber es gibt keine Zahl M, die alle |f,(P)| übertrifft. 

‚Existiert dagegen eine solche Zahl M, so daß für jedes k die Un- 
gleichheit (2) erfüllt ist, so heißt die Funktionenfolge gleichmäßig 
beschränkt auf A. | 

Ist jetzt P ein bestimmter Punkt von A, so sagt man, daß die 
Folge (1) im Punkte P konvergiert, wenn | 


lim f,(P) 


existiert. Konvergiert die Funktionenfolge in jedem Punkte ? von A, 
so heißt die Folge f,(P) auf A konvergent. Dann ist durch 


| AP) fP) 
eine neue Funktion auf A definiert. 
Die Grenzfunktion f(P) braucht nicht endlich zu sein, wenn die 


einzelnen Funktionen f,(P) endlich sind, ja selbst dann nicht, wenn sie 
beschränkt sind. Setzt man z.B. 


f.(P) iz k, 


so ist die Folge konvergent und besteht aus lauter beschränkten Funk- 
tionen und es ist trotzdem die Grenzfunktion f(P) identisch gleich + oo. 

Dagegen muß die Grenzfunktion f(P) beschränkt sein, wenn die 
Folge (1) gleichmäßig beschränkt ist. Ist nämlich die Bedingung (2) 
für jedes % erfüllt, so muß auch in jedem Punkte P von A 


lim |/KP)= IA SM 
sein (8 99, Satz. 


168. Die Umkehrung gilt aber nicht. Es kann die Grenzfunktion 
f(P) beschränkt sein, ohne daß die f,(P) gleichmäßig beschränkt wären. 


$ 169. 170 | Konvergente Funktionenfolgen 171 


Es sei z. B. die Funktionenfolge der einen Veränderlichen x auf dem 
abgeschlossenen Intervall O< x <1 folgendermaßen definiert: 


f,(0) =(, f,(1) = 0 
a) hl 


und zwischen diesen Punkten sei f,(x) linear. 
Die gegebene Funktionenfolge konvergiert 

überall gegen Null: für x = 0 ist dies selbstver- 

ständlich; für 2 >0 ist aber f(x) = 0, sobald 


k> e ist. Trotzdem ist die gegebene Folge 





nicht gleichmäßig beschränkt. 


169. Ganz ähnlich kann man sehen, daß eine Folge von stetigen 
Funktionen gegen eine unstetige Funktion konvergieren kann. Es seien 
wieder die ha) stückweise linear und zwar sei 


0 für el2,;, 4) -1 
und /,(x) linear in den abgeschlossenen Intervallen 
-47<e<0 ud 0<2<- 


Dann ist die Folge f,(x) konvergent und die Grenzfunktion f ” gleich 
Null für +0 und gleich Eins für x =0. 

Ein anderes Beispiel dieser Art ist folgendes: 
Man setze 








Fig. 15. 


f,(@) = rl} 

die Funktion f,(x) ist stetig für allex. Für =0 ist 

f,(0)=1, also Jim f(0) =1; 

für x + 0 ist aber | | 

. lim f,(2) = 
k=o® 


170. Die Dirichletsche Funktion. Man kann von stetigen 
Funktionen ausgehend durch sukzessive Anwendung von Grenzprozessen 
sehr komplizierte unstetige Funktionen bilden. Wir wollen auf diese 
Weise die Funktion einer Veränderlichen x darstellen, die für alle ratio- 
nalen Werte von x gleich Eins ist und für alle irrationalen Werte von x 
verschwindet. 

Die rationalen Punkte der x-Achse lassen sich in eine Reihe 


ze, 


&, lg, 


172 Kap. III. Funktionen 8 170 


bringen. Wir setzen 
; 1 
9a) = Jim 1+ka° 


k= 
und 


vd) = ya) +yR—a)+ + pl -e,)- 
Fa) = lim u, (z) 


Dann ist 


die gesuchte Funktion. Ist in der Tat irrational, so sind alle (e—«,)+0 
und alle 9(x£—«,)=0; für jedes » ist also y,(z)=(0 und mithin auch 
F(x) = 0. Ist aber z=e,, so ist für jedes n > p 
v,(%) zu 1 ’ 
also ist auch die Grenzfunktion F(z) =1. 
Setzt man 


1 1 1 
Irn(®) 2 1+k(2—0,)? T 1+k(© —o,)? ERST 1+k(c—a,)*’ 
so ist (8 99, Satz 9) | : 
V, (x) u Ien(%) 
und 


(1) Fa) = lim lim g,,@). 


Man beachte die Reihenfolge der Limites; es ist, wie wir im $ 111 
schon gesehen haben, nicht statthaft, die Reihenfolge von zwei Grenz- 
prozessen ohne weiteres zu vertauschen. : Hier wäre z.B. 


(2) lim lim 9,,(2) = + 
i kzon=o® 


und nicht gleich F(xz). In der Tat gibt es unendlich viele rationale 
Zahlen «, im Intervalle von («—1) bis (@+1), also unendlich viele 
Indizes », für welche 

1 1 

IFk@zap? IF 

Also ist die Summe 

lim Iun(%) 
aller Ausdrücke 


1 
1+k(2—a,)* 
gleich + oo. Das gleiche gilt dann auch vom Ausdrucke (2). 


8 171. 172 Gleichmäßige Konvergenz 173 








Gleichmäßige Konvergenz. 
171. Es sei die Funktionenfolge 


(1) KB, dr: :- 


auf der Punktmenge A konvergent und die Grenzfunktion f(P) sowohl 
wie auch die einzelnen Funktionen f,(P) endlich. 

Wir betrachten die Folge der nicht negativen Funktionen 
(2) AP) - AP) —- AP]; 
man nennt manchmal f,(P) die kte Approximation der Funktion f(P) 
und 9,(P) den Fehler der kten Approximation. Da die Folge (1) 
konvergiert, so ist 

(PO. 


Nun setzen wir mit der Bezeichnung des $ 121 
| 9%,—= 6954); 
die Zahl $,, welche die obere Grenze der Funktion @, in der Punkt- 
menge A darstellt, hängt nicht mehr von der Lage des Punktes P ab. 
Im Beispiele des 8 168 ist 9,—k und 


9%, — +8. 


Die Funktionenfolge (1) kann also konvergieren, ohne daß die ®, 
gegen Null konvergieren; ist das aber der Fall, ist also 


k=zo 


.80 sagt man, daß die Funktionenfolge (1) gleichmäßig auf der Punkt- 
menge A konvergiert. 


172. Folgende zwei Sätze finden eine häufige Anwendung: 

Satz 1. Eine gleichmäßig konvergierende Folge von beschränkten 
Funktionen ist gleichmäßig beschränkt, und konvergiert gegen eine be- 
schränkte Funktion. 

Man kann mit den Bezeichnungen des vorigen Paragraphen k, so 
wählen, daß für k>%, die Relation 9, <1 besteht. Ist dann k>k,, so 
ist in jedem Punkte P von A 


r(P) — h,(P) = (BP) — f(P) — (f,(P) — f(B) 
und folglich | 
(1) AP) -h(P\splP)+ m (P)<2. 


174 Kap. DI. Funktionen $ 172 





Nach Voraussetzung gibt es zu jeder positiven ganzen Zahl k eine 
_ positive Zahl M,, so daß für jeden Punkt P von A 


IABI<M, 
ist. Für A>%, ist nun nach (1) 
APIS + - AA <M, +2. 
Bedeutet daher M die größte der %, Zahlen 
M,, M,;, .. ., M,-,» Mut 2: 


API<Y, 


d. h. die Funktionenfolge ist gleichmäßig beschränkt. Der zweite Teil 
des Satzes ist nach dem $ 167 eine Folge des ersten. 


so ist für jedes %k 


Satz 2. Eine gleichmäßig konvergierende Folge von Funktionen, die 
in einem Punkte P stetig sind, konvergiert gegen eine im Punkte P stetige 
Funktion. 


Nach Voraussetzung ($ 171) ist die Grenzfunktion f(P) endlich. 

Ist & eine beliebig vorgeschriebene positive Zahl, so kann man k so 
wählen, daß : 
9,Sz 


ist. Die Funktion f,(P) ist im Punkte P endlich und stetig; man kann 
eine Umgebung U> von P finden, so daß für jeden Punkt Q der Punkt- 
menge UrA | 
MO) -NHBl<z 


ist. Nun ist 


ra)-AP|=-a(P)<Hh<z 


® 


und 
KO-AO=-MO<SHS<z- 
Endlich ist 
FI -fMQ) = (PB — AP) + (PB — FO) + (fl) — FO) 


und daher 


AP) —- Fa SIPA) HP) + AP) - Ar 
<E. 


Da die letzte Ungleichheit bei beliebiger Wahl von & für jeden 
Punkt einer geeigneten Umgebung von P gilt, ist f(P) stetig in ?. 





$ 173. 174 Gleichmäßige Konvergenz 175 


Auf ganz analogem Wege hätte man zeigen können, daß die Grenz- 
funktion einer gleichmäßig konvergierenden Folge von Funktionen, die' 
alle in einem Punkte P nach oben (oder unten) halbstetig sind, Ra 
falls in P nach oben (unten) halbstetig ist. 


173. Durch gleichmäßig konvergierende Folgen von Polynomen 
kann man Funktionen darstellen, die keine Polynome sind. Setzt man z.B. 


@)=1+2+2°+..+7 
1— ak+1 
1-2: ° 


so ist für |x|<1 
lim |*|=0 und lim f,(e) = 
k=o k=® 





1—_x 


Man hat demnach 
Bad 
PR) = z 





und, wenn s eine positive Zahl zwischen Null und Eins bedeutet und 
x im Intervalle 
(1) —1+s<r<1-—s 
liegt, 
<<, st. 

Es ist also ($ 103) 

im 9, =0 

k=o 


und die Konvergenz eine gleichmäßige im Intervalle (1). 


174. Eine auf der Punktmenge A definierte Folge 
(1) AP) AP), 


von Funktionen heißt monoton wachsend oder abnehmend, wenn für 
jeden Punkt P von A die Zahlenfolge (1) monoton wachsend resp. ab- 
nehmend ist. Monotone Folgen von Funktionen sind natürlich stets 
konvergent (8 102) und genügen den folgenden beiden Sätzen: 


Satz 3. Eine monoton wachsende Folge von Funktionen, die in einem 
Punkte P, von A alle nach unten halbstetig sind, konvergiert gegen eine 
im Punkte P, nach unten halbstetige Funktion. Ist die Folge monoton 
abnehmend und die Funktionen der Folge im Punkte P, nach oben halb- 
stetig, so hat die Grenzfunktion dieselbe Eigenschaft. 


Es genügt, den ersten Teil des Satzes zu beweisen, da der zweite 
Teil aus dem ersten sofort folgt, wenn man die Funktionen f,(P) durch 


176 Kap. III. Funktionen 8174 


— fı(P) ersetzt. Wir setzen 
@) f(P) = lim fy(P); 
ist f(P,) = — ©, so ist die Funktion f(P) im Punkte ?, nach unten 


halbstetig und der Satz bewiesen. Ist f(P,)>— ©, so sei 4 eine be- 
liebige Zahl, die kleiner als f(P,) ist. Wir können in der Folge 


KDSAPSHDS<--- 


eine Funktion f,(P) finden, für welche f,(P,) > 4 ist und hierauf, weil 
f,(P) im Punkte P, nach unten halbstetig ist, eine Umgebung U von 





P,, so daß 
9; AT) A 

stattfindet, Da die Folge aber monoton wachsend ist, muß auch 
9; AU)>A 


sein, und nach dem Satze 1 des $ 129 ist dann die Grenzfunktion f(P) 
im Punkte P, nach. unten halbstetig. 

Satz 4. Eine monoton wachsende (abnehmende) Folge von Funk- 
tionen, die auf einer perfekten und beschränkten Punktmenge A nach unten 
(nach oben) halbstelig sind, konvergiert gleichmäßig, wenn die Grens- 
funktion stetig und endlich ist 


Es sei z. B. die Folge der f,(P) monoton wachsend und die Funk- 
tionen f,(P) nach unten halbstetig auf A. Nach dem Obigen kann man, 
weil die Grenzfunktion f(P) endlich ist, jeder positiven Zahl & und 
jedem Punkte P von A: eine Umgebung U; und eine natürliche Zahl % 
so zuordnen, daß für jeden Punkt @ von UA 


(8) HOSAKA)-5 


ist. Wegen der Stetigkeit von f(P) in P kann man zweitens eine Um- 
gebung Ur von P finden, so daß in jedem Punkte von Up A 


(4) KO<AM+y 


ist. Nennt man U; den Durchschnitt der beiden Umgebungen U; und 
Ur von P, so ist nach (3) und (4) für jeden Punkt Q von UA 


KV) -AHQ)=SeE 


Nun kann man nach dem Borelschen FERIEN (S 59) 
endlich viele Punkte P,, P,,..., P,„ finden, so daß die Vereinigungs- 
menge der zugeordneten Umgebungen U, , Ua, -, U, die ganze Punkt- 


$ 175 Gleichmäßige Konvergenz 177 
menge A enthält. Nennt man k,,k,,...,%, die den Punkten P,,P,,.-,P 


m 


zugeordneten Werte des Index k und bezeichnet man mit x die größte 
dieser Zahlen, so ist für jeden Punkt ? von A und für jedes k > x 


HP)=fP)-HAse 
Es ist also für jedes k > x 
BER? %,= @(p; A)SeE 
und, da & beliebig war, 
%,—0, 
d. h. die Konvergenz ist gleichmäßig auf A. 


175. Das Cauchysche Kriterium für konvergente Zahlenfolgen gibt 
uns eine Handhabe, um die Theorie der gleichmäßigen Konvergenz von 
Funktionenfolgen weiter auszubauen. 

Es seien die Funktionen f,(P) der Folge wieder endliche Funk- 


tionen; wir setzen 
v,(P) = obere Grenze von f424,(P) — frrz(P)i (P,q=0,1,2,3,...) 
Nach dem Cauchyschen Kriterium ($ 97) ist für die Konvergenz 
unserer Funktionenfolge gegen eine endliche Funktion notwendig und 
hinreichend, daß 
v,(P)—0 
in jedem Punkte P von A sei. 


Ist unsere Funktionenfolge gleichmäßig konvergent, so kann man 
jeder positiven Zahl & eine natürliche Zahl « zuordnen, so daß mit 


den Bezeichnungen des $ 171 für jedes k >x die Relation 9, < m statt- 
findet. Dann ist aber für jeden Punkt P von A und für k>x 


ferprelE) hr Sfr) H IR) herz (P)) 
s Yarpre r Dorp 


se 
und hieraus folgt 
GW; A) Se, 
und schließlich, weil & eine beliebige positive Zahl bedeutet, 
(1) u 6YW;A)=0. 


Bezeichnen wir mit @#,(P) die obere Limesfunktion von Y,(P), so 
ist nach dem $ 133, wenn wir mit A die abgeschlossene Hülle von A 
bezeichnen = 
Carath£&odory, Beeile Funktionen. 12 


178 Kap. III. Funktionen 8 176 


| GP; A) = @(Y,; A) 
und also nach (1) 5 
(2) lim 6 (P,; A)=0. 
k=o 


Wir sehen also, daß, wenn die gegebene Funktionenfolge f, (P), 
%(P),... gleichmäßig gegen die endliche Funktion f(P) konvergiert, 
die Funktionenfolge E, (P), P,(P),... auf der abgeschlossenen Hülle 
von A ebenfalls gleichmäßig und zwar gegen Null konvergiert. Umge- 
kehrt ist aber diese letzte Bedingung, die mit der Gleichung (2) und 
daher auch mit (1) gleichbedeutend ist, hinreichend für die gleichmäßige 
Konvergenz der Folge der f,(P); denn man hat in jedem Punkte 


(2) 2 lim If4,() - KB) IFCPI-ACB) 
und daher | 
GW; A) 8. 
Nun bemerken wir, daß die Funktionen P,(P) nach oben halb- 
stetig sind, und daß in jedem Punkte von A 


PP PrıP)>... 


ist. Ist nun A eine beschränkte Punktmenge, so muß die abgeschlossene 
Hülle A von A ebenfalls beschränkt sein; nach dem Satze des vorigen 
“ Paragraphen folgt aber dann, daß, wenn in jedem Punkte von A 


(3) lim #,(P) = 0 


ist, die Folge der P,(P) gleichmäßig gegen Null konvergieren muß; 
wir haben also den 

Satz 5. Für die gleichmäßige Konvergenz der Funktionenfolge der 
fx(P) auf ihrem Definitionsbereich A ist notwendig, daß in jedem Punkte 
der abgeschlossenen Hülle A von A 


lim #,(P)=0 
k=o» 
sei; diese Bedingung ist hinreichend, wenn die Punktmenge A beschränkt ist. 


176. Die vorigen Resultate geben uns die Mittel, folgenden merk- 
würdigen und wichtigen Satz zu beweisen, den man Herrn R. Baire 
verdankt: 

Satz 6. Es sei A eine Punktmenge, die perfekt, offen, oder der Durch- 
schnitt einer perfekten und einer offenen Punktmenge ist; ferner sei f(P) 
eine Funktion, die auf A definiert und im Kleinen beschränkt ist und die 
als Grrenze einer konvergenten Folge von auf A endlichen und stetigen 


$ 176 Gleichmäßige Konvergenz 179 


Funktionen (P) dargestellt warden kann. Dann ist f(P) immer höch- 
stens punktiert unstetig. 


Nach dem Satze 4 des $ 141 genügt es zu beweisen, daß für jedes 
gegebene positive e die Punktmenge M($<e), in welcher die Schwan- 
kung S(.P) von f(.P) kleiner ist als die Zahl e, überall dicht auf A liege; 
und dies ist nach dem Satze 3 des $ 77 stets der Fall, wenn für jede 
Umgebung U7 eines beliebigen Punktes P von A der Durchschnitt 


nicht leer ist. 
Wir führen die Funktionen ein: 
(2) x,(P) = obere Grenze von /f,,,„(P)— fı(P)|fürp=1,2,3,... 


und bemerken, daß, wenn wir zur Abkürzung 


9, (P)= frı(P) - fı(P)); 
und Q„,ı(P) gleich der größeren der beiden Zahlen 


pm(P) und frmrılP) -FrlP) 


setzen, die Folge der ,(P) monoton wächst und gegen x,(P) konver- 
giert. Wegen der Stetigkeit der Funktionen f,(P) auf A müssen die 
Funktionen g,(P) ebenfalls stetig sein und nach dem Satze 3 des $ 174 
sind die Funktionen y,(P) nach unten halbstetig. 

Hieraus folgt ($ 136, Satz 3), daß die Punktmenge 


M(u>4) 
relativ zu dem Definitionsbereich A der y,(P) offen ist und daher als 
der Durchschnitt einer offenen Punktmenge U, mit A dargestellt wer- 
den kann. 


Berücksichtigt man nun, daß nach dem Cauchyschen Konvergenz- 
kriterium ($ 97) in jedem Punkte von A 


(3) lim 4(P) = 
ist, so folgt, daß die Punktmenge 
(4) AU T,T,... 


leer sein muß. Wären nun sämtliche Punktmengen U, überall dicht 

auf AU, so könnte, weil A U? der Durchschnitt einer abgeschlossenen 

und einer offenen Punktmenge ist, nach dem Satze 5 des $ 78 der 

Durchschnitt von AU, mit U,U,T,... nicht leer sein, und dann 

könnte auch die Punktmenge (4) nicht leer sein. Hieraus folgt die 

Existenz einer natürlichen Zahl m, für. welche U, nicht überall dicht 
12” 


F4 


180 Kap. II. Funktionen 8 177 


auf AU? ist, oder, was gleichbedeutend ist, die Existenz einer offenen 
Teilmenge V, von U7, für welche 

V,A+0 und V,U,„A=0 
zugleich stattfinden. In jedem Punkte Q von V,A ist also für jede 


natürliche Zahl p j 
Am+p(®) = PACOI s 4 
und daher ist auch für die Grenzfunktion f(P) 


(9) KO) -MOI<H 


Wegen der Stetigkeit der Funktion f,(P) auf A können wir eine 
offene Teilmenge V von V, finden, die Punkte von A enthält, so daß 
für zwei beliebige Punkte Q), und Q, von VA die Relation 


(6) m) -— Im) < 
erfüllt ıst. Nun ist aber 


Fa) - Fa) < Im) ml) + FA) na + mA) FR) 
und wegen (5) und (6), weil ©, und Q, beide in V, enthalten sind, 


KA) -fQ)I<T- 
Es ist daher auch 


GHAN-IHANST<E 


und mithin, da V auch eine Teilmenge von U? ist, die nicht leere Punkt- 
menge AV in der Punktmenge (1) enthalten. Diese letzte Punktmenge 
ist also, wie wir zeigen wollten, ebenfalls nicht leer. 

Dieses Resultat ist um so bemerkenswerter, als die Grenzfunktion 
einer konvergenten und sogar einer monoton wachsenden Folge von 
nach oben halbstetigen und beschränkten Funktionen schon totalun- 
stetig sein kann. Man bezeichne z. B. mit r,,r,,... die abzählbar un- 
endlich vielen rationalen Punkte des Raumes und setze f,(P) gleich 
Eins in den Punkten r,, r,,..., r, und sonst gleich Null. Die Folge 
fh(P), fs(P), -.. ist dann monoton wachsend, sie besteht aus lauter 
halbstetigen Funktionen und die Grenzfunktion ist totalunstetig. 








Funktionen von beschränkter Variation. 
117. Es sei die Funktion f(x) im abgeschlossenen linearen Intervall 
(1) 1 SEeS% 
definiert und endlich. Wir zerlegen dieses Intervall durch endlich viele 


8 177 Funktionen von beschränkter Variation 181 


Punkte &,,&,,...&,„ in (m +1) Teilintervalle; dabei seien die Bezeich- 
nungen so gewählt, daß, wenn wir zur Vereinfachung der Formeln noch 








eb, = Zu 
setzen, die Ungleichheiten | 


(2) << <in <a 
stattfinden. Nun betrachten wir alle Differenzen | 
(3) f(& +1) ey f(&0 | (k=0, l, Ba m), 


die einen positiven Wert haben, falls es solche gibt, und setzen ihre 
Summe gleich P, im Falle aber, daß keine der Zahlen (3) positiv ist, 
setzen wir P=0. Ebenso nennen wir — N die Summe der negativen 
Zahlen, die in (3) vorkommen, und setzen N=(0, wenn keine negativen 
Zahlen in (3) enthalten sind. Jeder Zerlegung (2) sind also die Zahlen 
P und N eindeutig zugeordnet und diese genügen den Beziehungen 


(4) | Pz0,Nz0, 
(5) fe) -fa)=-P-N, 
(6) P+ N=-2 f&ı) fl 


Wir bezeichnen mit p(zx,, 24), n(z,, %,) und Z(z,, x) die oberen 
Grenzen der Zahlen P, N und (P+N), wenn man die Intervallein- 
teilung (2) beliebig variiert; die Zahlen p(x,,2,) und n(x,, 2,) werden 
die positive bzw. die negative Variation der Funktion f(x), die 
Zahl t(z,, 2) die totale Variation dieser Funktion im Intervalle (1) 
genannt. 

Wegen (4) ist für jede Intervalleinteilung 


P<P+N<ta,s) 
und daher auch 
(7) P(z,, 2%) < tz, 2%); 
und ebenso findet man 
(8) Nn(2,,%) SUR, %)- 


Anderseits folgt aus 
P+N<Sspla,32) tra, 2%), 
weil diese Ungleichheit für jede beliebige Intervalleinteilung (2) gilt, 
(9) 4%,,%) Sp(&, 2%) + rl, 2). 


Die Relationen (7), (8) und (9) zeigen, daß die Variationen der 
Funktion f(x) entweder alle drei endlich, oder daß die totale Variation 


182 Kap. III. Funktionen 8 178 


und mindestens eine der beiden anderen gleich + oo sein müssen. Im 
ersten Falle nennt man die Funktion f(x) von beschränkter Variation 
im abgeschlossenen Intervall (1). 

Es seien &,, %,, 2, drei Punkte, die der Bedingung 2, <z,<z, 
genügen, und f(x) sei im abgeschlossenen Intervall 


(10) 1 SeSy 


definiert. Jeder Intervalleinteilung des abgeschlossenen Intervalls 
x, <xz< x, entspricht nach dem Früheren eine nicht negative Zahl P; 
ebenso ordnen wir jeder Einteilung von , <r<Sz, in endlich viele 
Intervalle die Zahl P’ zu. Es ist dann stets 


P+P’<p(2,, 3) 
und daher auch 
(11) P(&%,%) + Play, 23) SP(&,, %)- 


Wir betrachten anderseits irgend eine Intervalleinteilung des ab- 
geschlossenen Intervalls (10) und die zugeordnete Zahl P”; durch 
‘ Hinzufügung des Punktes x, zu den übrigen Teilungspunkten erhalten 
wir eine neue Intervalleinteilung mit der zugeordneten Zahl P*. Dann 
ist aber stets 

P’<sP* und P*<p(a,2) + P(%, 2%) 


und daher, weil P” einer beliebigen Intervalleinteilung von (10) zu- 


geordnet war, A 
| P(2,, 25) Sp(@ı, 23) + Par, 2). 


Diese letzte Relation mit (11) verglichen, liefert endlich 


(12) P(2,, 3) = Pla, %) + P(%,, %,) 
und ebenso findet man 
(13) N, %) = N(&,, X) + nlay, 2%). 


178. Wir nehmen jetzt an, daß f(x) im Intervalle x <z<z, 
von beschränkter Variation sei. Wegen der Gleichung (5) des vorigen 
Paragraphen ist für jede der betrachteten Intervalleinteilungen 

P=N+ (fa) —-fa))snla,%) + (fa) fa), 
N=-P- (fa) - fa)) Spa, %) — (fa) — fi) 


und daher auch 


P(%, 2) <nla,2) + (fa) — fa), 
n(2,,2%) <p(a,, 2) — (fa) — fa). 


$ 179 Funktionen von beschränkter Variation 183 

Schließlich folgt aus den beiden letzten Relationen die Gleichung 
(14) fa) — fi) = Pla, 2) na, 23). 

Wir wollen jetzt die totale Variation i(z,, 2,) berechnen; man hat 
für jede der betrachteten Intervalleinteilungen 

Ka, a)ZP+N 
und nach dem Vorigen | 
P+N=P+(P- (fa) - fa) 
-2P+n(2,%) —- 22,2%). 
Es ist also stets 

2,1) 22P+n(a&,,2) — P(2,, %) 
und daher, wenn wir in der letzten Relation P durch seine obere Grenze 
»(z,,%) ersetzen, und die Relation (9) des vorigen Paragraphen berück- 
sichtigen, 
(15) (2,2%) 5%, 2%) + 02,2). 

Bei Funktionen von beschränkter Variation ist also die totale 
Variation in einem Intervall stets gleich der Summe der positiven und 
der negativer Variation in diesem Intervall. 

Für monoton wachsende Funktionen verschwindet die negative 
Variation und die positive Variation ist gleich der totalen und gleich 
der Differenz (f(x,) — f(x,)); unsere jetzige Terminologie deckt sich also 
in diesem Falle mit derjenigen, die wir im $ 152 benutzt haben. 


179. Es sei 
(1) A: a<e<b 
ein beliebiges lineares Gebiet ($ 147) und f(x) eine Funktion, die auf 
A definiert ist und die auf jedem abgeschlossenen Intervall 2, <<», 
dessen Endpunkte in A liegen, von beschränkter Variation ist. Wir 
wollen dann sagen, daß die Funktion f(x) innerhalb des Gebietes A 
von beschränkter Variation ist. | 
Es sei x, ein gegebener fester Punkt und x ein beliebiger Punkt, 
die beide in A liegen. Wir führen zwei Funktionen p(zx) und n(z) 
durch die Gleichungen ein: 


‚ pla) = fa) +Pla,r) füre>z, 
n(z) = n(%o, = » E>%n 
(2) r(2)=f(&), nl) = 
p(e) = flo) Pe, oe für ı<m, 
n(x) = — NE, » F<m- 


184 Kap. II. Funktionen g 179 


a m m LI nn 


Die beiden letzten Relationen des $177 zeigen uns dann, daß, wenn 
X, %, zwei beliebige Punkte von A bedeuten und z, < x, ist, die Glei- 


chungen | 
(3) 2) - pP) = ra, 2%), 
(4) n(2) — n(z,) = n(2,, 2) 


gelten müssen; und es ist daher 


f(x) — f(x) = (pa) — pa) — (no) — 0%) 
oder nach (2) | 
(5) fi@) = p(a) - n(e). 
Nun sind nach den Gleichungen (3) und (4), weil die Zahlen p(z, ,,) 
und % (z,, &,) ihrer Bedeutung nach nicht negativ sein können, die Funk- 


tionen P(x) und n(x) monoton wachsend; die Gleichung (5) liefert also 
den Satz: Ä 


Satz 1. Jede Funktion f(x), die innerhalb eines linearen Gebietes A 
von beschränkter Variation ist, ist die Differenz von zwei monoton wachsen- 
den Funktionen, die in diesem Gebiete definiert sind. 


Es seien umgekehrt p(x) und Y(2) zwei monoton wachsende Funk- 
tionen, die auf A definiert sind und 


(6) f(x) = pa) — v(@). 


Ist dann, wie im vorigen Paragraphen irgendeine Einteilung des abge- 
schlossenen Intervalls x, <x<x,, dessen Endpunkte in A liegen, durch 
die Punkte 


7) | << <i.< iur 


=, X Enyı 


charakterisiert, so folgen aus der Tatsache, daß stets 


ze (H6,r1) ve) S f&r+ı) - f&) Ss (P(&r+ 1) — (8) 
gelten muß, die Ungleichheiten 


(8) ı Fo) - pa), 
| N< v2) — Ya), 


wobei P und N dieselben Bedeutung wir früher haben. Die Relationen (8) 
zeigen, daß die Zahlen P und N für jede Einteilung des betrachteten 
Intervalls unterhalb fester Schranken liegen, so daß die Funktion f(x) 
innerhalb des Gebietes A von beschränkter Variation sein muß. Wir 


8 180 Funktionen von beschränkter Variation 185 





können also die Funktionen p(x) und n(x) wie oben bilden und es ist 
stets nach (8) 


(9) | Pl) - Pr) <S pl) - Pla), 
n(%)— nn) < vl) — Ya). 
Satz 2. Jede Fumktion f(x), welche in einem linearen Gebiet A die 
Differenz von zwei dort monoton wachsenden Funktionen p(x) und v(x) 


ist, ist von beschränkter Variation innerhalb des Gebietes A. Insbesondere 
besitzt jede in A monotone Funktion diese Eigenschaft. 


180. Aus der Definition der beschränkten Variation einer Funktion 
innerhalb eines Gebietes A folgt unmittelbar der Satz: 


Satz 3. Sind zwei Funktionen f,(x) und f,(x) im linearen Gebiete A 
definiert, und hat man für je zwei Punkte x, und x, von A 
Aka) - ha) sIh) <A); 
so ist die Funktion f,(x) von beschränkter Variation innerhalb A, wenn 
dasselbe von f, (x) gilt. 


Berücksichtigt man, daß stets 
I) If) SI) Fa)l; 
so folgt aus dem vorigen Satz folgender: 
Satz 4. Ist innerhalb eines Gebietes A die Funktion f(x) von be- 
schränkter Variation, so gilt dasselbe von |f(z)|. 
Ferner haben wir noch die Sätze: 


Satz 5. Sind f(x) und f,(x) von beschränkter Variation innerhalb 
eines (rebietes A, so gilt dasselbe von ihrer Summe, ihrer Differene und 
ihrem Produkte. 


Es folgen nämlich aus 
ha) =) nn), 
fs(&) = ps(2) — n,(®) 
die Gleichungen 
ka) +th@)= mW +R@) - nd +rM), 
na) - ka) = mW tn) - mW +PR)). 
Ferner kann man, wenn x, einen beliebigen Punkt von A bedeutet, von 
den Funktionen p, (2), n, (x), 2,(x) und n,(x) voraussetzen, daß sie für 


2>x, nicht negativ sind, denn die hier in Betracht kommenden Eigen- 
schaften dieser Funktionen bleiben erhalten, wenn man jeder von ihnen 


186 Kap. II. Funktionen 8 180 


eine und dieselbe Konstante hinzuaddiert. Dann folgt aus 


(a) A) = (ROHR) — (MR) +2,00), 


daß das Produkt f,(x)-f,(x) für 2>x, von beschränkter Variation ist. 
Und dieses gilt, weil x, ein beliebiger Punkt von A war, für das ganze 
Gebiet A. 

Satz 6. Ist f(x) innerhalb des Gebietes A von Null verschieden und ist 
in jedem abgeschlossenen Teilintervall von A die Funktion 

1 

. f@ 
beschränkt, so ist sie inmerhalb A von beschränkter Variation, wenn f(x) 
es ist. 








Für jeden Punkt eines beliebigen abgeschlossenen Intervalls 
x, <x2<a,, das in A liegt, ist nach Voraussetzung 


ap 


für zwei beliebige Punkte &, und &,,, dieses Intervalls hat man daher 
en 2 

f(&+1) fd =] s u If(&+) f(&)l 

und hieraus folgt schon die Behauptung. 


Satz 7. Sind f(x) und fs(x) zwei Funktionen von beschränkter Va- 
riation innerhalb A und bezeichnet man mit P(x) die größere, mit dv (x) 
die kleinere der beiden Zahlen f(x) und f,(x), so sind diese beiden Funk- 
tionen ebenfalls von beschränkter Variation innerhalb A. 


In der Tat ıst 
P(z) = Ana one] 





ya) Othmar, 


und daher der zu beweisende Satz auf die vorhergehenden zurückgeführt. 

Ist f(x) eine Funktion von beschränkter Variation innerhalb A, so 
folgt aus ihrer Darstellung als Differenz von zwei monoton wachsenden 
Funktionen p(x) und n(x) unmittelbar, daß für jeden Punkt x von A 


die Zahlen 
(a) [ fa+)=p(e +) —n(c+0), 
| \ fe —0) =p(2 —0) - n(2—0) 


existieren und, weil 9(z +0) und n(x-+0) monoton wachsend sind, daß 
die Funktionen (1) ebenfalls von beschränkter Variation sind. 


$ 181 Funktionen von beschränkter Variation 187 

Bemerkt man, daß die obere Limesfunktion ®(x) und die untere 
Limesfunktion g(x) von f(x) gleich der größten bzw. kleinsten der 
drei Zahlen 

fe —0), fi), f(@+0) 

ist, so folgt als Anwendung des letzten Satzes: 

Satz 8. Die Limesfunktionen einer Funktion, die innerhalb eines Ge- 
bietes A von beschränkter Variation ist, haben dieselbe Eigenschaft. 

181. Wir wollen jetzt die Unstetigkeiten einer beliebigen Funktion 
(1) f(@) = p(a) — n(a) | 


von beschränkter Variation untersuchen. Dazu bemerken wir, daß, wenn 
p(x) und n(x) dieselbe Bedeutung haben wie vorher und wenn mit E 
ein beliebiger Punkt von A bezeichnet wird, die Zahlen 


(2) p(E+0)—p(E) und n(&+0)—n() 


nicht beide zugleich von Null verschieden sein können. Wäre 
dies nämlich der Fall, und mit A die kleinere dieser beiden Zahlen be- 
zeichnet, so führe man eine Funktion y(z) ein, die fürx < & verschwin- 
det und für x >& gleich h ist. Dann sind die beiden Funktionen 
ya)=pla) za) und Yla)=n(a) — x) 

monoton wachsend in A, und es ist außerdem 

f(x) = Pla) — va). 
Sind nun x, und x, zwei beliebige Punkte von A, für welche z, <&£<a, 
ist, so hat man | 

pl) — plz) = Pl) - Pla) -h<p) Pa); 


was der ersten Relation (9) des $ 179 widerspricht. Ganz analog be- 
weist man, daß die Zahlen 


p(&)—-p(&—0) und n(&) — n(&—0) 
nicht beide zugleich größer als Null sein können. 
Hieraus folgt aber, daß für jeden Punkt x des linearen Gebietes A 


3) | \f@+0) — fo] = I(p@ +0) — pin) - (na +0) — nW)| 
= (PEN - pa) + na +) — nm) 
sein muß, und genau ebenso findet man die Gleichung 


If) —-f@-0)| = (Pia) — pta—0)) + (ne) — n@—0). 


188 Kap. m. Funktionen 8 182. 183 








Aus den beiden letzten Gleichungen folgt der Satz: 
Satz 9. Für die Stetigkeit einer Funktion von beschränkter Variation 


fa) = p(a) — n(z) 

in einem Punkte x von A ist notwendig und hinreichend, daß die beiden 
Funktionen p(x) und n(x) in diesem Punkte stetig seien. Insbesondere ist 
jede stetige Funktion, die innerhalb des Gebietes A von beschränkter Varia- 
tion ist, die Differeng von zwei monoton wachsenden stetigen Funktionen. 

Nach diesem ist die Menge der Unstetigkeitsstellen von f(x) iden- 
tisch mit der Vereinigungsmenge der Unstetigkeitsstellen von p(x) und 
von n(x) und daher wie diese ($ 151, Satz 7) höchstens abzählbar. 

Satz 10. Die Menge der etwaigen Unsteligkeitsstellen einer Funktion 
von beschränkter Variation ist höchstens abzählbar. 


182. Unter Diskontinuität der Funktion f(x) von beschränkter 
Variation in einem Punkte, wo diese nicht stetig ist, verstehen wir die 


De) = |fe+0) -K@)i + fe) Me) 
nach den Gleichungen (3) und (4) des vorigen Paragraphen ist dann 
D(&) = (pe +09) - pa —0) + (ne +9) nn —0)). 

Unter totaler Diskontinuität der Funktion f(x) in einem ab- 
geschlossenen Intervall 2, <x<x, verstehen wir die Summe von 
fa, +0) — fa) 'f(x,) — f(x, — 0)! und von allen Diskontinuitäten 
von f(x), die im Innern des Intervalls stattfinden. Die letzte Gleichung 
in Verbindung mit den Gleichungen (3) und (4) des vorigen Paragraphen 
und mit Berücksichtigung des $ 152 führt zu folgendem Satz: 

Satz 11. Bezeichnet man mit D(x,,%), D,(z,, 2;) und D,(& X) 
die totalen Diskontinuitäten der Funktionen f(x), p(x) und n(x) im abge- 
schlossenen Intervall x, Sx < x,, so ist stets 


D(a, X) = D (&, %g) Fr D,(& %). 


Die Gleichung (15) des $ 178 zeigt, daß in jedem abgeschlossenen 
Intervall x, Sr <a, die totale Variation von f(x) gleich der Summe 
der totalen Variation von p(x) und n(zx) ist; vergleicht man dieses Re- 
sultat mit dem obigen Satze, so folgt aus dem Satze 8 des $ 152 der 

Satz 12. In jedem abgeschlossenen Teilintervall des Gebietes A ist die 
totale Diskontinuität einer Funktion f(x) von beschränkter Variation nie 
größer als ihre totale Variation. 


183. Es seien, wenn man mit den obigen Bezeichnungen 


Ü) f(@) = plz) — n(z) 


$ 183 Funktionen von beschränkter Variation 189 





setzt, Pl), 9,2), d,(x) und Y%,(x) vier monoton wachsende Funk- 
tionen, die im Gebiete A definiert sind und die den Bedingungen 


(2) p(z) = Yıl8) + PR), ne) = Hl) + V2@) 
genügen. Es sind dann, wenn man 
(3) fı(2) = 9ı(®) - vıl@), Frla) = prla) — %r(a) 
setzt, die Funktionen f,(x) und f,(x) von beschränkter Variation und 
(4) fe) ha) + re). 
Setzen wir jetzt mit unseren früheren Bezeichnungen 
(5) hm) nl), Aa)=mla) — Ne), 


so folgt nach der ersten Relation (9) des $ 179, wenn x’ und x” zwei 
beliebige Punkte des Gebietes A bedeuten, und 2’< x” ist, aus (3) und (5) 


(6) Pı I) —- ne) <ple”) — pl), 
() 2,2) - mE) Speer) le); - 
anderseits ist nach (4) und (5) 

f(2) = (no) +2) — (na) + na), 


und da die beiden Funktionen (9, (&) + p,(x)) und (n, (©) +n,(2)) monoton 
wachsend sind, muß nach derselben Relation 


8) la) - Pla) < (pe) + na) - (Die) +) 
stattfinden. Wäre nun eine der Relationen (6) oder (7) eine nn 
heit, so hätte. man mit Hilfe von (2) 


Pa) te) - (Ba) + Re) <pla”) Pl”), 

was der Bedingung (8) widerspricht. Also muß in jeder der Relationen 
(6) und (7) das Gleichheitszeichen gelten, woraus man sofort entnimmt, 
daß sich die Funktionen p, (x) und p,(x) nur um Konstanten von p, (2) 
und p,(x) unterscheiden. Aus (3) und (5) folgt alsdann, daß %,(x) 
und %,(z2) sich von n, (2) und n,(x) ebenfalls nur um Konstanten unter- 
scheiden. Es muß daher in jedem abgeschlossen Teilintervall von A 
erstens die totale Variation von f,(x) gleich der Summe der Variationen 
von p,(x) und %,(x) sein, und zweitens nach dem Satze 11 des vorigen 
Paragraphen die totale Diskontinuität von f,(z) gleich der Summe der 
totalen Diskontinuitäten von p,(z) und Y, (x). 

Bestimmt man also in den Gleichungen (2) — wie es nach dem 
Satze 9 des $ 153 stets möglich ist — die Funktionen 9,(x) und 
4, (x) derart, daß in jedem abgeschlossenen Teilintervall von A ihre 
totalen Diskontinuitäten gleich ihren eigenen Variationen sind, so muß 


190 Kap. II. Funktionen. Funktionen von beschränkter Variation $ 184 


auch stets die totale Diskontinuität von f(x) gleich ihrer totalen Varia- 
tion sein. Nach dem soeben erwähnten Satze sind dann die Funktionen 
 @,(z) und Y%,(x) stetig, und das Gleiche gilt dann auch von f,(x). Ferner 
ist in jedem Punkte von A die Diskontinuität von f(x) gleich der Dis- 
kontinuität von f, (x), denn es ist, wegen der Stetigkeit von f,(x), 


fa+9-fa)=h@+N)- fa), fFa-09)—- fa) =fle-0) —@) 
Alles in allem haben wir den 

Satz 13. Jede auf einem linearen Gebiete A definierte Funktion f(x), 
die von beschränkter Variation innerhalb A ist, ist die Summe von zwei 
Funktionen f(x) und f,(x), die ebenfalls von beschränkter Variation inner- 
halb A sind, von denen die erste in jedem abgeschlossenen Teilintervall 
von A eine totale Diskontinuität besitzt, die gleich ihrer eigenen totalen 
Variation und auch gleich der totalen Diskontinuität von f(x) in diesem 
Intervall ist, und die zweite eine stetige Funktion bedeutet. 


Die Schlüsse des $ 154, die man auch hier machen kann, zeigen 
uns ferner, daß die Funktionen f, (x) und f,(x) durch die von ihnen ver- 
langten Eigenschaften bis auf additive Konstanten eindeutig festge- 
legt sind. 


184. Es gibt stetige Funktionen, die in keinem Teilintervall von A 
von beschränkter Variation sind. Man betrachte das Intervall a <x<b, 
wob=a-+h ist, und in diesem Intervall die Punkte 


h 
zy=atz (k=1,2,3,...) 
Hierauf definiere man eine Funktion p(x; a,b) folgendermaßen: 
1) y(z;ab)=0 für z>bundzsa, 


c h h 
2) ya), PR)=0, Pya)=z, Pa), ..., 
3) _(x) soll linear sein, in jedem der Intervalle 
b2I7>2., HB 27225 3+& 
Die Funktion g(x) ist stetig, aber ihre totale Variation im Inter- 
vallea <x<h ist gleich + oo. 
Nun bilde man folgender- 


maßen eine Folge von stetigen 
Funktionen f(x), fa(&), - - -: 


man setze 
f,(&) — p(z; 0, 1), 


fi(&) ist stückweise 
linear; das größte Teilintervall von O<x<1, in dem f, (x) linear ist, 










„R<----- 


Fig. 16. 
T, 8 b 


8185 Kap.IV. nn und Zusammenhang. Entfernung von Punkten 191 
ist das Intervall + T <1. Man setze 
ı ka +PE 1). 
Die Funktion f,(x) ist stückweise linear. Es gibt zwei Teilintervalle 
von größter Länge, in denen f,(x) linear ist; das sind die Intervalle 
ı<z<t und 3<a<il. 


KA) treten D- 
Die Funktion f, (x) ist ebenfalls stückweise linear und enthält vier größte 
Intervalle, in denen sie linear ist; das sind die Intervalle 


3<e<ı s<aıch s<e<h s<a<i. 
Wiır setzen 


Std) trete dt DM 


Indem man auf diese Weise fortfährt, erhält man eine monoton wachsende 
Folge von stetigen Funktionen, die gleichmäßig konvergieren und folg- 
lich eine stetige Funktion f(x) als Grenzwert haben. Denn es ist 


K)-N)<H A -RAD)<H, ud -A)<z 


Außerdem ist aber die Funktion f(x) in keinem Intervall <x<ß, das 
einen Punkt von O<x<1 enthält, von beschränkter Variation. Die 
totale Variation der Grenzfunktion f(x) in diesem Intervall ist nämlich 
mindestens gleich der totalen Variation i,(«, ß) von jeder einzelnen 
Funktion f,(x), und diese ist gleich + oo, sobald das Intervalle <r<ß 
ein Teilintervall enthält, das man in der Gestalt 


N age, ((<m<2+-1) 


Man setze 





schreiben kann. 


Kapitel IV. Entfernung und Zusammenhang. 


Entfernung von Punkten. 


185. Unter Entfernung von zwei Punkten P und Q des n-dimen- 
sionalen Raumes mit den Koordinaten 


(1) 
Q: Yır Yar- + +, Um 
versteht man den Ausdruck 


2) E(P,Q)- =E(g, P)=-Y(a, — y)+ + (9 — wert y)?. 


es RE ER 


192 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang $ 186 





Von diesem Ausdrucke haben wir bewiesen, daß er eine stetige 
Funktion der 2% Veränderlichen 2, ....x,, Yı --. y, ist ($ 163) und so- 
mit eine stetige Funktion des Punktes P bei festgehaltenem Q oder des 
Punktes @ bei festgehaltenem P ($ 166). 

Aus der Stetigkeit von Z(P, Q) als Funktion von P allein folgt, 
daß, wenn r, eine beliebige positive Zahl und Q einen festen Punkt be- 
deutet, die Punktmenge 
(3) E(P,Q)<n 
eine offene Punktmenge sein muß ($ 136, Satz 4). 

Die Punktmenge (3) deckt sich für n= 1 mit dem linearen Intervall 


Y=n<Ee<YHTr 
für a=2 nennt man sie einen Kreis, für n>3 eine n-dimensionale 
Kugel mit dem Mittelpunkte 

Q: Yır Yo» ee, Yı 


und dem Radius r,. Wir werden aber im Folgenden um den Wortlaut 
zu vereinfachen auch dann von Kugeln sprechen, wenn wir über die 
Dimension n des betrachteten Raumes nicht vorausgesetzt haben, daß 
sie mindestens gleich 3 sein muß. 

Eine Kugel X(@;r,) mit dem Mittelpunkte @ und dem Radius r, 
ist also für uns immer die offene Punktmenge (3); da sie ihren Mittel- 
punkt Q enthält, so ist sie eine Umgebung von @ (8 52). 


Man bezeichne mit W(Q; r,) den Würfel 
wer): y-n<am<ytn. k=12...,n) 


Für jeden Punkt P der Komplementärmenge von W ist mindestens für 
ein k 


und daher nach (2) 


a—-Yy\ızn 
E(P,Q)2r- 


Die Kugel K(Q;r,) ist also eine Teilmenge des Würfels W(Q;r,) und 
demnach eine beschränkte Punktmenge. 


186. Die abgeschlossene Hülle ($ 72) einer Kugel X(Q;r,) nennen 
wir eine abgeschlossene Kugel und bezeichnen sie mit X (Q; r,). 


Die Gesamtheit A aller Punkte P, für welche 
(4) | EP,Q)<n 
ist, ist eine abgeschlossene Punktmenge ($ 136, Satz 4), die K(Q; r,) 
enthält; es ist also — 
K(Q;n) <A. \ 


8 187 Entfernung von Punkten 193 


Anderseits ist jeder Punkt P von A entweder ein Punkt von X(Q; r,), 
oder ein Punkt, für welchen 


(5) E(P,Q)=n 
ist. Dann muß aber in (2) mindestens eine unter den Zahlen (&,— y,)+0 
sein; es sei 2.B. 

zey th: h+#0 
Ein Punkt P’, dessen sämtliche Koordinaten außer der kten mit denen 
von P zusammenfallen und für welchen als kte Koordinate 

zu =y+%h 0<9<1 
genommen wird, genügt aber der Bedingung 

E (P 3 Q)< Ny5 | 

weil die Funktion Yu eine stets wachsende Funktion von u'ist (8 161). 


Hieraus folgt, daß jeder Punkt, welcher der Gleichung (5) genügt, 
Häufungspunkt von X(Q; r,) ist, und daß folglich 


K (9; r,) = A 


sein muß. Die abgeschlossene Kugel K (Q; r,) ist also iden- 
tisch mit der Punktmenge 


E(P,Q)<r. 


187.. Der Dreieckssatz. Sind P, Q und R beliebige Punkte im 
n-dimensionalen Raume, so ist stets 
E(P,Q)<E(P, R) + E(Q, R). 


Es seien x, die Koordinaten von P, y, die Koordinaten von Q und 
2, die Koordinaten von R; dann ist zu be- R 
weisen, daß stets 


v3 (WS 
v3 a)’ + v3 Y— 2) 
stattfindet. 
Setzen wir ,—2,=8&, und y— 2, =, So geht dies über in: 


a) VIEW SV IE +V Im. 


Verschwinden sämtliche &, (oder sämtliche n,), so ist die Relation (1) 
Carathsodory, Reelle Funktionen. 18 


Fig. 17. 


nn nn nn nn mn a nn m nn — 


evident. Wenn dies nicht der Fall ist, so erhebe man diese Relation ins 
Quadrat und es ist nur noch zu beweisen: 


I&-W’< I + In2+2V I. In. 


Führt man links die Quadrate aus, so heben sich 8? und n,? weg 
und es bleibt, nachdem man noch rechts und links durch 2 dividiert hat: 


(2) h It | = > MS v3 & > N 


a > 6 > 0, 
so ist die Ungleichheit (2) erfüllt, der Satz also richtig. Ist dagegen 
Zum <0, 


so ist keine Seite von (2) negativ und die zu beweisende Ungleichheit 
äquivdlent mit 


(3) (> En) < > Er > N 


'Um die Relation (3) zu beweisen, gehen wir von der Ungleichheit aus 
0 SZ, + u) 


die für alle A und u gilt, weil die rechte Seite eine Summe von Qua 
draten ist. Setzen wir 


a- I b- Zi 0- In 
so 18t 


(4) O<Z ZA, + um)? — ar +2biu + cu? 


für alleA und u. Uns interessiert nur der Fall a>0, da füra=0, d.h. 
im Falle des Verschwindens sämtlicher &,, der Dreieckssatz schon be- 
wiesen ist. Setzen wir dann 


b 
Am — a und u > 1 y 
so nimmt die letzte Ungleichheit die Form an 


ac—b? 
(5) 0<a 2b re — z 





, 
und da a positiv ist, folgt daraus 
b’<ac, 


was sich in unserer neuen Bezeichnung mit der zu beweisenden Un- 
gleichheit (3) deckt. 


R 


8 188 Entfernung v von Punkten 195 





188. Wir wollen noch untersuchen, wann das Gleichheitszeichen 
stattfindet, d.h. wann zwischen drei Punkten P,@, R des n-dimensio- 
nalen Haumss die Relation 


E(P, Q)=E(P,R) + E(R, Q) 


besteht, unter der Voraussetzung, daß P und Q voneinander verschiedene 
Punkte sind. 
Nach den Schlüssen des vorigen Paragraphen kann dies nur dann 
der Fall sein, wenn 
DA 


ist, oder wenn b°°— ac=O ist. 


Die Relation (5) des vorigen Paragraphen zeigt aber im letzten _ 
Falle, wenn man sie mit (4) vergleicht, daB dann 


(6) > (- 2 & + 1° - (0 


ist; und da die Summe (6) aus lauter nicht negativen Gliedern besteht, 
Bo muß jedes einzelne für sich vasehumnden, d.h. man hat, wenn man 
die Bezeichnung 


b 
— — T 
a 
einführt, | 
(7) n=-—1tE, (k=1,2,...n0). 
Es muß also entweder «= sein, oder die Größen n, sind den &, 
proportional. 
Wir fragen nun nach Werten von r, für welche die Gleichung 


VI&+rEsr- VIE + V DIriR, 


die man durch Einsetzen von (7) in (1) erhält, richtig ist. Dies liefert, 
wenn, wie es sein soll, alle Wurzelzeichen positiv genommen werden, 


i+rl-1+]el 
eine Gleichung, die offenbar nur für poaltiye Werte von r oder für 
t=( erfüllt ist. 


Ersetzen wir in (7) die Größen &, und 7, durch die ursprünglichen 
Koordinaten von P, Q und R, so bekommen wir 


(3) +1 — 2) = 
oder 
1 
ie 
13* 


ua en a En Eee ee a 
7 nn nn nm nn nn 


wobei also die Bedingung r>0 in die Bedingung 0<t<1 übergeht, 
so erhält man 
(8) = (1-12, + ty, 
und ferner 
en 3 Y) mh AED aM: 

Der bisher ausgeschlossene Fall a = 0 entspricht aber dem Werte 
{= des Parameters; läßt man also den Parameter i das abgeschlossene 
Intervall 
(9) O<t<1 
durchlaufen, so erhält man aus (8) sämtliche Punkte, für welche das 
Gleichheitszeichen im Dreieckssatz gilt. 

Die Gesamtheit der Punkte R des Raumes, deren Koordinaten 
(2, £, -.. 2,) den Gleichungen (8) mit der Nebenbedingung (9) ge- 
nügen, nennt man die Strecke, welche P mit Q verbindet, und be- 
zeichnet diese Punktmenge mit P®. 

Abgesehen vom trivialen Fall, wo die drei Punkte P,Q und R 
alle zusammenfallen und die Entfernungen alle Null sind, lautet also 
der vollständige Dreieckssatz folgendermaßen: 

Für alle Punkte R der Strecke, welche zwei voneinander 
verschiedene Punkte P und Q des n-dimensionalen Raumes 
verbindet, ist 

E(P,Q)= E(P,R)+ E(R,Q); 
für alle übrigen Punkte des Raumes ist 


E(P,Q)<E(P,R)+ E(R,Q). 


Entfernung von Punktmengen. 

189. Definition. Es sei A eine beliebige Punktmenge und P 
irgendein Punkt des Raumes. Dann definieren wir als Ent- 
fernung E(P, A)zwischen dem Punkte Pund der Punktmenge A 
die untere Grenze aller E(P,Q), wenn @ ein beliebiger Punkt 
von A ist. 

Die Entfernung E(P, A) ist demnach eine Punktfunktion, die von 
P abhängt, wenn man A festhält, und eine Mengenfunktion, die von A 
abhängt, wenn man P festhält. 

Die Punktmenge A braucht hier durchaus nicht abgeschlossen zu 
sein; für abgeschlossene Punktmengen A gilt aber der Satz: 


8 190 Entfernung von Punktmengen 197 





Satz 1. Ist P ein beliebig gegebener Punkt und A eine abgeschlossene 
nicht leere Punktmenge, so gibt es mindestens einen Punkt Q, auf A, so daß 


E(P, Q,) = E(P, A) 


Es sei E(P,A)=d; die Zahl d ist endlich. Wir betrachten die 
abgeschlossene Kugel X (P; (d+1)) mit dem Mittelpunkte P und dem 
Radius (d4+1). Diese Kugel ist eine beschränkte Punktmenge, und der 
Durchschnitt AK (P;(d+1)) ist es also auch; als Durchschnitt von 
zwei abgeschlossenen Punktmengen ist er ferner abgeschlossen. Endlich 
ist dieser Durchschnitt nicht leer, denn es gibt Punkte von A, deren 
Entfernung von P kleiner ist als (d+ 1), da d die untere Grenze dieser 
Entfernungen ist. In dieser beschränkten und abgeschlossenen Punkt- 
menge muß aber die in Q stetige Funktion ZE(P, Q) in mindestens 
einem Punkte Q, ihre untere Grenze annehmen ($ 137, Satz 5). Nun 
ist nach Konstruktion Q@, ein Punkt von A und für jeden anderen 


Punkt © von A muß 
sein, sowohl wenn @ außerhalb der abgeschlossenen Kugel K oder 
in dieser liegt. Also ist, wie wir zeigen wollten, 
E(P, %) = KE(P, A). 
190. Es sei A eine beliebige Punktmenge und A ihre abge- 


schlossene Hülle Da A eine Teilmenge von A ist, so ist für jeden 
Punkt P des Raumes . 
(1) E(P,A)ZE(P,A). 

Nun gibt es nach dem vorigen Satze einen Punkt Q, von A, für 
welchen _ 
(2) E(P, A) = E(P, Q,) 
ist. Ist Q, nicht nur in A, sondern auch in A enthalten, so muß 


E(P, A)<E(P, Q,) 
E(P, A)=E(P, A) 


sein. Sonst muß Q, ein Häufungspunkt von A sein, und es gibt in jeder 
Umgebung von Q,, insbesondere in jeder Kugel mit dem Mittelpunkte 
Q, und dem beliebigen Radius e, Punkte Q, die zu A gehören. Für 
einen derartigen Punkt ist 

EQ,Q)<E, 


und nach dem Dreieckssatze ($ 187) ist demnach 
E(P, Q)<E(P, Q,) + E(Q, Q)<E(B, A) +. 


ist. 


und wegen (1) und (2) 
(8) | 


198 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 191 
Es ist also für jedes positive & 
E(P,A)<E(P,ÄA)+s, 
und mit Hilfe von (1) wird wieder die Gleichung (3) bestätigt. 


Wir haben also den 


Satz 2. Der Abstand E(P, A) eines Punktes P von einer beliebigen 
Pumktmenge A ist stets gleich dem Abstande E(P, A) zwischen P und 
der abgeschlossenen Hülle A von A. 

Insbesondere ist E(P, A) dann und nur dann gleich Null, wenn 
E(P, Q,) verschwindet, d.h. wenn P mit Q, zusammenfällt. Dazu ist 
aber hinreichend und notwendig, daß P ein Punkt von A sei. 


Ferner gilt auch der 


Satz 3. Jede Umgebung Ur eines Punktes P enthält eine Kugel 
mit P als Mittelpunkt. 

Es sei U’ die Komplementärmenge von Up; da P nicht zu U’ ge- 
hört, und auch, weil U’ abgeschlossen ist, kein Häufungspunkt von U” 
ist, so ist 


EP,N)=n+0. 


Die Kugel mit dem Mittelpunkte P und dem Radius r, ist daher 
vollständig in U enthalten. Nimmt man eine positive Zahl o < r,, 80 
ist sogar die abgeschlossene Kugel ‚mit dem Mittelpunkte P und 
dem Radius oe in U enthalten. 


191. Satz 4. Der Abstand E(P, A) swischen einem veränderlichen 
Punkte P und einer festen Punkimenge A ist eine im ganzen Raume stetige 
Funktion von P. 


Es sei Q ein beliebiger Punkt von A; nach dem Dreieckssatze hat 
man, wenn P, und P zwei beliebige Punkte des Raumes bedeuten 


und folglich, weil Z(P, A)<_E(P, ©) ist: 
E(P,A)<E(P, PR) + EP), 2). 


Da diese letzte Ungleichheit für jeden beliebigen Punkt Q von A 
gilt, ist also auch 
EP, A)< E(P, P,) + E(P,, A) 


und durch Vertauschung von P mit P, erhält man 
EP,A)SE(P,P,)+E(P,A). * 


8 192. 193 Entfernung von Punktmengen ‚199 


Hieraus folgt aber 
jE(P, 4) - B(P,, )| < E(P, P,). 
Ist jetzt & eine beliebige positive Zahl, so stellt die Ungleichheit 
E(P,P)<s 


bei veränderlichem P und festem P, eine Umgebung von P, dar, näm- 
lich die Kugel mit P, als Mittelpunkt und e als Radius. Für jeden 
Punkt dieser Kugel ist 


IE(P, A) 22; E(P,, A)| < €, 
d.h. die Funktion E(P, A) ist stetig im Punkte P, ($ 130, Satz 3). 


192. Definition. Als Entfernung E(A, B) zweier Punkt- 
mengen A und B definieren wir die untere Grenze aller 
E(P,Q), wenn P in A und @ in B liegt. 

Dann erkennt man zunächst, daß auch 
(1) E(A, B) = untere Grenze von E(P, B) für P<A 
ist. Es ist nämlich jedem Element der Zahlenmenge der E(P,Q) ein 


nicht größeres Element der Zahlenmenge der E(P, B) zugeordnet und 
daher sicher 


E(A, B) > untere Grenze von E(P, B) für P<A. 
Wäre nun wirklich 
| E(A, B) > untere Grenze von E(P, B), 
so müßte es mindestens ein P, in A geben, so daß 
E(A,B) > E(P,,D) 
ist. Hieraus würde aber die Existenz eines Q, in B folgen, so daß 
E(A, B) > E(P,, %): 
was aber der Definition von E(A,B) widerspricht. Also ist die Glei- 
chung (1) richtig und ebenso beweist man, daß 
(2) E(A, B) = untere Grenze von E(Q, A) für Q<B 
ist. 
193. Es seien A und B zwei beliebige Punktmengen, A und B 


ihre abgeschlossenen Hüllen. Dann ist zunächst, weil A eine Teilmenge 
von A und Beine Teilmenge von B ist, 


(1) E(A,B)<E(A,B). 


200 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang & 194 





Ferner sei & eine beliebige positive Zahl: man kann nach Definition 
einen Punkt P von A und einen Punkt Q von B finden, für welche 


) EP,D)<E(A,B+z 


ist. In der Kugel K (P 5) gibt es ferner mindestens einen Punkt P 
von A, weil P entweder Punkt oder Häufungspunkt von A ist. Ebenso 
gibt es mindestens einen Punkt Q von B in der Kugel X (9 i ) . Nun 
ist wegen des Dreiecksatzes 
E(P,Q)<E(P,P)+ E(P,Q) + E(Q, Q), 
und, wenn man (2) sowie auch die Relationen 
E(A,B<E(P,Q), E(P,P)<;, E(Q,Q)<, 
berücksichtigt, Be 
(3) E(A,B)<E(A,B)+e. 
Diese letzte Ungleichheit, die für jedes e gilt, liefert mit (1) ver- 
glichen den Satz: 
Satz 5. Die Entfernung von zwei beliebigen Punktmengen A und B 
ist gleich der Entfernung ihrer abgeschlossenen Hüllen A und B 
E(A,B)=E(A,B). 


194. Satz 6. Sind A und B zwei abgeschlossene Punktmengen und 
ist überdies die eine von ihnen, 2. B. A beschränkt, so gibt es einen Punkt 
P, in A und einen Punkt Q, in B, so daß 

E(P,, Q) = E(A, B) 
ist, und die Entfernung E(A,B) ist dann und nur dann gleich Null, 
wenn A und B einen gemeinsamen Punkt besitzen. 

Da die Funktion E(P, B) auf der abgeschlossenen und beschränkten 
Punktmenge A stetig ist, erreicht sie in einem Punkte P, von A ihr 
Minimum ($ 137, Satz 5) und es ist nach dem $ 192 

E(4,B)= E(P,, B); 


ferner gibt es wegen der Abgeschlossenheit von B einen Punkt Q, von B, 
für welchen 


E(P,, B) = E(P,, Q,) 


stattfindet ($ 189, Satz 1), womit der erste Teil des Satzes bewiesen 
ist. Der zweite Teil des Satzes folgt aber direkt aus der Tatsache, daß 





8 195. 196 Durchmesser 201 


E(P,, 9,) dann und nur dann verschwindet, wenn P, und @, zusammen- 
fallen. 

Bemerkung: Der Satz braucht nicht richtig zu sein, wenn keine 
der beiden Punktmengen beschränkt ist. Es seien z.B. A und B die 
abgeschlossenen Punktmengen der xy-Ebene 


A: z—0 für beliebige y, B: y-_- fürc+0. 


Diese Punktmengen haben keinen gemeinsamen Punkt und es ist 
doch E(A, B)=0. 

Durchmesser. 

195. Wir nennen Durchmesser einer Punktmenge A die obere 
Grenze der Entfernungen von zwei beliebigen ihrer Punkte und be- 
zeichnen diese Mengenfunktion mit D(A). 

Sind 

layer he 


die Koordinaten von zwei Punkten P und ® eines n-dimensionalen 
Würfels, dessen Kanten gleich a sind, so folgt aus der Formel (2) des 
$ 185 und aus den Ungleichheiten 

. — yı<a (k=1,2,...,n) 
die Relation 


E(P,Q)<ayn. 


Ist die gegebene Punktmenge A eine Teilmenge des Würfels W, 
so ist also auch ıhr Durchmesser 


D(A)<ayn; 


jede beschränkte Punktmenge hat also einen endlichen Durchmesser.. 
Ist umgekehrt der Durchmesser D(A)=o endlich und P, irgend 
ein Punkt von A, so ist A eine Teilmenge der abgeschlossenen Kugel 
K(P,;o) und da diese eine beschränkte Punktmenge ist ($ 186), so ist 
A ebenfalls beschränkt. Der Durchmesser einer Punktmenge ist also 
dann und nur dann endlich, wenn die Punktmenge beschränkt ist. 


196. Es sei A eine beschränkte und abgeschlossene Punktmenge, 

ö= D(A) 
ihr Durchmesser. Jedem Punktepaare P, @ von A mit den Koordinaten 
2: a, 


Q: Yıya--- 4 


202 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 197 


entspricht ein Punkt R des 2»-dimensionalen Raumes mit den Koor- 
dinaten | 


R: 2, %,.., 8%, Yır Yar ++, Yn- 

Wenn P und © jeder für sich die Gesamtheit der Punkte von A 
durchläuft, so beschreibt R eine Punktmenge B des 2»-dimensionalen 
Raumes. Diese Punktmenge B ist beschränkt und abgeschlossen. 
Letzteres sieht man sofort ein, wenn man bemerkt, daß, wenn 

R= (P f Q') 
ein Häufungspunkt von B ist, sowohl P’ als auch Q’ in A enthalten 
sein müssen, so daß R’ ın :B enthalten ist. 


Die Funktion 
ist, wie wir sahen, eine stetige Funktion im 2n-dimensionalen Raume; 
sie erreicht also ihr Maximum in einem bestimmten Punkt 
Ro = (P 0 %) 
der Punktmenge B, und es ist 
j D(A) = E(P,, Q)- 
Wir haben also den Satz: 


Satz 1. Auf jeder beschränkten und abgeschlossenen Punkimenge A 
gibt es zwei Punkte P, und Q,, deren Entfernung gleich dem Durch- 


messer von A ist: 
E(P,, Q) = D(A). 


197. Satz 2. Ist A die abgeschlossene Hülle einer beschränkten 
Punktmenge A, so ist der Durchmesser D(A) von A gleich dem Durch- 
messer D(A) von A. 


In der Tat ist A ebenfalls beschränkt, und es gibt zwei Punkte 
P, und Q, dieser Punktmenge, deren Entfernung gleich dem Durch- 
messer von A ist: 5 

E(P,, %) = D(A). 

Ist & eine beliebige positive Zahl, so liegt in jeder der Kugeln 
K (P;; ;) und X (96) mindestens ein Punkt P bzw. Q) von 4 und 
man hat 

D(A)<E(P,P)+ E(P,Q)+ E(Q, Q\) 
oder, wenn man 
E(P,„P)<3, E(P,Q)<D(A) ud E(Q,Q)<; 

berücksichtigt, 





8 198 Gleichmäßige Stetigkeit 203 
D(A)<D(A)+s; 
da dies für jedes positive & gilt, ist 
D(A)<D(A). 
Anderseits ist A eine Teilmenge von A und folglich 
D(A)<D(A). 


Der Vergleich der beiden letzten Ungleichheiten liefert den be- 
haupteten Satz. 





Gleichmäßige Stetigkeit. 


198. Es sei f(P) auf einer beschränkten und abgeschlossenen 
Punktmenge A definiert und dort beschränkt. Die Schwankung S(P) 
der Funktion /(P) ist dann ebenfalls eine beschränkte Funktion auf A und 
ihre obere Grenze u ist eine endliche Zahl. Nach dem Satze 3 des $ 140 
kann man jedem Punkte P von A nach Vorgabe einer positiven Zahl e, 
die nicht von P abhängt, eine Umgebung U> zuordnen, so daß für je 
zwei Punkte Q, und Q, von UpA die Bedingung 


(1) MO) -FO<SP+e<urte 
erfüllt ist. 

Da A beschränkt und abgeschlossen ist, kann man den Borelschen 
Überdeckungssatz anwenden (8 59). Es gibt nach ihm endlich viele 
Punkte P,, P,,..., P„ von A, so daB die zugehörigen Umgebungen 
U Oase U, von denen man voraussetzen kann, daß keine von 


ihnen den ganzen Raum ausfüllt, der Bedingung 
(2) . A<U,+TU,+-...+ U; 


genügen. Nun seien U/’, U,,..., U,, die Komplementärmengen von 
U, Q,,:.-, U; ist dann Q irgend ein Punkt des Raumes, so sind die 
Entfernungen 


(3) | E(Q, Ü,) (k=1,2,.. ., m) 


als Funktionen von Q endlich und stetig im ganzen Raum ($ 191). Be- 
zeichnet man mit g(Q) die größte der Zahlen (3), wenn k die Folge 
1,2,..., m durchläuft, so ist g(Q) ebenfalls eine durchweg stetige 
Funktion ($ 132, Satz 10). Auf der. beschränkten und abgeschlossenen 
Punktmenge A gibt es also einen Punkt Q,, so daß für jeden anderen 


Punkt ® von A 
(Q) > 9%) 


ist. Der Punkt Q, ist wegen (2) in mindestens einer der offenen Punkt- 


Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 199 





an 


mengen U,, U,,.. ., U, also z. B. in U, enthalten. Es ist daher ($ 194) 
E(%, U,) >0 


9(Q)=I>0; 
für jeden Punkt Q von A ist also 


und umsomehr 


(4) yMVz29>0. 
Nun seien Q, und Q, zwei beliebige Punkte von A, deren Entfernung 
(5) E(Q,, 9) <6 
ist. Da nach (4) 
y(Q)Z 6 
ist, so gibt es mindestens eine Punktmenge U,, so daß 
E(Q,0,))29 


ist; zugleich folgt dann aus (5), daß die Punkte Q, und Q, beide in 
der Komplementärmenge U, von U, enthalten sind, so daB für die 
beiden Punkte Q, und Q, die Relation (1) besteht. Hieraus folgt der 

Satz 1. Bezeichnet man mit u die obere Grenze der Schwankungen 
einer beschränkten Funktion f(P) auf einer beschränkten und abgeschlos- 
senen Punktmenge A, so kann man jeder positiven ‘Zahl & eine positive 
Zahl 6 zuordnen, so daß aus der Ungleichheit 


E(Q,, 9) <6 
AO) -FQ)Il<erte 


die Relation 


folgt. 

199. Ist insbesondere f(P) eine auf einer beschränkten und per- 
fekten Punktmenge A stetige Funktion, so kann man jeder positiven 
Zahl & eine positive Zahl d so zuordnen, daß, wenn Q, und Q, zwei be- 
liebige Punkte von A bedeuten, deren Entfernung kleiner als Ö ıst, die 


Relation 
| Fa) - FA) SE 


gilt, denn es ist hier u—=0. 

Diese Eigenschaft ist natürlich weitergehend als der bloße Begriff 
der Stetigkeit; nach diesem konnte man, wenn Q, festgehalten wird, 
eine Zahl d’(Q,) finden, welche dieselbe Eigenschaft wie oben Ö beßitzt. 
Diese Zahl ö’(Q,) variiert aber mit Q,, und es wäre denkbar gewesen, 
daß die untere Grenze von d (Q,), wenn @, die Punktmenge A be- 
schreibt, Null wäre, obgleich ö°(Q,) selbst für jeden Punkt dieser 
'Punktmenge von Null verschieden ist. Die Bedeutung ‚unseres Satzes 


8 200 Stetige Abbildung 205 





besteht aber eben darin, daß man die Funktion Ö’(Q@,) so bestimmen 
kann, daß ihre untere Grenze ö, von Null verschieden ist. Man kann 
also für ein gegebenes & dieselbe Zahl d, gleichmäßig für jeden Punkt 
Q, wählen und man drückt diese Eigenschaft der stetigen Funktionen 
aus, indem man sagt 

Satz 2. Auf jeder beschränkten und perfekten Punktmenge ist eine 
endliche und stetige Funktion gleichmäßig stetig. 


Ist die Punktmenge A nicht abgeschlossen, so ist der Satz nicht 
mehr richtig; dies kann z.B. an der Funktion 


1 
Vz / 
im Intervall O<x<{1 bestätigt werden. Das gleiche gilt, wenn A nicht 
beschränkt ist, wie aus der auf der ganzen x-Achse definierten Funk- 
tion y=a? folgt. 
Man kann unseren Satz auch folgendermaßen formulieren. Wir 
bezeichnen mit o(d) die obere Grenze der Zahlen . 


fQ) - FR) 


für alle Paare von Punkten, die voneinander um weniger als d entfernt 
sind. Die Funktion 6(d) von d ist monoton wachsend und unser Re- 


sultat läßt sich schreiben 
lim (6) =. 
d=0 


Stetige Abbildung. 


200. Ist jedem Punkte P einer Punktmenge A des n-dimensionalen 
Raunes ein Punkt P* eines m-dimensionalen Raumes eindeutig zuge- 
ordnet und nennt man A* die Gesamtheit der Punkte P*, die man 
erhält, wenn P in der Punktmenge A liegt, so sagt man, daB A auf 4* 
eindeutig „abgebildet“ ist und bezeichnet A* als das „Bild“ von A (8 83). 
Hierbei sind n und m zwei beliebige natürliche Zahlen; es kann sowohl 
n< m als auch n=m oder n>m sein. Es können mehrere, ja unend- 
lich viele Punkte P von A dasselbe Bild haben; wir sprechen z. B. 
auch dann von einer Abbildung, wenn A* sich auf einen einzigen 
Punkt reduziert. . 

Die analytische Darstellung einer derartigen Abbildung erhält man, 
indem man bemerkt, daß die Koordinaten des Punktes P* Zahlen sind, 
die durch die Lage von P innerhalb A eindeutig bestimmt sind, und 
daß man daher die Abbildung vollständig kennt, wenn man sich m Funk- 
tionen 


03) g,'P), 9(P),-.., pP) 


206 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang $ 201 


gibt, welche diese Koordinaten darstellen. Umgekehrt liefert jede 
Folge (1) von m endlichen Funktionen, die alle in der Punktmenge A 
definiert sind, die Abbildung von A "auf eine Punktmenge A* des 
m-dimensionalen Raumes. 


201. Die Abbildung, die durch das Funktionensystem (1) definiert 
ist, heißt in einem Punkte P stetig, wenn sämtliche Funktionen des 
Systems in diesem Punkte stetig sind. 

Ist die Abbildung stetig im Punkte P, und X(P;o) eine Kugel 
mit dem Mittelpunkte P und dem Radius p, so setze man 

B,=4:K(P;o) 


und bezeichne mit d(e) 5 Durchmesser des Bildes B,* von B,. 
Wir wollen zeigen, daß 
(2) lim de) — 
e=0 
ist. 

Ist nämlich 7 eine positive Zahl, so kann man Umgebungen U}? 
des Punktes Pfürk=1,2,..., m angeben, so daß für alle Punktepaare 
Q,, Q, des Durchschnitts einer derartigen Umgebung mit A 

(9) — MlQ)I<n 
ist. Führt man die Bezeichnung | 
T= UW.UP... Um 


ein, so ist Ur eine Umgebung von P und für hinreichend kleine Werte 


von 
ö K(P;g) < Ur. 
Das Bild Q,*, Q,* eines Punktepaares Q,, Q, von B, genügt dann 


der Bedingung . 
E(Q,*, 9*) <nYVm 
und es ist folglich auch 
d(g)<mYym. 


Aus der Tatsache, daß die letzte Zahl „ Ym durch geeignete Wahl 
von n einen beliebigen positiven Wert darstellen kann, folgt dann ohne 
weiteres die Gleichung (2). 

Umgekehrt sieht man aber, daß, wenn die Gleichung 2) gilt und 
wenn man o einen solchen Wert gibt, daß 

se)<e 
ist, für jeden Punkt @ von B, und für jedes k 


19(Q) — pP)! <e 


8 202 Stetige Abbildung 207 


ist, so daß die Funktionen (1) und folglich die Abbildung im Punkte P, 
stetig sind. 

. Die Bedingung (2) ist daher nicht nur notwendig, sondern auch 
hinreichend für die Stetigkeit der Abbildung in P. 


202. Wir nehmen jetzt an, daß die Abbildung in allen Häufungs- 
punkten einer abgeschlossenen und beschränkten Teilmenge B 
von A stetig ist. Wir wollen dann zeigen, daß das Bild B* von B 
ebenfalls beschränkt und abgeschlossen ist. 

Daß B* beschränkt ist, folgt direkt aus dem Satze 6 des $ 137, weil 
nach diesem Satze jede der m Funktionen ,(P) beschränkt ist, wenn 
Pin Bliegt. 

Es sei nun R* irgend ein Häufungspunkt von B*, falls ein solcher 
existiert; dann kann man eine abzählbare Teilmenge von unendlich 
vielen Punkten 


1) P*P*..., Pi... 


von B* finden, die gegen R* konvergiert ($ 114, Satz 4). Jeder der 
Punkte P,* der Folge (1) ist das Bild von mindestens einem Punkte 
von B, abör kann auch möglicherweise unendlich vielen solchen Punkten 
entsprechen. Jedenfalls können wir nach dem Auswahlaxiom (848) einen 
Punkt P, von B wählen, dessen Bild mit P,* zusammenfällt; auf diese 
Weise erhalten wir eine abzählbare Folge 


2) FEN 


von Punkten, die alle von einander verschieden und folglich i in unend- 
licher Anzahl vorhanden sind. 

Die in der beschränkten Punktmenge B liegende unendliche 
Folge (2) besitzt mindestens einen Häufungspunkt Q, der übrigens mit 
einem der Punkte P, Zusammenfallen kann. Wegen der Abgeschlossen- 
heit von B ist nun Q in BD enthalten und besitzt folglich ein Bild Q*, das 
in B* enthalten ist. Ferner ist nach Voraussetzung die betrachtete Abbil- 
dung von B auf B* stetig im Punkte ©. In jeder beliebigen Umgebung 
Ug+- von Q* liegt eine Kugel K(Q*;e) des m-dimensionalen Raumes, die 
Q* zum Mittelpunkte und & als Radius hat ($ 190, Satz 3). Nach dem 
vorigen Paragraphen kann man eine Zahl o finden, so daß das Bild P* 
eines jeden Punktes P von B, der innerhalb der »-dimensionalen Kugel 
K(Q;o) mit dem Mittelpunkte Q und dem Radius o liegt, um weniger 
als & von Q* entfernt ist. Nun enthält die Kugel K(Q;o) als Umgebung 
von @ unendlich viele Punkte der Folge (2), von der ja @ ein Häu- 
fungspunkt ist; also muß die m-dimensionale Kugel XK(Q*;e) und da- 
her auch die gegebene Umgebung Ug+ von Q* unendlich viele Punkte 


208 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 208. 204 


der Folge a) enthalten. Dieser Schluß gilt für jede Umgebung von Q*, 
woraus folgt, daß der Punkt Q@* ein Häufungspunkt der Folge (1) ist. 
Diese letzte Folge besitzt aber nach Konstruktion einen einzigen Häufungs- 
punkt, nämlich R*, also ist 

Q*— R* 
und hiermit ist bewiesen, daß R* i in D* enthalten ist, und ferner, daß 
B* abgeschlossen ist. 


203. Mit denselben Voraussetzungen wie im vorigen Paragraphen 
kann man nach dem Resultate des $ 198 (wenn man berücksichtigt, 
daß in unserem Falle die dort vorkommende Zahl u verschwindet) fol- 
gendes schließen: 

Es ist möglich, jeder positiven Zahl e>0 eine positive (von Null 
verschiedene) Zahl ö so zuzuordnen, daß, wenn P und Q zwei belie- 
bige Punkte von B sind und P* und Q* ihre Bilder in B* bezeichnen, aus 


E(P,Q)<0 


notwendig 
E(P*,Q%)<e 
folgt. 
Man wähle z. B. d als die kleinste der Zahlen 6, (k=1,2,..., m), 


wo die ö, so gebildet sind, daß für die Ungleichheit 


E(P,Q)<6, 
die Bedingung 


I9,.(P) = 9, (Q)| < gr 
besteht. 


| Kontinuen. 

204. Definition. Eine abgeschlossene Punktmenge, die aus 
mehr als einem Punkte besteht, heißt zusammenhängend, 
wenn man sie nicht in zwei abgeschlossene nicht leere 
Punktmengen zerlegen kann, die keine gemeinsamen Punkte 
besitzen. | 

Anders ausgedrückt: Die abgeschlossene Punktmenge A heißt zusam- 
menhängend, wenn man nicht zwei abgeschlossene Punktmengen A, 
und 4, finden kann, so daß 

A=A +4, 
se Eine zusammenhängende abgeschlossene Punktmenge heißt auch 
ein Kontinuum. 

Durch diese Definition ist noch nichts über die Existenz eines 
Kontinuums ausgemacht: es könnte ja sein, daß jede abgeschlossene 


$ 205 Kontinuen | 209 


Punktmenge sich in zwei abgeschlossene Punktmengen ohne gemeinsame 
Punkte zerlegen läßt. Die Existenz von Kontinuen werden wir erst später 
durch die Herstellung einer solchen Menge beweisen ($ 210); dies hin- 
dert uns aber nicht, eine Reihe von Eigenschaften der Kontinuen zu 
untersuchen, die aus der Definition selbst folgen. 


205. Satz 1. Ein Kontinuum ist eine perfekte Punktmenge. 


Nach Definition ist ein Kontinuum A eine abgeschlossene Punkt- 
menge. Wäre diese Punktmenge nicht auch in sich dicht, so würde sie 
mindestens einen isolierten Punkt P enthalten. Dann kann man A in 
die beiden abgeschlossenen Punktmengen P und (A — P) zerlegen, was 
der Definition des Kontinuums widerspricht. 


Satz 2. Es sei A eine beliebige Funktmenge und A ihre abgeschlossene 
Hülle. Dafür, daß A ein Kontinuum sei, ist notwendig und hinreichend, 
daß man jedem beliebigen Punktepaare P,Q in A ein Kontinuum C zu- 
ordnen kann, das P und Q enthält und selbst in der abgeschlossenen 
Punktmenge A enthalten ist. 

Ist nämlich A ein Kontinuum, so kann man stets (= A setzen; 
die Bedingung ist also notwendig. 

Ist dagegen A kein Kontinuum, so kann man zwei abgeschlossene 
nicht leere Punktmengen B, und B, finden, für welche die Bedingung 


(1) Ä=-B+B, 
gilt. 
Nun kann aber keine von den beiden Punktmengen AB, und AB, 
leer sein; denn aus AB, = 0 würde z.B. folgen 
A=AA=AB+B)=AB, 


und da die Punktmenge BD, abgeschlossen ist, müßte die abgeschlossene 
Hülle A von A in B, enthalten sein, und B, entgegen der Voraussetzung 
leer sein. Wählt man nun den Punkt Pin AB, und den Punkt Q in 
AB, und ist C eine abgeschlossene Teilmenge von A, die P und Q 
enthält, so ist keine der beiden Punktmengen 


G=CB und G,=(0B 
leer; diese Punktmengen sind aber als Durchschnitt von abgeschlossenen 
Punktmengen abgeschlossen und aus 
00,=CBB=0, 
C=(C4=(C(B+B)=-0G+0(, 


folgt, daß C kein Kontinuum ist. Unsere Bedingung ist also auch hin- 
reichend. 
Carathsodory, Reelle Funktionen. 14 


210 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 206 


Satz 3. Sind die Mengen A, und A, Kontinuen mit einem gemein- 
samen Punkt P, so ist ihre Venen A=4A, +4, ein 
Kontinuum. 


Die Punktmenge A ist abgeschlossen (8 69, Satz 3); wäre sie kein 
Kontinuum, so könnte man schreiben 


4= C, Tr Ö; 
wo C, und C, abgeschlossene nicht leere Punktmengen bedeuten, und 
man könnte außerdem die Bezeichnung so wählen, daß der gemeinsame 


Punkt Pin C, enthalten ist. Es sei @ ein Punkt von C,; der Punkt 9 
ist entweder in A, oder in A,, z.B. in A, enthalten. Dann haben wir 


A=AA=-4A0+40G, 


die ee A,C, ist nicht leer, weil P darin liegt; ebenso ist 
A,C, nicht leer, da Q darin liegt. Beide Mengen sind ferner abge- 
a und besitzen wegen 0,0, = 0 keinen gemeinsamen Punkt. 


Danach wäre aber A, entgegen der ursprünglichen Voraussetzung kein 
Kontinuum. 


206. Es sei A eine beliebige Punktmenge, die den Punkt P, ent 
hält, und Ö eine feste positive Zahl. Es kann nun vorkommen, daß 
man, wenn P einen zweiten festen Punkt von A bedeutet, endlich viele 


Punkte 
Qı; Os; Om 
finden kann, die sämtlich in A liegen, so daß sämtliche Entfernungen 


E(P,, Q,); E(Q,; Q;), AR E(Qn-1 On); E(Omı P) 


kleiner als ö sind. Dann sagen wir, daß man die Punkte P, und P 
durch eine „Ö- EN innerhalb A miteinander verbinden 
kann. 

Es gilt nun folgender Satz: 


Satz 4. Es sei A eine abgeschlossene Punktmenge und ö eine feste posi- 
tive Zahl und die Punktmenge A, bestehe aus einem bestimmten Punkt P, 
von A und aus sämtlichen Punkten P von A, die man mit P, durch eine 
ö-Kette verbinden kann. Dann ist A, abgeschlossen. Ist ferner A,a=A— A, 
nicht leer, so ist A, auch abgeschlossen. 


Es sei ein beliebiger Häufungspunkt von A, mit R, bezeichnet; 
dann ist R, auch Häufungspunkt von A und folglich in A enthalten. 
Wir betrachten die Kugel X(R,;6) mit dem Mittelpunkte R, und dem 
Radius d. Dann liegt nach Voraussetzung mindestens ein. Punkt P, von 
A, in dieser Kugel, weil R, Häufungspunkt von A, ist. Ferner ist P,, 





8207. Kontinuen 21 1 


als Punkt von A,, durch eine d-Kette innerhalb A von P, aus erreichbar. 
Da P, in unserer Kugel liegt und daher E(P,,R,)< Pi ist, kann eben- 
falls R, durch eine d-Kette innerhalb A mit P, verbunden werden. 
Infolge dieser beiden Eigenschaften gehört R, zur Menge A,; die Punkt- 
menge A, ist folglich abgeschlossen. 

Es sei zweitens A, nicht leer und AR, ein Häufungspunkt von A,. 
Da A,< A und A abgeschlossen ist, ist R, in A enthalten. Der Punkt 
R, ist daher entweder ein Punkt von A, oder von A,. In der Kugel 
K(R,; 6) liegt aber mindestens ein Punkt P, von A,; würde nun R, 
in A, liegen, so könnte man R, und folglich entgegen der, Voraus- 
setzung auch P, durch eine d- Kette mit P, verbinden. Also liegt jeder 
‚Häufungspunkt R, von A, in dieser Punktmenge, d. h. A, ist ab- 
geschlossen. 

- Ist also A, für ein bestimmtes Ö nicht leer, so ist die gegebene 
Punktmenge A kein Kontinuum, da man sie dann in die beiden abge- 
schlossenen Punktmengen A, und A, zerlegen kann. Man kann daher 
den Satz aussprechen: 


Satz 5. Zwei beliebige Punkte eines Kontinuums können für jeden 


beliebig vorgeschriebenen Wert von 6 durch eine Ö- Kette innerhalb des 
Kontinuums verbunden werden. 


207. Der letzte Satz erlaubt oft von einer gegebenen Punktmenge 
zu beweisen, daß sie kein Kontinuum ist; für beschränkte und abge- 
schlossene Punktmengen kann man ihn aber auch umkehren: 


Satz 6. Ist A beschränkt und abgeschlossen und kann man steis für 
jedes beliebige ö zwei beliebige Pumkte von A durch eine Ö- Kette innerhalb 
A miteinander verbinden, so ist A eim Kontinuum. | 


Angenommen A wäre kein Kontinuum, so gäbe es also zwei abge- 
schlossene Punktmengen A, und 4A,, in die man A zerlegen kann: 


A=A, +4: 

Da A, und A, als Teilmengen von A ebenfalls beschränkt sind, so 
haben sie nach einem früheren Satze ($ 194, Satz 6) eine von Null ver- 
schiedene Entfernung 

E(A,4A)=:>®. 

Nun sei P, ein Punkt von A, und P, ein Punkt von A,; wählen 
wir die positive Zahl Ö kleiner als e, indem wir z.B. ö = s:2 setzen, 
so gibt es keine d-Kette mit diesem 6, die P, und P, innerhalb A ver- 
bindet. Denn es sei 


P,= do; Qı, d; ... Om P,= On 


14* 


212 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 208. 209 


eine beliebige Kette von Punkten, die in A liegen. Der erste Punkt 
dieser Kette, nämlich Q,— P,, liegt in A,, der letzte, nämlich Q,,ı= P;, 
liegt in A,. Es gibt also unter den endlich vielen Punkten der Kette 


einen letzten Punkt, z.B. Q,, der in A, liegt, und Q,,, liegt dann 
in A,. Es muß aber dann sein 


E(Q Qrr1) 2ZEA,A)=e>9. 


Unter der Annahme, daß A kein Kontinuum ist, kann man also 
ein ö angeben, so daß eine zugehörige d-Kette nicht stets zwei Punkte 
von A innerhalb A verbinden kann. 


208. Wir kehren jetzt einen Augenblick zu den Betrachtungen der 
85 200—203 zurück. Es sei A ein beschränktes Kontinuum des 
n-dimensionalen Raumes, das durch eine stetige Abbildung auf die 
Punktmenge A* des m- dimensionalen Raumes abgebildet wird, von der 
wir voraussetzen, daß sie mehr als einen Punkt enthält. Wir "hatten 
gesehen ($ 202), daß A* beschränkt und abgeschlossen ist. 

Sind P* und Q* zwei beliebige Punkte von A*, so gibt es in A 
nach Voraussetzung zwei Punkte P und Q, so daB P* das Bild von P 
und Q* das Bild von © ist. Wählt man jetzt eine beliebige positive 
Zahl e, so kann man nach dem $ 203 eine Zahl d so bestimmen, daß 
jede d-Kette zwischen P und Q, die in A liegt, auf eine e-Kette zwischen 
P* und Q* innerhalb A* abgebildet wird. Da man nun nach dem 
Satze 5 ($ 206) innerhalb des Kontinuums A für jedes ö die Punkte P 
und Q miteinander durch eine d-Kette verbinden kann, so kann man 
für jedes e die Punkte P* und Q* durch eine s-Kette innerhalb A* 


miteinander verbinden und A* ist nach unserem letzten Satze ein Kon- 
tinuum: 


Satz 7. Das stetige Bild eines beliebigen beschränkten Kontinuums 
ist wieder ein Kontinuum, falls es mehr als einen Punkt enthält. 


209. Es sei A ein beschränktes Kontinuum und A* ein stetiges 
Bild von A, das mehr als einen Punkt enthält. Nach dem vorigen 
Paragraphen ist A* ein Kontinuum und daher ($ 205, Satz 1) eine per- 
fekte Punktmenge. Wir wollen nun zeigen, daß, wenn Ü eine Teilmenge 
von A ist, die überall dicht auf A liegt ($ 76), das Bild C* von Ü überall 
dicht auf A* liegen muß. Nach dem Satze 3 des $ 77 genügt es hierzu, 
wenn wir zeigen, daß in jeder Umgebung U.» eines beliebigen Punktes P* 
von A* ein Punkt von C* enthalten sein muß. Nun enthält aber Um 
eine Kugel X(P*; o), die den Mittelpunkt P* und den Radius o besitzt. 
Ist dann P ein Punkt von A, der auf P* abgebildet wird, so gibt es 


8 210. 211 Kontinuen | 213 








wegen der Stetigkeit der Abbildung eine Kugel X(P; 6), deren sämtliche 
Punkte in das Innere von X (P*;o) abgebildet werden. Nun enthält, weil 
C überall dicht auf A liegt, der Durchschnitt von C mit X(P; 6) min- 
destens einen Punkt @. Das Bild Q* von © ist aber dann sowohl in 
C* als auch in K(P*; o) enthalten, und hieraus folgt, daß, wie wir es 
beweisen wollten, die Punktmenge C* U» nicht leer ist. 


210. Die letzten Sätze erlauben von einer großen Anzahl von 
Punktmengen zu beweisen, daß sie Kontinuen sind, und somit die Exi- 
stenz von Kontinuen darzulegen. 


Zunächst bemerken wir, daß das eindimensionale abgeschlossene 
Intervall | 


(1) | 0<t<I1, 


weil es die Forderungen des Satzes 6 ($ 207) erfüllt, ein Kontinuum ist. 

Die Punkte einer Strecke PQ, welche zwei Punkte P und Q des 
»-dimensionalen Raumes verbindet, werden durch die Gleichungen (8) 
und (9) des $ 188 definiert. Demnach ist aber die Strecke PQ das 
stetige Bild eines Kontinuums und also ebenfalls ein Kontinuum (8 208, 
Satz 7). 

Bezeichnet man mit I ein beliebiges abgeschlossenes »-dimen- 
sionales Intervall, und sind P und @ zwei beliebige Punkte von I, so 
liegt nach den Definitionsgleichungen der Strecke P Q diese ganze Strecke 
in I; nach dem Satze 2 ($ 205) ist also / ein Kontinuum. 

Genau ebenso sieht man, daß die Gesamtheit der Punkte des Raumes 
ein Kontinuum bilden, weil man je zwei Punkte des Raumes durch eine 
Strecke verbinden kann. | 


211. Jeden Punkt einer abgeschlossenen Kugel kann man mit dem 
Mittelpunkte durch eine ganz in der Kugel liegende Strecke verbinden. 
Man betrachte nämlich die Kugel 


K(P;r): E(P,Q)<r, 


wobei P den Mittelpunkt und Q einen beliebigen Punkt der Kugel be- 
deutet; dann ist, wenn man mit &, und n, die Koordinaten von P und Q 
und mit t eine geeignete Zahl zwischen Null und Eins (diese Zahlen 
mit einbegriffen) bezeichnet, für jeden Punkt R der Strecke PQ 


E(P,B)=-tV Zn 5° 
=t- E(P,Q) 
zT 


214 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang & 211 


Sind jetzt ©, und Q, zwei beliebige Punkte der abgeschlossenen 
Kugel K(P;r), so enthält diese Kugel die Kontinuen Q,P und PQ,, 
also auch das Kontinuum 





QP+QP 
(8 205, Satz 3). Diese Kugel ist also selbst ein Kontinuum. 


Unter Oberfläche oder Begrenzung einer n-dimensionalen Kugel 
K(P;r) versteht man die Punkte der Menge 


K(P;n)— K(P;r); 
das sind die Punkte ©, für welche 
E(P,Q)=r 


ist. Wir wollen beweisen, daß jede Kugeloberfläche (falls »>1) ein 
Kontinuum ist. Es genügt aber, die Kugeloberfläche 


(1) tt tl 


zu betrachten, weil jede andere Kugelfläche ein stetiges Bild dieser ist. 
Bezeichnet man nämlich mit 7, die Koordinaten des Mittelpunktes und 
mit r den Radius einer beliebigen Kugel des »-dimensionalen Raumes, 
so erhält man die Koordinaten y,....y, eines beliebigen Punktes der 
Oberfläche dieser Kugel, wenn man 


Yy + r% (k=1,2,...,r%) 
setzt, und die Gleichung (1) berücksichtigt. 


Nun bemerke man, daß die Punktmenge (1) die Vereinigungsmenge 
der Punktmengen 





| ben,  (k=1,2,...0—1)), 
(2) fr hr. EN 
E=Vl- (tt +) 
und 
1, %, (k=1,2,...0%—1)), 
(8) | BI. N. 
m=—Vl-(ar ++ +22, 


ist, beide für alle Werte von x,, %,, -.. -, £,_, genommen, die Punkte 
der (a—1)-dimensionalen abgeschlossenen Kugel 


(4) +4 Ha, <1 
darstellen. 

Nun sind (2) und (3) als stetige Bilder des Kontinuuns (4) selbst 
Kontinuen (8 208, Satz 7), und da der Durchschnitt dieser Punktmengen 
nicht leer ist, ist nach dem Satze 3 des $ 205 ihre Vereinigungsmenge 
ebenfalls ‘ein Kontinuum. 


$ 212 Kontinuen 215 





212. Nach den obigen Beispielen gibt es in zwei- oder höher 
dimensionalen Räumen sehr mannigfache Arten von Kontinuen. Für 
lineare Mannigfaltigkeiten ist dies nicht der Fall; es gilt nämlich 
der Satz: 


Satz 8. Jedes lineare Kontinuum ist entweder ein abgeschlossenes 
Intervall oder eine (abgeschlossene) Halbgerade oder die ganze Gerade. 


Zunächst zeigen wir, daß, wenn ein lineares Kontinuum ( die Punkte 
P und Q enthält, es jeden Punkt R der Strecke PQ enthalten muß. Es 
habe R die Abszisse &, BD, sei die Menge der Punkte, deren Abszisse 
x<& und B, die Menge, deren Abszisse x >$ ist. Die Punktmengen B, 
und B, ind abgeschlossen: ferner enthält (B, + B,) jeden Punkt der 
Achse. Es ist also 
C=CB+CB; 


CB, und CB, sind nicht leer und sind außerdem abgeschlossen, da C, 
B, und B, abgeschlossene Punktmengen sind. Hätten nun CB, und CB, 
keinen gemeinsamen Punkt, wäre also OB, B, leer, so wäre C kein Kon- 
tinuum. Nun ist ferner 
OBB,<BDB, 
und B,B, enthält nach Konstruktion nur den Punkt R. Also enthält 
auch Ch, B, und umsomehr C den Punkt R. Damit ist die Behauptung 
bewiesen. 
Nun sei « die untere Grenze der Abszissen aller Punkte von C, 

und ß die obere Grenze dieser Zahlenmenge; ist & irgend ein Punkt der‘ 


Achse, für welchen 
a<sä<ß 


ist, so gibt es sicher zwei Punkte x, und x, von C, die den Bedingungen 


genügen. Nach dem soeben erhaltenen Resultat muß also & in C ent- 
halten sein. Ist eine der Zahlen & oder ß endlich, so muß wegen der 
Abgeschlossenheit von C der Punkt <=« bzw. 2z=ß in C enthalten 
sein. Es sind also nur folgende Fälle möglich: 


1. « und ß sind beide endlich und die Punktmenge C besteht aus 
dem abgeschlossenen Intervall 


eSısPp, 
2. & ist endlich und = + 00; C besteht aus der Halbgeraden 
a<e, 


216 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 218. 214 


3. «=— oo und ß ist endlich; © besteht. aus der Halbgeraden 
sp, 
4.«=— oo und ß=-+ oo und Ü besteht aus der ganzen Geraden. 


Daß in jedem dieser Fälle C wirklich ein Kontinuum darstellt, ist 
mit Hilfe unserer früheren Sätze sofort zu verifizieren. 


Begrenzung von Punktmengen. 


213. Der »-dimensionale Gesamtraum R, ist nach dem $ 210 ein 
Kontinuum. Ist also weder die Punktmenge A noch ihre Komplementär- 
menge A’ leer, so können diese beiden Punktmengen nicht zugleich 
abgeschlossen sein. Und wenn insbesondere A eine offene Punktmenge 
ist, so ist A’ abgeschlossen ($ 54) und also .A nicht, woraus folgt: 


Satz 1. Eine Punktmenge, die vom Gesamtraume verschieden ist, 
kann nicht sugleich offen und abgeschlossen sein. 


Aus diesem Satze kann man aber noch einen weiteren Schluß 
ziehen; wir bezeichnen mit H, und H,- die Menge der Häufungspunkte 
von A und A’ und bemerken, daß jeder Punkt des Raumes in mindestens 
einer der abgeschlossenen Hüllen (A+4 H,)und (A’+ H,-) von A bzw. A’ 
liegt. Da NR, ein Kontinuum ist, kann also der Durchschnitt 


(1) y=(A+H,)(A’+ Hu) 


dieser beiden Punktmengen nicht leer sein. Die Punktmenge 7, die als 
Durchschnitt von zwei abgeschlossenen Punktmengen stets abgeschlossen 
ist, wird die Begrenzung der Punktmengen A und A’ genannt. Es 
gilt also der 


Satz 2. Jede vom Gesamtraume verschiedene nicht leere Punktmenge 
besitzt eine abgeschlossene und nicht leere Begrensung. 


214. Den Durchschnitt » A einer Punktmenge mit ihrer Begren- 
zung, der auch leer sein kann, nennt man manchmal den Rand der 
Punktmenge. Eine Punktmenge hat also stets eine Begrenzung, aber 
nicht immer einen Rand. Aus (1) folgt mit Berücksichtigung von 

AA+H)=A wd AA +H«)= AH, 
daß 
(2) yA=A(A+ EL) (A’+ Hi) = AH, 


ist. Hieraus und aus yA’= A’H, entnimmt man ferner die Gleichung 
(3) y=yAt+yil- AH, + AH. 


gs 215 Begrenzung von Punktmengen 217 


Die Gleichungen (2) und (3) liefern den 

Satz 3. Der Rand einer Punktmenge A ist identisch mit dem Durch- 
schnitte von A mit den Häufungspunkten der Komplementärmenge 4’ 
von A. Die Begrenzung von A ist gleich der Summe der Ränder von A 
und A’. 

Aus der Gleichung (3) folgt ferner 

Aty=ATAHL+A HL 
(4) = A+AHı 
—— A + H, ) 


was man, mit Berücksichtigung des 8 72, folgendermaßen aussprechen 
kann: 

Satz 4. Die Vereinigungsmenge einer Punktmenge A mit ihrer Be- 
grenzung y ist gleich der abgeschlossenen Hülle von A. 

Nach dem letzten Satze ist (A’+y) eine abgeschlossene Punkt- 
menge und ihre Komplementärmenge (A — Ay) daher offen. Nun folgt 


aber aus (2) PEN 
— Ay=A- AH; 


jeder innere Punkt von A ist aber ein Punkt, der in A, aber nicht in 
A, enthalten ist, und daher ein Punkt von (A — Ay). Eine beliebige 
offene Teilmenge von A besteht aus lauter inneren Punkten von A und 
muß daher in (A— Ay) enthalten sein; da nach dem Obigen diese letzte 
Punktmenge selbst eine offene Teilmenge von A ist, haben wir den 

Satz 5. Die Punktmenge (A— Ay), die aus allen Punkten von A 
besteht, die nicht auf der Begrenzung y von A liegen, ist die größte offene 
Teilmenge von A. Jede beliebige offene Teilmenge von A ist ın ihr ent- 
215. Ist die Punktmenge A abgeschlossen, so fällt sie mit ihrer 
abgeschlossenen Hülle zusammen und nach dem Satze 4 des vorigen 
Paragraphen muß die Begrenzung y von A in A enthalten sein, oder, 
was dasselbe ist, es muß y—yA=0 sein. Ist umgekehrt dies der 
Fall, so ist 

A+y=Ar+Yr—yA4)=A 

und A ist, wieder nach dem Satze 4, abgeschlossen. 

Ist dagegen A eine offene Punktmenge, so muß nach dem Satze 5 
des vorigen Paragraphen 

A— Ay=A 

sein, d. h. Ay eine leere Punktmenge sein. Aus Ay = 0 folgt umgekehrt 
aus demselben Satze, daß A offen ist. 


218 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang $ 216. 217 


Satz 6. Fine Punktmenge A ist dann und nur dann abgeschlossen, 
wenn sie ihre Begrenzung y enthält; sie ist dann und nur dann offen, 
wenn sie keinen einzigen Punkt von y enthält. 


Ferner beweisen wir den 


Satz 7. Die Begrenzung einer abgeschlossenen (oder offenen) Punkt- 
menge ist nirgends dicht. 


Es sei z.B. A eine offene Punktmenge, A’ ihre abgeschlossene 
Komplementärmenge und y die Begrenzung dieser beiden Mengen. Man 
muß zeigen, daß jeder Punkt des Raums Häufungspunkt von inneren 
Punkten der Komplementärmenge von y ist (879). Nun besteht aber 
diese Komplementärmenge 
| A+(4’— 7) 
schon selbst aus lauter inneren Punkten, da sie die Summe von zwei 
offenen Punktmengen ist. Jeder Punkt des Raumes ist nun entweder 
ein Punkt von A+(4A’—y) oder ein Punkt von y; im ersten Falle ist 
er Häufungspunkt von A+(A’—y), da diese Punktmenge als offene 
Punktmenge in sich dicht ist. Im zweiten Falle ist er nach der Defi- 
nition von y ein Häufungspunkt von A und umsomehr ein Häufungs- 
punkt von A+(A’—p). 


216. Es sei C ein Kontinuum, das einen Punkt P einer Menge A 
mit einem Punkte @ der Komplementärmenge A’ verbindet; wir be- 
zeichnen wieder mit » die Begrenzung von A. Dann ist, da jeder Punkt 
des Raumes in einer der beiden abgeschlossenen Punktmengen 


A+H,, A'+ Hu 
C=CA+H)+C(A 4 Ha). 


Nun sind die beiden Punktnengen C(A-+ H,) und C(A’+ H..) 
nicht leer und als Durchschnitt von abgeschlossenen Punktmengen eben- 
falls abgeschlossen. Da C ein Kontinuum ist, kann ihr Durchschnitt 


C(A+H,)(A+Hr)=Cy | 
nicht leer sein; hiermit ist aber gezeigt, daB ( stets mindestens einen 
Punkt von y enthält, 

Satz 8. Jedes Kontinuum C, das einen Punkt P einer beliebigen 


Punktmenge A und einen Punkt Q der Komplementärmenge A’ von A 
enthält, muß mindestens einen Punkt der Begrenzung y von A enthalten. 


217. Sind A und B zwei Punktmengen ohne gemeinsame Punkte 


und « und ß ihre Begrenzungen, so liegt auf Strecke PQ, die 


liegen muß, 


$ 218 Begrenzung von Punktmengen 219 


einen Punkt P von A mit einem Punkt @ von B verbindet, sowohl 
ein Punkt von « als auch ein Punkt von ß, denn P® ist ein Konti- 
puum, das sowohl Punkte der Mengen A und B als auch Punkte ihrer 
Komplementärmengen enthält. Es ist daher stets 


d) E(e, B)< E(P, Q) 
und da P.und @ beliebig in A und B angenommen werden konnten, 
E(«, 8) < E(A, B). 


Anderseits sind die Begrenzungen @ und 8 von A und B nach 
dem Satze 4 des $ 214 Teilmengen der abgeschlossenen Hüllen A u B 
von A und B, und hieraus schließt man, daß 


(2) 0 E(a,ß)> E(A,B) 


ist. Berücksichtigt man endlich den Satz 5 des 8 193, nach welchem 
E(A,B)=E(A,B) ist, so folgt aus (1) und (2) 


(8): E(a, ß) = E(A, B) 
d.h. der 

Satz 9. Die Entfernung E(A, B von zwei Punktmengen A und B, 
deren Durchschnitt leer ist, ist gleich der Entfernung E(e«, B) ihrer Be- 
grenzungen & und ß. 


- Im speziellen Falle, in dem B aus einem einzigen Punkte P be- 
steht, ist die Punktmenge B identisch mit ihrer Begrenzung ß und es 
folgt aus dem letzten Satze der , 

Satz 10. Die Entfernung zwischen einem Punkte P und einer be- 
liebigen Punktmenge A, die ihn nicht enthält, ist gleich der Entfernung 
zwischen P und der Begrenzung au von A. 

Hieraus folgt, wenn P ein beliebiger Punkt des Raumes ve so 
ist die Größe Z(P,«) entweder gleich Z(P,A) oder gleich E(P, A' ), 
je nachdem P in der Komplementärmenge A’ von A oder in A selbst 
enthalten ist. 


218. Es sei A eine beliebige abgeschlossene Punktmenge und es 
sei weder A noch ihre öffene Komplementärmenge A’ leer. Dann ist 
die stetige Funktion g(P)= E(P, A), welche die Entfernung zwischen 
einem beliebigen Punkte P des Raumes und A darstellt, nicht identisch 
Null, und man as positive Zahlen h angeben, für welche die Punkt- 
menge 


(1) B,= M(p(P) <h) 


nicht mit dem Gesamtraume R, zusammenfällt. Wenn die Punktmenge A 


220 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 218 


aus einem einzigen Punkte P besteht, so ist die Punktmenge D, ein- 
fach die Kugel X(P;h); im allgemeinen Falle ist jede Kugel K(P; %R), 
deren Mittelpunkt P auf A liegt, in B, enthalten, denn es ist für jeden 
Punkt @ einer derartigen Kugel 


E(Q,4)SEQ, F)<h. 


Ist umgekehrt Q ein Punkt von B,, so gibt es nach (1) mindestens 
‘einen Punkt P auf A, so daß 


E(F, Q)<h 


ist, und daher mindestens eine Kugel X(P; h), deren Mittelpunkt auf 
A liegt und die © enthält. Unsere Punktmenge B, ist m. a. W. 
dieVereinigungsmengealler 
derartigen Kugeln. 

Da gy(P) eine stetige Funktion 
ist, folgt aus der Gleichung (1), 
daß die Punktmenge B, eine 
offene Punktmenge ist ($ 136, 
Satz 4). Sie enthält also keinen 
einzigen Punkt ihrer. Begren- 
zung ß, und für jeden Punkt P 
dieser Begrenzung muß also 
p(P) >h sein; anderseits aber 
Fig. 18. ist jeder Punkt P von ß, Häu- 
fungspunkt von B, und wegen der Stetigkeit von p(P) muß in einem 
solchen Punkte y(P)<h sein. In jedem Punkte P der Begrenzung ß, 
von B, ist also 
2) E(P,A)=p(P)=h. 


Es sei nun S ein beliebiger Punkt des Raumes, der nicht in B, 
enthalten ist, so daß man schreiben kann 





(8) E(8,A)=-kh; 
nach dem Satze 10 des vorigen Paragraphen ist dann 
(4) E(8, ß,) - E(8, B,). 


Um diese letzte Zahl mit Hilfe von (3) zu berechnen, bemerken 
wir, daß auf der abgeschlossenen Punktmenge A mindestens ein Punkt 
R liegt, für den 
(5) E(8,R)= E(S, A) =k 
ist. Auf der Strecke SR, die einen Punkt von B, mit einem Punkte 
ihrer Komplementärmenge verbindet, muß nach dem Satz 8 des $ 216 


x 


$ 218 Begrenzung von Punktmengen 221 


mindestens ein Punkt P von ß, liegen; dann ist 


(6) E(S,R)=E(8,P)+E(P,R), 

MD)  E(8,P)>E(8,ß,), E(P,R)> B(P,A)-h 
und der Vergleich von (5), (6) und (7) liefert 

(&) ES, ß) <k—h. 


Anderseits können wir auf der abgeschlossenen Punktmenge ß, 
einen Punkt P’ so bestimmen, daß 


(9) | E(8,P)=E(S, ß,) 


ist, und nach (2) auf der abgeschlossenen Punktmenge A einen Punkt R’, 
so daß 


(10) E(P',R)-E(P‘, 4)- 
ist. Dann folgt aus 
(11) k= E(8,A)<E($S,R’) 
und Ä 
(12) E(S,R))<E(8,P')+ E(P', R)) 
durch Vergleich der letzten vier Relationen 
(18) E8,B)>k—h. 
Die Relationen (8) und (13) zeigen uns endlich, daß 
(14) E(S,ß)=k—h 


ist. Mit Hilfe von (3) und (4) sieht man ferner, daß für alle Punkte S 
des Raumes, die nicht in B, enthalten sind, die Gleichung. 


E(S, A) — E(S, B,)=h 


gilt. Für alle Punkte P des Raumes, für welche die Gleichung (2) gilt, 
ist insbesondere 


E(P, B,) = 
woraus folgt, daB P auf der Begrenzung . von B, liegen muß. 


Satz 11. Wir betrachten alle offenen Punktmengen B,, die aus allen 
Punkten bestehen, deren Entfernung von einer gegebenen abgeschlossenen 
Punktmenge A kleiner als die positive Zahl h ist, und bezeichnen mit ß, 
ihre Begrenzung, sofern B, nicht mit dem Gesamtraum identisch ist. Dann 
besteht jede der Punktmengen ß, aus allen Punkten P, für welche E(P, A)=h 
ist und nur aus diesen. 

Für jeden beliebigen Punkt S der nicht in B, enthalten ist, gilt ferner 
die Gleichung 

E(8,A)=E(8S,B,))-+h. 


222 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 219. 220 


mm nen a 








219. "Wir nehmen jetzt an, daß für eine Zahl k>h die | Punktmenge 
B,= M(p<k) 

vom Gesamtraume NR, verschieden ist, und bezeichnen mit ß, die Be- 

grenzung von B,. Für jeden Punkt $, der auf ß, liegt, ist nach dem 


vorigen Paragraphen 
Ä E(8,4)=k 


und daher auch nach demselben Paragraphen 
E(8, B)= E(8,ß,)-k-h. 
Hieraus folgt aber nach den $$ 192 u. 217 


E(B,, B,) = E(ß,,ß) = k—h. 

Bezeichnet man ferner mit C, die Komplementärmenge von (B, + ,), 
so ist, falls C, nicht leer ist, die Begrenzung y, von Ü, eine Teilmenge 
von ß,, weil B, und C, offene Punktmengen sind, und man hat 

E(0,, B,) = Eiynß)=k—h. 


Nach dem Satze 5 des $ 193 ist dann auch, wenn man mit B, die 
abgeschlossene Hülle von B, bezeichnet, 


E(C,B)=k-h. 
Wir haben also den 
Satz 12. Außer den Punktmengen B, und ß, des vorigen Satzes be- 
trachten wir noch die offenen Punktmengen C,, die aus allen Punkten P 


bestehen, für welche E(P, A) > h ist. Ist dann k>h und ist ß, nicht leer, 
so gelten die Gleichungen 


E(C,B) = EßuB)=k—h. 


Gebiete. 


220. Eine ähnliche Theorie des EEE RUE wie wir sie in 
den 88 204—212 für abgeschlossene Punktmengen dargestellt haben, 
wollen wir jetzt auch für offene Punktmengen entwickeln. 


Definition. Eine offene Punktmenge heißt zusammen- 
hängend, wenn man sie nicht als Summe von zwei offenen 
Punktmengen darstellen kann. Eine offene zusammen- 
hängende Punktmenge heißt ein Gebiet. 


Aus unseren früheren Resultaten folgt schon, daB der ganze Raum 
ein Gebiet ist; ist nämlich B eine beliebige Punktmenge. und B’ ihre 
Komplementärmenge, so ist, wenn B offen ist, B’ auposehloneen, und 


g 221 Gebiete 223 


wir haben gesehen, daß eine abgeschlossene Punktmenge, die nicht den 
ganzen Raum ausfüllt, niemals offen sein kann ($ 213, Satz 1). Der ganze 
Raum kann also nie als Summe von zwei offenen Punktmengen ange- 
sehen werden; es ist übrigens die einzige Punktmenge des n-dimen- 
sionalen Raumes, die zugleich ein Kontinuum und ein Gebiet ist. 


221. Satz 1. Ist A eine offene Punktmenge, die einen Punkt P, 
enthält, und nennt man (@ die Gresamtheit der Punkte von A, die man 
mit P, durch ein gang in A liegendes Kontinuum verbinden kann, so ist 
G eine offene, niemals leere Teilmenge von A und H=A—G ist ent 
weder leer oder offen. Ä 


Da A offen ist, so gibt es ein abgeschlossenes Intervall /,, das in 
A liegt und P, enthält; nach der Definition muß also @ sowohl P, als 
auch sämtliche Punkte von /, enthalten und ist demnach nicht leer. 
Ist ferner P ein beliebiger Punkt von @, den man gemäß.der Definition. 
von @ innerhalb A mit P, durch ein Kontinuum C verbinden kann, 
und ist Ir ein abgeschlossenes Intervall, das P als inneren Punkt ent- 
hält und in A liegt, so ist die Punktmenge 

| C+Ir 

nach dem Satze 3 des $ 205 ein Kontinuum, worqus folgt, daB jeder 
Punkt von I> ein Punkt von @ ist. Der Punkt P ist demnach ein 
innerer Punkt von.@, und da P ein willkürlicher Punkt von G war, 
besteht @ aus lauter inneren Punkten und ist demnach eine offene 
Punktmenge. 

Es sei jetzt die Differenz 

H=4A-G 


nicht leer und Q ein Punkt von H. Da H Teilmenge von A ist, ist Q 
in A enthalten und es gibt ein abgeschlossenes Intervall I,, das Q als 
inneren Punkt enthält und in A enthalten ist. Wäre ein einziger 
Punkt von Ig ein Punkt von G@ und mit P, durch ein Kontinuum C 
innerhalb A verbindbar, so wäre jeder Punkt von 


C+Ig 
also auch insbesondere Q in @ und nicht in H enthalten. Aus unserer 
Voraussetzung, daB Q in H enthalten ist, folgt also, daß kein Punkt 
von Ig in @ oder, was dasselbe ist, daß alle Punkte von /, in H ent- 
halten sind. Die Punktmenrge H enthält also lauter innere Punkte und 
ist demnach offen. Der angekündigte Satz ist also in allen seinen. 
Einzelheiten bewiesen. 


2924 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang $ 222. 223 


222. Ist bei der obigen Konstruktion die Punktmenge A nicht 
leer, so ist A kein Gebiet, weil man schreiben kann 


A=H+G, 
wo G@ und H offene, nicht leere Punktmengen bedeuten. Ist aber H 
leer, so kann man P, mit jedem Punkt von A und daher auch zwei 
beliebige Punkte von A untereinander durch ein Kontinuum innerhalb 
A verbinden. Wir haben also den Satz: 

Satz 2. Dafür, daß eine offene Punktmenge A ein Gebiet sei, ist not- 
wendig, daß man je zwei Punkte von A durch ein Kontinuum verbinden 
.kann, das in A liegt. 

Es sei jetzt die offene Punktmenge A die Summe von zwei offenen 
Punktmergen A, und A;: 

A=4A,+4,. 


Verbinden wir einen Punkt P, von A, mit einem Punkt P, von A, 
durch ein Kontinuum C, so muß nach dem Satze 8 des $ 216 das Kon- 
tinuum C mindestens einen Punkt Q der Begrenzung «, von A, ent- 
halten. Dieser Punkt © ist aber kein Punkt von A,, weil eine offene 
Punktmenge keinen Punkt ihrer Begrenzung enthält ($ 215, Satz6); er ist 
aber auch kein Punkt von A,, weil man um jeden Punkt von A, eine 
Umgebung konstrujeren kann, die ganz in A, liegt und folglich keinen 
Punkt von A, enthält, während anderseits der Punkt Q’als ein Punkt 
der Begrenzung von A,, der nicht in A, liegt, Häufungspunkt von 
A, sein muß. Also kann das Kontinuum C nicht ganz in A liegen. 

Mit anderen Worten, man kann nicht je zwei Punkte einer offenen 
Punktmenge A, die kein Gebiet ist, durch ein Kontinuum miteinander 
verbinden, das ganz in A liegt. Hieraus folgt der Satz: 

Satz 3. Dafür, daß eine offene Punktmenge ein Gebiet sei, ist auch 
hinreichend, daß man je zwei ihrer Punkte miteinander durch ein Konti- 
nuum verbinden kann, das ganz in der Punktmenge liegt. 


223. Insbesondere ist bei der Zerlegung 

A=G+H 
des $ 221 die Punktmenge @ stets ein Gebiet. Wir wollen jetzt zeigen, 
daß es keine andere Zerlegung 

A=G+H 
der offenen Punktmenge A gibt, bei der @’ ein Gebiet ist, das den 
Punkt P, enthält, und H’ eine leere oder offene Punktmenge bedeutet. 
Wir haben in der Tat, weil @ eine Teilmenge von A ist, 


G=G4A=G(@’+H)=G6G@’+ GH. 


g 224 Gebiete 225 


Die beiden Punktmengen GG’ und @H’ sind als Durchschnitte 
von offenen Punktmengen selbst offen, falls sie nicht leer sind. Nun 
enthält @@’ den Punkt P, und ist nicht leer, wäre aber @H’ nicht 
leer, so könnte @ kein Gebiet sein; es muß also 


G=G@G' odr G<@ 


sein. Genau ebenso kann man aber beweisen, indem man G mit @’ und 
H mit H’ vertauscht, daB @' < @ ist. Es muß also @= @’ und folg- 
lich auch Z= H’ sein. Unser Resultat lautet also: 

Satz 4, Ist A eine offene Punktmenge und P ein beliebiger Punkt 
von A, so kann man auf eine und nur eine Weise die Punktmenge A in 
zwei Summanden G und H zerlegen und 


A=G+H 


setzen, wobei Gr ein Gebiet bedeutet, das P enthält und H entweder offen 
oder leer ist. | 


224. Wir betrachten jetzt die abzählbare Menge 
(1) Ri uns 
der rationalen Punkte des Raumes, die in einer beliebigen offenen Punkt- 
menge A enthalten sind. Da jedes Intervall unendlich viele Punkte mit 
rationalen Koordinaten enthält, muß R aus unendlich vielen Punkten 


bestehen. 
Wir setzen nach dem Satze 4 des vorigen Paragraphen 


A=G+H, | 


wo @, das Gebiet bedeutet, das den Punkt r, enthält und 7, entweder 
offen oder leer ist. Ist H, leer, so ist A ein Gebiet; ist Z, nicht leer, 
so gibt es in A, unendlich viele Punkte von R und unter diesen einen 
ersten r,, und man kann schreiben | 


H, = Gy +4, 
wo G, das Gebiet bedeutet, das r,, enthält, und H, eine offene oder leere 


Punktmenge ist. Indem man diesen Prozeß wiederholt, bekommt man 
entweder eine natürliche Zahl p, so daß in der Gleichung 


H_,=6,+H, 


pl 
H, eine leere Menge ist, und es ist dann 

A=G,+ G++@, 
oder aber es gibt keine derartige Zahl p, und nach dem Axıome der 
vollständigen Induktion wird jeder natürlichen Zahl p ein Gebiet G, 


zugeordnet. 
Carathsodory, Reelle Funktionen. 15 


226 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang 8 225 


Die Gebiete G, haben die Bigenschaft, daß für jedes » die Punkt- 
menge (A — G,) offen oder leer ist; je zwei dieser Gebiete mit verschie- 
denen Indizes liegen getrennt und jedes Gebiet G, ist in A enthalten; 
d.h. es ist 

G,+@G+:'<4. 


Ferner ist jeder Punkt der abzählbaren Folge (1) in(G,+@,-+--) 
enthalten, denn diese Punktmenge enthält nach Konstruktion den Punkt r, 
und wenn der Punkt r,, in G, enthalten ist, so ist r,„,, entweder in 
(H+@%+::'+0,) oder; in 6, ‚, enthalten. Es sei nun P ein belie- 


biger Punkt v von 4; wir können 
A=G+H 


setzen, wobei (@ ein Gebiet bedeutet, das P enthält, und 4 eine leere 
oder offene Punktmenge ist. Das Gebiet @ enthält mindestens einen 
Punkt r, unserer Folge (1) und dieser Punkt ist in einem unserer Ge- 
biete G, enthalten. Aus der Tatsache, daß G@ und G, beides Gebiete 
sind, die einen gemeinsamen Punkt r, besitzen, und daß (A—G@G) und 
(A — G,) offen oder leer sind, folgt nach dem vorigen Paragraphen, daß 
G= G, ist, und mithin ist jeder Punkt vn Ain(G,+@-+:-:) ent 
halten. * Man kann also schreiben 


A=-G+G%+---. 
A=-@/+G +. 


eine zweite Zerlegung von A in eine Summe von Gebieten. Man kann 
dann jeder natürlichen Zahl p eine natürliche Zahl q so zuordnen, daß 
der Durchschnitt G,@, nicht leer ist. Da G, und G/ Gebiete sind und 
(A— G,,(4—-@, n leer oder offen sind, folgt aus dem vorigen Para- 
graphen, daß G,= .@ sein muß. Die beiden betrachteten Zerlegungen 
sind also bis auf die Bezeichnung identisch und wir haben den 

Satz 5. Jede offene Punktmenge kann auf eine und nur eine Weise 
als Summe von endlich oder abzählbar unendlich vielen Gebieten darge- 
stellt werden. 

Mit denselben Hilfsmitteln kann auch folgender, auf Cantor zu- 
rückgehender Satz bewiesen werden: 

Satz 6. Eine Menge von getrennt liegenden Gebieten, die in einem 
n-dimensionalen Raume beliebig gegeben ist, kann höchstens abzählbar sein. 


225. Man beweist ähnlich, wie wir es in den SS 210—211 getan 
haben, daß jedes n-dimensionale Intervall und jede »-dimensionale Kugel 
ein Gebiet ist. 


Es sei 


8 226. 227 Anwendung auf stetige Funktionen 227 


Ferner bemerken wir, daß, wenn P und Q zwei Punkte eines 
linearen Gebietes A bedeuten, in A ein lineares Kontinuum liegen 
muß, das P und Q enthält. Ein solches muß aber nach dem $ 212 jeden 
Punkt R enthalten, der zwischen P und Q liegt, und hieraus entnimmt 
man durch eine ähnliche Schlußweise wie in diesem Paragraphen den 

Satz 7. Jedes lineare Gebiet ist entweder ein lineares Intervall oder 
eine (offene) Halbgerade oder endlich der lineare Gesamtraum. 


Wendet man endlich auf ein Gebiet @ den Satz 2 des $ 205 an, 
so erhält man folgendes allgemeine Resultat: 
Satz 8. Die Summe 
G=G+r 
eines Grebietes G und seiner Begrenzung y ist stets ein Kontinuum. Die 
Menge G heißt ein abgeschlossenes Gebiet. 


Anwendung auf stetige Funktionen. 


226. Satz 1. Eine stetige Funktion f(P), die auf einem Kontinuum 

C definiert ist, nimmt jeden Zwisch@wert zwischen zwei beliebigen Werten 
an, die sie auf C annimmt. 

Es seien z. B. « und ß zwei Werte von f(P), die auf C ange- 


nommen werden, und 
a<s<pß. 


Nennt man C, die Menge der Punkte von C, für welche /(P)<$ 
ist, und C, die Menge der Punkte von C, für welche f(P) >35 ist, so 
ist sowohl C, als auch CO, abgeschlossen ($ 136). Anderseits aber ist 
jeder Punkt von C entweder in C, oder in Ö, enthalten und folglich 


C=-Q+0,. 


Da C ein Kontinuum ist, muß der Durchschnitt C,C, mindestens 
einen Punkt P enthalten und ın diesem Punkte ıst 


BD) =E. 

Da je zwei Punkte eines Gebietes durch ein Kontinuum innerhalb 
des Gebietes verbunden werden können, läßt sich der Satz ohne weiteres 
auf Gebiete übertragen. 


e 277. Die soeben abgeleitete Eigenschaft stetiger Funktionen ist 
für diese nicht charakteristisch. 
So ist z.B. die stückweise lineare Funktion einer Veränderlichen 
($ 165), die durch die Werte 
m=0, 9-1 79-9, FW)... 


15* 


228 Kap. IV. Entfernung und Zusammenhang | S 227 





und allgemein 


1 f 1 für ungerades » 
f (=) — 10 für gerades n 


charakterisiert ist, wenn man ihr außerdem den Wert 


f(0) — 0 
zuschreibt, im Punkte 2=0 unstetig. Sind aber x, und z, zwei be- 
y liebige Punkte des abgeschlossenen Intervalls O<r<I1, 











und « ein beliebiger Zwischenwert zwischen f (2) und f (2,), 
so gibt es im Intervall x, <z<x, mindestens einen Punkt &, 
so daß f(&)=« ist. 

Ein interessanteres Beispiel dieser 
Art hat Lebesgue gegeben; er hat 
nämlich eine im Intervalle O<xz<1 

definierteFunk- 

tion angegeben, 
* die in jedem 

Teilintervallje- 
den Wert zwischen Null und Einseannimmt. Wir gehen von der Tat- 
sache aus, daß man jeden Punkt des Intervalls O<x<1 durch einen 
Dezimalbruch 


(1) i=(, aa — Hat t- 


darstellen kann, und daß dieser Dezimalbruch eindeutig definiert ist, 
wenn man verlangt, daß unendlich viele unter den Zahlen a,<9 sein 
sollen. 

Um nun y= f(x) im Punkte (1) zu definieren, betrachten wir die 
Zahlenfolge 

Gy Ay, Ay... Gay, z 

Entweder sind unendlich viele dieser Zahlen verschieden von 1 
oder nicht. Im ersten Falle setzen wir y= 0, im zweiten gibt es eine 
kleinste Zahl p, so daß für alle n>p die Zahlen a,,,,=1 sind, 
und wir setzen 


y—0,Q,;2 Appra Ars: 


Diese Funktion hat die geforderte Eigenschaft: Es seien nämlich 
r und s zwei beliebige Zahlen zwischen Null und Eins, wobei = s, 


r=(0, 0,00%. 


und unendlich viele «, < 9 sind. Ein is «, wählen wir und nehmen 


die Zahl 
z r=0,5%...(+1)000.... 





$ 228 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit. Außerer Inhalt 229 


Dann ist r’>r; da aber 


y <a 


ist, ist für hinreichend große k die Zahl r’<s und man kann dann 
m ungerade und größer als %k so wählen, daß 
‚ ‚ 1 
s-er+t Im <$ 
ist. 
Es ist also 


r=0,2%:-..(%+1)00...00]000..., 


"= 0,0%%...(3+1)00...01|000.... 
Nun sei 


0, Pıßaßs . - - 


ein ganz beliebiger Dezimalbruch und man setze 
E=0, u... +1)00...0|018, 18, 1ß,-.-; 
dann ist erstens r<&<s’ und folglich r <&<s und zweitens nach 
unserer Definition 
f(& Fr 0, Pı Baßs a 


Man könnte übrigens die Definition unserer Funktion so modi- 
fizieren, daß sie in jedem Intervall jeden beliebigen positiven oder 
negativen reellen Wert mindestens einmal annimmt. 


Kapitel V. Inhalt und Meßbarkeit. 


Äußerer Inhalt. 
228. Wir definieren zunächst den Inhalt eines Intervalls 


I: PR <u+ (k=1,2,...,n) 


des n-dimensionalen Raumes als das Produkt seiner Kantenlängen und 
führen die Bezeichnung ein 
(1) (D)=hh- h.- 

Also ist der Inhalt eines linearen Intervalls gleich seiner Länge, 
der Inhalt eines zweidimensionalen Intervalls der Ebene gleich seiner 
Oberfläche und der Inhalt eines drei- oder mehrdimensionalen Intervalls 
gleich seinem Volumen. 


230 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 229 


Man bezeichne mit k eine beliebige unter den » ersten natürlichen 
Zahlen und zerlege das Intervall I durch einen Querschnitt z,=5, in 
zwei Teilintervalle /, und ],; dann ist wegen der Formel (1) 


D)=-()+(l). 

Indem man diese Operation eine endliche Anzahl von Malen wiederholt 
und dabei für den Index % der Querschnitte x, = &,® auch verschiedene 
Zahlen der Reihe 1,2,...,» nimmt, kann man auf unendlich viele 
Weisen Teilintervalle T.. L, ea, bekommen, die alle außerhalb ein- 
ander liegen und in I enthalten sind, so daß stets 
D)-d)+tb)+ +) 
ist. 

229. Die letzte Bemerkung wird uns dazu dienen, zwei Sätze zu 
beweisen, die wir im Folgenden brauchen: 


‚Satz 1. Sind I, I;,.. - , I” endlich viele Intervalle, die ein gegebenes 
‚abgeschlossenes Intervall I überdecken, d. h. deren Vereinigungsmenge das 
Intervall I enthält, so ist steis, wenn I die größte offene Teilmenge von I 


bedeutet, 
A)+l)+.+)S(D. 
Jedes der (m + 1) Intervalle 
I, I, ],. 7 1. 


projiziert sich auf der Achse der x, als ein lineares Intervall; durch die 
Endpunkte &,9 eines jeden dieser Intervalle legen wir Querschnitte 2,—$8,® 
und wiederholen diese Operation fürk=1,2,...,n. Durch die Gesamt- 
heit dieser Querschnitte wird jedes der Intervalle in endlich viele Teil- 
intervalle zerlegt, z.B. I, in &,,&3,---,&,,, ebenso IM &1, may ++, € 


mp 
und / selbst in &,,6&,...,e,. Man hat also 


(A) = (a1) = (a2) u + am) 


a Id tel rm +) 
D=-()+(&@)+ + %)- 

Nun bemerke man, daß zwei beliebige Teilintervalle e,, und e, ent- 
weder einander gleich sein müssen oder keinen gemeinsamen Punkt be- 
sitzen können. Da die I, das Intervall I überdecken, so muß also ins- 
besondere e, ein Teilintervall irgendeines der I,... I, sein, z. B. von I, . 
Wir nehmen sämtliche e, weg, die ebenfalls in 1, enthalten sind; die 
Summe ihrer Inhalte ist kleiner oder gleich (7,). "Das erste der übrig- 
bleibenden e, sei in I, enthalten. Wir nehmen nun sämtliche e, weg, 


8 230 Äußerer Inhalt 231 


die in Z,, enthalten sind; die Summe ihrer Inhalte ist nicht größer als 
(2). So fahren wir fort, bis wir die e, erschöpft haben. Dann ist 


(N=-(e)+(g)+ + (e,) s (1,) Tr (1,,) Tor (1,,) 
< (1,) + (4) FREr (1,)- 
Hiermit ist die Behauptung erwiesen. 

Satz 2. Man kann die abgeschlossene Hülle I eines beliebigen Inter- 
valls I durch endlich viele Intervalle überdecken, deren Durchmesser kleiner 
als die gegebene positive Zahl o ist, und zugleich erreichen, daß die Summe 
ihrer Inhalte kleiner ist als 

(I ) +8, 


wo & eine beliebig vorgeschriebene positive Zahl bedeutet. 


Wir zerlegen dazu durch Querschnitte das Intervall I in Teilinter- 
valle e,,&,.. -, e,, deren Kantenlängen kleiner sind als 0:2n, wobei n 
die Dimensionszahl des Raumes bedeutet. Der Durchmesser eines jeden 
der e, ist dann sicher kleiner als 0:2 ($ 195) und man hat 


I)=(a)+(&)++()- 
Nun ersetzen wir jedes der Intervalle e, durch ein konzentrisches Inter- 
vall e,, dessen Seiten zu den entsprechenden Seiten von e, im Verhältnis 
4:1 stehen. Dann ist immer 


(&) = A"(e,). 
Wählt man nun A>1, so überdecken die e, die abgeschlossene Hülle / 
des ursprünglichen Intervalls I; wählt man zudem A<2, so ist der 


Durchmesser eines jeden der e,’ kleiner als o. Endlich ist die Summe 
der Inhalte der e, gleich 
(M 


und dafür, daß diese Zahl die Größe (T)-+ e nicht übertreffe, genügt es 
1 
e \n 
ı<(ltm) 


zu nehmen. Da die verschiedenen Bedingungen für A sich nicht wider- 
sprechen, ist unser Satz bewiesen. ' 


230. Es sei A eine ganz beliebige Punktmenge des n-dimen- 
sionalen Raumes. Dann kann man die Punktmenge A mit endlich oder 
abzählbar unendlich vielen n-dimensionalen Intervallen 


I, d...,4, 


m) .»e. 0 


überdecken und dies auf verschiedene Weisen ($ 73). 


232 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit g 231 


Nun betrachten wir die Zahlenmenge, die dadurch entsteht, daß 
man die Summe 
S (I) 


der Inhalte aller Überdeckungsintervalle für alle möglichenÜberdeckungen 
bildet. Diese Zahlenmenge besitzt eine untere Grenze, die wirdenäußeren 
Inhalt der Punktmenge A nennen, und mit 
| m* A 

bezeichnen. 

Da die (I,) ihrer Natur nach positiv sind, muß stets m* A > sein. 

Der äußere Inhalt m*A ist also gleich + oo, wenn es nicht mög- 
lich ist, endlich oder abzählbar unendlich viele Intervalle Z,,Z,,... zu 
finden, die A überdecken, so daß die Summe ihrer Inhalte eine endliche 
Zahl ist. 

Der äußere Inhalt von A ist endlich und gleich einer nicht 
negativen Zahl o, 

m’+A=6>(, 


wenn für jede Menge von endlich oder abzählbar unendlich vielen Inter- 
vallen /,,2,,..., die A überdecken, 


SA) 20 


m 


ist, und wenn jeder positiven Zahl & mindestens eine Folge von Über- 
deckungsintervallen so zugeordnet werden kann, daß 


S()<ete 
ist. 

Der Fall m* A = 0 kommt z.B. vor, wenn A aus einem einzigen 
Punkte besteht. Ist m* A = 0, so sagen wir, daß die Punktmenge den 
Inhalt Null hat, oder auch, daß A eine „Nullmenge“ ist. 

Es ist, wie wir im folgenden sehen werden, wesentlich, daß wir 
zu den Überdeckungsmengen auch solche zugelassen haben, die aus 
unendlich vielen Intervallen bestehen. Wir werden nämlich sehen, 
daß man unter Umständen eine ganz andere Zahl bekommt, wenn man 


nur Überdeckungsmengen mit endlich vielen Intervallen zuläßt (vgl. 
8 287). | 


231. Dagegen finden wir die Zahl m*A wieder, wenn wir von 
sämtlichen Überdeckungsintervallen noch außerdem verlangen, daß ihre 
Durchmesser durchweg kleiner sein sollen als eine gegebene feste posi- 
tive Zahl o. 


S 232 Äußerer Inhalt 233 


Nennen wir nämlich M Pr. die untere Grenze aller Summen 
In, 


die Folgen von Überdeckungsintervallen entsprechen, deren Durchmesser 
kleiner als o ist, so ist, weil diese Intervallfolgen unter den früheren 
allgemeineren vorkommen ‚ nach einem Satze über die untere Grenze ($ 23, 
Satz 7) 

(1) M,A > m*A. 


Ist m*A=-+ 00, so kann nur das Gleichheitszeichen in (1) vorkommen 
und unsere Behauptung ist richtig. 

Ist dagegen m*A endlich und & eine beliebige positive Zahl, so 
kann man A mit endlich oder abzählbar vielen Intervallen J,, ),, .-- 
überdecken, für welche 


Nun kann man nach dem Satze 2 des $ 229 das Intervall J, mit end- 
lich vielen Intervallen ],,, Is, - - -, J4,, überdecken, deren Durchmesser 
kleiner als o sind und so daß 


)+l)+t + )<(H)+ — 


ist. Ebenso kann man für jedes m das Intervall J, mit endlich vielen 
Intervallen ],,,, Ins» +++» Imı,, deren Durchmesser kleiner als g sind, 
überdecken, so daß 


dt) t +) < An) + zmri 
ist. Die Vereinigungsmenge aller I, , welche auch noch aus abzählbar 
vielen Intervallen besteht, überdeckt also A und nach dem Satze des 
$ 105 ist die Summe ihrer Inhalte nicht größer als 
Mratrdtst tm tmnt <mtdte 
Da die Durchmesser der I,,, alle kleiner als o sind, ist also auch 
M,A e m’A+te 


und, da diese Ungleichheit n jedes positive e gilt, ist mit Berücksich- 
tigung von (1) 
M,A=m*4; 


unsere Behauptung ist daher ganz allgemein bewiesen. 


232. Man könnte glauben, daß es unzweckmäßig war, das Wort 
„Inhalt“ in Mei verschiedenen Bedeutungen zu benutzen, nämlich ein- 


234 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit \ 8 232 


mal für Intervalle mit der Bedeutung des Produktes der Seiten dieses 
Intervalls, und dann als äußerer Inhalt eines Intervalls, mit der Bedeu- 
tung des $ 230. 

| In Wirklichkeit sind die beiden Zahlen einander gleich. Wir wollen 
nämlich zeigen: wenn I ein offenes Intervall und I die abgeschlossene 
Hülle von I bedeutet, so gilt in den Bezeichnungen der vorigen Para- 
graphen _ 

(1) m’I=m*’I=(]). 

Nach dem Borelschen Überdeckungssatze ($ 59) gibt es unter den 
Elementen einer Folge von Intervallen, welche die abgeschlossene Punkt- 
menge I überdeckt, eine endliche Anzahl, deren Vereinigung dieselbe 
Eigenschaft besitzt. Nach dem Satz 1 des $ 229 ist aber die Summe 
der Inhalte dieser letzten Intervalle stets > (I) und hieraus schließt man 


(2) Ä m*I>(I). 
Anderseits kann man ein zu I konzentrisches Intervall J finden, 
das I überdeckt und für welches bei vorgeschriebenem positiven & 


)<(D)+e 


ist. Es ist aber nach der Definition des äußeren Inhaltes 


m*I <(J) 
und folglich _ 
m’"I<(D+e; 
da dies für jedes & gilt, erhält man mit Berücksichtigung von (2) 
m*I = (TI). 


Um nun auch den äußeren Inhalt des offenen Intervalls Z zu be- 
rechnen, bemerken wir, daß jede Folge von Intervallen, die / überdeckt, 
auch / überdecken muß, und daß folglich 


(3) m*I<m*I= (I) 
ist. Aus demselben Grunde sieht man, daß, wenn I, ein beliebiges ab- 
geschlossenes Intervall bedeutet, das ganz in I enthalten ist, 


| m*I > m*I, = (I) 
sein muß, und da man bei vorgeschriebenen positivem & das Intervall I, 
so wählen kann, daß 
j A)>A)-e 
ist, so muß für jedes & 
(4) m"I>(D)-e 
sein. Der Vergleich von (3) und (4) liefert schließlich 

m*’I=(I). o 


$ 233 Äußerer Inhalt 235 
233. Über den äußeren Inhalt von beliebigen Punktmengen gelten 
folgende allgemeine Sätze: 


Satz 3. Ist B eine Teilmenge von A, so ist der äußere Inhalt von B 
nie größer als der äußere Inhalt von A. 


Der Satz folgt direkt aus der Definition des äußeren Inhalts, wenn 
man bedenkt, daß jede Folge von Intervallen, die A überdeckt, auch B 
überdecken muß und den $ 23 berücksichtigt. 


Satz 4. Ist V die Vereinigungsmenge von endlich oder abzählbar un- 
endlich vielen Punktmengen A,, As, - . -, so gilt stels die Relation 


mV < m*A,-+ mA, -- ... 
Der Satz bedarf natürlich nur dann eines Beweises, wenn die Summe 
der nicht negativen Zahlen m*A, endlich ist; dann ist jede einzelne 
dieser Zahlen endlich. Wir bezeichnen die Summe aller-m* A, mit 6 


und führen, wenn & eine beliebige positive Zahl bedeutet, endlich oder 
abzählbar unendlich viele Intervalle . 


3  EFEE IE 
ein, welche A, überdecken, so daß 
A)+d)+ - <mAtz 
ist. Ebenso überdecke man A, mit einer Folge von Intervallen 
3 Re POUR PP ER 
von der man verlangt, daß 
B)+tb)+t  smt4,+ si 
ist, und allgemein A, mit einer Folge von Intervallen 7,,, für welche 
(Zı)+t(i)t: sm*4+ er 


besteht. Die Gesamtheit der Intervalle I,, für sämtliche k und p über- 
deckt aber Y und die Summe der Inhalte dieser Intervalle ist Aueh dem 
Satze 2 des $ 105 nicht größer als 


(m*#A, + EN + (mA +) + mt) + 
diese letzte Summe ist aber nach demselben Satze nicht größer als 
o+ 8. Es ist also für jedes positive & 


m’V<o+te 
und folglich 
m"V <o. 


236 Kap.V. Inhalt und Meßbarkeit g 233 


Satz 5. Sind A und B zwei Punktmengen, deren Entfernung ö von 
Null verschieden ist, so ist 
(1) m*(A+B) = m*A + m*B. 
Ist eine der beiden Zahlen m*A und m*B gleich +00, so muß nach 
dem Satze 1 auch m*(A+B)=-+ 00 sein und die Relation (1) ist 
erfüllt. 

Sind dagegen m*A und m*B beide endlich, so ist nach dem Satze 4 
(2) m*"(A+B)<m*A+ m*B. 
Ist nun & eine beliebige positive Zahl, so kann man die Punktmenge 


(A-+ B) mit Hilfe von endlich oder abzählbar unendlich vielen Inter- 
vallen - | 


' 


(8) I, 1,1»: -- 
überdecken, deren Durchmesser kleiner als ö sind und für die 
Z(M<m*A+B +: 


ist ($ 231). Nun seien diejenigen Intervalle (3), die mindestens einen 
Punkt von A enthalten, mit 


(4) 5 ERS Por NCENERE 

und die übrigen mit 

5) ds 

bezeichnet. Da .nach Voraussetzung die Entfernung 
E(A,B)=6 


ist, ist kein einziger Punkt von B in einem der Intervalle (4) enthalten 
und man hat 


B < I’ + L + I + 
so daß auch 
m*’B < < (1) 
ist. Anderseits ist aber jeder Punkt von A in einem der Intervalle I, 


enthalten und man hat 
m’A<2 (1,)- 
Es ist also schließlich j 
m*’B+ m*A<s <=) 3 2.) 
<a) 
| <m*(A+B)+e, 


8 254. 286 |  Maßfunktionen 237 
und da & beliebig gewählt werden kann, muß mit Rücksicht auf (2) 
m*(A+B)=m*4 + m*B 
sein. 
234. Es sei A eine Punktmenge, deren äußerer Inhalt m*A eine 
endliche Zahl ist, und & eine beliebige positive Zahl. Man kann nach 


Voraussetzung endlich oder abzählbar unendlich viele Intervalle ],, I,,... 
finden, die A überdecken und für welche 


(1) Sm+L,<m*A+s 
k 


ist. 
Setzt man 
U =-1+1L41%+---, 


so ist U, eine offene Punktmenge ($ 71, Satz 7), die A enthält, d.h. 
eine Umgebung von A. j 
Nun ist nach dem Satze 4 des vorigen Paragraphen 
m*U, <m*’L+m*lL,+---, 
und daher nach (1) 
(2) m*D, <m*A+e. 
Anderseits gilt für jede beliebige Umgebung U von A die Relation 
A<U 
und somit nach dem Satze 3 des vorigen Paragraphen 
(3) | m’A<m*U. 


Da die positive Zahl & beliebig ist, liefert der Vergleich von (2) und (3) 
folgendes Resultat, das für Punktmengen von unendlichem äußeren In- 
halte evident ist. 


Satz 6. Der äußere Inhalt m*A einer beliebigen Punktmenge A ist 
stels gleich der unteren Grenze der äußeren Inhalte m*U aller Um- 
gebungen U von A. 


Maßfunktionen. 


235. Da die endliche oder unendliche Zahl m*A für jede Punkt- 
menge A eindeutig bestimmt ist, kann der äußere Inhalt von Punkt- 
mengen als eine Mengenfunktion aufgefaßt werden ($ 83). Es hat 
sich nun gezeigt, daß die Eigenschaften dieser Mengenfunktion, die für 
die Anwendungen maßgebend sind, direkt aus den drei Sätzen des $ 233 
gefolgert werden können. 


238 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 255 


Somit entsteht für uns die Aufgabe, diejenige Klasse von 
Mengenfunktionen zu untersuchen, die durch die Eigen- 
schaften, die in diesen Sätzen ausgedrückt sind, charakteri- 
siert werden. 

Für Punktfunktionen haben wir schon ähnliche Untersuchungen 
durchgeführt, als wir z. B. die halbstetigen oder die monotonen Funk- 
tionen, oder die Funktionen von beschränkter Variation studierten ($ 134, 
147,177). Die Verhältnisse liegen hier nur insofern komplizierter, als die 
Mengenfunktionen der Klasse, die wir jetzt betrachten wollen, gleich- 
zeitig mehreren Forderungen zu genügen haben werden *), während 
früher, z. B. die nach oben halbstetigen Funktionen durch eine einzige 
Eigenschaft gekennzeichnet wurden (nämlich durch die Forderung, daß 
die Funktion f(P) in jedem Punkte ihres in sich dichten Definitions- 
bereiches gleich ihrer oberen Limesfunktion ®(P) sein soll). 


Wir geben, ebenso wie wir es für Punktfunktionen getan haben, 
den Mengenfunktionen unserer Klasse einen besonderen Namen und 
stellen für sie folgende Definition auf: 


Definition. Eine Mengenfunktion 
u*A 
heißt eine Maßfunktion oder auch ein äußeres Maß, wenn sie 
folgende vier Eigenschaften besitzt: 


I. Die Zahl u*A, die jeder beliebigen Punktmenge A zu- 
geordnet wird, ist entweder Null, oder endlich und positiv 
oder gleich +o0. Es gibt Punktmengen, für welche diese 
Zahl #0 und endlich ist; für leere Mengen ist sie gleich 
Null.**) 


II. Für eine Teilmenge B von A ist stets: 

u*B<u*A. 

IU. Ist V die Vereinigungsmenge einer Folge von end- 
lich oder abzählbar unendlich vielen Punktmengen A,, 4A,, 
As, .. ., Bo ist stets: 

u"r/<su*rd+turdtutdrt 


*, Wir werden sogar später feststellen, daß diese Forderungen voneinander 
unabhängig sind, und nicht etwa die eine eine Folge der übrigen ist ($ 338). 

*) Wir werden die Zahl u*A selbst der Kürze halber das äußere Maß 
von A nennen und z.B. von Punktmengen von endlichem (oder verschwindendem) 
äußeren Maße sprechen, anstatt zu sagen: die Punktmengen, für welche ein ge- 
gebenes äußeres Maß u*A endlich ist (oder verschwindet). 


8 236 Maßfunktionen 239 











IV. Sind A und BD zwei Ponkimengen, deren Entfernung 
ö=+0 ist, so ist stets: 
ur(A+B)=u*A+u*®B. 


236. Der äußere Inhalt von Punktmengen, d.h. die Mengenfunk- 
tion, die ım $ 230 für jeden »-dimensionalen Raum definiert wurde, ist 
ein spezielles äußeres Maß; man kann aber sehr leicht auch andere 
Mengenfunktionen angeben, die ebenfalls Maßfunktionen sind. Wir 
wollen hier einige Beispiele behandeln: 


Beispiel 1. Wir betrachten einen beliebigen festen Punkt P, 
des n-dimensionalen Raumes und setzen 


(1) u*rA=]1, falls AP, =P, 
(2) u*rA=0, falls AP,=0 
ist. 


Man sieht zunächst sofort ein, daß diese Mengenfunktion u*A die 
Eigenschaft I der Definition des letzten Paragraphen besitzt. Es sei 
nun B irgendeine Teilmenge von A; ist uf4A = 1, so muß nach (1) 
und (2) 

(8) u*B<u*®A 


sein, ist dagegen u*A = 0, so kann nach (2) der Punkt P, kein Punkt 
von A sein und P, ist daher auch kein Punkt von B. Man hat daher 
u*B = 0 und die Bedingung (3) ist wiederum erfüllt. Unsere Mengen- 
funktion besitzt m. a. W. die Eigenschaft II der Definition der Maß- 
funktionen. 

Wir betrachten jetzt die Vereinigungsmenge V von endlich oder 
abzählbar unendlich vielen Punktmengen A,, A,,.... Die Relation 


(4) u"rsurdtudt 


kann in unserem Falle nur dann nicht erfüllt sein, wenn ihre linke Seite 
gleich Eins ist und ihre rechte Seite verschwindet. Dann aber müßte P, 
in der Punktmenge V, dagegen in keiner einzigen der Punktmengen A, 
enthalten sein, was unmöglich ist; die Bedingung Ill der Definition der 
äußeren Maße ist demnach auch erfüllt. 

Sind endlich A und B zwei Punktmengen ohne gemeinsame Punkte, 
so ist P, entweder in keiner oder aber in höchstens einer dieser Punkt- 
mengen "und dann auch in (A-+B) enthalten. In jedem dieser beiden 
Fälle ist aber 
(5) u*rA+B)=u*A+u*B, 


240 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 286 


woraus insbesondere folgt, daß die Eigenschaft IV der äußeren Maße eben- 
falls vorhanden ist. Unsere Mengenfunktion ist mithin eine Maßfunktion. 


Beispiel 2, Wir bezeichnen im n-dimensionalen Raum der 
+, %, (wobei n>2 sein möge) mit X die Gesamtheit der 
Punkte der z,-Achse, d.h. die Punkte, für welche 

== ee =7,=0 
ist; ferner sei, wenn ( eine beliebige Teilmenge von X be- 
deutet, mit #C der lineare äußere Inhalt von C bezeichnet, 
d. h. der äußere Inhalt von ©, wenn man diese Punktmenge 
als Punktmenge des eindimensionalen Raumes der z, betrach- 
tet. Dann ist die Mengenfunktion 
(6)  a*A=mAX 
ein äußeres Maß. 

In der Tat folgt aus B<A stetsauch BX<AX, au VY=A,+A,+--- 
stets auch VYX=A,X + 4,X +... und man hat ganz allgemein 
E(AX,BX) > E(A,B). Hieraus folgt aber unmittelbar, daß die vier 
Eigenschaften I—IV der Maßfunktionen, die für die äußeren Inhalte 
mAX. bestehen, auch für unsere Mengenfunktion u*4A gelten müssen. 


Ganz ebenso beweist man den 

Satz 1. Ist die Mengenfunktion u* A eine Maßfunktion und bezeichnet 
man mit C eine beliebige feste Punkimenge, so ist die Mengenfunktion 
(7) v*A = uFAC 
ebenfalls eine Maßfunktion, falls sie nicht identisch verschwindet. 

Läßt man in unserem Beispiele 1 den Punkt P, oder in unserem 
letzten Satze die Punktmenge C variieren, so sieht man, daß es unend- 


lich viele verschiedene äußere Maße gibt; zu weiteren äußeren Maßen 
gelangt man durch den 


Satz 2. Bezeichnet man mit u,*A, us"4,... endlich oder abzählbar 
unendlich viele Maßfunktionen und mit a,, &,... ihnen zugeordnete posi- 
tive Zahlen, so ist die Mengenfunktion 


(8) u*4= > &, 4,7 A 


ebenfalls ein Maßfunktion, falls sie für mindestens eine Punktmenge A, ' 
endlich und von Null verschieden ist. 


Der letzte Zusatz muß dafür gemacht werden, daß die Eigen- 
schaft I der äußeren Maße bestehe; die übrigen Eigenschaften II—IV 


8237 Maßfunktionen 241 


werden dann mit Hilfe des Satzes 2 des $ 105 abgeleitet. Wir wollen 
z. B. zeigen, daß mit 


(9) V=4A +4, +--- 
stets auch 
(10) u"V/<urd,+tutd+-- 


erfüllt ist. Die Relation (10) braucht natürlich nur für den Fall be- 
wiesen zu werden, daß ihre rechte Seite, d. h. die Doppelsumme 


o - 224, m"4,; 


endlich ist. Diese Doppelsumme, die aus lauter nicht negativen Zahlen 
besteht, kann aber mit Hilfe des soeben erwähnten Satzes geschrieben 
werden 


(11) 6 - 2%, Zw4; 


und man hat anderseits wegen (9) nach der Eigenschaft III der äußeren 

Maße 

(12) ul < DI uF4, (k=1,2,...). 
; 


Es ist also nach (11) und (12) mit Berücksichtigung von (8) 
ur’ = Zau*V <e, 
k . 
was mit der zu beweisenden Relation (10) identisch ist.*) 


237. Unsere erste Aufgabe, um eine Theorie der Maßfunktionen 
aufzustellen, wird darin bestehen, die Eigenschaft IV dieser Mengen- 
funktionen zu verallgemeinern. Wir werden nämlich zeigen, daß, wenn 
A und B zwei Punktmengen bedeuten, von denen die eine in einer 
offenen Punktmenge H und die andere in der abgeschlossenen Komple- 
mentärmenge X von H enthalten ist, für jede beliebige Maßfunktion 


1) u*(A+ BD) = u*A+ u*B 


ist. Diese noch zu beweisende Eigenschaft der äußeren Maße enthält 
aber die Eigenschaft IV der Definition als Spezialfall. Ist nämlich die 
Entfernung E(A, B) der gegebenen Punktmengen von Null verschieden, 


*, Wir haben durch die Ausführungen dieses Paragraphen nur zeigen wollen, 
daß man sehr leicht die verschiedenartigsten Maßfunktionen bilden kann. Die 
Mengenfunktionen dieser Art, die außer dem äußeren Inhalt ($ 230) eine wichtige 
Rclle in der Analysis spielen, sind solche, die man mit den Begriffen der Länge 
einer Kurve oder des Flächeninhalts einer krummen Oberfläche verknüpft, auf 
die wir aber nicht eingehen werden. 

Carath&odory, Reelle Funktionen. | 16 


242 Kap. \ V. ‚ Inhalt und Meßbarkeit 48 237 








und bezeichnet man mit A die abgeschlossene Hülle von A, so ist 
nach dem $ 193 E(A,B) = E(A,B)>0 


und daher B in der offenen Komplementärmenge von A enthalten, wäh- 
rend zu gleicher Zeit A eine Teilmenge der abgeschlossenen Punkt- 
menge A ist. 


Setzt man in (1) A+B=W 


so st A=KW= W- HW und B= HW und man kann diese Glei- 
chung in der Form schreiben 


(2) u*W= u*HW + u*(W—- HW). 


Es wird sich also darum handeln, die Gleichung (2) allgemein z zu 
beweisen; wir leiten zunächst einen Hilfssatz ab: 

Es sei u*A eine gegebene Maßfunktion und HZ eine beliebige offene 
Punktmenge, deren Komplementärmenge K mindestens einen Punkt ent- 
hält. Wir bezeichnen mit m eine natürliche Zahl und mit 7, die Gesamt- 
heit der Punkte des Raumes, deren Entfernung von der Punktmenge X 
größer als 1:m ist. 

Die Punktmengen H,, H,, ... und ihre Komplementärmengen X, 
K,,... besitzen nach dem Satze 12 des $ 219 folgende Eigenschaften: 

a) Für jedes hinreichend große m 
ıst HZ, eine offene Teilmenge von 4, und 
K, eine abgeschlossene Punktmenge, die 
K als Teilmenge enthält. 

b) Die Punktmengen H,,H,,... bil- 
den eine monoton wachsende, die Punkt- 
mengen K,, K,,... eine monoton abneh- 
mende Folge von Punktmengen; man hat 
also 


(3) H„< Hay 
(4) Keks 





Fig. 20. 


c) Man hat für jedes m, dem eine nicht leere Punktmenge H,, ent- 
spricht, für die Entfernungen zwischen H, und K bzw. zwischen 77, 
und X, die Gleichungen 
: 1 1 1 
(5) E(H „=, E(H,, ee ai near 
Da.nun X eine abgeschlossene Punktmenge ist, ist für jeden Punkt des 
Raumes, der nicht in X enthalten ist, d. h. für jeden Punkt P von H 


E(P,K)+0 


$ 237 Maßfunktionen 243 











jedem H,, enthalten sein. Wir'müssen demnach haben: 
(6) H=-H+H+B,+.... 


Wir nehmen nun an, es gibt eine Punktmenge B, die Teilmenge 
von H ist, mit endlichem äußeren Maß u*B. 
Wir setzen 
D„= BH,; 
dann folgt aus (3) | 
B m < Barı 


B=HB=-B+B+B+--., 


und aus (6) 


oder, wenn wir 


(7) B=D,+ HR. (m=1,2,3,...) 
und | 
(8) C,„= B,yı-B, (p=1,2,3,...) 
setzen, 
(9) Rn On t Onrıt Om tt 

Nun wollen wir die Gleichung beweisen: 
(10) u*B = lim u*B, . 


Aus B, < B,„;ı und B,<B folgt zunächst, wegen der Eigen- 
schaft II der äußeren Maße ($ 235), daß die Zahlen u*B,, mit m.mono- 
ton wachsen und stets unterhalb der endlichen Zahl u*B bleiben. Es 
existiert also der Grenzwert 


(11) lim u*B, =. 

und man hat - 

(12) A<u”®B. 

Anderseits ist, wegen der Eigenschaft III der äußeren Maße, nach (7). 
(13) u"B<u*B, + u®R, 

und nach (9) 

(14) u*R,<u*(, +u*rl,4ıt+ ne 


Nun folgt aber aus (8) für jede natürliche Zahl » > 2 
B,41=0,+B>0,+B_1 


weil B,_, eine Teilmenge von B, ist; es ist also nach der Eigenschaft Il 
“ der äußeren Maße 
(15) u*(C, Tr B,_ı) = u*B,+ı ? 
16” 


244 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 237 











Nun bemerke man, daß B, _| als Teilmenge von H,-ı und C -B, .B 
als Teilmenge von X, einen Abstand besitzen, der nach (5) mindestens 
gleich 
1 
E(H,_ı, K,) on 

und folglich von Null verschieden ist. Nach 
der postulierten vierten Eigenschaft der äuße- 
ren Maße ist also 


u*(C, + B,_ı) z® u*C, + u*B,_; 
und man entnimmt dann aus (15) 
Fig. 21. u*C,<u*B,,,-u*B_, (=233,...). 





Setzt man diese letzte Relation in (14) ein, so bekommt man mit Be- 
rücksichtigung von (13) 

urB< u*"B, + (u*B,+ı— u*B,_ı) T (u*B, +3 a u*B,,) + ... 
dies kann aber auch geschrieben werden 


u*B < lim (WPD 4,4 #'Bargrı — u*Bnı): 


oder, wenn man (11) benutzt, 
urB<24— u*B,_ı- 
Da diese Beziehung für jedes m gelten muß, ist also 
u*B<lim (22 — u*B, _,)=4 


M=X 


und wegen (12) 
u*B=41. 


Wir haben somit den 


Satz 1. Bezeichnet man mit H eine beliebige offene Punktmenge, deren 
Komplementärmenge K mindestens einen Punkt enthält, und mit HL, die 
Gesamtheit der Punkte des Raumes, deren Entfernung von K größer als 
l:m st; ist ferner B eine Teilmenge von H und setzt man für jede 
natürliche Zahl m 

BD, =B H, ’ 


so gilt stets, für jede beliebige Maßfunktion, die Gleichung 
u*B — lim u*B,,, 


falls u*B eine endliche Zahl ist. 





8 238 Maßfunktionen 245 


238. Wir betrachten jetzt eine Punktmenge W von endlichem 
äußeren Maße, die aber sonst ganz willkürlich ist, und führen die Be- 
zeichnungen ein | | 


(1) B-HW, B„—H,W-H,B, 
wobei HM und H,, dieselbe Bedeutung wie im vorigen Paragraphen haben 
sollen. ® 


Sind die beiden Mengen (W-— B) und B,, nicht leer, so kann man 


schreiben 
E((W-B), B,)> E(K, H,)= __, 
weil 


W-B=W-HW=-KW 


eine Teilmenge von X und B, eine Teilmenge von H,, ist. Es ist also 
nach der Eigenschaft IV des $ 235 


(2) u*(W—-B}+B,)=u*W—B) + u*B,. 
Diese letzte Gleichung ist übrigens auch dann erfüllt, wenn eine der 
beiden Punktmengen (W— B) und B, oder beide zusammen leer sind. 
Anderseits ist aber 
und folglich, wegen der Eigenschaft II der Maßfunktionen 
u*W > u*(W—B) + B,) 
oder nach (2) 
(8) u*W > u*(W—B) + u*B,, 


Nach dem Satze des vorigen Paragraphen hatten wir nun 

lim u*B,=u*B, 

und da die Ungleichheit (3) für jedes beliebige m gilt, können wir 

schreiben: 

(4) u*W > u*(W—B) + u*B. 

Nach der Eigenschaft III des $ 235 folgt aber aus 
W=B+(W-B) 

die Relation 

(8) u*W <u*B + u*(W—B), 

Die Relationen (4) und (5) liefern uns dann die Gleichung 

u"W=u*B+u*W—B) 


246 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit / 8 239 


und, wenn wir nach (1) statt B wieder HW einsetzen, 

(6) u*W = u*HW-+ u*(W-HW). 

Diese Gleichung ist nur für offene Punktmengen H bewiesen worden, die 
vom Gesamtraume verschieden sind; ist aber 7=N,, so hat man stets 


W=HW und (W-HW)=0, so daß auch hier die Gleichung (6) besteht. 


“Satz 2. Ist H eine offene und W eine beliebige Punktmenge, so gilt 
für jede Maßfunktion die Relation 


u*W = u*HW + u*(W— HW), 
falls uFW eine endliche Zahl ist. 


Meßbarkeit. 


239. Ist A eine beliebige Punktmenge, so gilt für jede weitere 
Punktmenge W die Relation 


W=AW+(W-AW), 


wobei die auftretenden Mengen auch leer sein können. Wegen der Eigen- 
schaft III des $ 235 hat man nun aber für jede Maßfunktion 


u*W <u*AW + u*(W— AW). 


Ist das äußere Maß von W gleich + oo, so muß dann mindestens 
eine der Zahlen auf der rechten Seite der vorigen Relation ebenfalls 
gleich + 00 sein, und diese Relation reduziert sich auf eine Identität. 
Nach dem letzten Paragraphen muß aber das Gleichheitszeichen auch 
für alle Punktmengen W von endlichem Maße genommen werden, 
falls A eine offene Punktmenge bedeutet. Punktmengen, welche in 
dieser Hinsicht dasselbe Verhalten wie die offenen Punktmengen zeigen, 
spielen eine hervorragende Rolle in unserer Theorie; wir wollen ihnen 
deshalb einen besonderen Namen geben: 


Definition. Für eine gegebene Maßfunktion u*A soll eine 
Punktmenge A meßbar heißen, wenn für jede willkürliche 
Punktmenge W von endlichem äußeren Maße die Gleichung 


u*W = u*AW + u*(W— AW) 


erfülltist. DasäußereMaß u*A einer meßbaren Punktmenge A 
wird das Maß der Punktmenge genannt und mit uA bezeichnet. 


Eine Punktmenge B ist also nicht meßbar (für das gegebene 
äußere Maß „«*A), wenn man wenigstens eine Punktmenge W, finden 
kann, so daß 


u*rW, <u*BW, + u*W, — BW,) 


8 239 Meßbarkeit 247 


ist. Für eine nicht meßbare Punktmenge ist zwar das äußere Maß u*B, 
aber nicht das Maß u.B definiert; dieses ist vielmehr eine Mengenfunk- 
tion, deren Definitionsbereich A nur aus den (für u*A) meßbaren 
Punktmengen besteht, und die für diese Punktmengen gleich u*A ist. 


Bemerkung. Um die hier dargelegten Verhältnisse besser zu ver- 
stehen, ist es vielleicht zweckmäßig, folgenden Vergleich zu machen: wir 
betrachten die Funktionen ®(x) einer Veränderlichen z, die für alle Werte 
von x definiert, nach oben halbstetig und monoton wachsend sind, und die 
außerdem für alle rationalen Werte von x stetig sind. Diese Funktionen 
sollen in unserer Analogisierung den Maßfunktionen u*A entsprechen. 
Die Stetigkeitspunkte x der Funktionen ®(x) verhalten sich dann 
zu diesen Funktionen genau wie die meßbaren Punktmengen A zu 
den Mengenfunktionen u*A. Sie sind ebenso wie diese stets vorhanden, 
eine spezielle Funktion ®(z) mit den gegebenen Eigenschaften braucht 
aber nicht überall stetig zu sein. In einem gegebenen Punkte x, der 
%-Achse kann von zwei unserer monotonen Funktionen die eine stetig 
sein und die andere nicht; ebenso kann eine feste Punktmenge A, für 
eine Maßfunktion u*A meßbar und für eine andere »*A nicht meBbar 
sein. Die Punktmengen, die wie z. B. die offenen für jede Maßfunktion 
‘ meßbar sind, entsprechen den rationalen Punkten der x-Achse, in denen 
alle Funktionen ®(x) stetig sein sollen. Das Maß u.A, d. h. die Mengen- 
funktion, deren Definitionsbereich X aus allen meßbaren Punktmengen A 
besteht, und für diese gleich u*A ist, würde einer stetigen Funktion f(x) 
entsprechen, die nur in den Stetigkeitspunkten von ®(x) definiert, und 
in diesen gleich ®(x) ist.*) 


Es entsteht die Frage, ob wir durch die Forderung, daß eine Punkt- 
menge meßbar sein soll, dieser Punktmenge eine Beschränkung auf- 
erlegen, d.h. ob es Punktmengen gibt, die nicht meßbar sind. Diese Frage 
muß für jede spezielle Maßfunktion untersucht werden. So werden wir 
im $ 333 zeigen, daß es Punktmengen gibt, deren Inhalt nicht meßBbar 
ist, d.h. die für die Maßfunktion des $ 230 nicht meßbar sind. Hieraus 
folgt jedenfalls, daß die Meßbarkeit einer Punktmenge nicht aus den 
Eigenschaften I—IV des $ 235 gefolgert werden kann. 


*, Die Analogisierung kann sogar noch etwas weiter verfolgt werden. Man 
kann nämlich dem weiter unten ($ 258) definierten inneren Maß u,„A die 
untere Limesfunktion (x) von G(x) zuordnen. Die Stetigkeitspunkte von 
®(x) sind dann diejenigen, für welche B(x)= gp(x) ist, ebenso wie die meßbaren 
Punktmengen endlichen Maßes diejenigen sind, für welche u*A = u,4A ist ($ 258, 
Satz 6). 


248 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 240. 241 








Es gibt aber auch Maßfunktionen, für welche alle Punktmengen 
ausnahmslos meßbar sind. Das Beispiel 1 des $ 236 ist ein solches, . 
wie die Gleichung (5) dieses Paragraphen zeigt, die ja für zwei beliebige 
Punktmengen ohne gemeinsame Punkte abgeleitet ist. Die Meßbar- 
keit einer Punktmenge ist m. a. W. ein relativer Begriff, der 
von-der zu Grunde gelegten Maßfunktion abhängt. 


240. Über die Punktmengen, die für eine beliebige, aber ein für 
allemal gegebene Maßfunktion u*A meßbar sind, gelten eine Reihe von 
grundlegenden Sätzen, die wir jetzt ableiten wollen. 

Es sei A’ die Komplementärmenge von A; dann ist für jede will- 
kürliche Punktmenge W 


4“W=W-AW, W-AW=AW 
und folglich 


uFAW + ur W-AW) = uF4AW + u*(W-AW). 
Hieraus entnehmen wir sofort den Satz: 


Satz 1. Die Komplementärmenge einer meßbaren Punktmenge ist 
meßbar. 


241. Es seien A und B zwei meßbare Punktmengen, und 
D=AB 


ihr Durchschnitt. Wegen der Meßbarkeit von A ist für jede willkürliche 
Punktmenge W von endlichem äußeren Maße 


(1) e*W = u*AW + u*(W—AW), 


Nun setze man 


W=AW 
und bemerke, daß wegen der Meßbarkeit von B 


u*AW = u*W, = u*BW, + u*(W, — BW,), 


oder, weil 

BW=BAW=DW und W-BW=4W-DW 
ist, 
(2) u"#AW= u*DW+ u*(AW-DW) 


ist. Zweitens setze man 
W=W- DW; 


es ist, weil A meßbar ist, 


u*W, = u*AW, + u*(W,— AW,) 
AW=AW-ADW=AW-DW 


oder, weil 


8 242. 243 Meßbarkeit 249 





und u WR 
Ww,—-AW,=(W-DW)-(AW-DW)=W-AW 
1st, 
(3) u*(W—- DW) = u*(AW-—- DW) + u*(W-—-AW). 
Der Vergleich von (1) und (2) mit (3) liefert schließlich 
uFW = u*DW + u*(W-—- DW). 


Da W willkürlich war, muß also auch die Punktmenge D = AB meß- 
bar sein. Mit Hilfe des Schlusses von » auf (” +1) folgert man hieraus, 
daß der Durchschnitt von endlich vielen meßbaren Punkt-. 
mengen stets auch meßbar ist. 


242. Es seien wieder A,, 4,, ..., A, endlich viele meßbare 
Punktmengen und F ihre Vereinigungsmenge. Nennt man A,’,A,,...,A,, 
die Komplementärmengen von A,,..., 4, und V’ die Komplementär- 
menge von V, so ist ($ 37) | 
V’=4A A -..4,- 

Die Punktmengen A,’... A, sind nach dem Satze 1 des $ 240 meßbar; 
wegen des Resultats von $ 241 ist also auch V’ und schließlich die 
Komplementärmenge V von V’ ebenfalls meßbar. 

Die Vereinigungsmenge von endlich vielen meßbaren 

Punktmengen ist meßbar. 


m 


243. Die Resultate der beiden letzten Paragraphen lassen sich auf 
Folgen von abzählbar unendlich vielen Punktmengen übertragen. 
Während wir aber in diesen Paragraphen nur von der Definition der 
Meßbarkeit, nicht aber von den Eigenschaften der Mengenfunktionen, die 
wir äußere Maße genannt haben, Gebrauch gemacht haben, müssen wir 
jetzt die Eigenschaften II und III von u*A, die im $ 235 dargelegt 
sind, wesentlich benutzen. 


Es sei eine monoton abnehmende Folge 
(1) B>b,>B>-.-- 


von meßbaren Punktmengen gegeben, die gegen den Durchschnitt 2 
der Punktmengen B, konvergiert: wir wollen zeigen, daß 2 ebenfalls 
meßbar ist. | 

Es sei W eine Punktmenge von endlichem äußeren Maße; wir 
setzen 


(2) W=BW, W=8W 


und bemerken, daß W, für sämtliche k sowie auch W,, als Teilmengen 


250 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit $ 243 


von W, ebenfalls ein endliches äußeres Maß besitzen. Es ist ferner stets 
nach (1) 
B;;1 = B.ıBı: = RB, 
und daher 
(3) Wr Br WW. <W, und W=-R2W,<W.. 
Nach der Eigenschaft II des 8 235 hat man also 
u*W,,,Su*W, und u*"W,<u*W, 
und hieraus folgt ohne weiteres die Existenz des Grenzwertes 
(4) lim u*W, =A, 


sowie auch die Relation 
(5) urW, SA. 

Nun bemerke man, daß die Punktmenge (W—W,) aus gerade 
allen den Punkten von W besteht, die nicht in sämtlichen W, enthalten 
sind; ist P ein Punkt von (W-—-W,), so gibt es also in der Folge 
W,, W,, ... eine erste Punktmenge W,, die P nicht enthält ($ 15). 
Ist m=1, so ist Pin W, aber nicht in W,, und daher in (W— W,) 
enthalten; ist m > 1, so sieht man ebenso, daß Pin(W , _,- W,) ent- 
halten sein muß. Umgekehrt ist aber jeder Punkt von (W— W,) sowie 
auch jeder Punkt von (W,„—W„,ı)firm=1,2,... nicht in W,, wohl 
aber in (W—W,) enthalten. Man kann also schreiben & 


6) W-WM,=(W-W)+(W-W)+(M,-W)+--- 
und also auch 
(1) W=W,+(W-W)+(WM,-W)+:::. 


Die Eigenschaft III des $ 235 auf die Gleichung (7) angewandt 
liefert 
8) urWsurW+u*rW—W) tur M-W)t:- 


Nun sind aber B,, B,,... nach Voraussetzung meßbare Punktmengen: 
man entnimmt also aus (2) und (3) 


) ww M)=u*(W-BW) = urW—uW,, 

(10) u*W,_1—W;) = u*(W,_ı— BW._ı) = u*W,_ı — u*W,, 

und dies in (8) eingesetzt liefert mit Berücksichtigung von (4) 
urW <u*rW, +u*W-ı, dh Asu*W,, 

woraus mit Hilfe von (5) folgt: 

(11) u"W=4A. 


8 244 Meßbarkeit 251 

Nun wende man die Eigenschaft III des äußeren Maßes auf die 
Relation (6) an; es kommt 

ur WW) <u*W-W,)+u*rmMm-W)t- 
oder wegen (9), (10) und (4) 
(12) u(W-W)<urW-1. 
Der Vergleich von (11) und (12) liefert ferner 
u*W > u*W, + u*(W—W)), 

während anderseits nach der Eigenschaft III des äußeren Maßes 
urW<urWtutW-W) 


sein muß. 
Es ist also 


u"W = u*W, + u*(W-—-W,) 
= uF2W + ur W—- 2W), 


wodurch die Meßbarkeit von 2 bewiesen ist. 


244. Es seien jetzt A,, 4,, ... beliebige meßbare Punktmengen 
“in abzählbarer Menge und D sei ihr Durchschnitt. Die Punktmengen 
B=4,B=-4A4,B-4,44;,... 

sind nach dem $ 241 meßbar; außerdem ist 
B>B>B,>---. 

Nun ist aber der Durchschnitt dieser letzten Punktmengen, von 
dem wir gesehen haben, daß er meßbar ist, identisch mit D. " 

Wir haben also, wenn wir das Resultat des $ 241 hinzunehmen, 
folgenden allgemeinen Satz: ee 

Satz 2. Der Durchschnitt von endlich vielen oder abzählbar unendlich 
vielen meßbaren Punktmengen ist stets eine meßbare Punktmenge. 


Die Schlüsse des $ 242 können ohne weiteres auf abzählbar un- 
endlich viele Punktmengen mit Hilfe des obigen Satzes 2 angewandt 
werden und man kann den Satz behaupten: 


Satz 3. Die Vereinigungsmenge von endlich vielen oder abzählbar 
unendlich vielen meßbaren Punktmengen ist stets eine meßbare Punkt- 
menge. 

Sind A und B zwei meßbare Punktmengen und bezeichnet man 
mit B’ die Komplementärmenge von B, so ist nach Satz 1 die Punkt- 


252 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 245. 246 


menge DB’, nach Satz 2 die Punktmenge 
AB=4A-AB 
meßbar, und man erhält den Satz: 

Satz 4. Sind A und B zwei meßbare Punktmengen, so gilt dasselbe 
von der Punktmenge (A — AB). 

Alle Punktmengen, die man aus einer gegebenen Folge von ab- 
zählbar unendlich vielen meßbaren Punktmengen durch sukzessive Bil- 
dung von Komplementär-, Durchschnitts- oder Vereinigungsmengen er- 
hält, sind ebenfalls meßbar, wie die Sätze 1—4 lehren. 

Der Limes superior und der Limes inferior einer Folge von Punkt- 
mengen können aber durch derartige Operationen erzeugt werden ($ 116). 
Wir haben also den Satz: | 

Satz 5. Sowohl der Limes superior, wie der Limes inferior einer 
Folge von abzählbar unendlich vielen meßbaren Punktmengen sind wieder 
meßbare Punktmengen. 


245. Die bisherigen Sätze zeigten uns, wie man aus meßbaren 
Punktmengen neue meßbare Punktmengen ableiten kann. Die nun fol- 
genden Sätze sind anderer Natur; sie enthalten eine Aussage über den 
Wert des Maßes einer Punktmenge und erlauben das Rechnen mit Maß- 
funktionen zu begründen. Dabei muß im Auge behalten werden, daß 
es sehr wohl meßbare Punktmengen mit unendlichem Maße 
geben kann. 

Sind A und B zwei Punktmengen, von denen A meßbar und 5 
von endlichem äußeren Maße ist, so hat man, wenn man mit V die 
Vereinigungsnmenge von A und B bezeichnet, 


u"V = uFAV + u*(V— AP) 
=uA+u*(B— AB). 

Anderseits ist, weil B von endlichem äußeren Maße und A meB- 
bar ist, 

u*r(B—- AB)=u"B— u*4AB. 

Es gilt also der Satz: 

Satz 6. Ist A eine meßbare und B eine beliebige Punkimenge von 
endlichem äußeren Maße, so genügt das äußere Maß u*V ihrer Vereini- 
gungsmenge der Relation 

urV’=uA+u*B— u*AB. 


246. Es seien A,, A,,. . ., A, endlich viele meßbare Punktmengen 
ohne gemeinsame Punkte; man kann leicht schließen, daß ihre Summe S, ; 


& 247 Meßbarkeit 253 


die nach dem Satze 3 ebenfalls meßbar ist, stets der Relation genügt 
(1) uSn—uAtuAt tun 

Diese Relation ist nämlich evident, wenn eine der Punktmengen A, 
das Maß + 00 besitzt; im Falle aber, daß sämtliche A, von end- 
lichem Maße sind, ist sie eine Folge der Anwendung des Schlusses der 
vollständigen Induktion auf den Satz 6 des vorigen an in 
welchem wir Ab=0 zu setzen haben. 

Nun seien A,, A,, ... abzählbar unendlich viele meßbare Punkt- 
mengen, von denen keine zwei einen gemeinsamen Punkt besitzen und 
S$ ihre nach dem Satze 3 meßbare Summe. 

Bezeichnet man wieder die Summe der m ersten 4, mit S,, so ist 


S>S, uS2uS, 
und wegen (1) 


(2) us > Zu, 


Die Beziehung (2) gilt für jeden beliebigen Wert von m; hat also 
die Summe rechterhand im Limes den Wert + oo, so ist demnach eben- 
falls uS= oo. Ist aber 


Be uA,— 1 
| k=1 
eine endliche Zahl, so folgt aus (2) 
usS>4 
und aus der Eigenschaft III für die äußeren Maße 
| us<i, 
und wir haben schließlich 
uS= Du4,. 
k=l 


Satz 7. Das Maß der Summe von endlich oder abzählbar unendlich 
vielen meßbaren Punktmengen, von denen keine zwei einen gemeinsamen 
Punkt besitzen, ist gleich der Summe der Maße dieser Mengen. 


247. Es sei 
A, <A), <A<:--- 


eine monoton wachsende Folge von meßbaren Punktmengen. Diese 
Folge konvergiert gegen die Vereinigungsmenge F der Punktmengen A, 
und man hat 


di; VE ei) LA A 


254 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit & 247 


Die Summanden der Summe (1) genügen den Bedingungen unseres 
letzten Satzes und hieraus folgt 


wW=uA,+uAh—-A)+tub—-A)t, 
oder wegen der Meßbarkeit der A,, falls diese von endlichem Maße sind, 
Weudt+tul—uA)t+uAl—uA)t 
= lim u4,. 
ko 
Hat aber ein A, das Maß unendlich, so gilt dasselbe von allen 


folgenden wie auch von V, so daß wir den Satz aussprechen können: 


Satz 8. Bilden die meßbaren Punktmengen A,, As, - . . eine monoton 
wachsende Folge 
A<A<AL... 


und ist V ihre Vereinigungsmenge, so hat man stets 
uV = lim u4,. 
k=® 


Genau ebenso beweist man den folgenden Satz: 
| Satz 9. Bilden die meßbaren Punktmengen A,, As, . . eine monoton 
abnehmende Folge 
A>4>4>:-- 
und bezeichnet man mit D ihren Durchschnitt, sind ferner nicht alle A, 
von unendlichem Maße, so hat man 


uD = lim #A,. 
k=® 


Es sei z. B. das Maß von A, endlich; dann kann man aus der 
Gleichung 


D= A; — (Anz A; 4) 
folgern, daß 


uD=uA, SW An4z— WAmsp+ı) 
ıst. Es ist also 
uD= lim u4,. 
k=o 


Die Einschränkung, daß mindestens ein A, von endlichem Maße 
sein soll, ist wesentlich für die Richtigkeit des Satzes 9; es kann 
z. B. sehr wohl jedes uA,= + oo und uD=0 sein. Dies ist z. B. der 
Fall, wenn man im linearen Raum, für A, die Punktmenge > k nimmt, 
und #uA gleich dem Inhalt m A der linearen Punktmenge A setzt. 


8 248. 249 Meßbarkeit 255 


248. Es seien jetzt wieder A,, A,, ... abzählbar unendlich viele 
meßbare Punktmengen; wir bezeichnen mit & und « den Limes inferior 
bzw. den Limes superior dieser Folge von Punktmengen. 

Nach dem $ 116 erhält man «, indem man die Durchschnitte 
bildet 


(1) D;— A,Ay,1 Ars nz 

und hierauf 
e=D, +D+- 

setzt. Da die innen D,, D;, - . . eine monoton wachsende Folge 
D,<D<D,... 


bilden, so ist nach dem Satze 8 
pe=limpD,. 
Nun ist, weil nach (1) die Punktmenge D, eine Teilmenge von 
jeder der Mengen A,, A,, 1, - - - ist, 
uD, < untere Grenze von [uA,, uA, 51» } 
und folglich ($ 95, Satz 10) 
lim u D, < lim uA,. 
k=g  k=o 
Wir haben also den Satz: 


Satz 10. Bezeichnel man mit « den Limes inferior einer Folge von 
meßbaren Punktmengen A,, As, - . -, so ist stets 


pa < lim #4, 


249. Um « zu erhalten, muß man ($ 116) den Durchschnitt der 
Vereinigungsmengen 


B=isd.fe (k=1,2,...) 
bilden; die Punktmengen Y, bilden eine monoton abnehmende Folge 
V,>V,>V,>--- 


und es ist für jeden Wert. von k, weil V, die Mengen A,, A,yı -- - 
enthält, 
uV,> obere Grenze ven {[uA,,uA, 1; °''}- 


Mit Rücksicht auf den Satz 9 hat man also den 


Satz 11. Der Limes superior & einer Folge von meßbaren Punkt- 
mengen A,, As, - :. genügt der Beziehung 


wa > lim uA,, 
k=o 


256 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 250. 251 


falls die Vereinigungsmengen 
Vv,=4A + Aryrı un 
nicht sämtlich von unendlichem Maße sind. 


Die letzte Bedingung kann man auch aussprechen, indem man sagt, 
daß von einem bestimmten %, ab sämtliche‘A, Teilmengen einer Menge 
von endlichem Maße sein sollen. | 


250. Die Vergleichung der zwei letzten Sätze liefert endlich den 


Satz 12. Ist A,, A,,... eine konvergente Folge von meßbaren Punkt- 
mengen, die sämtlich Teilmengen einer Menge S von endlichem äußeren 
Maße sind, und setzt man | 

lim A,=e, 
k=» 
so ist auch 
ue = lim u4,. 
k=o 


In der Tat ist hier, wenn man wieder den Limes superior und 
inferior mit «&, & bezeichnet, nach dem $ 118 
ew=0=« 
und folglich u 
ua=ya= ua. 
Nach den vorhergehenden Sätzen ist aber mit Berücksichtigung 
des Satzes 3 des $ 87 


ve < lim 4A, < lim u4, <ue 
und folglich en 
lim u A, = lim u A, = lim uA, = uu, 
k=o k=o k=o 


wodurch unser Satz bewiesen ist. 


251. Das Resultat des $ 238 fällt zusammen mit der Behauptung, 
daß offene Punktmengen stets meßbar sind. Die allgemeinen Sätze 
1—5 (88 240—244) lehren uns dann, daß die Punktmengen, die man 
aus offenen Punktmengen durch sukzessive Bildung von Komplementär-, 
Durchschnitts- oder Vereinigungsmengen erhält, und die neuerdings 
Borelsche Mengen genannt werden, ebenfalls für jedes äußere Maß 
meßbar sind. Darunter fallen natürlich die abgeschlossenen Punkt 
mengen, aber außerdem noch andere Punktmengen, da z. B. schon die _ 
Vereinigungsmenge einer offenen und einer abgeschlossenen Punktmenge 
weder offen noch abgeschlossen zu sein braucht. | 

Für eine gegebene Maßfunktion u*A sind noch, wie wir jetzt zeigen 
wollen, diejenigen Punktmengen meßbar, für welche u*A=0 ist. Diese 





$ 252 Meßbarkeit 257 


letzten Punktmengen, die übrigens nicht immer Borelsche Mengen zu 
sein brauchen*), nennt man Mengen vom Maße Null (oder genauer: 
Mengen vom Maße u*4A Null). 

Es sei A eine Punktmenge, für die 
(1) uFA— 0 
ist. Wir betrachten eine beliebige Punktmenge W von endlichem äuße- 
ren Maße. Der Durchschnitt AW muß als Teilmenge von A ein äußeres 
Maß besitzen, das nicht größer als u*A ist ($ 235, Eigenschaft I). 

Es ist also, weil u*A W nicht negativ ist, 

(2) u"AW=0. 
Ferner folgt aus der Eigenschaft III des äußeren Maßes 
u*W< u*AW+ u*(W—AW) 
und wegen (2) 
(3) u*W<u*(W-AW). 
Anderseits ist aber, weil 
W-AW<W 
ist, 
(4) u(W- AW) <u*W. 
Es ist also nach (3) und (4) 
u"W=u*W—AW) 
und wegen (2) 
urW= u*AW+ u*?(W-AW), 
was wir beweisen wollten. | 
Satz 13. Jede Punktmenge B, deren äußeres Maß u*B verschwindet, 
ist meßbar für die Maßfunktion uFA. 

252. Eine genaue Betrachtung der Beweise dieses Abschnitts zeigt, 
daß wir die im $ 235 postulierte Eigenschaft IV ausschließlich dazu 
benutzt haben, um zu zeigen, daß offene Punktmengen meßbar sind. Diese 
Eigenschaft IV des äußeren Maßes, die sich in allen speziellen Fällen, 
die man betrachtet, fast von selbst darbietet und deshalb zweckmäßig 
in den Vordergrund geschoben worden ist, ist vollständig äquivalent 
mit folgender theoretisch einfacheren Forderung (vgl. hierzu den $ 341): 


IV®. Ist I ein offenes Intervall und W eine willkürliche 
Punktmenge, so ist stets 


(1) u"W= u*IW+ u*W—IW). 


*, Die Nullmenge C*, die im Beispiel des $ 351 gebildet wird, ist z. B. 
keine Borelsche Menge. 


Carath&odory, Beelle Funktionen. 17 


1 


258 | Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit . 8 253 


Ist in der Tat IV erfüllt, so ist jedes Intervall als offene Punkt- 
menge meßbar und daher die Gleichung (1) richtig. Die Forderung IV*® 
ist also eine Folge von IV. 

Anderseits kann aber jede beliebige offene Punktmenge als Ver- 
einigungsmenge von Intervallen betrachtet werden (8 73). Da diese 
nach IV* meßbar wären, so ist also nach dem Satze 3 des $ 244 jede 
offene und daher auch jede abgeschlossene Punktmenge meßbar. Dann 
muß aber auch nach den zu Beginn des 8 237 gemachten Überlegungen 
die Eigenschaft IV erfüllt sein, d.h. die Eigenschaft IV ist eine Folge 
von IV®, 





Die regulären Maßfunktionen. 


253. Für den äußeren Inhalt m*A der Punktmengen ($ 230) haben 
wir außer den drei Sätzen des $ 233 noch einen weiteren Satz im $ 234 
bewiesen, der besagt, daß m*A gleich der unteren Grenze der äußeren 
Inhalte aller Umgebungen U von A ist. Da U eine offene Punktmenge 
und daher von meßbarem Inhalte ist ($ 238) und da jede Punktmenge, 
die A als Teilmenge besitzt, einen äußeren Inhalt hat, der > m*A ist 
($ 235, Eigenschaft II), so folgt aus dem Satze 6 des $ 234, daß m*A 
gleich der unteren Grenze der Inhalte aller Punktmengen meßbaren 
Inhalts ist, die A als Teilmenge enthalten. 


Wir wollen demgemäß die äußeren Maße besonders untersuchen, 
die eine analoge Eigenschaft besitzen: 

Definition 1. Eine Mengenfunktion u*A soll eine reguläre 
Maßfunktion oder auch ein reguläres äußeres Maß genannt 
werden, wenn außer den Eigenschaften I—IV des $ 235 noch 
folgende besteht: 


V. Für jede beliebige Punktmenge A ist u*4A gleich der 
unteren Grenze der Maße uB aller (für u*4) meßbaren Punkt- 
mengen B, die A als Teilmenge enthalten. 


« Für reguläre äußere Maße ist es nur natürlich, neben dieser unteren 
Grenze auch die obere Grenze der Maße aller meßbaren Teilmengen 
von A zu betrachten; wir führen diese neue Mengenfunktion durch 
folgende Definition ein: 


Definition 2. Ist u*Aein reguläres äußeres Maß, so verstehen 
wir unter dem inneren Maß einer Punktmenge A die obere 
Grenze der Maße aller meßbaren Teilmengen von A und be- 
zeichnen diese Zahl mit 
ug A. 


$ 254 - Die regulären Maßfunktionen 259 


254. Aus den Eigenschaften I und II des äußeren Maßes .($ 235) 
folgt, daB das innere Maß einer beliebigen Punktmenge nie negativ sein. 
kann und daß stets die Beziehung 

My A< uFA 
An muß. 

Ist B<A, so ist jede meßbare Teilmenge B, von B auch eine meß- 

bare Teilmenge von A und daher 


uB, < u. 4 
und weil dies für jede beliebige meßbare Teilmenge von B gilt, ist 
(1) B<u.A. 


Es seien A,, A, zwei Punktmengen ohne gemeinsame Punkte; ist 
B, eine meßBbare Teilmenge von A, und B, eine meßbare Teilmenge 
von A,, so ist (B, + B,) eine meßbare Teilmenge von (A, + 4,) und 


daher 

AtA)2uB+B)—=uB+uB, 
und, da dies für jede Teilmenge B, von A, und B, von A, gilt, ist auch 
(2) I (Aı + As) > ug Aı + Up As 


Sind A,,... A, endlich viele Punktmengen ohne gemeinsame Punkte, 
so folgt aus (2) mit Hilfe des Schlusses der vollständigen Induktion 


8) BelAı+ 4A) Zuedıt + made 

Es sei S die Summe von abzählbar unendlich vielen Punktmengen 
A,, Ag, ... ohne gemeinsame Punkte. Aus S>(A,+4+:-:4,) 
folgt nach (1) 
(4) US > uu(A,t + A,) 
und mit Hilfe von (3) 


8) SA tt ud, 
Da endlich (5) für jeden Wert der natürlichen Zahl » gilt, ist 
SZ ugA, + up Ast 


Satz 1. It B< A, so ist 
ug B< u. A 


und ist S die Summe von endlich oder abzählbar unendlich vielen Punkt- 
mengen A,, As, . : . ohne gemeinsame Punkte, so ist . 


(6) US Zug A, + ug Ast. 


260 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit = $ 255. 256 


Wir werden sehen, daß man innere Maße angeben kann, für welche 
in der Relation (6) das Gleichheitszeichen nicht immer gilt ($ 334, Satz 2). 
Die inneren Maße sind also Mengenfunktionen, die nicht dieselben 
Eigenschaften haben .wie die äußeren. Während wir aber diese durch 
ihre charakteristischen Eigenschaften definiert haben, wollen wir uns 
hier damit begnügen, die inneren Maße als abgeleitete Mengenfunk- 
tionen anzusehen, die jeder regulären Maßfunktion zugeordnet sind. 


255. Ist die Punktmenge A von endlichem äußeren Maße, so gibt 
es, wegen unserer neuen Eigenschaft V, nach Voraussetzung, zu jeder 
natürlichen Zahl %k mindestens eine meßbare Punktmenge B,, für 
welche i 

B,>4A und uB,<u”4A 7 


Wählt man für jedes k eine derartige Punktmenge und setzt . 
® 


ÄA=-BB,B,..., 
so ist erstens A meßbar ($ 244, Satz 2) und ferner ist, wegen 


nn A<A<B, 
für jedes k 
A<pÄ<uB<wAtz 
Hieraus folgt aber durch Grenzübergang: 
uA=uFrA. 

Ist A von unendlichem äußeren Maße, so ist der ganze Raum eine 
meßbare (weil offene) Punktmenge, die A enthält und deren Maß also 
ebenfalls gleich + oo sein muß. Wir haben also ganz allgemein: 

Satz 2. Zu jeder beliebigen Punktmenge A gibt es meßbare Punkt- 
mengen A, für de _ er 

A>A und uf =u*A 
ist. Derartige Punktmengen nennen wir „maßgleiche Hüllen“ von A, falls 
A von endlichem äußeren Maße ist. 


256. Ist A eine Punktmenge mit von Null verschiedenem innerem 
Maß u„A, so betrachte man eine Folge von positiven Zahlen 


Pı> Pay * > 
die den Bedingungen genügen 
; pP, < u. A (k= l, 2, .. .)) 
lim p,— 4,4. 


$ 257 Die regulären Maßfunktionen 261 


Nach der Definition des inneren Maßes kann man jeder der Zah- 
len p, eine meßbare Teilmenge C, von A zuordnen, für die 


rt a »Q,>P 
ist. Die Vereinigungsmenge 
A=-6G+G+G+: 
ist eine Teilmenge von A, die meßbar ist @ 244, Satz 3); für sie 


gilt also 
uA<uyd. 


Anderseits folgt aus A>-C,, daß auch 
„Azul, >p, 
ist, und da dies für jeden Wert von % gilt, daß 
„A = lim Pı— Ug A 


ist. Wir haben also uA = u,4A; ist dagegen das innere Maß von A 
gleich Null, so ist jede meßbare Teilmenge von A eine Nullmenge und 
wir können also ganz allgemein den Satz aussprechen: 


Satz 3. Ist A eime beliebige Punktmenge und u„A ihr inneres Maß, 
so gibt es stels meßbare Teilmengen A von A, deren Maß gleich u,A ist: 
uA=mA. 
Ist u„A eine endliche Zahl, so nennen wir A einen „maßgleichen Kern“ 
von A. 
257. Es sei A eine Punktmenge von endlichem äußeren Maß; dann 
gibt es für unsere reguläre Maßfunktion nach der Definition 1 des $ 253 


meßbare Punktmengen B, die A umfassen und ebenfalls ein endliches 
Maß besitzen. Ist C eine meßbare Teilmenge von A, so ist dann 


B—-A<B-C 
u" B-A)<u(B-C)=uB—uC, 
letzteres nach dem Satze 7 des $ 246. Es ist also 


und folglich 


. uC<uB-— u*B— A) 
und folglich auch für die obere Grenze u,„A aller möglichen u C 
a) „A<uB- HB 4). 


Nun ist aber, wenn M eine maßgleiche Hülle von (B— A) be- 
deutet ($ 255, Satz 2) 


(2) (B-A)<M, uM=u*(B-.4). 


262 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit $ 258 


Die Punktmenge (B— BM) ist dann eine meßbare Teilmenge 
von A und es ist folglich 


(8) _ m4A>u(B- BM). 
Anderseits hat man 


(4) u(B— BM)=uB—uBMzuB-—uM 
und durch den Vergleich von (2), (3) und (4) 
(5) mAZuB— p*(B—- A). 
Wegen (1) und (5) ist schließlich 
uy4A=uB—u*(B—- A). 


Man kann also das innere Maß einer Punktmenge von endlichem 
äußeren Maße stets durch die Differenz von äußeren Maßen von zwei 
anderen Punktmengen ausdrücken; genauer gesagt, besteht der Satz: 


Satz 4. Ist B eine meßbare Punktmenge von endlichem Maße, die 
eine gegebene : Punktmenge A als Teilmenge enthält, so ist stets: 


1A=uB— u*(B— A). 
258. Setzt man in dem letzten Satze B= A, wobei A eine maß- 
gleiche Hülle von A bedeutet, so wird 
A=nA—uHA—A). 
Hieraus folgt der Satz: 


Satz 5. Wenn A eine Punktmenge von endlichem äußeren Maße 
und A eine maßgleiche Hülle von A bedeutet, d. h. wenn zugleich 





(1) A>A und uA=uFrA “ 
ıst, so ist stets a 
2) ur A— A) uFA— A. 


Das äußere Maß von (A— A) ist mithin unabhängig von der speziellen 
Wahl der maßgleichen Hülle A. 


Ist A meßbar, so ist nach der Definition der Meßbarkeit (mit Be 
rücksichtigung von A< A) 


| uA=u*A+uH(A— A), 
also nach (1) und (2) 


u”A— u. A= ur(A — A) 0 
Ist umgekehrt A von endlichem äußeren Maße und 
ur A u. A ’ 





g8 259 Die regulären Maßfunktionen 263 


so ist nach (2) die Punktmenge (A — A) vom Maße Null und folglich 
ımeßbar ($ 251, Satz 13); dann ist aber auch 


A=4-(A-A) 
als Differenz von zwei meßbaren Punktmengen ebenfalls meßbar. 


Für meßbare Punktmengen von unendlichem Maße ist offenbar das 
innere Maß gleich dem äußeren; wir haben also den 


Satz 6. Für die Meßbarkeit einer Punktmenge A ist notwendig, daß 
ihr äußeres und ihr inmeres Maß zusammenfallen; diese Bedingung ist 
hinreichend, wenm diese Zahlen endlich sind. 


259. Es seien A und B zwei Punktmengen von endlichem äußeren 
Maße ohne gemeinsamen Punkt 


(1) AB=0. 


Wir bezeichnen mit 5 die Summe dieser beiden Punktmengen, die 
dann ebenfalls von endlichem äußeren Maße ist, und führen sechs neue 


Punktmengen A’, A”, B', B", S,S ein, die alle meßbar sein sollen 
und folgende Eigenschaften haben 


(2) A<AL Am BAt—url, 
(3) B'<B<P" uB'=uB uB’=u*B, 
(4) S<S<öS us — u.S us = u*S. 


Nach den Sätzen 2 und 3 der $$ 255, 256 ist die Existenz aller 
dieser Punktmengen gesichert; wir wollen aber jetzt A’, A”, B,B" 
durch andere maßgleiche Kerne oder Hüllen von A und B ersetzen, die 
sich diesen Pünktmengen besser anschmiegen als die vorigen. 

Zunächst gilt es eine meßbare Punktmenge A ausfindig zu machen, 
die A als Teilmenge enthält und einerseits in A” und S enthalten ist, 
anderseits aber mit B’ keinen Punkt gemeinsam hat. Wir können 
offenbar setzen 


A ua: (A”— B’A”)S, 


denn es ist dann erstens A<S und AB’= 0 und zweitens nach (1), 
(2) und (3) jeder Punkt von A sowohl in S als auch in (A”— B’A”) 
enthalten. Da’ nun 


B<B<S<S 


ist, ist B’S=B’ und man kann einfach schreiben 


(5) ÄA=-4"5-BA"=4"$-B). 


2 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8.259 
Nach unserer Konstruktion ist A meßbar und man hat außerdem 





(6) A<A<A, 
also nach (2) 
(7) uA=yu#*A. 


Durch Vertauschung von A mit B in den obigen Formeln erhält 


(8) B-B'(5-4) 
setzt, ae u 
(9) B<B<DB” wd uB=u*B. 
Wir haben nun nach unserer Konstruktion 
(10) AB=0 und BA =0, 
sowie auch en 
(11) S<AtIB<S, 
woraus Bene 
(12) u(A+B)=u*S 
folgt. 
Nun wollen wir eine meßbare Punktmenge A bestimmen, für die 
(13) A’<A<A und AB=0 
ist, und die außerdem der Bedingung 
(14) $S<4A+B 
genügt. Dazu setzen wir 
(15) A=4'4(8-8B). 


Die Relationen (13) sind erfüllt, weil 
S-8B<S-SB=-SA<A 
und weil nach (15) und (10) 
AB=AB=0 
ist; ebenso ist die Relation (14) richtig, weil 
A+B-A+($-SB)+B 
= A'+S+B 
ist. Man kann statt (15) schreiben 
4=4+{($-8B)— A (8$-SB)} 


und wegen (10) 
(16) A-4'+($-8B- 84). 


8 259 Die regulären Maßfunktionen 265 
Schließlich ist, wegen (2) und (13) 


(17) ud uyA. 

Genau ebenso ist, wenn man 
(18) B=B'+(8-8SA-SB') 
setzt, 
(19) uB= u,B 
und . - 

Aus (14) folgt u 

uS<u4d+uB 

oder mit Berücksichtigung von (4), (9) und (17) 
(21) 18 <uyA + u®B, 
und ebenso findet man 
(22) <A. 


Ferner finden wir, mit Benutzung von (11), sowie von (6) und (13), 
A+B<AtB<S, 


uA+uB<uS 
und daher 
(23) uA+u*B<urS, 
und durch Vertauschung von A mit B 
(24) w"A+mB<urS. 
Die Ungleichheiten (21) bis (24) bilden ein Gegenstück zu 
(25) S<u*A+u*B, 


die aus der Eigenschaft III des äußeren Maßes zu entnehmen ist, sowie 
auch zu 

(26) uS>wmA+uB, 

die wir im $ 254 bewiesen haben. 


Man kann aber noch andere Schlüsse aus den vorigen Überlegungen 
ziehen. Setzt man nämlich 


(27) (A+B)+S=A+B+R, 

so ist, weil _ u 
A+B<A+B und S<A+B 

ist, 


A+B+R<A+B 


266 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit $ 260 
ET Er Bar WIOBEFORERWEETN 
und daher 








R<B; 
ebenso findet man _ 
R<A 
und schließlich 
(28) R<AB. 


Anderseits ist aber nach (27) die Punktmenge (A+B+R) eine 
meßbare Teilmenge von S, die S enthält, und also nach (4) 
uS=u(A+B+R)=uA+uB+tuR. 
Es ist also 
uR=u,8— 1.A— uB, 
und mit Benutzung von (28) 


(29) 8 —14A— mB<uAB. 
Nun entnimmt man aber aus (12) 
u„*S=u(A+B) 


= uA+uB-—-uAB 
und folglich, wenn man (7) und (9) benutzt, 
uAB=— u*S+u*A+ u*B; 
dieser letzte Wert in (29) eingesetzt liefert 
(30) 8 —-A— my B<—u*rStu*4r+tuFB. 


Die Ungleichheiten (21) bis (26) und die letzte Ungleichheit geben uns 
zusammengenommen folgendes Resultat: 


Satz 7. Sind A und B zwei Punktmengen von endlichem äußeren 
Maß mit leerem Durchschnitt und bezeichnet man mit S ihre Summe, so 
gelten folgende Ungleichheiten: 


A+u*B 
184 +u,B” 
sus mA m B<—u*Stu*4+u®B. 


u„A+u,B<u,S< =: <urS<u*r4+ u*B, 


260. Der letzte Satz ist die Quelle einer Reihe von wichtigen An- 
wendungen. Wir setzen zunächst voraus, die Summe S der beiden Punkt- 
mengen A und B sei meßbar; dann folgt aus 


$ 261 Die regulären Maßfunktionen 267 


daß a 
(1) u"A+ u B=mA+u*B=uS 
ist, und hieraus 
2uS=u*"A+uB+u,A+ u*B 
oder 


(2)  W8— A — 4 B= u*A + u*B — uD. 

Mit Hilfe von (1) hat man alsdann 

2) I mA m B— (lutl— mA) BB), 
und daher (mit Berücksichtigung des Satzes 6 des $ 258) auch den 


Satz 8. Zerlegt man eine meßbare Pumnktmenge S von endlichem Maß 
in swei Punktmengen A und B ohme gemeinsame Punkte, so ist für die 
Meßbarkeit von A und B notwendig und hinreichend, daß eine der beiden 
Gleichungen 

uS=u*"A+u*B, 
uS=u4A + 1. B 
(und dann auch alle beide) erfüllt sei. 


261. Ist A eine beliebige nicht meßbare Punktmenge, so gibt es 
nach der Definition der Meßbarkeit ($ 239) mindestens eine Punkt- 
menge W von endlichem äußeren Maße, für welche 


(1) u*rW <u*AW + u*(W— AW) 
ist. Es sei W eine maßgleiche Hülle von W; d.h. es sei 
(2) W>W, uW =u*W. | 


Da W eine Teilmenge von W ist, so ist auch 
AW>AW, W-AW>W-AW 
und hieraus entnimmt man 
u+rAW<u*4W, u*W—-AW)<u*W— AW), 
also wegen (1) und (2) 
Os uW <u*AW + u*W—AW) 
und wir können das Resultat aussprechen: 


Satz 9. Für die Meßbarkeit einer Punktmenge A ist hinreichend, daß 
für alle meßbaren Pumktmengen W von endlichem Maße 
uW = u*AW + u*(W— AW) 
ıst. : 


268 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 262 


Außerdem aber folgt aus (3) noch ein anderes bemerkenswertes 
Resultat. Wäre nämlich die Punktmenge AW meßbar, so müßte nach 
dem Satze 4 des $ 244 das Gleiche von (W — AW‘) gelten, und man hätte 


uW = uAW + u(W — AW) = u*AW + u*(W— AW). 
Da dies der Ungleichheit (3) widerspricht, so kann AW keine meBß- 


bare Punktmenge sein; nun ist AW als Teilmenge von W eine Punkt- 
menge von endlichem äußeren Maße und wir haben den 


Satz 10. Jede nicht meßbare Punktmenge enthält nicht meßbare Teil- 
mengen von endlichem äußeren Maße. 


262. Nach dem letzten Paragraphen kann man jeder nicht meß- 
baren Punktmenge A eine meßbare Punktmenge W von endlichem 
Maße zuordnen, so daß AW nicht meßbar wird. Dann ist nach dem 


Satze 6 des $ 258 _ "ns 
(1) u,AW <uFAW; 


anderseits liefern die Gleichungen (1) des $ 260, in denen man S, A 
und B bzw. durch W, AW und (W — AW) ersetzt hat, 
(2) uW = u*AW + u,(W — AW). 
Der Vergleich von (1) und (2) liefert uns also 
uW > u4AW + m(W — AW). 
Ist dagegen A eine meßbare und W eine beliebige Punktmenge, 
so ist für jede beliebige meßbare Teilmenge U von W 
uU=uAU+u(U— AU). | 
Nun sind die Punktmengen AU und (U— AU) meßbare Teilmengen 
von AW und (W—-_AW), und man hat 


„AU<mAW, u(U-AU)<m(W-AW). 
Wir können also schreiben 
uU <u,AW + u,(W—-AW) 
und, weil U eine beliebige meßbare Teilmenge von W bedeutet, 
WW <wAW+m(W-AW. 
Anderseits ist nach dem Satze 1 des $ 254 
14W 2 u,AW + u,(W—-AW) 
und wir sehen, daß stets aus der Meßbarkeit von A auch die Gleichung 
4, W = 1, AW + u (W— AW) 
folgen muß. Wir haben also den 


8 263. 264 Die regulären Maßfunktionen 269 
Satz 11. Für die Meßbarkeit einer Punktmenge A ist notwendig, daß 
für jede Punktmenge W 
| u. W = u, AW + u,(W— AW) 
sei; es ist für die Meßbarkeit von A hinreichend, daß diese Gleichung für 
alle meßbaren Pumktmengen W von endlichem Maße erfüllt sei. 





263. Es sei A eine Punktmenge von endlichem äußeren Maße, 
Ä eine ihrer maßgleichen Hüllen, und W eine beliebige meßbare Punkt- 
menge. Aus der Meßbarkeit von W folgt 


a) (| uA=uAW+u(4-AW), 
| u*A= u*4AW + u*(A—AW). 
Da A eine Teilmenge von A ist, ist AW eine Teilmenge von A W und 
(A—AW) eine Teilmenge von (A— AW) und man hat 
(2) u*tAW<uAW, u*A—-AW)<u(4— AW). 


Endlich folgt aus den Gleichungen (1), weil nach Voraussetzung 
u*A = uA ist, 


(3) u*rAW + u*(A—-— AW)=uAW + u(A-AW). 
Die Gleichungen (2) und (3) können nur dann gleichzeitig bestehen, wenn 
u*AW = uAW 


ist, und wir haben den 


Satz 12. Ist A eine Punktmenge von endlichem äußeren Maße, A eine 
maßgleiche Hülle von A und W eine beliebige meßbare Punktmenge, so 
-sst AW eine maßgleiche Hülle von AW. 


Ganz analog beweist man mit Hilfe der Gleichung, 
1yA=mAW + u(W—AW), 
die aus der Meßbarkeit von W folgt (8 262, Satz 11), den 


Satz 13. Ist die Punktmenge‘A von endlichem inneren Maße, A ein 
maßygleicher Kern von A und W eine beliebige meßbare Punktmenge, so 
ist AW ein maßgleicher Kern von AW. 


264. Es sei die Punktmenge A von endlichem äußeren Maße; wir 
bezeichnen wieder mit A und A eine maßgleiche Hülle und eigen maß- 
gleichen Kern von A und betrachten die Relationen: 


(1) A<A<A, uA=uA und uÄA=u*A. 
Wir hatten schon gesehen ($ 258), daß dann 
Om HÄ-A = url mp4 


270 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 265 
ist. Setzt man in die Gleichung (1) des $ 260 statt $, A, B die Punkt- 
mengen A, A, (A — A), so wird 
uA=u*A+u(A—A), 

und wegen (1) folgt dann . 
(3)  m(AÄ—A)=0 

Ähnlich folgt aus dem Satze 7 des $ 259, wenn man S, A, B bzw. 
durch A, A, (A— 4) ersetzt und die Meßbarkeit von A benutzt, 

nA+y(A-A)<myA<SuArmlA—A) 


uA+u*A—A)<uHA<SuAt nA. 

Diese beiden Bedingungen liefern also die Gleichungen 
uA+u.(A-A)= mA, 
uA+u*A—A)=u*A, 

woraus mit Berücksichtigung von (1) folgt: 

W(A-A)=0, urA—A)=urA— uf. 
Zusammenfassend haben wir den Satz, der sich teilweise mit dem 
Satz 5 des $ 258 deckt: 
Satz 14. Hat A endliches äußeres Maß und ist 
A<A<A, uvA=mA, uAm url, 
so gelten stets die Gleichungen 
ur A—A)=urA—-A=url— mA, 
Uy(A— A) = (A 4) = 
265. Wir sind jetzt in der Lage, die Sätze 8 und 9 des $ 247 auch 
auf beliebige Punktmengen zu übertragen, also diese Sätze zu beweisen, 


ohne die Meßbarkeit der betrachteten Punktmengen vorauszusetzen, so- 
bald die betrachtete Maßfunktion regulär ist. 


Satz 15. Für eine monoton wachsende Folge A <A, <4A,<--- 
von beliebigen Punktmengen besteht stets die Gleichung 


u* (lim 4,)= am ur; 





und 


. 


für eine monoton abnehmende Folge B, >= B, > B, > -- - dagegen die 
Gleichung 
1. (im B,) = lim p,B,, 


falls die letzte Zahl endlich ist. 


$ 266 | Die regulären Maßfunktionen 271 








Es ist z. B. zu beweisen, daß aus 
A, <A» <4A<-- und im 4,=4 
die Gleichung u 
(1) u*4A = lim u*A, 
folgt. — 


Dazu konstruieren wir eine Folge von meßbaren Punktmengen 
A,,4Ag,..., die den Bedingungen genügen: 
4, > 4; uA, = u”A4, 
und bilden die Durchschnitte 
A, Ar Aysı dar - 5 


man hat . 

| A,<A, <A 
und es ist folglich _ 
(2) ud, u"4,. 


Die A, bilden aber gleichfalls eine monoton wachsende Folge und ihre 
Vereinigungsmenge A enthält A als Teilmenge. Es ist also 


u*A<uA 
und, da nach unserem früheren Satze ($ 247) und nach (2) 
uA = lim uA4, = lim u*4, 
ist, so hat man = an 


(8) | u*A < lim u*A,. 


Anderseits aber ist A, für jeden Wert von k eine Teilmenge von A 

und daher | 

(4) u*A > u*A, (k=1,2,...). 
Der Vergleich von (3) und (4) liefert endlich die Gleichung (1) 

und der zweite Teil des Satzes ist auf ganz analogem Wege zu beweisen. 


266. Es ist jetzt ein Leichtes folgenden Satz abzuleiten: 
Satz 16. Das äußere Maß einer beliebigen Menge A ist die obere 
Grenze der äußeren Maße aller beschränkten Teilmengen von A. 


Bezeichnet man nämlich mit W, einen Würfel von der Kanten- 
länge p, dessen Mittelpunkt im Anfangspunkt der Koordinaten liegt, 
und wobei » eine natürliche Zahl bedeutet, und setzt 


A,=W,A, 


272 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit g 267 





so ist nach dem vorigen Satze, weil 


A<A<As<- 


und 
lim A, = 4A 
pr=@& 

ist, 

(1) u*"A= I ur, 


Die Punktmengen A, sind aber beschränkte Teilmengen von A und 
nach der letzten Gleichung wird für hinreichend große p die Zahl u*A, 
größer als jede Zahl, die kleiner als u*A ist. 


267. Es gibt einen Fall, in welchem man auch für eine monoton 
abnehmende Folge von Punktmengen 


(1) s A>4A>4>:, 
die gegen eine Punktmenge A konvergiert, die Formel 
(2) u*A = lim u*4,, 

k=@ 


ableiten kann, selbst wenn die A, nicht meßbar sind. Das tritt dann 
ein, wenn A, der Durchschnitt einer beliebigen festen Menge A, von 
endlichem äußeren Maße mit einer meßbaren Punktmenge B, ist. Man 
kann ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, daß die B, eben- 
falls eine monoton abnehmende Folge von Punktmengen bilden; sonst 
braucht man nur die monoton abnehmende Folge 


G=B,6=-BB,G=-BBB,,... 
zu betrachten und zu bemerken, daß wegen (1) 


A,= 4A,A,... 4 
ee; (4,B,) (As B,) va (A, B,) 
- 40, . 


ist. Nun hat man wegen der Meßbarkeit der B,, wenn man mit BD,’ die 
Komplementärmenge von B, bezeichnet, 

u*A, = u*A4,B, + u*A,B, 
für jedes X. 

Anderseits bilden die Zahlen u®A,B, bei wachsendem A eine mono- 
ton abnehmende, die Zahlen u*4A,B, aber eine monoton wachsende 
Folge: Es existieren also die Grenzen lim nuFA, B, und lim nur, B, und 
man kann schreiben: 


(3) u”A, = as u*A,B, + am u*A,B;. 


8 268 Die regulären Maßfunktionen 973 





Bezeichnet man mit B den Durchschnitt aller B,, so ist 

lim A,B, = lim (4, — 4,8.) = (4, —- 4,B) 

k=o® k=» 
und nach dem Satze 15 des $ 265 
(4) lim #*4,B, — u*(A, — A, B) = u*A,— u®AoB, 

k=© ; 
letzteres, weil B meßbar ist. Der Vergleich von (3) mit (4) liefert aber 
u*A,B = lim u*A,B, 
k=o ® 


d. h. eine Gleichung, die bis auf die Bezeichnung mit (2) übereinstimmt. 

Satz 17. Es sei Ay, As, .... eine monoton abnehmende Folge von 
Punktmengen, und für jede natürliche Zahl k sei A, der Durchschnitt 
einer festen Punktmenge A, von endlichem äußeren Maße mit einer meß- 
baren Punktmenge B,. Dann ist, wenn man mit A den Limes der Folge 
Ay, Ag, . - . bezeichnet, 

u*A = lim u*A,. 
k=® 
268. Wir beweisen jetzt einen Satz, der den Satz 7 des $ 246 ver- 


allgemeinert: 


Satz 18. Sind B,, B,, - . . endlich oder abzählbar unendlich viele meß- 
bare Punktmengen ohne gemeinsame Punkte, d.h. ist für j#+k 


BB,=0 | 
und sind A,, As, . . . beliebige Punktmengen, die für jedes k der Bedingung 
A<B, 


genügen, so gelten, wenn die Summe der A, mit S bezeichnet wird, die 
Gleichungen 


Ad) uwS=utdtutdt:, 
(2) [Rp 27770. DE. 27779. Pi EEE 
Man setze 
V=B+B+--: 


und es sei 5 eine beliebige meßbare Punktmenge, die 8 enthält; es ist 
dann ($ 246) _ _ 
(8) uwSZ>uSV=uSB +uSB+:... 
Anderseits ist 
SB,>SB=4, 
und daher 
(4) „SB, > urA, 


Carath&odory, Reelle Funktionen. 18 


274 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit $ 269 
Aus (3) und (4) folgt für jede meßbare Punktmenge S$, die 8 enthält, 
uS>u*hturtdt 
und es ist also auch, da die betrachtete Maßfunktion regulär sein soll, 


(8) wrSD> pr tat te. 
Ebenso sei S eine beliebige meßbare Teilmenge von $; es ist dann 
(6) uS—=-uSV=uSB, +uSB,.... 
Anderseits ist 

SB, <Ss B,= 4, 
d.h. SB, ist eine meßbare Teilmenge von A,. Man kann also schreiben 
(7) uSB, < uf, 


und, wenn man (7) mit (6) vergleicht, 
uS<wyAtmgA, +. 
Da nun hierin $ eine beliebige meßbare Teilmenge von S sein konnte, 


folgt 
(8) u SyAtmAt 


Anderseits ist aber nach den $$ 235 und 254 
| urS<u*rA +ur4, +: --, 
US SZ HxA, ns UyAs Teer 


und diese letzten Relationen, mit (5) und (8) verglichen, liefern die ge- 
wünschten Gleichungen (1) und (2). 


Anwendung der Theorie der Meßbarkeit auf den Inhalt von 
Punktmengen. 


269. Da, wie wir schon im $ 253 bemerkten, der äußere Inhalt 
von Punktmengen eine reguläre Maßfunktion ist, können wir die ganze 
Theorie, die in den drei letzten Abschnitten ($$ 235—268) entwickelt 
wurde, für den Inhalt von Punktmengen benutzen. Insbesondere können 
wir Punktmengen meßbaren Inhalts einführen, sowie auch den 
inneren Inhalt einer Punktmenge definieren. 

Unter den speziellen Eigenschaften des Inhalts einer Punktmenge, 
die wir für die allgemeinen regulären Maßfunktionen nicht postuliert 
haben, müssen wir aber einige besonders erörtern. 

Aus der Tatsache, daß ein Intervall stets von endlichem Inhalte ist, 
folgt erstens unmittelbar der | 


$ 269 Anwendung d. Theorie d. Meßbarkeit auf d. Inhalt von Punktmengen 275 


Satz 1. Jede beschränkte Pumktmenge ist von endlichem äußeren 
Inhalt. 

Ebenso folgt aus der Tatsache, daß jede Punktmenge, die aus einem 
einzigen Punkte besteht, den Inhalt Null hat, mit Berücksichtigung der 
Eigenschaft III des $ 235 der 

Satz 2. Jede endliche oder abzählbare Punktmenge hat den Inhalt Null. 

Ferner bemerken wir, daß der Satz 6 des $ 234 etwas spezieller ist 
als die Eigenschaft V der regulären äußeren Maße ($ 253); für den inne- 
ren Inhalt können wir in ganz analoger Weise die Definition des $ 253 
ebenfalls durch eine speziellere ersetzen, die folgendermaßen lautet: 


Satz 3. Der innere Inhalt m,A einer Punktmenge A ist die obere 
Grenze der Inhalte. aller beschränkten perfekten Teilmengen von A. 


Es genügt natürlich, diesen Satz für Punktmengen von nicht ver- 
schwindendem inneren Inhalt zu beweisen. Es sei zunächst A eine be- . 
schränkte Punktmenge, für welche m, A > 0 ist, und I ein abgeschlos- 
senes Intervall, das A in seinem Inneren enthält. Nach dem Satz 4 
des $ 257 gilt dann für den inneren Inhalt m, 4A die Gleichung 


(1y . mA = mI — m*(I— A). 
Nun gibt es (8 234) eine Umgebung U von (I — A), die für ein vorge- 
schriebenes positives & die Ungleichheit 
mU<m*I—A)+e 
befriedigt, und man hat umsomehr 
mUI <m*(I—A)+e. 
Es ist daher 5 u r 
m(I-UI)=mI—-mUl 
(2) | >mI —- m*I—-A)-—: 
> My A —E, 
Die Komplementärmenge U’ von U ist abgeschlossen; also ist 
| I-UI=UI 
als Durchschnitt von zwei abgeschlossenen Punktmengen ebenfalls ab- 
geschlossen ($ 69, Satz 1). Zweitens aber ist 
I-4A<Ul 


I-UVI<A, 


d.h. (T— UI) ist eine abgeschlossene Teilmenge von A. Wählt 
man nun &< m,„A, so kann (7 — UI) nach (2) keine Nullmenge sein; 
: 18* 


und folglich 


216 Kap.V. Inhalt und Meßbarkeit 8 270 











der Satz 2 lehrt uns dann, daß diese Punktmenge nicht abzählbar ist. 
Nach dem Cantor-Bendixonschen Satz ($ 64, Satz 8)kann man ([—-UI)= 
T+S setzen, wobei 7 eine perfekte, und S eine abzählbare, eventuell 
leere Punktmenge bedeutet. Jedenfalls hat man aber mS$ = 0 und da- 
her nach (2) RE 

mT=m(I—-UI)>m,A-—s, 


womit unsere Behauptung bewiesen ist. 

Es sei jetzt A eine beliebige nicht beschränkte Punktmenge; ist 
dann p eine beliebige Zahl, die kleiner ist als der innere Inhalt 
von A, so daß man schreiben kann 

p < My A , 


so gibt es nach Voraussetzung ($ 253) eine meßbare Teilmenge B 
von A, für welche 
p<mB 


ist. Wir konstruieren nach dem $ 266 einen Würfel W, so daß 
mWB>» 


ist. Nun gibt es aber nach dem Vorigen, weil WB meßbar ist und 
folglich mWB= m,„WPB ist, und weil außerdem WB beschränkt ist, 
eine perfekte Teilmenge C von WB, für die 

mC>n» 


ist Da nun C eine beschränkte perfekte Teilmenge von A ist, so ist 
die Behauptung, daß m, A gleich der oberen Grenze der Inhalte von der- 
artigen Punktmengen ist, erwiesen. 


270. Wir bezeichnen wieder mit W, einen Würfel von der Kanten- 
länge p, dessen Mittelpunkt im Anfangspunkt der Koordinaten liegt, 
und mit W, die abgeschlossene Hülle von W,. Dann ist, weil W, und 
W, von meßbarem und zudem noch von gleichem (8 232) Inhalte sind, 


m(W,-W)=mW,„-mW,—0 
und daher ist auch die Punktmenge 
G= (W,—-W,) 2 (W,—-W;) u 
eine Nullmenge. Ferner sind die Punktmengen 
G=W, G,=-W,-W,-ı (p=2,3,...) 
lauter offene Punktmengen von endlichem Inhalte, und die Summe 


G+O+G+-- 


$ 270 Anwendung d. Theorie d. Meßbarkeit auf d. Inhalt von Punktmengen 277 








identisch mit dem Gesamtraume. Diese spezielle Zerlegung des Raumes 
erlaubt uns eine Reihe von früheren Resultaten, die wir für Punkt 
mengen von endlichem Maße ausgesprochen haben, zu verallgemeinern. 
Für jede beliebige Punktmenge A gilt nämlich mit der Bezeichnung 


(1) B,=AC, (p=0,1,...) 
die Gleichung 
(2) A=B,+B+B+- 


Da die Punktmengen B, von endlichem äußeren Inhalte sind, können 
wir nach Vorgabe einer positiven Zahl & Umgebungen U, «e) von B, 
finden, so daß 


(3) mU,(e) <m*B, + si (p=0,1,...) 
ist. Wir setzen jetzt 

(4) Uke)= Ute), U,e)=C,U,e) (P=12%...), 
(5) Ve) = Use) + LU) + Ye) +) 


und bemerken, daß da die Punktmengen Ü,, (,,.. . Umgebungen von 
Di, Den2s% sind, die Punktmenge U,(e) für jedes p eine Umgebung 
von B, ist, und daß daher erstens nach (3) und (4) 


(6) mU,(e) <m*B, Fapyı (p=0,1,...) 


ist und daß zweitens U (e) ebenfalls eine Umgebung von A bedeutet. 
Nun ist, wenn Y eine beliebige Punktmenge meßbaren Inhalts 
bedeutet 
mU, = mVU,+m(U,— VU,), 


m*B, = m*VB, + m*(B,—VB,), 
also mit Benutzung von (6) 
(m VU,— m*VB,) + (m(U,— VU, — m*(B,—-VB,)) << Spri 
Anderseits ist (B,— VB,) eine Teilmenge von (U,—VU,) und daher 


die zweite Klammer in der vorigen Relation nicht negalir; man hat 
also für jedes 9 


(7) mVU,<m*VB, + 

Nun haben wir wegen (2) 
VA=VB,+V/B+VB+--- 

und nach dem Satze18 des $ 268, der hier anwendbar ist, weil VB,<C, ist, 

(8) m"VA=m*"VB, +m*VB, +--;; 


(p=0,1,2,...) 


ap 


278 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit $ 270 


ferner ist nach (5) 

(9) mYU<mV/U, +mV/U,+mVÜU,+--- 

Nehmen wir nun an, daß der Inhalt von V endlich ist, so ist m*V_A 
eine endliche Zahl und die Reihe auf der rechten Seite von (8) hat daher 


eine endliche Summe; das Gleiche gilt aber auch von der Reihe auf der 
rechten Seite von (9), denn man hat nach (5) 


mV(U—UU,))=mVU,+mVUd,+--- 
Durch gliedweise Subtraktion der beiden Reihen (8) und (9) erhält man 
mit Berücksichtigung von (7) 
(10) mVU<m*VAHte. 
Ein weiteres Resultat erhält man unter der Voraussetzung, daB A 


meßbar ist; dann sind nämlich alle Punktmengen B,—= AC, ebenfalls 
meßbare Punktmengen und daher ist mit BEN von (6) 


(117 m(U,— B,) = mU,— mB,< 


2D= Te 
Ferner ist aber nach (5) 
(U—-4)=- U,(U—4A)+IU (UA) +UKU—-A)+: 

und daher 

(L-A)<U, + (U, -B)+(U-B)+-]; 
hieraus folgt mit Hilfe von (6), und wenn man berücksichtigt, daß B, 
eine Nullmenge ist und daher mU, = m(U,— B,) < > ist, 

m(Ü—A)<e. 

Dies alles liefert uns den | 


Satz 4. Es sei A eine beliebige Punktmenge und & eine beliebige posi- 
tive Zahl. Es gibt dann Umgebungen U(e) von A, so daß für jede be- 
liebige meßbare Pumktmenge V endlichen Inhalts die Relation 


mVU(e)<mtFVAte 
erfüllt ist. Ist ferner der Inhalt von A meßbar, so gilt außerdem die Re- 


lation 
m(Ud — A)<E. 


Um den entsprechenden Satz für innere Inhalte aufzustellen, müssen 
. wir annehmen, daß der innere Inhalt unserer Punktmenge A von Null 
verschieden ist. Da nach dem Satze 18 des $ 268 die Relation 


m,A=myB, + mgB, + 





S 271 Anwendung d. Theorie d. Meßbarkeit auf d. Inhalt von Punktmengen 279 


erfüllt ist, kann der innere Inhalt unserer Punktmengen B, nicht für 
jedes p verschwinden. Jede Punktmenge B,, für welche m4B, >0 ist, 
enthält dann nach dem Satz 3 des $ 269 eine perfekte Teilmenge I; 

von der man verlangen kann, daß 


mT,Z myB, a 


ist. Wir bezeichnen mit 7’(e) die Summe aller dieser 7, und bemerken, 
daß erstens T’(e) als Summe von in sich dichten Punktmengen ebenfalls 
in sich dicht ist ($ 70, Satz 4). Zweitens aber ist 7(s) abgeschlossen: 
denn ein Häufungspunkt P von T(e), der z.B. in dem Würfel W_, ent- 
halten ist, ist notwendig Häufungspunkt von (7, +---+ 7,); der 
Punkt P ist aber in dieser abgeschlossenen ($ 69, Satz 3) Teilmenge 
von T(e) und daher auch in 7(e) selbst enthalten. Die Punktmenge 7'(e) 
ist m. a. W. eine perfekte Teilmenge von A. Eine ganz analoge Schluß- 
weise wie diejenige, welche uns den letzten Satz geliefert hat, führt so- 
dann zu ‚folgendem 

Satz 5. Es sei A eine Punktmenge von nicht verschwindendem inneren 
Inhalt und s eine gegebene positive Zahl. Dann gibt es perfekte Teilmengen 
T(e) von A, so daß, für jede beliebige meßbare Punktmenge V von end- 
lichem Inhalte, die Relation 

mVT(e) > m,„VA—e 

erfüllt ist. Ist ferner der Inhalt von A meßbar, so gilt außerdem 


m(A—-T(o)<e. 


271. Die Überlegungen des vorigen Paragraphen erlauben die Be- 
griffe der maßgleichen Hülle und der maßgleichen Kerne, die wir bis- 
her (8255, 256) nur für Punktmengen endlichen äußeren bzw. inneren 
Maßes definiert haben, auf beliebige Punktmengen zu übertragen, wenn 
wir mit Inhalten von Punktmengen operieren. 


Wir gehen von folgender Definition aus (vgl. $ 263): 

Definition. Eine meßbare Punktmenge A, die eine gegebene 
Punktmenge A enthält, soll eine maßgleiche Hülle von A ge- 
nannt werden, wenn für jede Punktmenge V von meßbarem 
und endlichem Inhalte die Gleichung 


(1) mVA = m*VA 


erfüllt ist. Eine meßbare Teilmenge A von A soll ein maß- 
gleicher Kern von A genannt werden, wenn stets, für meßbare 
V endlichen Inhalts 

(2) mVA= m,„VA 

gilt. 


280 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 271 


Setzt ı man an statt V unsere Punktmenge C, des vorigen nPoarrsphan 
in die Gleichung (1) ein, und berücksichtigt die Gleichungen (8 268) 


mA=mAC,+mA0Q, +:--, 

m+A=m*FAC, +m*FAC, + -, 

so folgt u 
mA = m*A 

und man sieht hieraus und aus dem Satze 12 des $ 263, daß dig obige 
Definition der maßgleichen Hülle mit der früheren zusammenfällt, sobald 
die Forderung, daß A von endlichem äußeren Inhalt sein soll, erfüllt ist. 
Ebenso verhält es sich mit dem Begriff des maßgleichen Kerns. 

Ist A eine maßgleiche Hülle der Punktmenge A, so ist also für 
jede unserer Punktmengen C,, die Punktmenge AC, eine maßgleiche 
Hülle von AC,. Nach dem Setze 14 des $ 264 ist dann 

my C,(A = 4) = 0. 
Anderseits ist aber 
Ä-4A=-0,(A-4A)+0(A-A +: 
und nach dem Satze 18 des 8268 
my (A— A) = m. 0, A—A)+mC(A—A)+:-;; 


wir haben also 


(8) my(A—-4)- 
und ganz ebenso beweist man, daß 
(4) my(A— 4) — 0 


ist. Aus den zwei letzten Gleichungen folgt, daß, wenn A meßbar ist, 
die Punktmengen (4— A) und (A— A) den Inhalt Null besitzen. Daß 
umgekehrt A von meßbarem Inhalt ist, wenn 

m(4A—4A)=0 oder m(A—A)= 
ist, ist selbstverständlich. 

Satz 6. Für die Meßbarkeit einer Punktmenge A ist folgendes not- 
wendig und hinreichend: wenn man mit A eine maßgleiche Hülle und mit 
A einen maßgleichen Kern von A versteht, so muß eine der Punktmengen 
(A — A) oder (A— A) eine N sein; dann ist es natürlich auch 
die andere. 

Es bleibt noch zu zeigen, daß es zu jeder Punktmenge A maß- 
gleiche Hüllen A und maßgleiche Kerne A gibt. Dazu konstruieren wir 
nach den Sätzen 4 und 5 des vorigen Paragraphen eine Folge von Um- 


ebungen 
Bee va, Ua)... 


$ 272 Anwendung d. Theorie d. Meßbarkeit auf d. Inhalt von Punktmengen 281 














und, falls m, A =# 0 ist, eine Folge von perfekten Teilmengen 
TE), To): -- 
A=-TBEZA)L---. 


Ist dann V eine beliebige Punktmenge meßbaren und endlichen Inhalts, 
so ist 


von A und setzen 


mAV<m v(„)’< m+AV + ee 
mAV > mT () VD myAV — a 


Da diese letzten Ungleichheiten für jeden Wert von p gelten und AV 


die Punktmenge AV enthält, AV dagegen eine Teilmenge von AV ist, 


so hat man . 
mAV=m*AV, mAV=m.AV, 


d.h. A ist nach unserer Definition eine maßgleiche Hülle und A ein 
maßgleicher Kern von A. Bemerkt man endlich, daß nach der Konstruk- 
tion des vorigen Paragraphen jede der Punktmengen 7(1:p) die Summe 
von beschränkten und perfekten Punktmengen ist, so haben wir 
schließlich den 


Satz 7. Zu jeder Punktmenge A gibt es maßgleiche Hüllen A, die 
entweder offen oder der Durchschnitt von abzählbar unendlich vielen offenen 
Punktmengen sind, und, falls m, A > ist, maßgleiche Kerne A, die ent- 
weder perfekt oder die Vereinigung von abzählbar unendlich vielen be- 
schränkten perfekten Punktmengen sind. 


Ist A meßbar, so sind nach dem Satz 6 die Punktmengen (A—A) 
und (A— A) Nullmengen; mit Berücksichtigung unseres letzten Resul- 
tats folgt nun der 


Satz 8. Jeder Punktmenge A meßbaren Inhalts kann man zwei Null- 
mengen N, und N, zuordnen, so daß (A-+ N,) offen oder der Durchschnitt 
von abzählbar unendlich vielen offenen Punktmengen ist, und (A— N,) 
leer oder perfekt oder die Vereinigung von abzählbar vielen beschränkten 
perfekten Punktmengen ist. 


272. Man kann ein Kriterium für die Meßbarkeit des Inhalts einer 
Punktmenge A angeben, das einfacher ist als diejenigen, die wir in der 
allgemeinen Theorie der Meßbarkeit kennen gelernt haben. Es seien 
die Punktmengen C,, C,,... beschränkt, von meßbarem Inhalt und so 


® 


282 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit $ 273 














beschaffen, daß ihre Vereinigungsmenge den Gesamtraum N, enthält. 
Wir haben dann den 


Satz 9. Für die Meßbarkeit des Inhalts einer beliebigen Punktmenge A 
ist hinreichend, daß für jede natürliche Zahl p eine der beiden Gleichungen 
m(Q, = m*AC, + m*(C,— AC,) 
mC, = m.AC, + m,(C0,— AC,) 

erfüllt ist. ’ ee ö 
In der Tat ist dann nach dem Satze 8 des $ 260 jede der Punkt- 
mengen AO, meßbar und das Gleiche gilt von ihrer Vereinigungsmenge A. 
Ist insbesondere A beschränkt und I ein Intervall, das A enthält, so ist 
nach demselben Satze hinreichend für die Meßbarkeit von A, daß eine 
der beiden Gleichungen 
mI=m*A + m*(I— A) 


erfüllt sei. Die erste dieser beiden Gleichungen wurde von Lebesgue 
für die Definition der Meßbarkeit des Inhalts einer ns be- 
nutzt. 


273. Wir können die Tatsache, daß der Inhalt von beschränkten 
Punktmengen endlich ist, dazu benutzen, um den Satz 12 des $ 250 zu 
verallgemeinern. 


Satz 10. Ist A,, A,,.. . . eine konvergente Folge von meßbaren Punkt- 
mengen endlichen Inhalts, deren Limes A ebenfalls einen endlichen Inhalt 
besilst, so ist die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß 


(1) | limmA, = mA 
k=o 


ıst, daß jeder positiven Zahl e ein Würfel W(e) zugeordnet werden kamn, 
so daß die außerhalb dieses Würfels liegenden Teile eines jeden A, einen 
Inhalt haben, der kleiner als & ist. 


Wir führen wieder die Würfel W, ein, die wir im $ 266 gebraucht 
haben; die Durchschnitte AW, bilden bei wachsendem » eine monoton 
wachsende Folge von Punktmengen, die gegen A AONSArBIeIEn und man 
hat also 
(2) immAW,— mA. 

p=» 
Ferner bemerke man, daß wegen der Konvergenz der Folge der A, nach 
dem Satze 10 des $ 118 

„lim 4,W=AW, 


S 273 Anwendung d. Theorie d. Meßbarkeit auf d. Inhalt von Punktmengen 283 


ist und daher auch, weil alle Punktmengen A,W, Teilmengen der be- 
schränkten Punktmenge W, sind (8 250, Satz 12), 


(3) lim mAW,=mAW, 
ist. Setzt man also 

(4) 4; = A, W, 23 Ro: 
und zur Abkürzung 

(5) mR,: = 

so folgt 


mA,=mA,W, + ro: 
und mit Hilfe des Satzes 9 des $ 99 unter Benutzung von (3) 
| lim mA, — mAW, + lim »,; 
(6) k=o 
lim mA,=mAW, + a 
k=o k=zo 


Es ist nun zu beweisen, daß, wenn man 


(7) $, = obere Grenze von {r, 1, 7,9, Ya33-- -} 
setzt, die Bedingung 
(8) m ,=0 


für das Bestehen der Gleichung (1) notwendig und hinreichend ist. 
Nun folgt erstens aus (6) und (7), wenn man berücksichtigt, daß 
alle r,,— 0 sind, | 


(9) mAW, < lIimmA4, <limmA4, <smAW, +8; 


ist nun die Gleichung (8) erfüllt, so erhält man mit Hilfe von (2) die 
Gleichung (1), wenn man in (9) die natürliche Zahl » gegen oo kon- 
vergieren läßt. 

Ist umgekehrt die Gleichung (1) erfüllt, so folgt aus (6), daß die 


Zahlenfolge r,,, "za, . - . konvergiert, und daß 

(10) limr „=mA—mAW, 
k=o 

ist. Ferner ist aber nach (4) und (5) für jedes k 

(11) NPINTPSTPIEE 


und, weun man die Gleichung 
lim m AW, = mA, 
p=%2 


284 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 274 


— m erstere a ml m er m m 





beräcksichtigt, die ebenso wie (2) bewiesen wird, ist auch 
(12) limr,, = 0 (k=1,2,...). 
D=% 
Für jede positive Zahl & kann man nach (2) die natürliche Zahl p, so 
wählen, daß | 
mA—mAW,<; 
ist; dann ist nach (10) 


Es gibt also eine Zahl k,, so daß fürk >k, stets r,,<e stattfindet 
und wegen (11) ist dann auch 


r.<e fü p2p, und k>k,. 


Man bestimme mit Berücksichtigung von (12) die Zahlen 9,, 
Pay -- :, Pi, So daß 
1, <e für p>p und jJ=1,2,...,i, 


sei; nennt man dann p, die größte der natürlichen Zahlen 9,, 2, - - -, Pr. 
so ist für jedes k und fürp >p, 
T,x < €; 
es ist dann auch 
„Se für P>9, 


woraus man die Gleichung (8) entnimmt. 


Bemerkung. Die obigen Bedingungen sind natürlich erfüllt, wenn, 
wie im $ 250 verlangt wurde, die Punktmengen A, Teilmengen einer 
und derselben Punktmenge S$ von endlichem äußeren Inhalte sind. Man 
kann dann ($ 266) einen Würfel W so bestimmen, daß 


m*(S—-WS)<e 


ist, wobei & eine beliebige vorgeschriebene positive Zahl bedeutet. Es 
folgt nun aus A, < S 
4,—- WA,<S-WS 
und also auch | | 
m(A,—- WA,)<e 
für jedes beliebige X. 


274. Die im vorigen Satze geforderte Bedingung ist wirklich eine 
Einschränkung für die Folgen A,. Man kann konvergente Folgen von 
meßbaren Punktmengen angeben, bei denen sowohl jede einzelne Menge 


$ 275 Anwendung d. Theorie d. Meßbarkeit auf d. Inhalt von Punktmengen 285 


der Folge, wie auch der Limes von endlichem Inhalt sind, und noch dazu 
der Grenzwert 
lim m A, 
k=® 
existiert und endlich ist, aber die unserer Bedingung nicht genügen. 
Man braucht z. B. nur lineare Mengen zu betrachten und für A, 
zu setzen: 


A: k<a<(k+l). 
lim A,=4=(, 
k=o 


Dann ist 


also 

mA=(0; 
dagegen ist Ä 
ImmA,=mA, =1. 
k=© 


275. Der Inhalt einer beschränkten Punktmenge A des n-dimen- 
sionalen Raumes der z2,,2,,...,%,, die in einer (n— 1)-dimensionalen 
Ebene 

.=6& 


liegt, ist Null. Ist nämlich | 
I: ,—h<2,<$&;+h, j=1,2,...,n) 
ein Intervall, das A enthält, so muß A auch im Intervall 
T: | 6, ae h; << &, Zu h; j=1,2, ..,(k—1), (k+1), N), 
. —Ee<n<gHtE 


liegen und, da 
mI,=2(hhy...h_ıları--:h,)E 


für hinreichend kleine & beliebig klein gemacht werden kann, ist 
m’+A=mA=!0. 
Nach dem $ 266 gilt dann der Satz: 
Satz 11. Jede (n — 1)-dimensionale Ebene 
E: = 
ist eine Punktmenge vom Inhalte Null. 


Der Inhalt von E, ist nämlich die obere Grenze des Inhalts aller 
beschränkten Teilmengen von E,, die ja nach dem Obigen lauter Null- 
mengen sind. 


286 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 276 








Legt. man \ durch jeden der abzählbar unendlich ker rationalen 
Punkte des Raumes mit den Koordinaten ae „die (n—1)- 
dimensionalen Ebenen 


4 = N, WB Tr +, IT Ton 


so hat die Vereinigungsmenge V dieser Punktmengen ebenfalls den In- 
halt Null. Die Punktmenge V hat die Eigenschaft nicht nur überall 
dicht im Raume zu liegen, sondern jeder Punkt des Raumes ist Kon- 
densationspunkt von /; hierbei muß natürlich » >1 sein. 


276. Man kann sogar lineare Punktmengen vom Inhalte Null 
konstruieren, die die Eigenschaft besitzen, daß jeder Punkt der x-Achse 
Kondensationspunkt unserer Nullmenge ist. 

Wir gehen zunächst von einem beliebigen Intervall 


12. 0 2D 


aus. Wir teilen dieses Intervall durch zwei Punkte a, und b, in drei 
gleiche Teile und bezeichnen das mittlere Intervall 


a,<x<b, 


mit d,. Hierauf teilen wir die Intervalle a<r<a unddb, <z<b 
durch je ein Punktepaar a,,b, und a,,b, in drei gleiche Teile und be- 
zeichnen die mitt- 
leren Intervalle 
a<az<b, und 
,<xc<b, mit 
ö, und d,. Ebenso behandeln wir die vier Intervalle a<x<a,, ,<x<a,, 
b, <z<a,, b,<x<b und setzen dieses Verfahren ins Unendliche fort. 
Die abzählbar vielen Teilintervalle Ö,,d,, d,,... liegen alle außerhalb 
einander und ihre Vereinigungsmenge bildet eine offene Punktmenge 


B=8, +6 +4, +---, 


deren Inhalt leicht berechnet werden kann. Es ist nämlich: 





6, j Fig. 32. ds 


-0-)(5tstat) 


$277 Anwendung d. Theorie d. Meßbarkeit auf d. Inhalt von Punktmengen 287 


Die Punktmenge C,’, die man zu dieser Punktmenge B addieren muß, 
um das abgeschlossene Intervall Ä 


I: a<xr<b 


zu erhalten, besteht aus den Endpunkten der Intervalle d, und aus den 
Häufungspunkten dieser Endpunkte, sie ist als Komplementärmenge 
einer offenen Punktmenge (nämlich von B-+ der Komplementärmenge 
von I) abgeschlossen und nach ihrer Konstruktion in sich dicht und 
ist folglich perfekt (8 54). Ihr Inhalt ist sofort zu berechnen: 


 mO?=mI—-mB=0. 


Die Punktmenge Ü? isteine perfekte, also nicht abzählbare lineare 
Nullmenge. Außerdem ist, weil B eine auf I überall dichte offene 
Punktmenge darstellt, ihre Komplementärmenge C/? nirgends dicht 
auf 7 (8 79); sie bildet das einfachste Beispiel einer nirgends dich- 
ten perfekten linearen Punktmenge. 


277. Mit Hilfe der perfekten nirgends dichten Punktmengen CO, 
die wir jedem Intervalle a < x < b zugeordnet haben, ist es jetzt sehr 
leicht, eine Punktmenge von den angekündigten Eigenschaften zu kon- 
struieren. | 

Wir bezeichnen mit M, die perfekte Punktmenge, die man durch 
die Vereinigung der Punktmengen C,*+! für alle möglichen ganzzah- 
ligen a erhält. Die Komplementärmenge von M, ist eine offene lineare 
Punktmenge, d. h. eine Summe von linearen Intervallen; sie enthält ab- 
zählbar unendlich viele Intervalle a <xz<.a,+ 3 und kein Intervall 
von größerer Länge. Wir addieren zu M, alle die diesen Punktmengen 
entsprechenden C “+ und bezeichnen die so erhaltene Punktmenge mit 
M,. Die Komplementärmenge M, von M, ist ebenfalls eine ofiene 
Punktmenge, die aus lauter Intervallen besteht von Inhalten 1:3*, wo 
k>2 ist. 

In jedem der unendlich vielen unter diesen Intervallen, welche die Ge- 
stalt u, <<, + 2 haben, legen wir die Punktmenge Ort und ad- 
dieren alle diese Punktmengen zu M,; die Summe heiße M,. Wir fahren 
auf diese Weise fort und bekommen schließlich eine Menge 


M=1lmM,, 
k=o 


die folgende Eigenschaften hat: Jeder Punkt der x-Achse ist Kon- 
densationspunkt von M; der Inhalt von M ist gleich Null, weil M 
gleich der Vereinigungsmenge von abzählbar unendlich vielen Punkt- 
mengen C? ist, die alle den Inhalt Null besitzen. 


288 | Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit S 278 
278. Wir beweisen endlich den sehr oft nützlichen 
Satz 12. Ist der äußere Inhalt m*A einer beliebigen Punktmenge A 


von Null verschieden und bezeichnet man mit ß eine beliebige Zahl, die 
der Bedingung 


(1) O<ßB<mFA - 
genügt, so gibt es beschränkte Teilmengen B von A, für die 
(2) m*"B = ß 


ist. Ist ß <m,4A, so kann man sogar verlangen, daß B eine perfekte 
Punktmenge sein soll. 


Da m*A gleich der oberen Grenze der äußeren Inhalte aller be- 
schränkten Teilmengen von A ist ($ 266, Satz 16), kann man eine be- 
schränkte Teilmenge A, von A finden, für welche 

m*A, >B 

ist. Nun bezeichne man mit H; die offene Punktmenge, die aus allen 
Punkten des n-dimensionalen Raumes besteht, für welche 

A 
ist, und mit H ; die abgeschlossene Hülle von A;, d. h. die Punktmenge, 
die aus allen Punkten besteht, für welche 

1<s5$ 
ist. Wegen der Beschränktheit von A, gibt es eine positive Zahl p», 
für die 

4,A_,=0 und 4,8,=4, 


zugleich stattfindet. Die obere Grenze &, aller Zahlen &, für die 
(3) m*A,H,< ß 


ist, liegt demnach im abgeschlossenen Intervall -p<&<p. Für jede 
monoton wachsende Folge &,, &,,... von Zahlen, die gegen &, konver- 
giert, ist aber 

AH, <ABH,< 
und 


lim 4,H, = A,H,. 
k=» 
Wir haben also ($ 265, Satz 15) mit Berücksichtigung von (3) 
(4) m*A, H;, = limm*A,H, <P. 
k= = 


Ferner sei 7,,9g;-. . eine monoton abnehmende Zahlenfolge, die 
gegen &, konvergiert; es ist dann | 


8 279 Quadrierbare Punktmengen. ‚Räumliche Zellonnetze 289 


und 


„lim A,H,, == 4,H;, ; 


Hieraus folgt nach dem Satze 17 des $ 267, wenn man bemerkt, daß 
A, als beschränkte Punktmenge von endlichem Inhalte ist, und wenn 
man berücksichtigt, daB wegen der Definition von &, 


m*4A,H,,>Bß (k=1,2,...) 
ist, | 


(5) m*4, H,, — limm*4,H, > ß. 


Nun ist die Punktmenge (A, H,; — A H;) eine Teilmenge der (n—1)- 
dimensionalen Ebene x, = &, und daher eine Nullmenge ($ 275, Satz 11). 
Man hat also 


(6) | m*A, H; = m*A, H,;, 
und, wenn man B= A,H,, setzt, durch Vergleich von (4), (5) und (6) 
(7) u | m’B=Bß, 


wie wir zeigen wollten. 

Ist endlich 6 < m,4A, so hätte man für A, eine abgeschlossene 
Teilmenge von A wählen können und für B den perfekten Bestand- 

teil der abgeschlossenen Punktmenge A,H;, (8 64, Satz 8). Dann ist 
(A, H;,— B) abzählbar und daher eine N allmenge, und die — (7) 

ist wiederum erfüllt. 


Quadrierbare Punktmengen. Räumliche Zellennetze, 


279. Wir bezeichnen mit, die Begrenzung einer beliebigen Punkt- 
menge A (8 213); die abgeschlossene Hülle A von A ist dann durch 
die Gleichung 

A= A+y,=4+(,-4r,) 


und die größte offene Teilmenge A von A durch die Gleichung 
A-A-4r, 


gegeben ($ 214). Wir nennen die Punktmenge A nach außen qua- 
drierbar, wenn die Punktmenge (A — A) den Inhalt Null besitzt, d.h. 
wenn 


(1) m(A—A)=m(y,—Ay,)—=0 

ist; es soll dagegen A nach innen quadrierbar heißen, wenn die 
Gleichungen 

(2) | m(A— A)=mAy,— 0 


Carath&odory, Reelle Funktionen. 19 


230 Kap V. Inhalt und Meßbarkeit $ 279 





bestehen. Eine Punktmenge, die sowohl nach außen wie auch nach 
innen quadrierbar ist, soll einfach quadrierbar genannt werden; aus 
der Relation 

7 Ay, Tr (v,—-4r,) 


folgt, daß eine Punktmenge A dann und nur dann quadrierbar ist, wenn 
ihre Begrenzung 7, den Inhalt Null besitzt. 

Eine nach außen quadrierbare Punktmenge ist die Differenz einer 
abgeschlossenen Punktmenge und einer Nullmenge, sie ist also jeden- 
falls meßbar, und ebenso sieht man, daß eine nach innen quadrierbare 
Punktmenge von meßbarem Inhalte ist. 

Da eine Punktmenge A und ihre Komplementärmenge A” dieselbe 
Begrenzung y, besitzen und Ay, = y,— Ay, ist, so folgt der 

Satz 1. Die Komplementärmenge einer nach außen quadrierbaren 
Punktmenge ist nach innen quadrierbar und umgekehrt. 


Sind A und B zwei nach außen quadrierbare Punktmengen, und be- 
zeichnet man mit A und B ihre abgeschlossenen Hüllen, mit D ihren 
. Durchschnitt und mit F ihre Vereinigungsmenge, so folgt aus der Tat- 
sache, daB die Punktmengen AB und A+ B abgeschlossene Punkt- 
mengen sind, die D bzw. V enthalten, daß die abgeschlossenen Hüllen 
D und V von D und V den Bedingungen 


D<AB, V<A+B 
genügen. Da alle betrachteten Punktmengen meßbar sind, haben wir also 
(3) m(D—-D)<m(AB-AB), mV — v)<m{(A+B)—(A+B)). 
Nun ist aber 

AB-AB=(A+(4-4)(B+(B-B)— 

- (A-A)B+ A(B—B) 

und on u _ 
(A+B)-(A+B) <(A-A+(B—B); 

die beiden letzten Relationen zeigen in Verbindung mit (3), daß die 
Punktmengen D und V ebenso wie A und B nach außen quadrierbar 


sein müssen, und ebenso beweist man, daß D und V nach innen qua- 


drierbar sind, wenn A und B diese Eigenschaft haben. Durch Anwendung 
des Schlusses der vollständigen Induktion haben wir also den 


Satz 2. Der Durchschnitt und die Vereinigungsmenge von endlich 
vielen nach außen (innen) quadrierbaren Punktmengen sind ebenfalls 
nach außen (innen) quadrierbare Punktmengen. 











$ 280 Quadrierbare Punktmengen. Räumliche Zellennetze 291 


Der letzte Satz hat eine gewisse Ähnlichkeit mit den Resultaten 
der $$ 241 und 242; er läßt sich aber nicht wie jene auf den 
Durchschnitt oder die Vereinigung von abzählbar unendlich 
vielen Punktmengen übertragen. So ist z. B. jede Punktmenge, 
die aus einem einzigen Punkte besteht, nach außen quadrierbar; die ab- 
zählbare Punktmenge R, die aus allen rationalen Punkten des Raumes 
besteht, ist es dagegen nicht, denn ihre Begrenzung enthält den Ge- 
samtraum und die Komplementärmenge R’ von R ist keine Nullmenge. 


280. Aus dem Satze 6 des $ 215 entnimmt man sofort den 


Satz 3. Jede abgeschlossene Punktmenge ist stets nach außen und 
jede offene Punktmenge ist immer nach innen quadrierbay. | 


Es gibt aber offene und dann nach dem Satze 1 auch abgeschlossene 
Punktmengen, die nicht quadrierbar sind. Derartige Punktmengen erhält 
man durch eine geringfügige Änderung der Konstruktion des $ 276; 
wir gehen vom linearen Intervalle 


I: O<a<i 


aus und nennen Ö, ein konzentrisches Intervall von der Länge /. Die 
Punktmenge (IT — ö,) besteht aus zwei gleich langen Intervallen ö,’ 


und ö,; wir konstruieren zwei neue Intervalle d, und d,, beide von der 
Länge e ‚ die mit diesen konzentrisch sind. Ebenso bilden wir vier 


Intervalle Ö,, d,, ö,, 6, von der Länge : 
der offenen Punktmenge (I — 6, — d,— 6,) konzentrisch sind, und setzen 
dieses Verfahren ins Unendliche fort. 


Die Punktmenge 


die zu den vier Intervallen 


A=6d, +, +, +. 
ist offen; ihr Inhalt ist aber 


1 2 2 
mA=, ty: Tys Pas? 
1 re: | 
- (lt, tgotat 
= 9q . 
Die Punktmenge A= A +, fällt nun hier mit I zusammen und ihr 
Inhalt ist gleich Eins. Man hat also 
my -mÄA—mA=!- | 
19* 


292 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit . 8 281 





Mrz re EEE 


Ein Intervall ist stets quadrierbar ($ 232); ebenso ist jedes lineare 
Gebiet ($ 225, Satz 6) quadrierbar. In zwei- oder mehrdimensionalen 
Räumen gibt es aber nicht quadrierbare Gebiete. 

In einer zy-Ebene breite man z.B. auf der &-Achse die lineare 


Punktmenge As He, 


die wir soeben konstruiert haben, aus. Ferner bezeichne man mit A, 
die Summe der zweidimensionalen Intervalle, die sich einerseits auf 
ein Ö,, anderseits auf die Punktmenge 
=", O<y<i 
projizieren, und mit A, das Intervall 
j 0<z<l, —1<y<d. 
Dann ist die Punktmenge 


G=-ALAHLA 


nicht nur eine offene Punktmenge, sondern ein Gebiet, wie aus dem 
Satze 2 des $ 222 folgt. Bezeichnet man ferner mit p die Begrenzung 
von G, so ist 

| m(G+Yy)=2, mG=4++1, 
also 
Das Gebiet @ ist also nicht quadrierbar. 


281. Es sei A eine beliebige Punktmenge, y, ihre Begrenzung und 
A=-A— Ay, 


ihre größte offene Teilmenge. Ist der Inhalt von A von Null verschie- 
den, so gibt es zu jeder positiven Zahl 


(1) p<mA 
eine beschränkte und abgeschlossene Teilmenge M von A, für welche 
mM>-p 


ist ($ 269, Satz 3). Die Komplementärmenge von A ist eine abge- 
schlossene Punktmenrge, die keinen Punkt von M enthält, und ihre 
Entfernung ö von M ist positiv ($ 194, Satz 6). Für die Komplementär- 
menge A’ von A gilt aber dann umsomehr die Relation 

| E(M, A)>26d>0. 

Bezeichnet man mit 6 eine positive Zahl, die Öö nicht übertrifft, und 
mit B(o) die Gesamtheit der Punkte P des Raumes, für die 


E(P,A)\>e, 


$ 282. 288 Quadrierbare Punktmengen. Räumliche Zellennetze 293 














so enthält B(e) die Punktmenge M und ist, wegen der Stetigkeit von 
E(P, A’), eine offene Teilmenge von A ($ 136, Satz 4), also in A ent- 
halten. Man hat also 


(2) mM <mB(e) <mA für o<d. 


Anderseits ist aber m B(6) nach Konstruktion eine monoton abnehmende 
Funktion von 6, und man kann daher, wenn man (1) und (2) vergleicht, 


schreiben 
p<limmB(o) <mA. 
o=0 


Hieraus folgt aber, weil p eine beliebige positive Zahl bedeutet, die 
der Ungleichheit (1) genügt, 


(3) lim m B(o) = 
o=0 


282. Es sei A eine beschränkte Punktmenge; dann ist ihre abge- 


schlossene Hülle u 
A=A+H+y, 


ebenfalls beschränkt und daher von endlichem Inhalte. Für jede Zahl p, 
die m A übertrifft, gibt es eine Umgebung U von A, für die 


mU<p 


ist. Die Entfernung ö zwischen A und der Komplementärmenge U’ 
von U ist positiv ($ 194). Bezeichnet man also mit 6 eine positive 
Zahl, die ö nicht übertrifft und mit C(6) die Gesamtheit der Punkte, 
für welche 

E(P,A)<o 


ist, so ist C(6) eine offene Punktmenge, die A enthält und in U ent- 
halten ist. Man hat also _ 
mA <mC(o) <p, 


und wenn man berücksichtigt, daß m C(6) eine monoton wachsende Funk- 
tion von @ ist, und daß p» eine beliebige Zahl bedeutet, die mA über- 
trıfft, so folgt hieraus wie oben 


limm(O(o)= mA. 
o=0 
283. Definition. Unter einem räumlichen Zellennetz ver- 


stehen wir die Bildung einer abzählbaren Folge von getrennt 
liegenden quadrierbaren Gebieten 


Iı> Ia> Ir +) 


294 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit $ 284 


falls die Vereinigung der abgeschlossenen Hüllen 


I, In: I - - - 
dieser Gebiete den Gesamtraum enthält. Die Punktmengen g 
nennen wir die Zellen des Netzes, die abgeschlossenen Punkt 
mengen 9, sollen abgeschlossene Zellen heißen, die ober: 
Grenze og der Durchmesser der Zellen bezeichnen wir al 
Durchmesser des Netzes. 


Man bekommt die einfachsten Zellennetze endlichen Durchmesser: 
wenn man den Gesamtraum durch Parallelen zu den Koordinatenebene 
in ein Netz kongruenter Würfel zerlegt. 

Bei unserer Definition ist ferner zu beachten, daß die Forderung, da 

I, t9t-- 
den Gesamtraum enthalten soll, zwar zur Folge hat, daß jeder Punl 
des Raumes in der abgeschlossenen Hülle von 


Art 


enthalten ist. Dieses kann aber wohl der Fall sein, ohne daß jed 
Punkt des Raumes in mindestens einem 7, enthalten ist und dah 
ohne daß die g, ein Zellennetz bilden. 


284. Es sei ein beliebiges Zellennetz von endlichem Durchmesser 
und eine beliebige Punktmenge A gegeben. Wir bezeichnen mit 


S, die Vereinigungsmenge aller abgeschlossenen Zellen, die in 
enthalten sind, 

S, die Vereinigungsmenge aller offenen Zellen, die in A enthalt 
sind, 

S, die Vereinigungsmenge aller offenen Zellen, die mit A einen Puı 
gemeinsam haben, 

S, die Vereinigungsmenge aller abgeschlossenen Zellen, die mit 
einen Punkt gemeinsam haben. 


Ferner seien 5, und 5, die Vereinigungsmengen aller offenen Zell 
die in S,’ bzw. S, vorkommen und $,, S, die Vereinigungsmen; 
aller abgeschlossenen Hüllen der Zellen von S, bzw. S,. 

Diese acht Punktmengen können teilweise leer sein, sie kön: 
auch teilweise miteinander zusammenfallen; sie genügen aber stets 
genden Beziehungen: 

Ist g, eine Zelle, die in S, vorkommt, so ist nach Definition 9, 
folglich auch g, eine Teilmenge von A; also kommt auch g, in S, 


d. h. es ıst <S, 






xtmengeng, 
enen Punkt 
„ die ober 
ı1en wir al; 


Durchmesser, 
-dinatenebenen 


"orderung, da} 


ıB jeder Punkt 


ohne daß jeder 
ist und daher 


ı Durchmesser e 
‚bnen mit 
'ellen, die in A 


in A enthalten 
it A einen Punk 


‚ellen, die mit 4 


offenen Zelt 


einigungsmeng®! 
Ss: 
selD, 

zen aber 8 


gie könne" 
tets fol 


Definition 7, W 


auch 9ı in 8, 70 


S 284 Quadrierbare Punktmengen. Räumliche Zellennetze 








Ist zweitens g, eine Zelle von $,, so ist g, in A enthalten und f 
lich auch in S,; hieraus entnimmt man aber, daß 


8, 


Ist g, eine Zelle von S,, so hat um so mehr 5, einen Punkt m 
gemeinsam und g, ist also auch eine Zelle von S, 


5 <S,. 
Zusammenfassend hat man 
(1) <<<, 
und folglich, da es sich um Punktmengen von meßbarem Inhalte han 
(2) ms, Sms, <mS, <mS,. 
Die FOREN 
(5, — 8,) j=1,2,: 


bestehen aus der Vereinigungsmenge der Begrenzungen von höchs 
abzählbar unendlich vielen Zellen; da die Zellen nach Definition 
drierbar sind, hat man also stets 


(3) ms, — mS, (j=1,2,3 
Aus (1) folgt übrigens ohne weiteres 
(4) <<. <L 
Es sei nun wieder y, die Begrenzung von A und 
A=4A+ty, A=(A—Apy,)- 


Die Punktmenge $, ist eine offene Teilmenge von A und daher i 
enthalten; hieraus folgt 
ms, <mA 


und nach (3) 
(5) mS, <mA. 


. Die Vereinigungsmenge der Punkte des Raumes, die auf der Beg 


zung von mindestens einer Zelle liegen, hat als Vereinigungsm: 
von abzählbar unendlich vielen Nullmengen den Inhalt Null. Ui 
mehr werden die Punkte von A, die auf der Begrenzung irgend: 
Zelle liegen, den Inhalt Null haben. Die übrigen Punkte von A li: 
im Innern einer Zelle, und da diese Punkte entweder schon zu A 
hören oder aber mindestens Häufungspunkte von A sind, so ist 
solche Zelle in $, enthalten. Die Punktmenge (A — AS,) besteht 
ausschließlich aus Begrenzungspunkten von Zellen unseres Netzes, 


es Ist m(A- AS) = 0 


nn 


296 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 2835 


Hieraus folgt aber = u 
mA=mAS, <SmS, 


und daher auch 5 
(6) mA<mS,. 


Wir führen jetzt die Punktmengen B(6) und Ü(6) ein, die wir in 
den $$ 281, 282 betrachtet haben und nehmen an, daß zwischen dern 
Durchmesser o unseres Zellennetzes und der Zahl o die Beziehung 
oe < 6 besteht. 

Jeder Punkt des Raumes und daher auch jeder Punkt P von B(6) 
ist nach Voraussetzung in mindestens einer abgeschlossenen Zelle 7, 
enthalten, deren Durchmesser die Zahl oe <o nicht übersteigt. Wegen 
der Bedeutung von B(co) muß dann 9, in A und daher auch in S$,’ ent- 
halten sein; jeder Punkt von B(6) ist mithin ein Punkt von $,’, d.h. 


B(6) <S,”. 
Hieraus folgt aber mit Rücksicht auf (4) und (5) 
(7) mB(o) <mS’<mS, <SmA. 


Ebenso sieht man, daß jeder Punkt von $,’ in C(e) enthalten ist, und 
hieraus folgt mit Rücksicht auf (4) und (6) 


(8) mA<mS,/ <mS/<mC(6). 
285. Nun betrachte man eine beliebige Folge von Zellennetzen 
des Raumes, deren Durchmesser 0,,0,, ... gegen Null konvergieren, und 


bilde für jedes dieser Zellennetze die Punktmengen 9,,9,',:..,8, 8%, die 
wir jetzt, um die Abhängigkeit von o, hervortreten zu lassen, mit 


S(0), Sı (&), - - -, Son), Su (or) 
bezeichnen. 


Dann folgt aus der Relation (7) des vorigen Paragraphen für jedes 
beliebige positive 6 
mB(6) < lim mS, (g,) < Um mß, (9,) < mA 
k=o k=zw» 
und wegen der Schlußgleichung des $ 281 
lim m, (0) = m4; 
k=o 
genau dieselbe Relation kann man für S,’(o,) ableiten, und wenn man 
die Gleichungen (3) des vorigen Paragraphen berücksichtigt, wird 
(1) limmS,(o,) = lim mS,’(o,) = lim mS, (o,) = limmS, (o,) = mA. 
k=o k=®» k=o k=@ 





8 286. 287 







Quadrigrbare Punktmengen. Räumliche Zellennetze 297 











Jetzt machey wir die Voraussetzung, daB A eine beschränkte 
Punktmenge ist. /Dann folgt, wenn man die Schlußgleichung des $ 282 


mit der Gleichuyg (8) des vorigen Paragraphen vergleicht, durch genau 
dieselbe Sohinb eise wie oben 


(2) Lim, (0;) - lim, (9) _ inf! S,(0,) = limmns, (9, = mA. 


286. Die Punktmenge (S,(0) — S,(e)) besteht aus genau allen Zellen 
einer gegebenen Einteilung, welche Punkte der Begrenzung y, von A 
enthalten; ist nun A beschränkt und setzt man 


| e= mS,(e) — mS;(e), 
so folgt aus 


mSd(0) <SmA<m,A<mtA< mA < mS,(0), 


daß man die Inhalte von A und A, sowie auch den äußeren und den 
inneren Inhalt von A mit der Approximation & berechnen kann. Ist A 
quadrierbar, so kann man die Zahl se, durch Verkleinerung des Durch- 
messers des Zellennetzes, beliebig klein machen und so eine beliebige 
Genauigkeit erreichen. 

Da wie wir sahen in den obigen Darlegungen der Durchmesser der 
Zellennetze des Raumes allein eine Rolle spielt, wird man sich in praxi 
auf Netze von kongruenten Würfeln beschränken. Diese erlauben durch 
eine einfache Abzählung der in S,... $, vorkommenden endlich vielen 
Würfel den Inhalt einer quadrierbaren Punktmenge mit beliebiger Ge- 
nauigkeit abzuschätzen. 


287. Man kann eine beschränkte Punktmenge A mit Hilfe end- 
lich vieler Intervalle überdecken und zwar auf verschiedene Arten. 
Es ist interessant, die Zahl zu bestimmen, die man erhält, wenn 
man ähnlich wie im $ 230 die Summe der Inhalte dieser Intervalle 
bildet und zur unteren Grenze aller dieser Summen übergeht. 
Es seien 
I,4,; vr 1 


p 


endlich viele Intervalle, die A überdecken. Die Vereinigungsmenge der ab- 
geschlossenen Intervalle I,, Is - - -, I, ist eine abgeschlossene Punkt- 
menge ($ 69, Satz 3), die A enthält; folglich enthält sie auch A=A+p, 
und es ist 


Die gesuchte untere Grenze ist also sicher nicht kleiner als mA. 


298 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 287 


. Ist anderseits & eine beliebige positive Zahl, so kann man nach 
dem 8 285 den Raum mit einem Würfelnetz überdecken, dessen Durch- 
messer so klein ist, daß die zugeordnete Zahl mS,' der Bedingung 


ms, <mA+ z 


genügt. Es sei N die (jedenfalls endliche) Anzahl der in $,' vorkommen- 
den abgeschlossenen Würfel; ersetzt man jeden dieser Würfel durch 
einen konzentrischen größeren Würfel, so daß die Differenz der Inhalte 
von zwei entsprechenden Würfeln die Zahl &:2.N nicht übersteigt, so 
wird die Vereinigungsmenge der neuen Würfel die Punktmenge A ent- 
halten, und die Summe ihrer Inhalte wird kleiner als (m A + e) sein. 

Da & beliebig gewählt werden kann, folgt hieraus, daß die gesuchte 
untere Grenze mit m A zusammenfällt. 

- Die Zahl m A ist ursprünglich von Cantor, Peano und Jordan zur 
Definition des Inhalts der Punktmenge A benutzt worden. Die beiden 
letzten Autoren führten den Begriff der Quadrierbarkeit ein; eine be- 
schränkte Punktmenge A wurde nämlich quadrierbar genannt, wenn 
mit der Bezeichnung 


B=I-A 
(wobei I ein ab gescioeasnee Intervall bedeutet, das A enthält) die 
Gleichung _ u _ 
(1) | mA+mB=mI 


erfüllt war.*) Nun ist jeder Punkt des offenen Intervalls I, dessen ab- 
geschlossene Hülle I ist, entweder ein innerer Punkt von A, der also 
nicht in B enthalten ist, oder ein innerer Punkt von B, der also nicht 
in A enthalten ist, oder endlich ein Punkt der Begrenzung y, von A, 
der sowohl in A als auch in B enthalten sein muß. Setzt man also 


OÖ)  4A=ÄA4(l-]1, B=B+4l-n, 
so ist u _ 
(3) 4,B =», +UuÜ-N. 


Anderseits hat man aber 
I=4A+B=4A+4B=4A+B=4 +(B—4A,B,) 

und daher z 

(4) mI=mA, +mB, — mA,B,.. 


Da nun (7T— I) eine Nullmenge ist ($ 275), so folgt aus (2) und (3) 
mA—-m4, mB=mB, mA,B,=my, 


*, Die Lebesguesche Definition der Meßbarkeit ($ 272) ist also durch Über- 
tragung des Jordanschen Begriffes der Quadrierbarkeit entstanden. 


> 


5 288 _ Überdeckungssatz v« von ı Viteli 299 


und daher aus (4) 





mA+mB=mI+my,. 

Dafür, daß die Gleichung (1) gelte, ist also notwendig und hinreichend, 
daß y, eine Nullmenge sei, d. h. die ursprüngliche Definition der 
Quadrierbarkeit führt zu denselben Punktmengen wie die 
von uns benutzte (8 279). 

Da für quadrierbare Punktmengen m A = mA ist, so liefert die 
alte Definition des Inhalts einer Punktmenge auch eine brauchbare 
Theorie, die allerdings nicht die Anwendungsfähigkeit der modernen 
Theorie besitzt und daher heute an Bedeutung verloren hat. 


Überdeckungssatz von Vitali. 

288. Der Vitalische Satz ist ein Überdeckungssatz, der die Sätze 
der 8$ 57—61 auf Grund der Theorie des Inhalts einer Punktmenge 
in eigentümlicher Weise verschärft. Es ist bequem, das allgemeinste 
Resultat, das man auf diese Weise bekommen kann, in eine Reihe von 
spezielleren Sätzen zu zerlegen. 

Satz 1. Es sei A eine beliebige beschränkte Punktmenge, die nicht den 
Inhalt Null besitzt, und U eine Umgebung von A. Jedem Punkte P von 
A sei eine Folge von abgeschlossenen Punktmengen 


(1) (PD), &(P), (BD), :-. 
zugeordnet, die folgende Eigenschaften besitzen: 

a) die Punktmenge o,(P) liegt ganz im Innern eines Würfels W, (Pı 
mit dem Mittelpunkt P, dessen Kamtenlänge a,(P) mit 1:k gegen Null 
konvergiert:  . 

(2) lima,(P)=0; 
k=® 

b) das Verhältnis der Inhalte von o,(P) und W,(P) ist stets größer 
als eine feste von k und P unabhängige positive Zahl « 
(3) mo,(P)>mW,(P)-« 

Ist dann 3 eine beliebig vorgeschriebene Zahl unterhalb Eins, so kann 
man endlich viele Punkte von A 

PisBesausssh 
und ebensoviele ganze Zahlen k,, k,,...., k, finden, so daß mit der Be- 
zeichnung « 
(4) = 6,(P,) (@=1,2,...,m) 

c) die Punktmengen 6, - innerhalb U liegen und liegen 2 keine 
gemeinsamen Punkte besitzen: 


(5) | .<U, 006,—0 Gr); 


f 


300 Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit | 8288 


d) die Vereinigungsmenge 


(6) S=-0+%+:+0, 
den Bedingungen genügt 

(7) m*AS>9-m*A, 

(8) m*(A— AS) <(1—H)mFA. 


Die Wahl von abgeschlossenen Punktmengen 6,(P), die den Be- 
dingungen a) und b) unseres. Satzes genügen, ist in hohem Maße 
willkürlich. Man kann z B. die o,(P) gleich abgeschlossenen, zu P/ 
konzentrischen Würfeln setzen und für W,(P) Würfel von doppelter 
Kantenlänge wählen. Die o,(P) können auch abgeschlossene zu P kon- 
zentrische Intervalle bedeuten, die keine Würfel sind; nur muß das Ver- 
hältnis zwischen der kleinsten und größten Kantenlänge dieser Inter- 
valle eine von P und k unabhängige feste positive Zahl übertreffen, um 
der Bedingung b) des Satzes gerecht zu werden. Ferner kann man 


6(P)=K(P;o,) 


setzen, wo K (P; o,) eine abgeschlossene zu P konzentrische Kugel mit 
dem Radius o, bedeutet. Der Inhalt einer Kugel ist nämlich größer als 
der eines Würfels von der Kantenlänge 2o,:q (wenn g die Dimension 
des Raumes bedeutet) und kleiner als der eines Würfels von der Kanten- 
länge 30,; man kann daher in der Ungleichheit (3) die Zahl «= (2:39)? 
setzen, wenn die o,(P) Kugeln bedeuten. 

Das merkwürdigste ist aber, daß man auch Punktmengen o,(P) 
wählen kann, die den Punkt P gar nicht enthalten. So kann man 
für diese Punktmengen Würfel nehmen, deren Mittelpunkte nicht mit 
P zusammenfallen, wenn nur das Verhältnis der Kantenlänge dieser 
Würfel zu der Entfernung ihres Mittelpunktes von P eine vonkund P 
unabhängige positive Zahl übertrifft. 

Der Satz besagt nun, daß man für jede derartige Wahl der Punkt- 
mengen 6,(P) endlich viele unter ihnen finden kann, die keine gemein- 
samen Punkte besitzen, alle in U enthalten sind und einen dem Inhalte 
nach beliebig großen Bruchteil von A überdecken. Jede der Bedingungen 
(7) und (8) ist natürlich eine Folge der anderen; wegen der Meßbarkeit 
von $ ist nämlich 

m’A=m*FAS + m*(A— AS). ö 


Um den behaupteten Satz zu beweisen, betrachten wir eine Um- 
gebung U’ von A, von der wir voraussetzen, daß sie der Relation genügt, 


mU’<(1+n):m*A, 


8 288 Überdeckungssatz von Vitali 301 


indem wir uns vorbehalten, 7 später zu bestimmen. Dann ist, wenn 
wir U, = UÜ"” setzen, 


(9) A<U<U 
und 
(10) mU,<(1+n):m*A. 


Zu jedem Punkt.P von A gibt es in der Reihe W, (P), W,(P),... 
einen ersten Würfel W’(P), der ganz in T, liegt. Nach dem Satze des 
$61 können wir die Punktmenge A, weil sie beschränkt ist, mit ab- 
zählbar vielen unter diesen Würfeln 


11) WB), WB)... 
überdecken und diese Würfel nach absteigender Länge ihrer 


Kanten ordnen. 
Bezeichnen wir mit 7 die Vereinigungsmenge 


T=WXP)+WXP)+W(P)+---, 


so Ist 
A<T<TZ, 
und folglich 
(12) m’+A<mT<(1+n)m*A. 


Wir streichen nun in der Mengenfolge (11) alle Würfel weg, die 
mit W’(P,) einen Punkt gemeinsam haben; es sei W’(P,) der erste 
übrig bleibende Würfel. Hierauf streichen wir alle Würfel der Folge 
weg, die mit W'(P, ) einen Punkt gemeinsam haben; es sei W’(P,,) der 
erste übrig bleibende Würfel. Indem wir auf diese Weise fortfahren, 
erhalten wir eine Folge 


WP,) = WP;,) W(P,), W(P,) 3 


von endlich oder abzählbar unendlich vielen Würfeln, die keine ge- 
meinsamen Punkte besitzen. 

Bezeichnen wir jetzt mit W”(P,,) einen zu W’(P,,) konzentrischen 
Würfel, dessen Kanten die dreifache Länge der Kanten von W’(P,,) 
besitzen, so ist, wenn die Dimension des Raumes mit q bezeichnet wird: 


(13) mW"(Pu) = 3’ mW'(Pu)- 
Anderseits ist von den Würfeln, die bei der kten Operation weggestrichen 
worden sind, keiner größer als W’(P,,) und diese Würfel, die mit 


W’(P,,) mindestens einen Punkt gemeinsam haben sollten, liegen folg- 
lich in W”(P,,); wir haben also 


T< WR) + WB) HWB)H 


302 | Kap. V. Inhalt und Meßbarkeit 8 288 
und folglich 





mT<mW"(P,)+mW"B,)+---, 
woraus mit Rücksicht auf (12) und (13) folgt 
mWP,)+mW'P,)+:-- > „ m*A. 
Bezeichnet man jetzt mit 0,',0,,0,,... die den Würfeln W’(P,), 


W'(P,) W'P,)-.. zugeordneten, innerhalb derselben liegenden Punkt- 
mengen, so ist wegen (3) 


mo, + mo, + mo, + - > 5 m*A. 
Man kann daher die ganze Zahl p, so groß wählen, daß 


(14) mo, + mo, + :--+ mo, > er m*A 


ist. 
Wir setzen jetzt 
tt 
und bemerken, daß, da die 6, keine gemeinsamen Punkte besitzen, 
(15) mS, = mo, ++ mo,, | 
ist. Die abgeschlossene Punktmenge S, ist meßbar und als Teilmenge 
von T in U, enthalten; wir haben also 
m(U,—S)=mU,—mS, 
und wegen (10), (14) und (15) 
m(U, — 8) < (1 N 5) mA. 
Wir können aber annehmen, daß wir von vornherein für 7 den Wert 


a 
rer? 


gewählt haben; setzen wir dann zur Abkürzung 


9, = 1 Fer ’ 
so wird 
(16) m(D,— 8.) < 8,m*A. 


Da die Punktmenge A eine Teilmenge von U, ist, so ist auch 
(A—-48,)< (U, —- U,8)= U, 8, 
und folglich wegen (16) 
(17) m*(A— AS) < 9,m*A. 


3 288 Überdeckungssatz von Vitali 303 








Die Punktmenge (U,— U, S,) ist der Durchschnitt von zwei offenen 
Punktmengen, nämlich von TU, und von der Komplementärmenge S$,' 
von S,; wir können also unsere Überlegungen wiederholen, indem wir 
die ursprüngliche Punktmenge A durch (A— A S,) und ihre Umgebung U 
durch die Umgebung (U,—U,S,) von (A— AS,) ersetzen. Wir kon- 
struieren dazu eine offene Teilmenge U, von (U, — U, $,), so daß 

(A = AS;) <U,< (U, — U, S,) 


und außerdem 

mU,<(l+,55)m*(A- AS$,) 
ist. Hierauf können wir eine endliche Anzahl p, von unseren abge- 
schlossenen Punktmengen o,(P) ausfindig machen, die keine gemein- 
samen Punkte besitzen, alle in U, enthalten sind, und die ferner, wenn 
man sie mit 


Op +1, 6,,+2, Da Op. +p, 
und ihre Summe mit S, bezeichnet, die Eigenschaft haben, daß 
(18) m(U, — S,)<9,m*(A— AS,) 


ist. Berücksichtigt man endlich, daß S,S, — 0 und daß daher 

ist, so folgt aus (17) und (18) die Ungleichheit 

Ä m*(A— A(S, + S,)) < 9,’m*A. 

Die Punktmenge 

tm +%+-+0,4, 

liegt außerdem ganz in der ursprünglich gegebenen Umgebung U von A. 
Durch »-malige Wiederholung unserer Konstruktion bestimmen wir 

auf diese Weise eine endliche Anzahl von Punktmengen o,(P) ohne 

gemeinsame Punkte, die alle in U enthalten sind und deren Summe 


S=-6+0%+:'+6, 


m*(A— AS) <H,"m*A 
genügt. Nun kann man, da 


der Bedingung 


lm d,*= 0 
ist, die Zahl n so bestimmen, daß 
9" <(l-$9) 
ist, wo ® die in den Ungleichheiten (7) und (8) vorkommende gegebene 


Zahl bedeutet. Hiermit ist die Relation (8) und daher auch der be- 
hauptete Satz bewiesen. 


304 Kap.V. Inhalt und Meßbarkeit g 289 








289. Den soeben bewiesenen Satz kann man leicht verallgemeinern: 


Satz 2. Die Behauptung des Satzes 1 kann auch dann erfüllt wer- 
den, wenn A zwar nicht beschränkt, aber von endlichem äußeren Inhalte 
ist, und wenn die Forderung b) über das Verhältnis der Inhalte von o,(P) 
und W,(P) durch die allgemeinere 


.6,(P 
(1) un > e(P)>0 
ersetzt wird. 


Statt der festen Zahl « haben wir also jetzt ein mit P variierendes 
«(P), das nur der einen Beschränkung unterworfen ist, positiv zu sein.*) 

"Nach dem Satze des $ 266 können wir eine beschränkte Teil- 
menge A, von A finden, so daß 


m*4A, > H5m*A 


ist, denn 9% ist zugleich mit # kleiner als Eins. Bezeichnen wir jetzt’ 
mit BD, die Gesamtheit aller Punkte von A,, für welche 


«(P)> 5 


ist, so bilden die Punktmengen B,, B,, B,, :.. eine monoton wachsende 
Folge von Punktmengen und es ist außerdem, weil nach der Bedingung (1) 
die Funktion «(P) in keinem Punkte von A, verschwindet, 


lim B,= 4,. 


p= 0» 


Der Satz 15 des $ 265 lehrt uns hierauf, daß 


limm*B, = m*A, 


p=% 


*, Man könnte sogar den Satz 2 noch unwesentlich verallgemeinern, indem 
man erlaubt, daß die Funktion «(P) auf einer Nullmenge N ihres Definitions- 
bereiches A verschwindet; denn es ist gleichgültig, ob man einen Teil von A 
oder von (A— N) überdeckt. Dagegen kann man nicht die Bedingung b) des 
‘ Satzes 1 ganz fortlassen. Es ist z. B. möglich, beim Beispiele des $ 280 jedem 
Punkte der perfekten Punktmenge (I— A) eine Folge von abgeschlossenen Inter- 
vallen zuzuordnen, die alle in der offenen Punktmenge A liegen und der Be- 
dingung a) unseres ersten Satzes genügen. Mit Hilfe dieser Intervalle kann man 
aber keinen einzigen Punkt von (I— A) überdecken. 

Dagegen wäre es, wegen der Wichtigkeit des Vitalischen Überdeckungs- 
satzes, nicht uninteressant, zu untersuchen, ob man nicht die Bedingung b) durch 
andere zu ersetzen imstande ist. So scheint z. B. die Frage noch nicht entschie- 
den zu sein, ob der Vitalische Satz für zwei oder mehr dimensionale Räume gilt, 
wenn man für die o,(P) zu P konzentrische Intervalle nimmt, falls das Verhältnis 
zwischen der kleinsten und größten Kantenlänge dieser Intervalle mit der Dimen- 
sion des Intervalls gegen Null konvergiert. 





$ 290 Überdeckungssatz von Vitali 505 


ist; wir können also eine ganze Zahl » so bestimmen, daß 
m*B, > 83:m*A, > #%:m*A 
ist. Nun besitzt aber B, sämtliche im Satze des vorigen Paragraphen 


geforderten Eigenschaften; diese Punktmenge ist nämlich beschränkt 
und man hat in jedem Punkte P von B, 


mo, (P)>mW,(P)- 5 


Wir können also endlich viele unter diesen Punktmengen o,(P) fin- 
den, die in U enthalten sind und keine gemeinsamen Punkte besitzen, so 
daß ihre Summe S der Bedingung 
m*SB, > 9%: m*B, > 8.m*4A 
genügt. Es ist aber | = 
SA>SB, 

und folglich 

m*SA>m*"SB,, 
und daher 

m*’AS>H9-m*A, 
wie wir zeigen wollten. 

290. Satz 3. Ist A eine beliebige. Punktmenge und U eine beliebige 
Umgebung von A; sind ferner o,(P) Punktmengen, die genau denselben 
Forderungen genügen wie im Satse 2, so gibt es Folgen von absählbar un- 
endlich vielen unter diesen Punktmengen, die innerhalb U liegen, keine 
gemeinsamen Punkte besitsen und deren Vereimigungsmenge die ganse 
Punktmenge A mit Ausnahme von höchstens einer Nullmenge enthält. 

Ist zunächst A von endlichem äußeren Inhalt, so folgt unsere Be- 
hauptung direkt durch Wiederholung der Konstruktion des vorigen 
Paragraphen. Man bestimmt z. B. endlich viele Punktmengen. 

DO Os 
die in U liegen und deren Summe S, der Bedingung 
| m*’Aas, >zm*4A 
genügt. Dann ist 
m*(A— AS,) <4m*A 
und (U—S,) eine offene Punktmenge. Hierauf bestimmt man endlich 
viele 6,(P) innerhalb (U— $,), deren Summe S, der Bedingung 
m*(A— AS,)S, = m*AS, > im*(A— 4AS,) 

genügt. Dann ist 

m*(A— AS,) = m*(A— AS,)S, + m*(A— AS, — AS,) 
und daher 

m*(A— A(S, +S5,)) <4m*(A—- AS) <zm*A. 


Carath&odory, Reelle Funktionen. 20 


306 | Kap.V. Inhalt und Meßbarkeit $ 291 


Indem man auf diese Weise fortfährt, bekommt man eine Folge von ab- 
zählbar unendlich vielen Punktmengen 


ER NO EEE 


'ı Typ) 
deren Summe S als Summe von abzählbar unendlich vielen o,(P) ange- 
‚sehen werden kann, und es ist 


m*(A— AS) <mt(A- AS ++: +8))< mA. 


Da dies für jedes » gilt, ist der Inhalt von (A— AS) gleich Null; außer- 
dem ist S eine Teilmenge von U. 

Ist zweitens A von unendlichem äußeren Inhalt, so kann man den 
Raum in abzählbar unendlich viele beschränkte Zellen zerlegen ($ 283). 
Die Begrenzung der Zellen, die nach Voraussetzung den Inhalt Null hat, 
braucht man nicht zu überdecken. Ist g eine unserer Zellen, so kann 
man nach dem Vorigen Ag mit abzählbar unendlich vielen o,(P) ohne 
gemeinsame Punkte, die innerhalb Ug liegen, bis auf eine Nullmenge 
überdecken. Tut man dies für jede einzelne Zelle, so genügt die Ver- 
einigungsmenge aller dieser Überdeckungsmengen allen Forderungen 
unseres Satzes. 


291. Ist A von endlichem äußeren Inhalt, so kann man von U 
verlangen, daß 
(1) mÜU<m*’A+e 


ist, wobei & eine beliebige positive von Null verschiedene Zahl bedeutet. 

Wählt man dann die Zahl 9, so daß (1—#)m*A<s ist, so kann 
man :nach unserm zweiten Satze eine Summe $ von endlich vielen 
6,(P) finden, für welche die Relationen 


(2) mS<m*A-+e, 
(3) m’+AS>9-m"A>m*4l-—e, 
(4) mF(A—AS)<eE 


zugleich stattfinden. Aus (3) folgt dann erstens, wenn man berücksich- 
tigt, daB mS > m*AS ist, 

(5) mS>m*’A—e. 

Man kann ferner eine sehr oft nützliche Abschätzung für den Inhalt der 
Punktmenge (S— AS) aus unseren .Ungleichheiten entnehmen. Nach 
dem Satze 4 des $ 257 ist nämlich 


mU=m,A+m*(U—A), 
und hieraus folgt mit Berücksichtigung von (1) 
m*(U— A) <(m*A—my,A)-+e. 


8 292 Kap. VI. Lineare Gebilde. Vektoren d. g-dimens. Raumes 307 


Nun ist S</ U und daher auch ($— AS) <(U— A); aus der letzten 
Relation folgt also 


(6) | m*(S— AS) <(mtA— m,A) + 8. 
Der soeben erwähnte Satz liefert aber auch 
m*(S— AS) = mS — m,AS, 
und hieraus folgt, wenn man (5) und m,AS < m,A benutzt, 
(7) m*(S— AS) > (mF4A—m,A) — e. 
Ist insbesondere A eine meßbare Punktmenge, so folgt aus (4) und (6), 
daß man S so bestimmen kann, daß die Ungleichheiten 


m(A—AS)<e und m(S—-AS)<e 
zugleich gelten. 


Kapitel VI. Lineare Gebilde. 


Vektoren des g-dimensionalen Baumes. 


292. Für viele Fragen ist es zweckmäßig, den Begriff des Punktes 
eines g-dimensionalen Raumes durch den Begriff eines Vektors zu er- 
gänzen. 

Unter einem g-dimensionalen Vektor verstehen wir hier einfach 
die Gesamtheit von q Zahlen, die in einer bestimmten Reihenfolge ge- 
geben sind und die wir die Komponenten des Vektors nennen.*) Wir 
bezeichnen die Vektoren stets mit deutschen Buchstaben 


Q: 4, Ag, 2.2.37 A, 


Jedem Punkte des g-dimensionalen Raumes ist ein Vektor einein- 
deutig zugeordnet, dessen Komponenten gleich den Koordinaten des 





*), Die Ausführungen dieses Kapitels erlauben erst den Begriff des Vektors 
so auszugestalten, wie er in der Mechanik und Physik gebraucht wird. Dort ver- 
steht man unter Vektor eine gerichtete Strecke des Raumes, die durch ihre 
Länge und ihre Richtung festgelegt wird, und benutzt vor allem die Tatsache, 
daß die Operationen über Vektoren von der speziellen Wahl des Koordinaten- 
systems unabhängig sind. Die Definition des Textes muß daher nur als eine vor- 
läufige angesehen werden, die zum Aufbau der Theorie nützlich ist. Die Spe- 
zialisierung, von der wir Gebrauch machen, ist zweierlei Art: erstens halten wir 
ein bestimmtes Koordinatensystem fest (in der Tat wollen wir die linearen Trans- 
formationen des Raumes erst im Laufe der Untersuchung erklären) und zweitens 
betrachten wir ausschließlich Vektoren, deren Anfangspunkte im Anfangspunkt 
der Koordinaten liegen. 


20* 


308 | Kap. VI. Lineare Gebilde g 292 


Punktes sind. Die Einführung einer neuen Bezeichnung. wird dadurch 
gerechtfertigt, daß wir für die Vektoren folgende Festsetzungen treffen: 


I. Ist a ein Vektor mit den Komponenten a,...a, und A 
eine beliebige Zahl, so wollen wir mit Aa den Vektor bezeich- 
nen, dessen Komponenten gleich Aa,,Aa,,...,Aa, sind; ferner 
bezeichnen wir mit —a den Vektor mit den Komponenten 
Ay... 

I. Unter Summe a+b von zwei Vektoren a: a, @,...,@ 


und b: b,,b,,...,d, verstehen wir den Vektor mit den Kompo- 


nenten Ä 
(.+b), (a +b),---; (a,+b,)- 

II. Zwei Vektoren a und b sollen dann und nur dann 
gleich heißen, wenn alle ihre gleichnamigen Komponenten 
übereinstimmen, 

a, = b, (k=1,..., 9); 


ein Vektor ist dann und nur dann gleich Null, wenn seine 
sämtlichen g Komponenten verschwinden. 


Aus diesen Regeln folgt, daß man mit Vektoren rechnen kann; 
“sind nämlich a,b, c,... irgendwelche Vektoren und A,u,... beliebige 
Zahlen, so hat man 

A(ua) = u(la)=Aua, 


(2) Aa+b)=Aa+Ab, 
(3) a+b=b+a, 
(4) a+b+)=(a+b)+e=ar+rbre. 
. Ferner folgt aus | | 
1a—=0, 
daß entweder A oder a verschwindet, und aus 
a+b=a, 
daß 
| | b=0 
ist; ferner folgt aus 
a+b=0, 
daB 
b=—u 
ist und aus 
(5) + At: +,0,= 0 
folgt ebenso, falls A, + 0 ist, 
2, | 1 
(6) -- 20-20-0720, 


8 293. 294 Lineare Vektorgebilde 309 


Lineare Vektorgebilde. 


293. Definition. Ein linearesVektorgebilde ist eine Menge 
von Vektoren, die folgende zwei Eigenschaften besitzt: 


a) ist der Vektor a im linearen Gebilde L enthalten, so 
soll, wenn A eine beliebige Zahl bedeutet, Aa ebenfalls in 
L enthalten sein; 

b) sind a und b zwei Vektoren von L, so soll auch der 
Vektor a+bzu L gehören. 


Hieraus folgt, daß jedes lineare Gebilde den verschwindenden Vek- 
tor a= 0 enthält, daß ferner dieser letzte Vektor schon für sich allein 
ein lineares Gebilde darstellt und daß endlich jedes lineare Gebilde, das 
einen nicht verschwindenden Vektor enthält, aus unendlich vielen Vek- 
toren besteht. 


Satz 1. Sind a,,Q,,...,a, beliebige Vektoren, von denen wir ohne 
Beschränkung der Allgemeinheit. voraussetzen können, daß sie alle von Null 
verschieden sind, so bildet die Gesamtheit von Vektoren der Form 


(1) hy tagt + A, 
em lineares Vektorgebilde und zwar das kleinste derartige Grebilde, das 
4A, ...,a, enthält. 


Ist nämlich b ein Vektor von der Form (1), so gilt dasselbe von 
Ab und sind b und cc von der Form (1), so gilt dasselbe von (b-+c). Ist 
endlich Z ein beliebiges lineares Vektorgebilde, das die Vektoren aq,, 
%,..., a, enthält, so muß wegen der Eigenschaften a) und b) auch 
der Vektor (1) in L enthalten sein. 

Wir wollen dieses kleinste lineare Vektorgebilde, das a,, . 
enthält, mit L(a,,...,a,) bezeichnen und gelegentlich die Vektoren 
dj, ..., Q, die Erzeugenden dieses Gebildes nennen. 


294. Man sagt, daß p Vektoren a,...a, linear unabhängig 
sind, wenn es nicht möglich ist, die Gleichung 


(1) 4 ty +: +4,0,=0 
zu erfüllen, ohne daß sämtliche A, verschwinden; im entgegengesetzten 
Falle nennt man a, .... a, linear abhängig, 

Die p Vektoren Ed z. B. stets linear abhängig, wenn einer unter 
ihnen verschwindet. Dagegen sind die beiden zweidimensionalen Vektoren 
0q:1,0, 

0:0,1 
linear unabhängig. 





310 Kap. VI. Lineare Gebilde $ 295 





Es ist für viele Zwecke bequem, diese Terminologie auch auf den 
Fall p = 1 auszudehnen und von einem Vektor zu sagen,.daß er linear 
abhängig oder unabhängig ist, je nachdem er verschwindet oder nicht. 

Jedenfalls folgt aus der linearen Abhängigkeit von p Vektoren 
(p> 1), daß man den einen unter ihnen mit Hilfe der anderen dar- 
stellen kann. Es ist dann nämlich die Gleichung (1) erfüllt und außer- 
dem z. B. A, + 0; hieraus folgt aber ($ 292) 

yet Tu. 

In diesem Falle ist das lineare Gebilde L(a,,a,,...,a,) identisch 
‚mit dem linearen Gebilde L(a,,a,,...,a,). Man kann also durch suk- 
zessives Wegstreichen von Vektoren erreichen, daß ein gegebenes lineares 
Gebilde L(a,, %,...,a,) durch linear unabhängige Vektoren b,, 
b,,...,b, erzeugt wird. 

Ein System von linear unabhängigen Vektoren, die ein lineares Ge- 
bilde erzeugen, heißt eine Basis des linearen Gebildes. 

Satz 2. Ist b,,b,,...,b, eine Basis des linearen Gebildes L(b,,b,,...,b,), 
so ist die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß ein Vektor a 
zu diesem Gebilde gehöre, die lineare Abhängigkeit der Vektoren a, b,, 
EEE JE 

Jeder Vektor von L(b,,b,,...,b,) genügt nämlich nach dem $ 293 
einer Gleichung wie 
(2) a=4b,+-..+4b,, 
woraus folgt, daß die Vektoren a,b,,...,b, linear abhängig sind. Ist 
umgekehrt eine lineare Abhängigkeit zwischen diesen Vektoren vorhan- 
den, so muß eine Gleichung wie 


(3) Wat ub, +. +a,b,=0 
bestehen, und in dieser Gleichung muß u, ++ 0 sein, da sonst entgegen 
der Voraussetzung die b,, ..., b, nicht linear unabhängig sein würden. 


Löst man aber die Gleichung (3) nach a auf, so folgt, daß a im ge- 
gebenen linearen Gebilde enthalten ist. 


295. Satz 3. Enthält ein lineares Gebilde L(a,,dg,..., a,), das von 
r Vektoren erzeugt wird, ebensoviele linear unabhängige Vektoren b,,b,,...,b 
so bilden diese eine Basis des linearen Gebildes. 


Im Falle, daß r = 1 ist, bedeutet die postulierte lineare Unabhängig- 
keit einfach, daß L(a,) einen von Null verschiedenen Vektor b, enthält. 
Die Behauptung reduziert sich dann auf die triviale Gleichung 


L(a,) — L(b,). 


r) 


3 295 Lineare Vektorgebilde . 31 





Wir setzen jetzt voraus, daß der Satz für lineare Gebilde, die von 
(r —1) Vektoren erzeugt werden, richtig ist, und beweisen ihn für lineare 
Vektorgebilde, die von r Vektoren erzeugt werden. 

Nach Voraussetzung gibt es r Vektoren 


en, te +.» Bi 
(1) b, = Be T a +7 9,0, 


6, ae ae r) 


die linear unabhängig und folglich alle von Null verschieden sind. Ins- 
besondere ist b.+#Ü und es können nicht alle Zahlen a,,, &,3,- - -, &,4 
verschwinden. Es ist also z. B. «,,#0 und man hat, wenn man die 
letzte der Gleichungen (1) nach a, auflöst und diesen Wert von a, in 
die übrigen Gleichungen einsetzt, 


(2) (b, zz 2 b ,)= (or+ .) , Qg zu + (a, zT > Q,. 
Die (r— 1) Vektoren 
(3) bb, Be b, (k=1,2,...,r—)) 


liegen wegen der Gleichungen (2) im linearen Vektorgebilde L(a,,.. .,a,) 
und sind linear unabhängig, da man aus (3) von ihrer linearen Ab- 
hängigkeit auf die der ursprünglichen Vektoren b,,...,b, schließen müßte. 
Nach unserer Annahme bilden die Vektoren b,',...,b,_, eine Basis von 
L(a,,...,a,), und man kann daher die Vektoren a,, a,, ..., a, linear in 
den b,’ und nach (3) auch in den b, ausdrücken. Ferner folgt aus 
A EL en Zen 


r? 
&rı Rrı &rı 


daß man auch a, linear in b,...b, ausdrücken kann. Es ist also 
L(b,, b,, 4b) L(9,%,..., 4,) 

und, da die b, linear unabhängig sind, bilden sie eine Basis unseres 
linearen Vektorgebildes. 

Eine fast selbstverständliche Helgerung des letzten Satzes ist fol- 
gende: 

Satz 4. Zwischen je (r +1) Vektoren eines linearen Gebildes L(a,,...,a,), 
das von r Vektoren erzeugt würd, besteht eine lineare Abhängigkeit. 


Sind in der Tat b,,b,,...,b,,b,,, irgendwelche Vektoren des 
linearen Gebildes, so sind entweder die Vektoren b,,b,,...,b, schon 
linear abhängig, oder aber sie bilden nach dem vorigen Satze eine Basis 





312 e Kap. VI. Lineare Gebilde 8 296. 297 


von L(a,,...;a,) und man kann b,,, linear in b,,..., b, ausdrücken. In 
beiden Fällen besteht eine lineare Abhängigkeit zwischen den (r +1) 
gegebenen Vektoren. 


296. Sind b,,b,,...,b, und (,%,...,c, zwei Basen eines und 
desselben linearen Vektorgebildes L(a,, a,,...,a,), so kann nicht s>r 
sein, da sonst die Vektoren c, nach dem Satze 4 nicht linear unabhängig 
sein würden. Aus demselben Grunde kann aber auch nicht r > s sein. 
Es muß also r = s sein, d. h. sämtliche Basen eines linearen Ge- 
bildes bestehen aus derselben Anzahl von Vektoren. 

Diese Zahl nennt man den Rang des Vektorensystems q,, %,-.., A, 
oder die Dimension des Vektorgebildes L(a,, a,,...,a,); sie kann 
definiert werden als die größte Anzahl von linear unabhängigen Vek- 
toren, die man innerhalb dieses linearen Gebildes auswählen kann. 

Das lineare Gebilde, das nur den verschwindenden Vektor enthält, 
wollen wir als ein Gebilde nullter Dimension betrachten. 


Satz 5. Im q-dimensionalen Raum gibt es nur ein einziges lineares 
Vektorgebilde gqter Dimension; dieses enthält sämtliche Vektoren des Raumes. 


Jeder beliebige Vektor r läßt sich nämlich linear durch die q „Ein- 
heitsvektoren“ 
RE | Bere |, 
6: 0,100 
8: 0,0,0,...,1 
ausdrücken. Diese qg Vektoren sind linear unabhängig, aber zwischen 
(g+1) beliebigen Vektoren des Raumes muß stets eine lineare Abhängig- 
keit bestehen. Sind jetzt b,, b,,...,b, irgendwelche linear unabhängige 


Vektoren, so bilden sie nach dem Satze 3 eine Basis des Gebildes, das 
von &,, ..., €, erzeugt wird, und es ist Ä 


L(b,,b,,...,b)= L(e,%--.,®)- 


297. Wir sind jetzt imstande zu zeigen, daß jedes lineare Vektor- 
gebilde L des g-dimensionalen Raumes durch höchstens q linear unab- 
hängige Vektoren erzeugt werden kann. 

Eintweder besteht nämlich ZL aus einem einzigen verschwindenden 
Vektor oder es enthält einen von Null verschiedenen Vektor a,. Im 


letzten Falle ist entweder | 
L=L(a,) 


oder es enthält einen von a, linear unabhängigen Vektor a,. Ist dieses 


$ 298 Orthogonalitätseigenschaften 313 


der Fall, so ist entweder 
L=L(a,%) 


oder es gibt in L einen Vektor a,, der von a, und a, unabhängig ist. 
Indem man auf diese Weise fortfährt, und die Tatsache benutzt, daß 
zwischen je (9-+ 1) Vektoren. des Raumes eine lineare Abhängigkeit be- 
steht, sehen wir, daß für L nur endlich viele Möglichkeiten bestehen, 
und daß mithin entweder überhaupt kein von Null verschiedener Vektor 
in L enthalten ist, oder daß i 

L=L(a,d,-:-,0@,) 


ist, wobei die Zahl r <g sein muß. 


Orthogonalitätseigenschaften. 

298. Sind zwei Vektoren 
a: a, l,...,Q 
b: db, der ...,b, 

gegeben, so nennt man die Zahl 


ab+%b+:':+a,b,, 
die man mit Hilfe ihrer Komponenten erhält, das innere Produkt der 
besden Vektoren und bezeichnet es mit ab. 
Das innere Produkt 
adb=abs rt, +: +a,b, 
besitzt die Eigenschaften: 
ba=ab, 


(Aa)-(ub) = Aulab), 


ab+o)=ab+ac. 
Hieraus folgt, wenn 
0-40, = 2b, 
ist, so muß 
(1) ab = hm, a,-b, 
sein. 
Als absoluten Betrag eines Vektors a versteht man die Zahl 


(2) | a] = Va-a - Ya}, 
d. h., mit unseren früheren Bezeichnungen ($ 185), die Entfernung des 


Punktes des g-dimensionalen Raumes, dem unser Vektor zugeordnet ist, 
vom Anfangspunkt der Koordinaten. 





314 Kap. VI. Lineare Gebilde _ 8 299. 300 
Ist a= 0, so ist sowohl |a|= 0 als auch das innere Produkt mit 
einem beliebigen anderen Vektor b 
ab=0; 
aus a +0 folgt aber stets ja|> 0. 

299. Zwei Vektoren a und b heißen orthogonal oder senkrecht, 
wenn ihr inneres Produkt verschwindet. Ein System von m Vektoren 
Ö, Ay... 0, 
soll normiert genannt werden, wenn jeder unter ihnen den absoluten 


Betrag Eins hat und je zwei Vektoren des Systems orthogonal zuein- 
ander stehen; es soll also stets 
,,=1 fü j=k 


| 
(1) =0 für j#k 
sein. Wir werden auch gelegentlich von den Vektoren (1) selbst sagen, 
daß sie normiert sind. 

Die Vektoren eines normierten Systems sind linear unabhängig, 
denn aus 


+ 40+:''+ 4,0, = 0 
(1,0%, + A ++ 4n0,)0, = 0 
und anderseits wegen der Gleichungen (1) 
(A404 Asa ++ 4,0,)0, = Ar; 


es müssen. also sämtliche A, verschwinden. 


folgt einerseits 


300. Ist ein Vektor p orthogonal zu jedem Vektor der Basis eines 
linearen Vektorgebildes, so folgt aus der Gleichung (1) des $ 298, daß 
p überhaupt zu jedem Vektor des linearen Gebildes orthogonal ist; man 
sagt dann, daß p orthogonal zu dem linearen Gebilde ist. 

Es sei a,,@,,...,a, ein System normierter Vektoren und r ein be- 
liebiger Vektor des Raumes; man kann dann r auf eindeutige Weise 
in der Form darstellen 

=Aa+P, 
‘wobei a im linearen Gebilde L(a,,a,,...,a,) liegt und p orthogonal 
zu diesem Gebilde ist. | 
Wir setzen 


(2) ah tigt + Anm 


dann muß für jeden Wert k von 1 bis m 


pa,=(r-0)y=0 


g 301 Orthogonalitätseigenschaften 315 
sein. Diese Gleichung kann man aber schreiben, weil die a, normiert En, 
(3) , — A=0. 

Die A, sind hierdurch eindeutig bestimmt; umgekehrt ist aber der Vektor 
(4) P=2- 2), 


orthogonal zu L(a,,a,,...,a,) und erfüllt also unsere Bedingungen. 
Man kann leicht zeigen, daß für jede Zerlegung 





(5) r=a'+b, 
wo a’ im linearen Gebilde L(a,,..., a) liegt, 
(6) bizir 


ist, und daß das Gleichheitszeichen nur dann gilt, wenn a’=a und 
b=p ist. Man hat nämlich 


b=(a-a)+p 
und folglich, weil 
py(a—a’)=0 
ist, 
(7) b’= (a— a’)? +p}, 
also 
b? > p®, 


woraus (6) unmittelbar folgt. 

Liegt t im linearen Gebilde L(a,, Qs,..., a„), so verschwindet p. 
Es ist nämlich dann 

Gl FU En ul 0 1 Eu HN 
und 
2, =; 

nach der Gleichung (4) ist dann p= 0. Ist aber umgekehrt p = 0), so 
liegt natürlich r im linearen Gebilde der a,. 

Wenn anderseits p + 0 ist, so ist 


0; a; Ans 11 
normiert und das lineare Gebilde 


L(a,.., Ans >) 
enthält r. 


301. Man kann mit Hilfe der Operationen des vorigen Paragraphen 
stets eine Basis eines beliebigen Gebildes L(a,,a,,...,a,) bestimmen, 
die normiert ist. | | 





316 Kap. VI. Lineare Gebilde 8 302 





Es ist keine Beschränkung, wenn wir voraussetzen, daß alle Vek- 
toren a,, Ay, ..., Q,, von Null verschieden sind. Man setze 
a, 
al 
dann ist |b,|=1. Hierauf setze man 
=, —(ab,)b,. 
Ist b,’= 0, so sind a, und b, nn abhängig und man kann q, einfach 
fortlassen; ist aber b, = 0, so setze man 
A 
Ki, 
das Vektorensystem (b,, b,) ist dann normiert. Ferner setze man 
by a3 — (azd,)b, — (asb,)b;, 
lasse a, fort, falls b, = 0 ist, und setze andernfalls 
b ’ 
Ka N 
Indem man in dieser Weise fortfährt, erhält man die gewünschte 
normierte Basis von L(a,, a,,..., a,„) und zugleich die Möglichkeit, den 
Rang eines beliebigen Systems von Vektoren durch elementare Rech- 
nungen zu bestimmen. 


302. Es sei b,,b,,...,b,, die normierte Basis eines linearen Ge- 
bildes L(b,,b,,...,b,,), wobei m <q sein soll. Bezeichnet man wieder 
mit &,,&,...,e, die Einheitsvektoren des Raumes, so ist das lineare 
Gebilde 
(1) L(b,, b,, ee, b„. 6 695 ee. e,) 
ein Gebilde gter Dimension und jede Basis dieses Gebildes, das den 
ganzen Raum umfaßt, besteht aus q Vektoren. Berücksichtigt man, daß 
die b, normiert sind, und wendet auf das Vektorensystem 


Dana De 


‚ Ym q 

die Operationen des vorigen Paragraphen an, so erhält man eine nor- 
mierte Basis von (1), welche die Vektoren b,,...,b,, enthält, und folg- 
lich in der Gestalt 
Ds Das De 
erscheint. Jeder Vektor r des Raumes genügt also einer Gleichung 

= 4,d, + 1,b, Tr Ind. + u Fee U,_mlg-m° 
Sind hierbei die Koeffizienten A, alle gleich Null, so ist natürlich x 
orthogonal zu L(b,, ..., b,,); ist umgekehrt r orthogonal zu L(b,, ..., D,,) 


$ 303 Orthogonalitätseigenschaften 317 


und folglich zu jedem der Vektoren b,, so müssen die Gleichungen 
rıb,=4,=0 (k=1,2,...,m) 
bestehen. Mit andern Worten: das lineare Gebilde L(c,,t,, ..-, a enthält 
alle Vektoren, die auf L(b,,..., b,,) senkrecht stehen und nur diese, 
Man sagt diese beiden linearen Gebilde sind orthogonal zuein- 
ander. | 
Das lineare Gebilde, das zu einem gegebenen orthogonal 
ist, ist eindeutig bestimmt und die Summe der Dimensionen 


von zwei zueinander orthogonalen Gebilden ist stets gleich 


der Dimension g des Gesamtraumes. | 
Ist m =g, so gibt es keinen nicht verschwindenden Vektor, der 


zu dem Gebilde L(b,,...., b,) orthogonal ist, da jeder Vektor des Raumes 


in diesem Gebilde enthalten ist. 


303. Die Gesamtheit der Vektoren, die in zwei gegebenen linearen 
Gebilden ZL und M zugleich enthalten sind, muß wegen der Definition 
des $ 293 ebenfalls ein lineares Vektorgebilde erzeugen. Dieses lineare 
Vektorgebilde, das natürlich stets den verschwindenden Vektor enthält, 
wollen wir den Durchschnitt von ZL und M nennen und mit S be- 
zeichnen. 

Wir bezeichnen mit LP und M° die zu ZL und M orthogonalen Ge- 
bilde und mit S° das kleinste lineare Gebilde, das sowohl ZL° als auch 
M° enthält; jeder Vektor des Durchschnitts $ von L und M ist dann 
sowohl zu ZL° als auch zu M° orthogonal, und er muß folglich auch 
orthogonal zu 8° sein, da man eine Basis von $° aus Vektoren von ZL? 
und M° zusammensetzen kann ($ 294). Umgekehrt ist aber jeder Vektor, 
der auf 5° senkrecht steht, orthogonal sowohl zu L’ als auch zu M° 
und folglich ein Vektor von $. Mit anderen Worten die linearen Ge- 
bilde S und 8° sind zueinander orthogonal. Da man nun durch unsere 
elementaren Operationen L°, M° und S° konstruieren kann, so gilt das- 
selbe auch von 8. 

Bezeichnet man mit m, n, s die Dimensionen von ZL, M, S, so sind 
die Dimensionen von L°, M°, S’ bzw. (g— m), (g—n) und (q— s); außer- 
dem aber ist die Dimension von S° nie größer als die Summe der Di- 
mensionen von :L° und M°; man kann also schreiben 


g—ss(ka—m)+(g—R) 
s>(m+n-—g). 


Hieraus folgt insbesondere, daß der Durchschnitt von L und M stets 
von Null verschiedene Vektoren enthält, wenn m +n >q ist. 


oder 





en izle TR m u ae u Ed a er in yE RE 
a N at 3 rar a" DIL 107 Du DEE ur 3 F 
SE a a En. Fl Eu a Taler = ELBE EEE, 


Be: 


5 Er; „ern er & 
m emnre “or 
zu) der Hi enlee 





a 
Be | 





318 Kap. v1. Lineare Gebilde 8 804. 305 


-———- 11 = ei nn — 
EV 


Determinanten. 


304. Definition. Es seien im n-dimensionalen Raumen Vek- 
toren q,A,...,a, in bestimmter Reihenfolge gegeben. 

Wir wollen Funktionen D(a,, %,..., a,) untersuchen mit 
folgenden drei Eigenschaften: 

a) Der Wert der Funktion bleibt ungeändert, wenn man 
einen der Vektoren a, durch den Vektor (a,+.a,) ersetzt, wo- 
beij+#% ist. 

b) Der Wert der Funktion wird mit A multipliziert, wenn 
man irgendeinen der Vektoren a, durch Aa, ersetzt. 

c) Bezeichnet man mit &,,8&,...,e, die Einheitsvektoren 
des Raumes in ihrer natürlichen Reihenfolge (d. h. in der- 
selben Reihenfolge, wie in $ 296), so ist . 


D(e, 6, 9 e,) == 1. 


Diese Funktionen, die, wie wir bald sehen werden, durch die Eigen- 
schaften a), b) und c) eindeutig definiert sind, nennt man Determi- 
nanten und bezeichnet sie, wenn man die Komponenten @,,, 43, -- -, @; 
jedes Vektors a, ausführlich hinschreiben will, durch das Symbol 


t 
Ay 99 +, um 





(1) we Oggy, - a, 





4,1, 4,3) a Ann 


Die letzte Bezeichnungsweise erlaubt ohne weiteres von Zeilen und 
Spalten (Kolonnen) der Determinante zu sprechen; die Zahlen a,, 
nennt man die Elemente der Determinante. Die » Elemente a, ,, ss, -- -, 
G,„ bilden im Schema (1) die Hauptdiagonale der Determinante und 
die ganze Zahl » heißt ihre Ordnung. 

Wir wollen zunächst die Untersuchung führen, ohne uns darum zu 
kümmern, ob es für jeden beliebigen Wert der natürlichen Zahl » auch 
Determinanten. gibt. Der betreffende Existenzbeweis, der uns zugleich 
darüber unterrichten wird, daß die Bedingungen a), b) und c) sich nicht 
widersprechen, wird erst im $ 311 gegeben werden. 


305. Satz 1. Der Wert einer Determinante bleibt unverändert, wenn 
man einen beliebigen der Vektoren a, durch a, + Aa, ersetst, wobei j 4 k 
und A eine willkürliche Zahl bedeutet. 


Der Satz braucht natürlich nur für nicht verschwindendes A be- 
wiesen zu werden. Der Wert D unserer Determinante geht nach b) 


8 306 Determinanten 319 


in AD über, wenn wir a, durch Aa, ersetzen; hierauf bleibt nach a) der 
Wert AD erhalten, wenn wir a, durch a, +Aa, ersetzen. Endlich geht 
nach b) wieder AD in D über, wenn wir Aa, mit 1:4 multiplizieren. 


Satz 2. Der Wert einer Determinante wird mit — 1 multipliziert, 
wenn man zwei Zeilen der Determinante miteinander vertauscht. 


Es seien a, und a, zwei verschiedene Vektoren von D(a,, Q,,..., A,). 
Der Wert der Determinante wird nach dem obigen Satze nicht ge- 
ändert, wenn man nacheinander die Vektoren a, und a, ersetzt durch 


’ [Z 
,=0,+%, =, 

” [4 ” [4 [4 
,=-,=4d,+4, 0, =, md, ——l,, 
a,” a,” AB (, — Q,, = = _ a,. 


Endlich wird D mit — 1 multipliziert, wenn man a,” durch —a,”= a, 
ersetzt. 


Satz 3. Eine Determinante verschwindet, wenn alle Elemente einer 
Zeile gleich Null sind. 


Multipliziert man in der Tat alle Elemente dieser Zeile mit dem 
Faktor 21 = 2, so muß nach b) der Wert der Determinante verdoppelt 
werden; anderseits aber behalten alle Elemente dieser Zeile ihren Wert 
Null, so daß der Wert der Determinante unverändert geblieben ist. 
Hieraus folgt aber ohne weiteres 


D=0. 


306. Wir müssen jetzt zeigen, daß der Wert der Funktion D durch 
die Eigenschaften a), b) und c), welche die vorigen drei Sätze nach sich 
ziehen, eindeutig bestimmt ist. Das erreichen wir dadurch, daß wir 
ein Verfahren angeben, um die Determinante auszurechnen, wenn die 
a,, gegebene numerische Konstanten sind. 

Man kann nämlich durch wiederholte Anwendung der Operationen, 
die in den Sätzen 1 und 2 beschrieben sind, jede Determinante D von 
höherer als erster Ordnung in eine gleichwertige D, transformieren, bei 
welcher sämtliche Elemente unterhalb der Hauptdiagonale gleich Null 
sind. Wir wollen dann sagen, daß D in die Normalform erster Art 
übergeführt worden ist. 

Wir betrachten zunächst die Elemente der ersten Spalte: 


A, Agı, Asıy ++; 15 
entweder sind diese alle Null oder aber man kann durch eventuelle Ver- 
tauschung von zwei Zeilen und Multiplikation der einen dieser Zeilen 








320 Kap. VI. Lineare Gebilde 8 307 


mit — 1 unsere Determinante in eine gleichwertige transformieren, für 
welche a, 0 ist. Ist nun in der Determinante a,, +0, so ist nach 
dem ersten Satze 


(1) D(9, 09,0,...,0,)= D(0,0,...,0,), 
wenn wır 
(2) y-,-7. (k=2,8,...,n) 


setzen. In der neuen Determinante verschwinden aber in jedem dieser 
Fälle die (a — 1) letzten Elemente der ersten Spalte und wir können 


schreiben 
1, Aıyr Ass: +, Yun 


‚ ’ ‚ 
. 42: ‚ ' 
(3) | D=|0, Gy, Agg,...,% 


n 


1 14 1 
| 0, 0,9 Ausı + Aun| 


Falls also unsere Determinante D zweiter Ordnung war, ist unser Ziel 
schon erreicht. 

‚ Um den Schluß von n auf (na +1) anzuwenden, nehme man jetzt 
an, daB die Determinante (an — 1)ter Ordnung 


’ ' | 
Oggr Agzı - , Agn 


[4 [4 [4 
Ass; Ass eo. Ay, 


Anz Angı es a 

durch die Operationen der Sätze 1 und 2 des $ 305, verbunden mit der 
Voraussetzung b) der Definition, in die Normalform erster Art überge- 
führt werden kann. Bemerkt man, daß bei Anwendung der gleichen 
Operationen auf die (n— 1) letzten Zeilen des Schemas (3) die (n— 1) 
letzten Elemente der ersten Spalte ihren Wert Null beibehalten, so 
sieht man, daß durch diese Operationen die Determinante D in die 
Normalform erster Art übergeführt worden ist. Die Möglichkeit der 
Transformation ist also für jeden Wert von % bewiesen. 


307. Wir wollen sagen, daß eine Determinante in der 
Normalform zweiter Art erscheint, wenn entweder alle Ele- 
mente einer Zeile oder alle Elemente, die nicht auf der Haupt- 
diagonale liegen, verschwinden. | 

Es ist sehr leicht, durch Anwendung derselben Operationen wie 
vorhin eine Determinante aus der Normalform erster Art in eine gleich- 
wertige Determinante der zweiten Normalform überzuführen. 


8 308. 309 Determinanten 321 
Es sei nämlich 


Din» Dia» dis» - - -» din! 
0, b,;, Das» , Dan 
1) D=|0, 0,5 b 


0, 0,0, ...,b 
Ist b,,= 0, so ist das Schema (1) schon von der zweiten Normalform. 
Ist aber b,,-++ 0, so kann man durch Addition der mit geeigneten Fak- 
toren multiplizierten letzten Zeile von (1) zu den früheren erreichen, 
daß die (a— 1) ersten Elemente der letzten Spalte verschwinden. Ist 
die Ordnung der Determinante gleich zwei, so ist unser Ziel schon er- 
reicht; ist aber » > 2, so zeigt die Anwendung des Schlusses von » auf 
(»-++ 1), den wir genau so handhaben wie im vorigen Paragraphen, daß 
man durch unsere Elementaroperationen die Determinante D in eine 
gleichwertige Determinante von der zweiten Normalform überführen 
kann. 


308. Sind in einer Determinante, welche in der zweiten Normal- 
form erscheint, alle Elemente der Hauptdiagonale von Null verschieden, 
so ist nach der Eigenschaft b) des $ 304 der Wert von D gleich dem Pro- 
dukte der Elemente in der Hauptdiagonale multipliziert mit D(e,, e,..., €,), 
also nach der Eigenschaft c) desselben Paragraphen ist D gleich diesem 
Produkte. 

Ist aber ein Element der Hauptdiagonale gleich Null, so müssen 
auch nach der Definition des vorigen Paragraphen alle Elemente einer 
Zeile verschwinden und die Determinante folglich den Wert Null haben 
($ 305, Satz 3). 


Bemerkt man endlich, daß bei den Operationen, durch welche wir 
eine Determinante der ersten Normalform in eine der zweiten transfor- 
miert haben, die Diagonalglieder unverändert bleiben, so haben wir den 


Satz A. Jede Determinante, die in einer der beiden Normalformen 
erscheint, ist gleich dem Produkte ihrer Elemente in der Hauptdiagonale. 


309. Man bemerke, daß bei allen Operationen, durch welche wir 
eine Determinante in die Normalformen erster und zweiter Art trans- 
formiert haben, jede Spalte für sich transformiert worden ist. 

Ersetzt man die Elemente einer Spalte der ursprünglichen Deter- 
minante D durch ihre Summe mit den entsprechenden Elementen einer 
anderen Spalte und führt für die so modifizierte Determinante D’ 
nacheinander alle Operationen aus, die zu der Normalform zweiter Art 

Carathöodory, Reelle Funktionen. 21 








322 Kap. VI. Lineare Gebilde g 309 


D, geführt hatten, so erhält man statt D, eine Determinante D,', die 
aus D, hervorgeht, indem man die Elemente einer ihrer Spalten zu den 
Elementen einer anderen Spalte addiert. 

Besteht eine Zeile von D, aus lauter verschwindenden Elementen, 
so muß D,’ auch gleich Null sein; andernfalls sind die Hauptdiagonalen 
von D, und D,’ einander gleich und enthalten lauter nicht verschwin- 
dende Elemente. Außerdem ist nur noch ein einziges Element von D,’ 
nicht Null und man sieht sofort ein, daß D,’=D, ist. Es muß daher 
auch D’=D sein. 

Ebenso sieht man, daß durch Multiplikation einer Spalte mit einem 
willkürlichen Faktor A die Determinante mit A multipliziert wird. 

Nun setze man 








A: Aygs Agay +5 Aur5 
die Komponenten von ä, sind also die Elemente der kten Spalte. 
Unsere Determinante kann aufgefaßt werden als Funktion der n. Ye 


toren 4, 
D(a, Agy...5 a) == A(a,,a G,. a). 


Die obigen Bemerkungen zeigen, daß die Funktion Man .,a,) die 
Eigenschaften a) und b), welche die Determinante D(ü,,0,,...,a,) be- 
sitzt, ebenfalls erfüllt. Ist ferner 
„6, (k=1,2,...,n) 

so ist auch | 

,„=t (k=1,2,...,%) 
und man kann schreiben 

Mandel. 

Die Eigenschaft c) ist also ebenfalls erfüllt; nun haben wir bewiesen, 
daß durch diese drei Eigenschaften der Wert einer Funktion eindeutig 
bestimmt ist. Es muß also 


A(,, RE a,) = D(a,, ne 4,,) 
D(a,,0,...,04,)= D(ü,d,,--.,4,) 
sein, d.h. wir haben den | 
Satz 5. Der Wert einer Determinante wird durch Spiegelung ihrer 
Elemente an der Hauptdiagonale nicht verändert. 


Hieraus folgt, daß die drei Sätze des $ 305, die wir für die Zeilen 
einer Determinante ausgesprochen haben, auch für die Kolonnen einer 
Determinante richtig sind. Ebenso kann man den Satz behaupten: 

Satz 6. Sind die entsprechenden Elemente zweier Zeilen oder Spalten 
einer Determinante einander gleich, so verschwindet die Determinante. 


und daher auch 


S 810 Determinanten 323 





Sind z. B. die beiden Vektoren a, und a, einander gleich und er- 
setzen wir a, durch (a,—a,), was den Wert unserer Determinante nicht 
verändert, so verschwinden alle Elemente einer Zeile unserer neuen 
Determinante. 


310. Setzt man der Reihe nach für die Elemente der letzten Spalte 
einer Determinante D unbestimmte Größen 


4, Tg, De ze) 

und transformiert nach dem $ 306 die Determinante in eine gleichwer- 
tige von der ersten Normalform, so erscheint das letzte Element der 
Hauptdiagonale in der transformierten Determinante als homogene lineare 
Funktion der x,, deren Koeffizienten bestimmte numerische Zahlen sind, 
während in den übrigen Elementen dieser Hauptdiagonale die x, nicht 
vorkommen. Wegen des Satzes 4 des $ 308 ist also D eine lineare und 
homogene Funktion der Elemente ihrer letzten Spalte. Nach den Sätzen 2 
und 5 der $$ 305 und 309 kann man dasselbe von jeder Zeile oder Spalte 
behaupten: | 

Satz 7. Eine Determinante ist eine lineare und homogene Funktion 
der Elemente einer jeden ihrer Zeilen und Spalten. 


Insbesondere kann man also schreiben: 
(1) D=00ı +%4; ++ 0,4,, 
wobei die Koeffizienten «, nur von den Elementen der (n—1) letzten 


Zeilen der Determinante abhängen. Wir können «, ausrechnen, indem 
wir a, = &, Setzen; es ist dann: 


I, 05. Dies 0 
a Ay, Aga, Agsı -- 5 Qgn| 
1 N) 
| 
| i 
4a,» Ang Q„3> rag Aun: 
oder nach dem $ 306 
0, a.., a a 
s rar a3 7 Ten 5 
(2) 0, = 
0, An9) A,3> eg Aun 





Man sieht nun sofort ein, daß der Wert (2) von «, mit demjenigen der 
Determinante (nr — 1)ter Ordnung 
Ag, Ayyy-- -, Gpn 
Zr 
Ongs Ansı "5 Gun 


21” 





324 Kap. VI. Lineare Gebilde ' 8 310 





die man durch Weglassen der ersten Zeile und der ersten Spalte von 
D erhält, übereinstimmen muß. Beide sind nämlich Funktionen von 
denselben Veränderlichen und besitzen die Eigenschaften a), b) und c) 
des $ 304, durch welche der numerische Wert der Funktion eindeutig 
bestimmt ist ($ 308). 

Wir wollen mit A,, diejenige Determinante (n —1)ter Ordnung be- 
zeichnen, die man erhält, wenn man die Zeile und die Spalte, welche 
sich im Elemente a,, von D kreuzen, wegläßt und das übrige Schema 
unverändert beibehält. 

Wir wollen ferner die Größen 


= YA; 
einführen und sie das algebraische Komplement des Elementes «a,, 
nennen. Dann läßt sich die Gleichung (2) schreiben: 

= A,=Cu- 
Um a, zu berechnen, vertauschen wir die beiden ersten Spalten, wo- 


bei D in — D übergeht, und setzen a,=1 und die übrigen Elemente 
der ersten Zeile von D gleich Null; nach dem obigen Resultat ist dann 


(3) = — A, 
Um «a, zu berechnen, vertausche man die zweite mit der dritten ‚Spalte, 


bezeichne mit D’ die transformierte Determinante und mit «,' die Trans- 
formierte von «&,. Man hat dann 


[4 , [4 


und nach (3) 
= 0,,;- 


| = Us: | 
Indem man in dieser Weise fortfährt, erhält man statt (1) die Formel . 
(4) D- (+ Ct + On: z 


Durch Vertauschung der beiden ersten Zeilen von D folgt aus einer ganz 
analogen Schlußweise 


D= (5,91 + (93%: ++ Ognan- 


Allgemein erhält man, wenn man die Sätze 2, 5 und 6 benutzt, folgen- 
des System von Formeln: 


Es ist demnach 


| D für k=j 

(5) O4 + Or3%;3 u: De zu Urn rn = | OÖ für k +), 
D für k=j 

(6) Ost OR; tt 0; | 0 für k#). 


8 311 Determinanten 325 


311. Die Formel (4) des vorigen Paragraphen erlaubt einen analy- 
tischen Ausdruck für die Determinanten nter Ordnung zu berechnen, 
falls man einen solchen für die Determinanten (n—1)ter Ordnung kennt. 
Nach unseren bisherigen Ausführungen ist dieser Ausdruck der einzig 
mögliche und man kann mit seiner Hilfe verifizieren, ob die Bedin- 
gungen a), b), c) des $ 304 für jedes » miteinander verträglich sind 
oder nicht. 

Wir wollen nun zeigen, daß der Ausdruck 


(1) D=a,Cı+%sCG3+°''' +90 


eine Determinante nter Ordnung ist, falls man die Existenz von Deter- 
minanten (» —1)ter Ordnung voraussetzt. Da ferner für n=2 die Glei- 
chung (1) explizite lautet: 

) D = 4, 093 — 4190, 
und dieser letzte Ausdruck unseren Forderungen genügt, wird hiermit 
die Existenz von Determinanten für jedes beliebige » erwiesen sein. 


Man sieht zunächst sofort ein, daß die Eigenschaften b) und c) des 
8 304 für den Ausdruck 


D(9,%,::..,9,)=%ıGı+ 303 + °' + %nCın 


von selbst erfüllt sind. Ebenso sieht man, daß dieser Ausdruck sich 
nicht ändert, wenn man a, durch a, + a, ersetzt, solange k+-j und 
keine der beiden Zahlen gleich Eins ist; endlich, daß D mit — 1 mul- 
tipliziert wird, wenn man a, mit einem beliebigen unter den folgenden 
Vektoren vertauscht. Es bleibt demnach nur noch zu zeigen, daß D 
unverändert bleibt, wenn man a, oder a, (aber nicht beide zugleich) 
durch a, +.a, ersetzt. Um dies zu verifizieren, entwickeln wir jedes der 
C,, nach seiner ersten Zeile und bekommen, wenn wir diese Werte in 
(1) einsetzen, für D einen Ausdruck von der Form 


D = 24, ZB LT 


wobei die ß,, nur noch von den Komponenten von %,Q,,...,q, ab- 
hängen; da nun die C,, Funktionen sind, die von den Elementen der 
kten Spalte von D nicht abhängen, ist ß,,—= 0. Ferner ist nach dem 
vorigen Paragraphen, wenn k<(j ist und y,, die Determinante (n—2)ter 
Ordnung bedeutet, die man durch Wegstreichen der zwei ersten Zeilen 
und der jten und kten Spalte von D erhält, 


\ 3 
Pr = (— 1,27 1)*+1y,,, und Pr; = (— prr— 1)’y» 
woraus stets 
[a we ß,; 


326 Kap. VI. Lineare Gebilde 8 312 


folgt. Man kann also schreiben 
n 4-1) 


D = 22a, A, +94 ,) ’ 


und da dieser Ausdruck unverändert bleibt, wenn man a, oder a, durch 
a, +, ersetzt, ist die Existenz von Determinanten nter Ordnung er- 
bracht. 


Anwendung der Determinanten auf die linearen Vektorgebilde. 


312. Es seien a,,Q,,...,a, eine Anzahl von linear unabhängigen 
n-dimensionalen Vektoren; nach dem $ 296 ist dann notwendig m<n. 
Wir können jeden dieser Vektoren mit Hilfe der Einheitsvektoren e, in 
der Form darstellen 

matt ne 


wobei die Zahlen a,, die Komponenten des Vektors a, %edeuten sollen. 
Da die Vektoren a, linear unabhängig sind, ist jeder von ihnen, also 
insbesondere a, von Null verschieden und besitzt mindestens eine von 
Null verschiedene Komponente. Es sei a,, eine solche. 

Wir bilden nun neue Vektoren 


,=0,—4,0, (j=2,3,...,m) 


und bestimmen A, derart, daß die pte Komponente von a, verschwindet. 
Es genügt dazu 
a,e,=a,— 4,0, = 0 
zu Setzen, woraus 
ER 
j 
a, p 


folgt. 
: Es ist klar, daß die beiden linearen Gebilde L(a,,a,,...,q,) und 


L(a,,a9,...,a,„) einander gleich sind, da man auch umgekehrt die a, 
linear in den a, und in a, ausdrücken kann. Hieraus folgt aber die 
lineare Unabhängigkeit von a,, %,..., a, (und folglich auch die von 
Og,Ag 5... dm), da sonst die Dimension des linearen Gebildes L(a,,...,a,,) 
kleiner als m sein würde. 

Wir wollen jetzt zeigen, daß unter den Determinanten mter Ord- 
nung,. die man durch Weglassen von (n— m) Spalten aus dem Schema 


91, us, ++», Op ln 


(1) Ogyy Aggy - +; Aguy +, Agms 
Ami, Im2r° . . Amp‘ . ., Omn 


erhält, mindestens eine von Null verschieden ist. 


8 313 Anwendung der Determinanten auf die linearen Vektorgebilde 327 


Da wegen des Satzes 1 des $ 305 diese Determinanten denselben 
Wert haben wie die entsprechenden Determinanten des Schemas 


Qy17, Aya7 - pr + +, Uns 


’ 14 , 
Ar llacı 0, ..,0 

(2) 31) 7233) ) ) „‚7gn) 
[4 14 14 

LER MEERE RER SORRE 


wobei die a;, die Komponenten der obigen Vektoren a, bedeuten, so 
genügt es den Satz für letztere zu beweisen. 

Ist m = 2, so folgt aus d4 +0, daß mindestens eine der Kompo- 
nenten Q,,,@, ---,Q,, nicht verschwindet; es sei a,, diese Kompo- 
nente, wobei gq notwendigerweise eine von 9 verschiedene Z&hl bedeutet. 
Dann ist aber, wie wir beweisen wollten, eine der Determinanten des 
Schemas, nämlich 
Gy 9, Up 


+0. 
Ggg 0 








Für m > 2 wenden wir den Schluß der vollständigen Induktion an. Es 
sei also der behauptete Satz für (m — 1) Vektoren richtig. Es muß dann 
mindestens eine der Determinanten des Schemas, das aus (2) durch Fort- 
lassen der ersten Zeile hervorgeht, von Null verschieden sein. Diese 
Determinante erhält man durch Fortlassen von (an — m + 1) Spalten. 
Unter den fortgelassenen Spalten befindet sich aber notwendigerweise 
die pte, die ja aus lauter Nullen besteht. Läßt man nun im Schema (2) 
genau dieselben Spalten weg bis auf die pte, die man beibehält, so 
erhält man eine Determinante, die nach den Formeln (6) des $ 310 bis 
auf das Vorzeichen gleich dem Produkte der früheren von Null ver- 
schiedenen Determinante (m — 1)ter Ordnung mit 9, ist. Diese letzte 
Determinante mter Ordnung ist also ebenfalls, wie wir beweisen wollten, 
von Null verschieden. 


313. Betrachten wir wieder das Schema (1), aber jetzt unter der 
Voraussetzung, daß zwischen q,, Q,,...,qa, eine lineare Abhängigkeit 
besteht, während nach wie vor m<n sein soll, so sehen wir, daB sämt- 
liche Determinanten mter Ordnung dieses Schemas verschwinden müssen. 
Man kann nämlich in diesem Falle einen der Vektoren z.B. a, linear mit 
Hilfe der anderen ausdrücken und daher stets schreiben 


Mal — 0. 


Hieraus folgt aber unmittelbar, daß jede Determinante mter Ord- 
nung des Schemas (1) verschwinden muß. Wir können unser Resultat 
“ folgendermaßen aussprechen: 


328 Kap. VI. Lineare Gebilde | 8 314 





Satz 1. Für die lineare Unabhängigkeit der Vektoren 


4: Ay, Yay ++, 
Ag! Agı, gay + > Ag, (m<n) 
Am: Ami An8) nee Inn 


ist notwendig und hinreichend, daß mindestens eine der m-reihigen Deter- 
minanten des Schemas von Null verschieden sei. 


Ist m = n, so enthält das Schema eine einzige n-reihige Determi- 
nante und der Satz 1 ist gleichbedeutend mit folgendem: 


Satz 2. Eine Determinante nter Ordnung 
D(@,,0,0,...,4,) 


ist dann und nur dann von Null verschieden, wenn die n Vektoren a,,...,, 
linear umabhängig sind. 


314. Bisher haben wir nur den Fall untersucht, daB m <n ist, 
Wir wollen jetzt den Rang eines beliebigen Systems von n-dimensio- 
nalen Vektoren a,,a,,...,a,, untersuchen. Wir betrachten dazu sämt- 
liche Determinanten, die man erhält, wenn man im Schema 


Ayı, Bay ++, Yun 


(1) | Agı, Aggy + +, Aga, 


Amı’ Im29 eg Ann 


(m —p) beliebige Zeilen und (n — p) beliebige Kolonnen wegstreicht, wo- 
bei die natürliche Zabl » alle Werte von 1 bis zur kleinsten der beiden 
Zahlen n und m annimmt. Ist r der Rang des Vektorensystems a,, 


Ag, . 5, 80 ist, falls nicht alle Vektoren verschwinden, 


jenen 
u P) 


und r befindet sich folglich unter den Zahlen, die » annehmen kann. 

Ist p<r, so befinden sich sicher p unter unsern Vektoren, die 
linear ‚unabhängig sind, und folglich gibt es nach dem Satze 1 des 
vorigen Paragraphen mindestens eine nicht verschwindende Deter- 
minante pter Ordnung des Schemas (1). 

Ist dagegen p>r, so sind für jede Kombination von p Vektoren 
unserer Folge diese linear abhängig und es folgt nach demselben Satze, 
daß alle p-reihigen Determinanten unseres Schemas verschwinden. 


$ 315. 816 Lineare Gleichungen 329 


Nennen wir die Zahl r den Rang des Schemas, so können wir also 
für diese Zahl folgende Definition einführen, die mit unserer früheren 
Definition sachlich übereinstimmt: 


Definition. Unter Rang des Schemas (1) verstehen wir die 


Ordnung der größten nicht verschwindenden Determinante 
dieses Schemas. 


315. Dieses letzte Resultat gibt uns die Möglichkeit, einen sehr 
wichtigen und merkwürdigen Satz zu beweisen. Führen wir nämlich 
neben den n-dimensionalen Vektoren 


(1) (> 0 ie, (k=1,2,.,.,m) 
die m-dimensionalen Vektoren | 
(2) GG: j=1,2,...,n) 


ein, so erhält man jede Determinante des Schemas (2) durch Spiegelung 
einer Determinante des Schemas (1) an ihrer Hauptdiagonale, wodurch 
der Wert dieser Determinante unverändert bleibt ($ 309, Satz 5). 
Der Rang der beiden Systeme muß also ebenfalls derselbe sein. 
Satz 3. Die beiden Vektorensysteme q,,0,,.- -, A, und Q,,Qg,.. .,Q, 
haben stets gleichen Rang. 


Lineare Gleichungen. 


316. Die vorigen Entwicklungen gestatten eine sehr einfache Be- 
handlung der linearen Gleichungssysteme. 

Es seien zunächst m lineare und homogene Gleichungen in » Ver- 
änderlichen 
(1) ht Gt ta, =0 (k=1,2,...,m) 


gegeben, wobei. m und n beliebige natürliche Zahlen bedeuten. Führt 
man die Bezeichnung ein 

0: rg (k=1,2,...,m) 
und 

LE Ad Yu | 


so lautet das Gleichungssystem nach der im $ 298 eingeführten Be- 
zeichnung u 


(2) ar=0. (k=1,2,...,m) 


Jede Lösung stellt also einen Vektor x dar, der auf allen Vektoren a,,...,a,, 
und folglich ($ 300) auf dem linearen Gebilde L(a,, a,, ..., a„) senkrecht 
steht. Der Vektor r muß demnach im linearen Gebilde Z, enthalten 
sein, das zu L orthogonal ist ($ 302). Ist umgekehrt ein Vektorr in Z, 


330 Kap. VI. Lineare Gebilde & 317 





enthalten, so sind sämtliche Gleichungen (2) und folglich auch. die Glei- 
chungen (1) erfüllt. 

Ist r der Rang des Vektorensystems a,, Q,,..., a, (man sagt dann 
auch, das Gleichungssystem (1) habe den Rang r), so ist die Dimen- 
sion des linearen Gebildes Z, gleich (a — r) und man kann jede Lö- 
sung von (1) linear durch (n—r) unabhängige partikuläre Lösungen t,, 
Lay, In, Garstellen. Wir können dieses Resultat folgendermaßen 
aussprechen: 

Satz 1. Deutet man die Zahlen x, als Komponenten eines Vektors L, 
so bildet die Gesamtheit der Lösungen des Gleichungssystems (1) ein lineares 
Vektorgebilde, dessen Rang (n—r) ist, wenn man mit r den Rang des 
Vektorensystems Q,,Qg,. . ., Q,, bezeichnet. 


Ist insbesondere r = n, so hat das Gleichungssystem (1) keine 
Lösung r die +0 ist. Dieses ist z.B. der Fall, wenn m = ist und 
die Determinante D(a,,0,,...,a,) +0 ist (8 313, Satz 2). 


317. Es sei jetzt ein System von m linearen unhomogenen Glei- 
chungen in » Veränderlichen 
(1) tt at ta —=y (k=1,2,...,m) 


gegeben, wobei m und » wieder beliebige natürliche Zahlen bedeuten. 
Wir führen neben den »-dimensionalen Vektoren a, und r, die wir im 
vorigen Paragraphen betrachtet haben, (% + 1)-dimensionale Vektoren 


Op: Apps gas = +7 An — Yı (k=1,2,...,m) 
er: 0, Our 0, 1 
I: a an Dt 

ein. Das Gleichungssystem (1) ist dann äquivalent mit 

(2) „r=0 (k=1,2,...,m), 

(3) er=1, 

denn aus (3) folgt, daß xg,,—1 sein muß. 

Nun kann man nach dem $ 300 


(4) eilt tig + +i,a,+Pp 

setzen, wobei 

(9) ry=0 (k=1,2,...,m) 
ist. 


‚ Istp’=0 (was dann und nur dann vorkommt, wenn e’ im linearen 
Vektorgebilde L(a,’,ay,...,a,,) enthalten ist), so widersprechen sich 


& 318 Lineare Gleichungen 331 


die Gleichungen (2) und (3); denn es folgt dann aus den Gleichungen (2) 
er=0; 

die Gleichungen (1) widersprechen sich dann ebenfalls. 

Ist dagegen p’-+- 0, so verifiziert man sofort mit Hilfe von (4) und 
(5), daß . 
(6) | &, = Ip’? 
eine Lösung des Gleichungssystems (2) und (3) ist. 

Es sei jetzt r’ eine andere beliebige Lösung desselben Gleichungs- 
systems; setzt man | 





t-e-H) 
so muß der Vektor t’ den Gleichungen genügen 


yt=0 (k=1,2,...,m), 
Y | et=0 
"und die Frage ist auf die des vorigen Paragraphen zurückgeführt. Ist 
umgekehrt t’ eine Lösung von (7), so ist r’=x, +t eine Lösung von 
(2) und (3). | 

Die n-dimensionalen Vektoren r und r,, die man erhält, wenn man 
von der letzten Komponente von r’und r, absieht, liefern dann Lösungen 
des Gleichungssystems (1). ° 


Wir haben mithin den 

Satz 2. Das System (1) von m linearen unhomogenen Gleichungen 
in n Veränderlichen besitst dann und nur dann Lösungen, wenn der 
(n + 1)-dimensionale Vektor e’ nicht im linearen Gebilde L(a,',0,,..., a.) 
enthalten ist. 

Diese Lösungen werden durch die n ersten Komponenten der Vek- 
toren ’= tx, +t' geliefert, wobei x, und t’ den Gleichungen (6) und (7) 
genügen. 


318. Man bemerke, daß wegen der Gleichungen (4), (6) und (7) 
des vorigen Paragraphen 
tu, = 0 
ist. Hieraus folgt aber 
y’? De (+ t")? Er de f’? 


> > u: 


Nun bemerke man, daß wegen der Gleichung (3) des vorigen Para- 
graphen 


und folglich 


= +tl und D-r’+l 


332 . Kap. VI. Lineare Gebilde g 319 


ist; man hat also ebenfalls 

"ol 
d. h. die Lösung x, ist diejenige, deren absoluter Betrag am kleinsten 
ist. Es gibt übrigens keine zweite Lösung des nicht homogenen linearen 
Gleichungssystems mit demselben absoluten Betrage wie r,. 


319. Wir betrachten jetzt die beiden Vektorensysteme q,, 4,,. 
und q,,,0,,...,q,, die wir im $ 317 nebeneinander geführt haben, = 
bezeichnen mit r bzw. r’ ihren Rang. Da jede Determinante, die im 
Schema der a,,..., a, vorkommt, auch eine Determinante des Schemas 
der q,,...,Q, ist, so haben wir stets 


I, On 
(1) r<r". 
Jede nicht verschwindende Determinante des Schemas 
GE Ay an my —Yı 
Om Amı, Im» y Omas Yn 


| e’: 0, 0,..., 0, 1 

enthält entweder kein Element der letzten Zeile e’ und ihre Ordnung 
ist dann <r’, oder sie enthält Elemente dieser Zeile und Ordnung 
ist <r +1. "Der Rang o des Vektorensystems O5: m, e ist also 
gleich der größten der beiden Zahlen r’ und r +1. 

Nun hat das Gleichungssystem 

ya tt +0, = Yyı (k=1,2,...,m) 

nach dem $ 317 dann und nur dann Lösungen, wenn e’ nicht im linearen 
Gebilde L(a,’, a,,..., a,) enthalten ist. Diese Forderung deckt sich 
aber mit der Bedingung o>r" und diese wieder mit der Bedingung r=r; 
denn wegen (1) könnte u nurr<r stattfinden, woraus 0=r " ieden- 
falls folgen würde. 

Es gilt daher der 

Satz 3. Ein System 

arm a, ta, = Yy (k=12,...,m) 

von m linearen Gleichungen in n Veränderlichen hat dann und nur dann 
Lösungen, wenn die linearen Vektorgebilde L(a,,...., a„) und L(a,',..., a) 
den gleichen Rang r besitzen. 

Ist diese Bedingung erfüllt, so erhält man die allgemeinste Lösung 
von (1), wenn man 


t=u+t 


$ 320. 321 Lineare Punktgebilde 333 


setzt, und für t eine beliebige Lösung des homogenen Gleichungs- 


systems 
ah tat +a,,=0 (k=l,2,...,m) 


wählt. Das ist aber 'hier ein beliebiger Vektor eines (n — r)-dimensio- 
nalen linearen Gebildes. 


320. Läßt man im Gleichungssystem 
(1) tt ta my (k=1,2,...,m) 


alle Gleichungen fort, die aus linearen Kombinationen der übrigen folgen, 
so erhält man ein reduziertes, dem ersten äquivalentes Gleichungssystem, 
bei dem sämtliche (n + 1)-dimensionale Vektoren a, linear unabhängig 
sind. Es ist daher keine Einschränkung der Allgemeinheit, wenn wir 
von vornherein voraussetzen, daß der Rang r’ des Vektorensystems a,’ 
dy,..., a, gleich m ist. 

Der letzte Satz liefert uns nun die Bedingung, daß die Vektoren 
4, Agy -. -, Q,„ ebenfalls linear unabhängig sein müssen. Ferner ist die 
Lösung des Gleichungssystems (1) nur dann eindeutig bestimmt, wenn 
(n — r), oder, was jetzt dasselbe ist, wenn (n— m) verschwindet. Dies 
alles ist schließlich gleichwertig mit der Bedingung, daß die Determi- 
nante D(a,,Q,,...,0,) #0 ist. 

In diesem Falle kann man die Werte von x, mit Hilfe der For- 
meln (6) des $ 310 sofort hinschreiben. Multipliziert man nämlich jede 
der » Gleichungen (1) nacheinander mit C,,, Cyg,,- .. und addiert, so 
erhält man | 


(2) D-z,= Ct Cry tt OnrYns 


woraus die Werte von 2,,%,...,x%, als Funktionen der y, sofort zu 
entnehmen sind. 


Linesre Punktgebilde. 
321. Nach dem 8 317 kann man die nur des Raumes, welche 
ein Gleichungssystem 
Vz ati t ta, =. (k=1,2,...,m) 


befriedigen, falls es solche gibt, einer Menge von Vektoren r zuordnen, 
die folgendermaßen charakterisiert sind: 

Es ist 
(2) t=b tr) 


wobei x, einen festen Vektor bedeutet und y ein beliebiger Vektor eines 
linearen Gebildes L(b,, b,,...., b,) ist. Jede derartige Punktmenge 


334 Kap. VI. Lineare Gebilde 8 321 


nennt man ein lineares Punktgebilde des »-dimensionalen Raumes. 
Die Dimension p von L(b,,...,b,) wird auch die Dimension des 
linearen Punktgebildes genannt. Ist = 1, so spricht man von 
einer geraden Linie, ist 9=n—1, von einer (a —1)-dimensionalen 
Ebene des n-dimensionalen Raumes. 

Jedes lineare Punktgebilde, dessen Dimension unter n liegt, kann 
umgekehrt durch ein Gleichungssystem wie (1) dargestellt werden. Es 
sei nämlich L(c,,...,c„_,) das zu L(b,,...., b,) orthogonale Vektor- 
gebilde; dann liefert das Gleichungssystem 

E-0)4=0, (k=1,2,..., m) 
das nur in der Bezeichnungsweise von (1) abweicht, notwendige und 
hinreichende Bedingungen dafür, daß r der Gleichung (2) genügt. 

Sind P, und P zwei beliebige Punkte eines und desselben linearen 


Gebildes, und bezeichnet man mit x, und r die Vektoren, welche diesen 
Punkten entsprechen, so sind nach Voraussetzung 


5%) und (E-%) 
Vektoren von L(b,,...,b,); dasselbe gilt also auch von 


t-b=(t-9)- (u) 
und man kann daher schreiben 
r=L + y, 


wo )) dieselbe Bedeutung hat wie oben. 

Man kann also in der Formel (2) den Vektor x, durch einen Vektor 
ersetzen, der einem beliebigen anderen Punkte unseres linearen Gebildes 
zugeordnet ist. 

Die linearen Vektorgebilde, die wir früher betrachtet haben, sind 
speziellen linearen Punktgebilden zugeordnet, nämlich solchen, die den 
Anfangspunkt der Koordinaten enthalten. 

Ein lineares Punktgebilde rter Dimension kann nach dem Obigen 
entweder ig Parameterdarstellung gegeben werden, d. h. in vekto- 
rieller Schreibweise durch die Relation 


(3) [= + 1,6, zu 1,b, beit i,b,, 
oder aber man kann (na —r) Gleichungen 
(4) ++ +a,0,—=c (k=1,2,...,n—r) 


dazu verwenden. 

Den Durchschnitt von zwei linearen Punktgebilden erhält man am 
bequemsten, wenn man die Werte von x, sucht, die dem Gleichungs- 
system (4) und einem zweiten Gleichungssystem derselben Art genügen. 


& 


5 322 Lineare Punkttransformationen 335 


Hieraus folgt, daß dieser Durchschnitt entweder leer oder wieder 
ein lineares Gebilde ist. Sind r, und r, die Dimensionen der Gebilde, 
die man zum Durchschnitt bringt, so erhält man die Punkte des Durch- 
schnitts mit Hilfe eines Gleichungssystems, das höchstens (n—r,) +(n—r,) 
linear unabhängige Gleichungen enthält. Die Dimension des Durch- 
schnitts ist also mindestens gleich (r, +r,— nr) und der Durchschnitt 
selbst kann nicht leer sein, sobald », + r,>n ist (vgl. 8 303). 


Lineare Punkttransformationen. 
322. Das Gleichungssystem 


(1) matt tat, (k=l,2,..., m) 
kann als eine eindeutige und stetige Abbildung des n-dimensionalen 
Raumes R,, dessen Punkte die Koordinaten 2,,2,,..., 2, besitzen, in 


den 7 dnmanstonales Raum R,, mit den Punktkoordinaten ER ER. 70 
aufgefaßt werden ($ 200); hierbei sollen m und n zwei beliebige natür- 
liche Zahlen bedeuten. Jedem Vektor 


Sa 0 RR 2 
des ersten Raumes entspricht bei dieser Transformation ein Vektor 


L: I, 8: - 7, Im 
des zweiten, und zwar ist diese Beziehung eindeutig, aber nicht immer 
umkehrbar eindeutig. 

Bemerkt man, daß, wenn die Bilder von zwei Vektoren r und y 
mit £ und 9 bezeichnet werden, der Vektor Ar vermöge (1) auf Ar und 
(e +9) auf (TE +9) abgebildet wird, so folgt, daß jeder Vektor eines 
linearen Gebildes - 

Lt, as...) 


auf einen Vektor des linearen Gebildes 
L(&, Ins, E,) 
abgebildet wird, und daß ferner jeder Vektor von L im Bilde von L 
mindestens einmal vorkommt. 
. Ebenso sieht man, daß jedes lineare Punktgebilde 
ot Li L,) 
des ersten Raumes in ein lineares Punktgebilde des zweiten Raumes, 


E +Ll,is:.4b) 
transformiert wird. 


336 Kap. VI. Lineare Gebilde 8 323 





Wegen aller dieser Eigenschaften und auch wegen der Form der 
Gleichungen (1) nennt man die Punkttransformation (1) eine lineare 
und homogene. 


Satz 1. Bei linearen homogenen Punkitransformationen gehen die 
linearen Grebilde des ersten Raumes R, in lineare Gebilde. des zweiten 
Raumes N, über. 


323. Wir bezeichnen wieder mit a, den Vektor 
u er (k=1,2,...,m) 
und mit r den Rang des Systems a,, d,,...,a,; die Zahl r ist jedenfalls 
nicht größer als die kleinere der beiden Zahlen » und m. Nun sei b,, 
b,,...,b,_, eine beliebige Basis des zu L(a,,a,,...,a,) orthogonalen 
linearen ie ($ 302). Jeder Vektor b des linearen Gebildes 
L(b,,b,,...,b,_,) geht vermöge (1) von $ 322 in den verschwindenden 
Vektor 1 A, über, und die Vektoren b sind die einzigen, welche diese 
Eigenschaft besitzen. Hieraus folgt, daß die Vektoren r und y=r+b das- 
selbe Bild f haben müssen, und daß umgekehrt, wenn x und 9 dasselbe 
Bild r besitzen, der Vektor (y—r) in L(b,,b,,...,b,_,) enthalten sein muß. 
Ferner folgt, daß die beiden linearen Vektorgebilde 


LitsEo...,%) und L(b,,ba,...,b,_,, Eike. -,2,) 
stets dasselbe Bild, nämlich 


Lea. ., 8) 
besitzen. 
Wir beweisen jetzt den 
Satz 2. Die Bilder t,,L,..-,x, der Vektoren t,, La, - - sind dann 
und nur dann linear unabhängig, wenn das System von n Vektoren b,, 
Day. .., D,_,3 Ein iss - - -» £, aus linear unabhängigen Vektoren besteht. 


Da die b, nach INES linear unabhängig sind, folgt aus 
der linearen Abhängigkeit von bj, ..., &,_,, &, ---, £, mindestens eine 
Relation der Form 


() = 4b, +%b +. +2,85, th tt +8,-1%-ı 
und hieraus folgt nach dem Obigen 

(2) L, = u tt W,-1%-1> 

d.h. die r, sind dann ebenfalls linear abhängig. ' 


Sind aber umgekehrt die r, linear abhängig, so besteht minde- 
stens eine Gleichung der Form (2), woraus man schließt, daß r, und 


$ 323 Lineare Punkttransformationen 337 


(X + Wis ++ M,_ıl,_ı) dasselbe Bild haben, oder, was identisch 
damit ist, "daß 
t, — Kılı ln - %-ı I.—1 
durch eine lineare Kombination der b, dargestellt werden kann; dieses 
. aber gleichbedeutend mit der linearen Abhängigkeit von b,,...,b, 
/ L,- 

Den soeben bewiesenen Satz können wir folgendermaßen verall- 

gemeinern: 


Satz 3. Bezeichnet man mit (n—r +7) den Rang des Vektorensysiems 


= 


(8) PL PPEDEPE SEBRE 77 PPEBeRe A 
so ist der Rang des Vektorensystems 

(4) Infor ,i, 

stets gleich 7. 


In der Tat besteht wegen des vorigen Satzes zwischen je (7 + 1) 
Vektoren t, eine lineare Beziehung, da zwischen den (an —r) Vektoren b, 
und den entsprechenden (#-+1) Vektoren r, nach Voraussetzung eine 
lineare Beziehung besteht. 

Anderseits kann man, weil die b, linear unabhängig sind, 7 Vek- 
toren x, wählen, die zusammen mit den b, ein System linear unab- 
hängiger Vektoren bilden. Die entsprechenden Vektoren r, sind aber 
dann nach dem vorigen Satze linear unabhängig. 

Man kann ferner eine Basis des »-dimensionalen Raumes R, kon- 
struieren, die folgendermaßen aussieht: 


(5) na 

Hieraus folgt, daß jeder Vektor des Raumes R, auf einen Vektor des 
Gebildes 2 

(6) L(;,, (5, c .,C, 


abgebildet wird, und jeder Vektor dieses letzten’ Gebildes ist das Bild 
von mindestens einem Vektor des R,. | 

Da die Vektoren (5) linear unabhängig sind, so ist die Dimension 
von .(6) gleich r und wir haben den 

Satz 4. Der Raum R, wird auf ein r-dimensionales lineares Gebilde 

L(&,, (9-- ‚ce ;) 

von R,, transformiert. 

Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß jeder in Be- 
tracht kommende Vektor von R, das Bild eines Vektors von R, 
sei, ist die, daß das lineare Gebilde L(b,,b,,...,d,_,) von nullter oder 


Carath&odory, Reelle Funktionen. 22 


338 Kap. VI. Lineare Gebilde 8 324. 325 





L(a,,@,,..., a„) von nter Dimension sei, was natürlich nur für m >» 
stattfinden kann. Oder mit anderen Worten, es muß r=% sein. 

Ist dann außerdem m = n, so wird der Raum R, in den ganzen 
Raum R,, transformiert. 


Satz 5. Für die Eineindeutigkeit der Abbildung ist notwendig und 
hinreichend, daß r=n sei; ist außerdem m=n, so liefert die Transfor- 
mation eine eineindeutige Abbildung des Raumes R, in sich selbst. 

Im Falle, daß m = n ist, ist das Schema der a,, quadratisch und 
man nennt dann die Determinante 


D(a,, (ds, a, 0,) 
die Determinante der Transformation. Für die Eineindeutigkeit 


der Transformation ist also, nach dem Satze 2 des $ 313, notwendig und 
hinreichend, daß diese Determinante von Null verschieden sei. 


324. Die Transformationen 
4% tr Y%ı (k=1,2,...,n) 
des »-dimensionalen Raumes in sich nennt man Translationen. Sie 
sind eineindeutig und stetig und transformieren jedes lineare Punkt- 
gebilde in. ein ebensolches. Durch geeignet gewählte Translationen 
kann man ein beliebig gegebenes lineares Punktgebilde in eines über- 
führen, das einem Vektorgebilde entspricht. Kombiniert ınan eine Trans- 
lation mit einer homogenen linearen Transformation des n-dimensio- 
nalen Raumes in sich, deren Determinante nicht verschwindet, so be- 
kommt man die allgemeinste, nicht homogene lineare eineindeutige, 
oder, wie man auch sagt, die allgemeinste affine Transformation des. 

r-dimensionalen Raumes in sich. 
Durch diese Transformationen, die man durch das Gleichungssystem 


(1) Y=%ot Al + ol + ta, (k=12,...,n) 
darstellen kann, wird ebenfalls jedes lineare Punktgebilde in ein eben- 


solches transformiert und die Dimension eines solchen Gebildes ist gleich. 
der Dimension seines Bildes. Die Determinante 


Ay ++, Aın 


A195 Oyun 
wird die Determinante der Transformation genannt. 


325. Führt man, wie wir es auch früher getan haben ($ 315), die 


Vektoren " . 
GE Aug garen Guy (j=0,1,...,n) 


8 325 Lineare Punkttransformationen 339 





ein, so läßt sich das Gleichungssystem (1) des letzten Paragraphen 
schreiben: 


(1) yet. + + +07, 


Wir betrachten jetzt eine zweite affine Transfermation des Raumes 
von nicht verschwindender Determinante 


(2) 3b + by + ya + + br. 


Die Zusammensetzung der Transformationen (1) und (2) kann mit Hilfe 


der Einheitsvektoren e,, &, ..., e, analytisch durch folgende Formel 
dargestellt werden: 


br) ++ + buy), 
was man mit Hilfe von (1) schreiben kann 
3) 3=b+ Sb,(i%,) + < bet + =, IR 


Wir führen nun die Bezeichnungen ein 


(4) = bo +2 b,(%, 6); 

(5) ,- <b,@t,) (j=1,2,...,n) 
und setzen - | 

(6) Ep ar in j=0,1,...,n). 
Hieraus folgt, daß man das Gleichungssystem (3) in der Form 

(7) taten at tan (k=1,2,...,R) 
schreiben kann und daß folgende Relationen bestehen müssen: 

(8) dor < PLAE 

(9) u 5 (j=1,2,...,%). 


Wir führen jetzt für die Substitutionsdeterminanten der Transfor- 
mationen (1), (2) und (3) die Bezeichnung 


(10) D,=D(, Age. , a,), 
(11) D,=Dib, bu, .. -, 6); 
(12) D,= Die, ia. ..,C,) 
ein. 


Nun bemerke man, daß die Determinante D, wegen (5) bei festgehal- 
tenen b, als Funktion der »-Vektoren a, ,@,,...,a, angesehen werden kann. 
22* 


340 Kap. VI. Lineare Gebilde 5 326 





Anderseits bleibt ebenfalls wegen (5) der Wert von D, unverändert, wenn 
man a, durch (a, +a,) (j+k) ersetzt, weil dann einfach € „durchc,+c, 
ersetzt wird; und D, wird mit A multipliziert, wenn man 4, durch 1a, 
ersetzt. Endlich aber wird (,—b, und D,—-D,, wenn man für die a, 
die Einheitsvektoren in ihrer natürlichen Reihenfolge setzt. Nach dem 
$ 304 hat nun das Produkt 

D,D, 


4 


bei festgehaltenen b, genau die soeben geschilderten Eigenschaften, und 
die Ausführungen der 88 305—307, bei denen wir ja von der Eigen- 
schaft ce) der Determinanten ($ 304) keinen Gebrauch gemacht haben, 
zeigen, daß der Wert der Funktion D, als Funktion der a, durch diese 
drei Eigenschaften eindeutig bestimmt ist. 
Es ist also auf jeden Fall 
D eo D „D b 


und die Formeln (6) erlauben uns, das Produkt von zwei Determinanten 
gleicher Ordnung wieder als Determinante hinzuschreiben. 

Ist die Determinante D, +0, so kann man nach dem Satze 5 des 
$ 323 für (2) die Inverse der Transformation (1) einsetzen, d.h. eine 
solche, für die die Vektoren c,,@,... in die Einheitsvektoren &,, &, . 
übergehen und die letzte Gleichung wit daB dann 

D=D, 
sein muß. 


Transformation des Inhalts von Punktmengen. 


326. Wir betrachten in einem n-dimensionalen Raume die linearen 
Transformationen 


I = +4 (k=1,2,...,%), 
u =, ui el .k+»9q) 
Illa = nt % 2, =% (k=2,3,...,n%), 
II 3-2, r-23, z,=2%, (k=2,3,...,n). 


Jede dieser Transformationen des Raumes führt ein beliebiges Intervall 

in eine Punktmenge über, deren äußerer Inhalt gleich dem des Inter- 

valls oder mindestens nicht größer ist: Bei den Transformationen I 

und II wird nämlich jedes Intervall wieder in ein Intervall transformiert 

und man sieht sofort, daß sich der Inhalt (8228) dabei nicht geändert hat. 
Für die Transformation IIIa bemerken wir, daß ein Intervall 


I: ,<a,<a+th (k=1,2,...,% 


$ 326 Transformation des Inhalts von Punktmengen 341 


in eine Punktmenge /* übergeht, die durch folgende Ungleichheiten 

charakterisiert ist | 

0 masse 
a.,<2,<a+th, (k=2,3,...,n). 


Wir betrachten nun 
im transformiertenRaume 
die p Streifen S,,.. ‚S 
gleicher Breite, die durch 
die Ungleichheiten 


S,: + nn 1) R, 
sa, SH n h 
(g=1,2,...,P) 
definiert sind. Man hat dann 
I* = 18, +1*8,+---+1*8, 
und folglich ($ 233, Satz 4) 
p 
(2) m* I* < Im*S,I*. 
g=1 





Fig. 28. 


Nun ist, wegen der Ungleichheiten (1), die Punktmenge 5, I* enthalten 
in einem abgeschlossenen Intervall, das durch die Bedingungen 


++ hH<a<atgtihth, 


a +1 h, <Sn<a+, p 
MEN (k=3,4,...,%) 
charakterisiert ist. 
Der Inhalt dieses Intervalls ist nun 


Wir hab te 
ir haben also 


m*8,I* <mI(1 +:2)> (=1,2,...,P) 
und, wegen (2), 


m*I* <mI(t + 2). 


342 Kap. VI. Lineare Gebilde g 327 





Da die letzte Ungleichheit für jeden ganzzahligen Wert von r gelten 
muß, folgern wir, wie wir behauptet hatten, daß auch bei der Trans- 
formation IIla 


(8) |  m*+I*<mI 


ist, und genau ebenso beweist man die Richtigkeit der Relation (3) für 
die Transformation IIIb. 


327. Es sei jetzt A eine beliebige Punktmenge von endlichem 
äußeren Inhalte und A* die transformierte Punktmenge, die durch eine 
der Transformationen des vorigen Paragraphen entsteht. 

Man kann nach Voraussetzung ($ 230) nach vorheriger Wahl einer 
beliebigen positiven Zahl s die Punktmenge A mit abzählbar unend- 
lich vielen Intervallen I,, I,,. .. überdecken, so daß 


(1) DSmL<m*A+s 
k=1 
ist. Das Resultat des vorigen Paragraphen lehrt uns dann, daß für 
jeden Wert von k das Bild I;* von I, der Bedingung genügt 
(2) ’ m*’I*<m],; 


anderseits ist A* in der Vereinigungsmenge der ]I,* enthalten und folg- 
lich ($ 233, Satz 4) 


(3) m*+A* s Zm*tl}. 


Der Vergleich von (1), (2) und (3) liefert also 
mFAt<mFA+te, 

und, da dies für jeden Wert von & gilt, 

(4) mFAr< m*A. 


Nun bemerke man, daß die Inversen der drei Transformationen, 
die wir betrachtet haben, genau dieselbe Gestalt haben, wie diese Trans- 
formationen selbst; man hätte also ebenso schließen können, daß 


(5) m*A < m*A* 
ist und der Vergleich von (4) und (5) liefert also 


m’A = m*FA*, 
d.h. den 


$ 328 Transformation des Inhalts von Punktmengen 343 
Satz 1. Durch die Transformationen 








I = Tt6% (k=1,2,. N), 
u TI ty amd Bro) 
IH a en tm = (k=2,3,...,n) 


geht jede Punktmenge A von endlichem älßeren Inhalte in eine Punlkt- 
menge A* über, die denselben äußeren Inhalt besitzt. 


328. Wir betrachten jetzt die Transformation 
IV 2, = 1R,, 2, =L, (k+#p), 


wobei » eine beliebige unter den Zahlen 1,2,...,» und A irgendeine 
reelle Zahl bedeutet 

Wir wollen abermals das äußere Maß des Bildes A* berechnen, das 
bei dieser Transformation einer Punktmenge A von endlichem äußeren 
Maße entspricht. 

Zunächst bemerken wir, daß, wenn A=(0 ist, jeder Punkt des 
Raumes in einen Punkt der (n —_ 1) dimensionalen Ebene &, = 0 trans- 
formiert wird. Die Punktmenge A* ist dann eine Teilmenge dieser Ebene 
und folglich vom Inhalt Null ($ 275, Satz 11): 

m AF = (0. 


Ist dagegen A+0, so geht jedes Intervall I in ein Intervall I* über, und 

zwischen den Inhalten dieser Intervalle besteht die Relation 
I*—=|i|mI; 

hieraus schließt man aber durch eine ganz analoge nt wie 

im ‚vorigen Paragraphen, daß 


(1) m*A4* <|ı|m*A, 
und, wenn man zur inversen Transformation 
1. = 
er 2 2, = I, (k-+p) 
übergeht (was erlaubt ist, weil (1) die Endlichkeit von m*4A* zur ır Folge 
hat), daß 


(2) m’A< nn m* A* 


bestehen muß. Der Vergleich von (1) und (2) liefert endlich 


mF_ 4! == |A|m*A 
und wir haben daher den 


344 Kap. VI. Lineare Gebilde E 8 829 
Satz 2. Bei der Transformation 
IV a =, en (kp) 


besteht zwischen dem Inhalt einer Punktmenge A von endlichem äußeren 
Inhalt und dem ihres Bildes A* stets die Relation 


0 
- 329. Wir betrachten jetzt die allgemeinste lineare Punkttransfor- 


mation | | 
(1) %, = bot Yıfı ae O,gfg TR OyaTn (k=1, 2: ‘ .,R), 
die den n-dimensionalen Raum in sich überführt, und bezeichnen mit 
(2) D=D(a,%,...,0,) 


die Determinante dieser Transformation (8 324). 

Eine beschränkte Punktmenge A geht vermöge der Transforma- 
tion (1) in eine beschränkte Punktmenge A* über. Beide haben also 
einen endlichen äußeren Inhalt, und es wird sich jetzt darum handeln, 
eine Relation zwischen m*A and m*A* zu finden. 

Bezeichnet man mit B die Punktmenge, in welche A durch die 
homogene lineare Transformation 


(8) lt at +0, (k=1,2,...,n) 
übergeht, so sehen wir, daß B in A* durch die Transformation | 
7, = tr % (k=1,2,...,n) 


übergeführt ist, die mit der Transformation I des $ 327 URN 
Bei einer solchen Transformation bleibt aber der äußere Inhalt unver- 
ändert; wir haben also 

(4) mFA* = m*B 


und brauchen nur noch diese letzte Zahl zu bestimmen. Es ist nun 
klar, daß m*B bei gegebenem A nur noch von den Transformations- 
koeffizienten a,, abhängt, eine Tatsache, die wir nach Einführung der 
Vektoren 

a;: Qy1> Gy; ET 
folgendermaßen ausdrücken können: 
5) MB Wla,0,...,0,). 


Führt man nach der Transformation (3) eine der Transformationen 
II, DI, IV der vorigen Paragraphen aus, so bleibt m*B unverändert oder 
wird mit |A} multipliziert. Anderseits ist die resultierende Transforma- 


$ 329 Transformation des Inhalts von Punktmengen 345 


tion wieder homogen und linear und unterscheidet sich von (3) nur da- 
durch, daß man zwei Vektoren a, und a, miteinander vertauscht hat, 
oder a, durch a, +a, oder endlich 0, durch ia, ersetzt hat. 

Wir können also behaupten: 

«) Die Funktion #(a,,a,,...,a,) bleibt unverändert, wenn man 
a, mit a, vertauscht oder a, durch a, +, ersetzt. Sie bleibt also auch 
unverändert, wenn man a, durch +0, (p=#q) ersetzt. 

ß) Die Funktion P(a,,...,a,) wird mit |A| multipliziert, wenn 
man a, durch Aa, ersetzt. 

Endlich sieht man, daß, wenn man für die Vektoren a, ...a, die 
Einheitsvektoren e, ...e, setzt, B= A ist. Hieraus folgt 

y) Es besteht stets die Gleichung 


V(e,i,...,6)= m*tA. 


Wir können jetzt genau, wie wir es in den $$ 305—308 für die 
Determinanten getan haben, beweisen, daß die Funktion W(a,,a,,...,q,) 
durch die drei Eigenschaften «), ß) und y) eindeutig definiert ist Ander- 
seits folgt aus den Eigenschaften der Determinanten, daß das Produkt 


ID(a,, 0,...,0,)|m*A 


von m*A mit dem absoluten Betrage der Determinante ie >50) 
unseren Bedingungen «), ß) und ?) genügt. 
Es ist also stets 


Pla,...a)=|D|-m*A 
und wegen (4) und (5) | 
6) m’A*=|D|-m*A. 

Ist jetzt A eine beliebige Punktmenge, so kann man eine monoton 


wachsende Folge von beschränkten Punktmengen A,, 4,,-. . finden, 
die gegen A konvergieren 


(7) lim A,=4. 
k=® 
Nennt man wieder A* das Bild von A und A,* das Bild von A,, 


so ist A,*, A,*,... ebenfalls eine monoton wachsende Folge von Punkt- 
mengen, für welche die Gleichung 


(8) lim A, — 4* 
k=o 


gilt. Die aus (7) und (8) folgenden Gleichungen ($ 265, Satz 15) 


| 


\ 


en 





346 Kap. VI. Lineare Gebilde 8.329 


limm*A, = m*A, 
k=o 


lim m*A,* = m*FA*, 
k=o 


kombiniert mit (6), zeigen, daß die Gleichung 
m*A*=|D|- m*4A 
ganz allgemein gilt, wenn D=F 0 ist, daß aber für D = 0 stets 
m’A*—= 0 
besteht, selbst wenn m*A = oo ist. 
Ist die Determinante D=-#0 und B eine beschränkte abgeschlossene 
Teilmenge von A, so folgt aus der Stetigkeit der Transformation, daß 


das Bild B* von B ebenfalls beschränkt und abgeschlossen ist ($ 202). 


Hieraus folgt nun 
mB= Di m B* < pr m4A* 


und, weil die letzte Relation für alle beschränkten und abgeschlossenen. 
Teilmengen von A gilt, nach dem Satze 3 des $ 269 


m„A* >|D|m,A. 


Für die imverse Transformation mit der Determinante A = 5 findet 
man ebenso 


myA > |A|m,A* 
und aus den beiden letzten Ungleichheiten folgt m, A* =|Djm,4A. 
Satz 3. Wenn die lineare Transformation 
Yy=aot A Fat ta, (k=12,.. ,R) 


eine von Null verschiedene Determinante D besitzt, so bestehen zwischen 
dem äußeren und inneren Inhalt einer beliebigen Punktmenge A und 
dem ihres Bildes A* die Relationen 


m*A*=|Dim*A, m,„4A*=|D|m,4, 
ist aber D= 0, so hat man stets | 
mAFr—(. 


$ 330 Orthogonale Transformationen 347 


„er. - - nn en u er ner ni Si a kn a a a a nn rn 


Orthogonale Transformationen. 

830. Eine lineare und homogene Transformation 
(1) ya tt tan, (ku=1,2,...,n) 
heißt orthogonal, wenn die Länge des transformierten Vektors y stets 
gleich der Länge des ursprünglichen Vektors £ ist. 

Wir müssen also immer haben 
(2) Pr. 
Bemerkt man, daß, wenn zwei Vektoren rt, und r, bzw. in y, und y, trans- 
formiert werden, auch für jedes A der Vektor (rt, + Ar,) in (9, + 49,) 
 transformiert wird, so folgt aus (2) 
ty)’ = (+ Rn)”, 


und da die Gleichung identisch in A erfüllt sein muß, hat man insbe- 
sondere | 


(3) | Ya — Lıle- 
Wir führen jetzt wieder die Bezeichnungen ein: 
Q: Ay day» Uns 
A: ylgppereyluy- 
Dann lassen sich die Gleichungen (1) schreiben 


(4) YaL (k=1,2,...,n), 
oder auch, wie im $ 325, 
(5) ya tat +02. 


Nach dieser letzten Gleichung entsprechen die Einheitsvektoren e, des 
ersten Raumes den Vektoren @, im zweiten. Die Relationen (2) und (3) 
zeigen also, daß 


ep-l und da,=1%,—=0 (k + j) 
sein muß, d. h. daß das Vektorensystem 
(6) GyQgy...,0, 


normiert ist ($ 299). 
Ist umgekehrt das Vektorensystem (6) normiert, so folgt aus (5) 
y’= (a2, + =: +4,2,”=r, 
d.h. die Bedingung ist auch hinreichend für die Orthogonalität der 
Transformation. 


348 Kap. VI. Lineare Gebilde | $ 331 


| Satz 1. Für die Orthogonalität der Transformation (1) ist notwendig 
und hinreichend, daß das Vektorensystem a,,.. ., A, normiert sei. 


Da ein normiertes Vektorensystem stets aus linear unabhängigen 
Vektoren besteht ($ 299), ist der Rang des Systems gleich n, die Trans- 
formation also eineindeutig (8 323, Satz 5) und ihre Determinante 
D(a,,@,,...,a,) von Null verschieden ($ 313, Satz 2). 

In der Tat kann man hier das Gleichungssystem (1) sehr leicht 
nach den x, auflösen. Da das Vektorensystem (6) normiert ist, folgt näm- 
lich aus der Gleichung (5) 


(7) =) 
oder ausführlich geschrieben 
(8) = tat tat k=i2,...,n). 


Da die Gleichung (2) für diese inverse Transformation ebenfalls 
gelten muß, so sehen wir, daß diese Transformation ebenfalls orthogonal 
ist und daß folglich die Vektoren a,,q,,...,ca, ebenfalls normiert sein 
müssen: | | 


Satz 2. Sind die Vektoren ü,,üs,...,ü, normiert, so sind es die 
Vektoren 0,,03,..., a, ebenfalls und umgekehrt. 


331. Ist A eine beliebige Punktmenge, deren äußerer Inhalt weder 
Null noch unendlich ist, und bezeichnet man wieder nach Vorgabe einer 
‘beliebigen orthogonalen Transformation das Bild von A mit A*, so ist 
nach dem Satz 3 des $ 329 einerseits wegen der Gleichungen (1) des 
vorigen Paragraphen | 
(9) m*A*=|D(a,...a,)|m*A 


und anderseits wegen der Gleichungen (8) 

(10) .. m*4A=|D(a,...&,)|m*4*. 

Nun ist ($ 309, Satz 5) Ä 
D(a...a,)=D(i,...ü,), 


so daß wir aus (9) und (10) schließen können, daß 
ID(a,,0,. N zz 


Satz 3. Der absolute Betrag der Determinante einer ‚orthogonalen 
Transformation ıst stets gleich Eins. Der äußere und der innere Inhalt 
einer beliebigen Punktmenge bleibt unverändert bei einer derartigen Trans- 
formation. 


ist. 


$ 332 Punktmengen von nicht meßbarem Inhalt 349 








Bezeichnet man wieder wieim $ 310 mit A,, die zua,, konjugierte 
Unterdeterminante und mit 


C=-V'r’A, 
das algebraische Komplement von a,,, so liefert der Vergleich der 
Formel (2) des $ 320 mit der Formel (8) des $ 330 
D-.a,=C, 
und folglich, wel D= +1 ist, 
Ay=+(-V*ta,; 
hierbei ist das obere oder untere Vorzeichen zu nehmen, je nachdem D 
positiv oder negativ ist. 


Punktmengen von nicht meßbarem Inhalt. 
332. Wir betrachten auf einer x-Achse die Punktmenge 
(1) FE: 0sa<1l, | 
d. h. die Einheitsstrecke mit Ausschluß des Punktes e=1. Ferner sei y 
eine irrationale Zahl, die in E enthalten ist; ist dann x, irgendein 


Punkt von E und % eine beliebige ganze Zahl, so gibt es eine und nur 
eine ganze Zahl p,, für welche 


(2) = tkr+p, 
in E enthalten ist. Die abzählbare Punktmenge 
(3) E79 5.2 VE Pe AUUE Ar ARE 


besteht aus lauter verschiedenen Punkten; denn aus j+k und z,=, 


würde folgen 
m—P, 
ze j—k? 





was nicht möglich ist, weil y irrational ist. 

Man kann beweisen, daß die Punktmenge (x,} überall dicht auf & 
liegt. Es seien nämlich &, und &, zwei beliebige Punkte von E und p 
eine natürliche Zahl, für welche 


(4) .-5&1>, z 


ist. Unter den (p+ 1) Punkten 2,,%,,43,-.-,%,, die alle voneinander 
verschieden sind und in E liegen, gibt es nun mindestens zwei, z.B. z,, 
und z,, für welche 


(8) nz 








350 | Kap. VI. Lineare Gebilde 8 333 


ist; bezeichnet man mit A eine beliebige ganze Zahl, so sind von den 
Punkten der Menge 
2, + la, —-%,), @4=0,1,-12,—2,...) 


alle diejenigen, die in E enthalten sind, auch Punkte von {x,}. Wegen 
(4)und(5) folgt aber, daß mindestens einer unter diesen Punkten zwischen 
&£, und &, liegt, und hieraus folgt nach dem Satze 3 des $ 77, daß {x,} 
überall dicht auf E ist. 

Bildet man nach der obigen Vorschrift, von einem weiteren Punkt 2, 
von E ausgehend, die abzählbare Punktmenge | 


(6) | (% } =” %, 2, %1 Lg, .., 

zn +kry+m, 
so sind die beiden Punktmengen {x,} und {x,} entweder identisch, oder 
sie besitzen keinen gemeinsamen Punkt. Denn aus x, = x, folgt 


+) —-1+%k 
und hieraus or rp orärtm 


un tmy + un tm trk-r+ (Pı + Pm—P;) = Imtk-j 


Nach dem Zermeloschen Auswahlaxiom ($ 48) ordnen wir nun gleich- 
zeitig jeder Teilmenge von E einen ihrer Punkte zu und insbesondere 
der aus dem Punkte x, hervorgehenden abzählbaren Punktmenge (x, } 
den Punkt x,. Wir ordnen jetzt dem Punkte x, die Zahl (m —x) und 
also insbesondere dem Punkte x, die Zahl — x zu; hierdurch haben wir 
aber jedem Punkte von E eindeutig eine ganze Zahl zugeordnet, und 
diese Zuordnung ist so getroffen, daß, wenn dem Punkte x von E die 
Zahl m zukommt, demjenigen unter den beiden Punkten (x + y) oder 
(<+y— 1), der in E enthalten ist, die Zahl (m +1) entspricht. 


333. Wir betrachten im n-dimensionalen Raum die Punktmenge 


 o ad-n 0 1 4: O0<a, <1, (m=1,2,...,%) 
En es | die meßbar ist und den Inhalt Eins 
N Es“ besitzt. Jeder Punkt P’ von A be- 
a sitzt eine x,- Koordinate x,°, die in 
N der linearen Punktmenge 0O<xr,<1 

BR >. > liegt, d. h. in einer Punktmenge, 
0 et a die bis auf die Bezeichnung mit 


der Punktmenge E des vorigen 
Paragraphen identisch ist. Dem Punkte z,° ist nach der Konstruktion, 
die wir dort beschrieben haben, eine ganze Zahl % zugeordnet, und diese 


$ 333 Punktmengen von nicht meßbarem Inhalt 351 


Zahl k soll jetzt auch unserm Punkte PP zugeschrieben werden. Be- 
zeichnet man mit A, diejenige Teilmenge von A, die aus allen Punkten 
besteht, denen dieselbe Zahl % zugeordnet ist, so hat man zunächst 


(1) A FA EA, EA 


Ferner hängen zwei Punktmengen A, und A,,, mit aufeinander- 
folgendem Index folgendermaßen zusammen: Man bezeichne mit C, alle 
Punkte von A, für welche O<x,<(1—y) ist und mit D, alle Punkte 
von A, für welche O<z,<y ist und setze noch ,=4A—C, und 
D,=4A-—D,. Dann geht A,C, durch eine zur x,-Achse parallele Trans- 
lation vom Betrage y in A,,,D, über und A,C, durch eine ebensolche 
Translation vom Betrage y—1 in A,,,D, über. Man hat also 


(2) m*A,C, = m*4A,,,D, und m*4,C, = m*A,,,ıD, 


sowie auch zwei analoge Gleichungen zwischen den inneren Inhalten 
dieser Punktmengen. Die Punktmengen C,,C,, D,, D, sind meßbar 
und genügen den Gleichungen 


A=0(+QG,=-D,+Ds; 
hieraus folgt nach dem Satze 18 des $ 268 
(3) m*A,—= mFA,C, + m*4A,0,, m*4,,,= m*4,,,D, + m*A,ıD, 
und der aan zwischen den Gleichungen (2) und (3) zeigt, daß 


(4) m*A, = m*4,;ı (k=0,1, —1,. ..) 
ist. Ganz ebenso beweist man die Gleichung 
(5) my A, = My Arzı k=0,1,—1,...)- 


Wir haben nun wegen (1) 
1=mA<m*A, + m*A, +m*4_,+- 
eine Beziehung, die wegen (4) nur dann erfüllt sein kann, wenn 
(6) mFA, > 0 
ist; anderseits ist aber ($ 254, Satz 1) 
1= mA > my4A, + mr Aı + m A_ı + 
und diese Ungleichheit kann wegen (5) nur dann erfüllt sein, wenn 
(7) | my A, = 0 


ist. Die Relationen (6) und (7) besagen aber, daß die Burma A, 
von nicht meßbarem Inhalte ist. 


359 Kap. VI. Lineare Gebilde 8 334 





Satz 1. Es gibt Pumktmengen von nicht meßbarem Inhalt, deren 
innerer Inhalt verschwindet. 


334. Der äußere Inhalt der nicht meßbaren Punktmenge A,, die 
wir soeben konstruiert haben, liegt zwischen Null und Eins; es ist aber 
nicht möglich, eine untere Schranke für die Zahl m*A, anzugeben. Da 
nämlich die abzählbaren Punktmengen {z,}, die wir zur Konstruktion 
benutzt haben, nach dem $ 332 überall dicht auf E liegen, so hätte man, 
wenn & eine beliebig gegebene positive Zahl bedeutet, das Zermelosche 
Auswahlaxiom so handhaben können, daß der aus {z,} ausgewählte 
Punkt z, stets im Intervalle O<rxr<s liegt und dann wäre auch 
mFA, se. 

Es ist daher durchaus notwendig unsere Konstruktion zu vervoll- 
ständigen. Wir betrachten das Intervall 


I: O<za,<1l (k=1,2,...,n) 
und setzen B= A,I; dann ist, weil (A,— B) eine Nullmenge ist, 
m*B=m*A,>0, m,B=-m,4-0, 


und die Punktmenge B von nicht meßbarem Inhalte. Es sei B eine 
maßgleiche Hülle von B, die in I enthalten ist, und Ü eine perfekte 
Teilmenge von B, die keine Nullmenge ist ($ 278, Satz 12). Setzt man 


C=BC, 


so ist nach dem Satze 12 des $ 263 die Punktmenge C eine TEEN 
Hülle von C; anderseits ist aber, weil C eine Teilmenge von B ist, der 
innere Inhalt von Ü gleich Null. Man kann also schreiben 


(1) m+C=ml=a>0, mÜl=0. 


Wir bezeichnen nun, wenn P einen beliebigen Punkt des »-dimen- 
sionalen Raumes bedeutet, mit /,(P) einen Würfel, der P zum Mittel- 
punkt hat und dessen Kantenlänge 1:% ist; hierbei bedeutet k eine 
natürliche Zahl. Wir können durch eine lineare Transformation des 
Raumes in sich (88 322—324) die Punktmenge I in I,(P) überführen 
und bezeichnen mit C,(P) und C,(P) die. Punktmengen, in welche © 
und (Ü übergegangen sind. Die äußeren und inneren Inhalte aller dieser 
Punktmengen werden dabei im selben Verhältnis 1:%” verkleinert ($ 329, 
Satz 3) und wir können daher schreiben 


(2) m*C,(P) = mC,(P) = «a: mI(P), 
(8) | m; CP) = 0. 
Die Punktmengen C,(P) sind überdies abgeschlossen und es gibt 


& 334 Punktmengen von nicht meßbarem Inhalt 353 


Tee Tree ae 


nach dem Vitalischen Satze (8 290, Satz 3) abzählbar vjele Punkte P, und 
ihnen zugeordnete natürliche Zahlen k„, go daß, wenn wir zur Abkürzung 


Ön=C,,(P.) und = Cu,(Pn) 


setzen und mit N eine Nullmenge bezeichnen, der Gesamtraum identisch 
ist mit der Summe 


N+C, +0, +C,+-- 


Hierbei ist also, wenn k und j zwei voneinander verschiedene natürliche 
Zahlen bedeuten, a 

C,0,=0. 
Nun setzen wir 


(4) Bel ct 


und betrachten eine beliebige meßbare Punktmenge V von endlichem 
Inhalte; dann ist 
V=VN+VC,+VC,+:- 


und daher | 5 \ 
(5). mV=mVC,+mVl,+--- 

Ebenso bekommen wir mit Hilfe des Satzes 18 des 8.268 
(6) | m+V2 = m*VC, + m*VC, +: -- 


Endlich ist, weil nach (2) die Punktmenge (C', eine maßgleiche Hülle 
von C, ist (8 263, Satz 12) 


m*VC,— mV, (k=1,2,..), 
so daß aus (9) und (6) folgt | | 
(D  mV—m*VQ. 


Anderseits haben wir nach dem 8 268 
mA MmRÜ, +Mm.RÜ, +: 
(8) = m, tm +... 
=(0. | 
Bezeichnen wir mit 2’ die Komplementärmenge von 8, so ist nach 
dem $ 257, Satz 4 
mV = m*VQ + mV = m, 2 + m*VQ' 
und mit Berücksichtigung von (7) und (8) 
m; Va =0, m’Vl—=mV. 
Aus der ersten dieser beiden Eine folgt übrigens genau so wie 


Carathöodory, Reelle Funktionen. 23 





354 Kap. VI. Lineare Gebilde g 885 





Nach der Definition des $271 können wir diese Resultate folgender- 
maßen aussprechen: 

Satz 2. Es gibt Punktmengen 2, die zugleich mit ihrer Komplemen- 
tärmenge 2’ den Gesamtraum als maßgleiche Hülle besitzen und den 
inneren Inhalt Null haben. 


Ist A eine beliebige Punktmenge, deren äußerer Inhalt von Null 
verschieden ist, so ist entweder A selbst nicht meßbar oder es ist A eine 
maßgleiche Hülle von A. Dann haben wir aber die Gleichungen 


mtaAQd—=mA>0, MAL<MmR—=(, 


d. h. die Punktmenge A ist nicht meßbar. Diese Bemerkung liefert 
uns den wichtigen 

Satz 3. Jede Punktmenge A, die keine Nullmenge ist, besitet Teil- 
mengen von nicht meßbarem Inhalte. 


Stetige meßbare Abbildungen. 


335. Eine eineindeutige Abbildung von zwei Punktmengen E und E* 
aufeinander, die in demselben oder in zwei verschiedenen Räumen liegen 
($ 84), wollen wir meßbar nennen, wenn aus der Meßbarkeit des In- 
halts einer Teilmenge A von E stets die Meßbarkeit des Inhalts ihres 
Bildes A* folgt und umgekehrt. 

Wenn sich bei einer eineindeutigen Abbildung zwei Punktmengen 
entsprechen, von denen die eine eine Nullmenge ist und die andere 
einen von Null verschiedenen Inhalt besitzt, so ist das Bild jeder nicht 
meßbaren Teilmenge der zweiten ($ 334, Satz3) ebenfalls eine Nullmenge 
und folglich meßbar. Die Abbildung ist dann keine meßbare. 


Satz 1. Für die Meßbarkeit einer eineindeutigen Abbildung von zwei 
Punkimengen ist notwendig, daß jeder Nullmenge der einen Punktmenge 
eine Nullmenge der anderen in der Abbildung zugeordnet ist. 


Wir wollen nun zeigen, daß diese Bedingung bei stetigen Abbil- 
dungen ($ 201) auch hinreichend ist. Wir nehmen also an, die betrach- 
tete Abbildung sei stetig und führe jede Nullmenge in eine Nullmenge 
über. Es sei dann z. B. A eine Teilmenge von E von meßbarem Inlıalt, 
und A* sei das Bild von A. Nach dem Satze 8 des $ 271 kann man die 
Punktmenge A darstellen als Vereinigung einer Nullmenge N mit 
höchstens abzählbar vielen beschränkten perfekten Punktmengen T,,T3,... 


HENPT ET I 


Hieraus folgt für das Bild A* von A die Darstellung 


Ak— NH T#I TH... 








ebenfalls eine Nullmenge und daher meßbaren Inhalts Die Punkt- 
mengen T',* sind wegen der Stetigkeit der Abbildung als Bilder von 
beschränkten abgeschlossenen Punktmengen ebenfalls abgeschlossen 
($ 202) und daher auch meßbar. Hieraus folgt aber, daß A* von meß- 
barem Inhalte sein muß. 


Satz 2. Jede eineindeutige stetige Abbildung, die Nullmengen in Null- 
mengen überführt, ist meßbar. 


Dafür, daß eine lineare Transformation eine eineindeutige Abbil- 
dung darstelle, muß ihre Determinante von Null verschieden sein ($ 323). 
In diesem Falle geht aber nach dem Satze 3 des $ 329 jede Nullmenge 
in eine Nullmenge über und da die Abbildung außerdem noch stetig 
ist, so ist sie meßbar. 


,... Satz 3. Jede lineare Transformation von nicht verschwindender Deter- 
minanle ist eine meßbare Abbildung. 


336. Es ist sehr leicht, eineindeutige stetige Abbildungen von ab- 
geschlossenen Punktmengen zu konstruieren, die nicht meßbar sind. 
Dies gelingt schon bei der Abbildung von linearen Intervallen aufein- 
ander. 

Man braucht z. B. nur die gleich numerierten Intervalle der offenen 
Punktmengen, die in den $$ 276 und 280 beschrieben worden sind, 
linear aufeinander zu beziehen und die Häufungspunkte dieser offenen 
Punktmengen so aufeinander zu beziehen, daß die Abbildung der beiden 
Strecken, die diese offenen Punktmengen enthalten, eineindeutig und 
stetig sei. 

Wir wollen, wegen der Wichtigkeit dieser Tatsache, ein ganz ähn- 
liches Beispiel etwas ausführlicher behandeln. 

Es seien auf den Achsen einer xy-Ebene zwei abgeschlossene In- 
tervalle 

a<zsb und a,<ysb, 


gegeben. Wir geben uns eine feste positive Zahl 8, die kleiner als Eins 
ist, und konstruieren eine Folge von stückweise linearen, stetigen, mono- 
tonen, stets wachsenden Funktionen Y,(x) folgendermaßen: 

Wir betrachten zuerst auf der x-Achse die offene Punktmenge 


B=d, +: ++, 


die wir im $ 276 konstruiert haben. 
23* 


—— m 


356 Kap. VI. Lineare Gebilde 8 336 





m  ————n ——— 








Die Funktion v,(z) ist dann im Intervalle a <xr<b diejenige 
lineare Funktion, welche den Gleichungen 


dla) = a, dub) = bi 
genügt; sie besitzt eine konstante Steigung 


b,—-a 7 
eh 


Die Funktion %,(z) fällt in den Punkten a, b und im Mittelpunkt 
von Ö, mit y, zusammen. Sie ist stetig, stückweise linear und besitzt 
innerhalb des Inter- 
valls d, die Steigung 
»-.k und ist außer- 
halb dieses Intervalls 
linear. Ihr Graph 
($ 157) besteht also 
aus drei geradlinigen 
Stücken. 

Die Funktion u,(x) 
ist stetig, stückweise 
linear, sie fällt in den 
Punkten a, b im Inter- 
valle dö, und in den 
Mittelpunkten von ö, 
und d, mit %, (x) zu- 
sammen; außerdem 
besitzt sie in den In- 
tervallen d, und 6, 
die Steigung 9-k und 
ist überall außerhalb der Intervalle d,, d, und 6, linear. 

Allgemein fällt die Funktion 9%, 1@) in den Punkten a, b, den 
(2:—1) ersten der Intervalle d,,d,,... und in den Mittelpunkten der 
2* folgenden dieser Intervalle mit Y,(®) zusammen. In allen diesen 
(2*+1—-1) ersten Intervallen d, besitzt sie die Steigung 9-%k und sie ist 
außerhalb dieser Intervalle ebenfalls linear und stetig im Intervall 
a<x<sb. Die Fig. 25 stellt demnach die Funktion y,(x) dar. 

Nun bemerke man, daß im ganzen Definitionsintervall 


IH) - HR) < z— 


r 
| 
l 
I 
r 
! 
) 
l 
! 
! 
) 
I 
l 


b, u 


ist, und daß ebenso 
b, — zei 


IH) - Ua) < 


g 337 Stetige meßbare Abbildungen \ 357 


b, — 
9) - va) < A 
stattfindet. Die Folge der Funktionen %,, %,, . . . konvergiert also gleich- 
mäßig gegen eine stetige Funktion ($ 172, Satz 2), die wir mit p(x) 
oder ausführlicher mit 








und allgemein 


p(2; ®,a,b,a,, b,) 
bezeichnen wollen. Diese Funktion p(z) ist monoton wachsend; außer- 
dem gibt es, da die Punktmenge (d,+d,-+6,+--), in welcher p(:r) die 
Steigung #-%k besitzt, überall dicht im Intervalle a <x< b ist (8 76), 
zwischen je zwei Punkten dieses letzten Intervalls Teilintervalle, in 
denen die Funktion p(x) nicht konstant ist. Die Funktion p(z) ist also 
nicht nur monoton, sondern auch stets wachsend und liefert eine ein- 
eindeutige und stetige Abbildung der beiden Strecken a <r<b und 
“<y<.b, aufeinander. Die Punktmenge B erfüllt nun das ganze Inter- 
vall a <2<b mit Ausnahme einer Nullmenge A; anderseits aber be- 


steht nach unserer Konstruktion zwischen den Inhalten des Intervalls Ö, 


und seines Bildes ö,* die Relation 
mör = dk mÖ,; 
es ist also, wenn wir das Bild von B mit B* bezeichnen, 


mB*=dk:mB, 
oder, weil ($ 276) 
mB=b—.a 
ist, 
mB*=#(b, —a,). 
Folglich ist 
m A* — (1-8) (6, 4,), 


d.h. das Bild der Nullmenge A besitzt einen von Null verschiedenen In- 
halt. Die von uns betrachtete eineindeutige und stetige Abbildung ist 
demnach nicht meßbar. 


337. Durch einen ähnlichen Gedankengang wie im $277 kann man 
mit Hilfe der soeben geschilderten Abbildung zu einer viel merkwür- 
digeren gelangen. 

Wir gehen zunächst von der Funktion 

y=9(2; 9,0,1; 0,1). 
aus und nennen diese Funktion zur Abkürzung y,(2). Der Graph von 
4, (x) enthält abzählbar unendlich viele Strecken, die sich auf der x-Achse 
in eine offene Punktmenge B, vom Inhalte Eins projizieren. Wir ersetzen 
jede dieser Strecken durch den Graph der Funktion 
s 





358 Kap.VI. Lineare Gebilde 8 337 


9(2; 9,a,b, a,,b,), 


wobei a,a, und b,b, die Koordinaten der Endpunkte der Strecke be- 
deuten. Ä | 

Durch diese Operation erhalten wir eine Funktion x,(z), von der 
man sehr leicht sieht, daß sie stetig, monoton und stets wachsend ist. 

Die Funktion 2,(2) enthält ebenfalls unendlich viele Strecken, die 
sich auf eine offene Punktmenge B, der x-Achse projizieren, wobei B, 
eine Teilmenge von B, bedeutet, die ebenfalls den Inhalt Eins besitzt. 

Man iteriere nun das Verfahren, durch welches wir von y,(z) zu 
1.(x) gelangt sind; wir erhalten eine Folge von abzählbar unendlich 
vielen stetigen, stets wachsenden Funktionen 


(1) (2), a@), us @), ---- 
Überdies ist für jeden beliebigen Wert des Definitionsbereiches 


1. 1 1 
as -ul<z: 8 -nl<y 22.7 Ir u < 5 


woraus folgt, daß die Folge (1) gleichmäßig gegen eine Grenzfunk- 
tion x(2) konvergiert. Die Funktion y(z). ist daher monoton und stetig; 
man kann aber leicht sehen, daß sie ebenfalls stets wachsend ist. Sind 
nämlich &, und £, zwei voneinander verschiedene Punkte des Definitions- 
intervalls, so kann man » so groß wählen, daß eine der Strecken, in 
denen x,(x) linear ist, sich ganz in das Innere des Intervalles & <x<&, 
projiziert. Es seien x, und x, die Endpunkte dieser Projektion; dann ist 


a) Ss), 2a) = u): 
An(&ı) < Xu)» 
a) ra) 2a) <a): 


woraus folgt, daß x(x) im Intervalle & <x< &, nicht konstant ist. 

Die Funktion x(z) liefert also die eineindeutige stetige Abbildung 
von zwei Strecken von der Länge Eins aufeinander. 

Nennt man, in’ Übereinstimmung mit der obigen Bezeichnung, B, 
die Projektion auf die x-Achse der Strecken, die im Graph von y,(x) 
enthalten sind, und B,* die Projektion dieser Strecken auf die y-Achse, 
so ist für jedes » 

B,+1ı<DB, und B%ı< B,*. 


Es ist ferner nach der obigen Konstruktion 


mB,+ı=mB,, m By, ı = 9m B,* 
oder, weil 


$& 338 Kritik der Theorie der Maßfunktionen 350 


mB, =]1 und mB;* — 
+ ist, für jedes 9 — 
mB,=1, mDr = 9*. 


Wir bezeichnen jetzt mit .B den Durchschnitt aller B, und mit B* 
das durch y(z) vermittelte Bild von B auf der y-Achse. Es ist (8 247, 
Satz 9) 





mB-limmB, —1. 


ps» 


Ist nun P irgendein Punkt von B und P* der entsprechende Punkt von 


B*, nennt man ferner P,* das durch die Funktion z,(z) vermittelte Bild 
von P auf der y-Achse, 56 ist m eh 
P* = lim P*. we 
g=@ E 4 
Außerdem ist, wenn p irgendeine feste positive ganze Zahl bedeutet, le ae 
P,* für alle g>p in einem und demselben Intervall der Punktmenge B,* : il! A 
enthalten. Der Punkt P* ist demnach entweder ein Punkt des Inneren % Fh, | 
oder aber ein Endpunkt dieses Intervalls und hieraus folgt, daß B* in = R a 


der Punktmenge enthalten ist, die man erhält, wenn man die Endpunkte . 
der Intervalle, die in der offenen Pünktmenge B,* enthalten sind, diesen . 
Intervallen hinzufügt. Da die hinzugefügten Punkte in abzählbarer An- ; 
zahl sind und folglich den Inhalt Null haben, folgt hieraus, daß > ds 


mB* <mB* = 9? I 
ist. Da dieses aber für jedes p gilt, schließt man daraus, daß B* eine 4 6 
Nullmenge ist. u 
Die Punkte des Intervalls O<z<1, die nicht in B enthalten sind, a 


bezeichnen wir mit A; die Punktmenge A ist eine Nullmenge und das a. 
durch die Funktion x(x) vermittelte Bild A* von A besitzt den Inhalt = 


mA*t=1—-mB*=1. 


Satz 4. Es gibt eineindeutige und stetige Abbildungen der Intervalle = 
0O<xz<1lwundO<y< 1 aufeinander, die alle Punkte des einen dieser zo 
Intervalle mit Ausnahme einer Nullmenge in eine Nullmenge des andern 
Intervalls transformieren. 


Kritik der Theorie der Maßfunktionen.*) 
338. Im $ 235 haben wir die Maßfunktionen durch vier Eigen- 
schaften definiert, die wir mit I—IV numeriert haben. Wir wollen jetzt 
zeigen, daß die Grundeigenschaften II, III, IV von den übrigen unab- 


*, Von diesem Abschnitt wird im Folgenden kein Gebrauch gemacht. 


PL 2 
— 





360 Kap. VI. Lineare Gebilde z 8 338 


hängig sind, also z. B., daß II nicht aus I, III und IV gefolgert wer- 
den kann.*) Wäre nun II eine Folge von I, III und IV, so müßte jede 
Mengenfunktion, die diege letzten drei Eigenschaften besitzt, auch die 
Eigenschaft II haben. Wir erreichen also unser Ziel, indem wir Mengen- 
funktionen konstruieren, die einige, aber nicht alle vier Grundeigen- 
schaften besitzen. 

a) Es sei P, ein fester Punkt des zweidimensionalen Raumes. Wir 
definieren eine Mengenfunktion v, A folgendermaßen: Ist W, das größte 
Quadrat mit dem Mittelpunkte P, und mit 
parallelen Seiten zu den Koordinatenachsen,, 
das in einer gegebenen Punktmenge A ent- 
halten ist, so setze man 


v, A = m*(A— W,ı), | 
wobei wie stets mit m*(A— W,) der äußere 
Inhalt der Punktmenge (A— W,) bezeichnet 


wird. ‘Ist also P, kein innerer Punkt der 
betrachteten Punktmenge A, so ist einfach 


1A=m#FA. 
Die: betrachtete Mengenfunktion besitzt die ua Ill der Maß- 


funktionen; setzt man nämlich 


ET EI 





Fig. 26. 


und bezeichnet mit W, das größte zu P, konzentrische Quadrat, das in 
V enthalten ist, und er W, das größte E Quadrate, das in A, ent- 
halten ist, w obei einige oder alle Punktmengen W,, W,, W;,-- a 
leer sein Können: so folgt aus A, <YV auch W,<W, und daher 


(1) A,— 4, W, < A,-W, (k=1,2,...). 
Nun ist aber 


V-W, =(4,—4A ı Wo) + (Ay —A,W,)+:: 


und daher 


mV mtV-W)<me(— 4 W) + m*(4, -AW)+: 


*) Das Wesentlichste an der Eigenschaft I, d. h. die Tatsache, daß die be- 
trachtete Mengenfunktion » A: keiner negativen Werte fähig sein soll, ist eine 
Folge von III. Denn wäre für eine bestimmte Punktmenge A, 


a 0 

so könnte schon die Ungleichheit a 
»(ALB)<vA+vB 

nicht stets erfüllt sein; fir 4= B= 4A, wäre sie nämlich falsch. 


6 838 Kritik der Theorie der Maßfunktionen 361 
Anderseits folgt aber aus (1) | 
(3) m*(A,— 4,W,) <m*(A,—- WW.) = A; 
und es ist also nach (2) und (3), wie wir zeigen wollten, 

vV<wd, +tmAHh° 


Unsere Mengenfunktion besitzt aber auch die Eigenschaft IV der Maß- 
funktionen. 

Es seien nämlich A und B zwei Punktmengen, deren Entfernung 
E(A,B)=6d>0 ist. Dann ist entweder der Punkt P, nicht in (A+B) 
enthalten und man hat 


v,(A+B)=m*(A+B)=m*"A+m*"B=,4A+»,B 
oder P, ist in einer der beiden Punktmengen, z. B. in A enthalten. Be- 


zeichnet man dann mit W, das größte zu P, konzentrische Quadrat, das 


in A enthalten ist (oder vielleicht auch den Punkt P, selbst), so ist 
E(Wı,B) >; kein Punkt P der Ebene, für den E(P,W,)< 6 ist, 
liegt in B und daher ist W, auch das größte zu P, konzentrische Qua- 
drat, das in (A+ B) enthalten ist. Man hat nun, weil (A+B)—-W, = 
(A—W,) + Bund E(A—W,,B)>d ist, 


„(A+B) = m*(A+B-W,) = m*(A-W.) +m*B=enyA+nB, 


d. h. die Gleichung, die wir ableiten wollten. 
Ist endlich A eine beschränkte Punktmenge, die den Punkt P, als 
inneren Punkt enthält, so ist, nach der Definition unserer Mengen- 


funktion 
„(A-P) >94 


woraus folgt, daß hier die Eigenschaft II der Maßfunktionen nicht 


immer gilt. 

Die Eigenschaft II ist mithin von I, Il und IV unab- 
hängig. 

b) Um zweitens zu zeigen, daß die Grundeigenschaft III der Maß- 
funktionen von I, IL und IV unabhängig ist, genügt es, den inneren 
Inhalt m,A der Punktmengen zu betrachten. Für diesen ist ja nach 
dem Satze 1 des $ 254 die Eigenschaft II vorhanden. Dasselbe gilt aber 
auch von der Eigenschaft IV; denn wenn A und B zwei Punktmengen 


bedeuten, deren Entfernung positiv ist, so ist die Entfernung zwischen B 
und der abgeschlossenen Hülle A von :A ebenfalls positiv ($ 193) und 


r Be, 

ET ch, Aaetr 
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gear nn 


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362 Kap. VI. Lineare Gebilde $ 338 


der Durchschnitt AB ist leer ($ 194). Da nun A von meßbarem In- 
halte ist, hat man nach dem Satze 11 des $ 262 


m,(A+B) = m,(A+ BA +m,((A+B)— (A+B)Ä) 











Dagegen ist die Eigenschaft'III nicht immer vorhanden; bezeichnet man 
mit A eine beschränkte Punktmenge, deren Inhalt nicht meßbar ist 
($ 333), und mit J ein Intervall, das A enthält, so ist 


mI= m*A-+m,(TI- A) > m,A+ m,(I— 4), 


womit bewiesen ist, daß die Eigenschaft III der Maßfunktionen 
von I, II und IV unabhängig ist. Ein anderes einfacheres Beispiel, 
das dasselbe leistet, werden wir im $ 340 kennen lernen. 


c) Endlich bezeichnen wir mit v», A die Mengenfunktion, die gleich 
der größeren der beiden Zahlen 1 und m*A ist, wobei wieder m*A den 
äußeren Inhalt von A bedeutet. Dann ist erstens stets nach dieser De- 
finition 
(4) v„Azm*A, 

(5) muy4Az2l. 


Ist jetzt B< A, so ist, falls m*B>1 ist, auch m*A >1 und 

man hat 
vA=m*’A und v„B=m#*B, 

woraus 
(6) v„B<vA 
ohne weiteres folgt; ist aber m*B< 1, so ist v»,B=1 und die Rela- 
tion (6) eine direkte Folge von (5). Unsere Mengenfunktion hat also 
jedenfalls die Eigenschaft Il. Zweitens sei 


V=4,+4+--;; 


ist nun m*V’ <1, so muß auch m*A,<1 sein, und man hat v,P = 
v,A, = 1, woraus 


(7) vV< > v,A; 
k 2 
sofort zu entnehmen ist. Ist aber m*V > 1, so hat man 
(8) v/=m*V< DIm*4, 
k 


und die Relation (7) ist wiederum richtig als Folge von (8) und (4). 
Unsere Mengenfunktion besitzt also auch die Grundeigenschaft III. 


5 839 Kritik der Theorie der Maßfunktionen 363: 





ze a a ———— 


Dagegen besteht die Eigenschaft IV nicht, wenn man für A und 
B zwei Punktmengen nimmt, deren Entfernung positiv ist, und die 
den Bedingungen m*A = m*B = 1:3 genügen; denn es ist dann 


v,(A+D=-v4=-wB=1; 


hieraus folgt, daß die Eigenschaft IV von I, II und Ill unab- 
hängig ist. 


339. Wir wollen jetzt zeigen, daß es Maßfunktionen gibt, die nicht 
regulär sind, d. h. Mengenfunktionen, die die Eigenschaften I—IV des 
$ 235, aber nicht die Eigenschaft V des $ 253 haben; hieraus folgt 
dann, daß auch V von den Grundeigenschaften T- IV unab- 
hängig ist.*) 

Ju diesem Zweck ziehen wir die Punktmenge 2 heran, die wir im 
$ 334 konstruiert haben; diese Punktmenge hat die Eigenschaft, daß, 
wenn W eine beliebige Punktmenge meßbaren Inhalts BORSuleL, die 
Gleichungen 

1 m*WR = m*(W—-WR) = mW 
stets erfüllt sind. 

Nun betrachten wir die Mengenfunktion 


(2) v,„A=m+A+m*AR, 


die nach den Sätzen 1 und 2 des $ 236 eine Maßfunktion ist. Für », A 


gelten also alle Sätze der 88 237—252.. Es sei I ein gegebenes Intervall 
des Raumes und 


(3) A=(I-I2). 
Aus (1) und (2) folgt, weil 7 meßbaren Inhalts ist, 
(4) v,I=mI+m*’IQ=2mI. 
Ferner ist, weil nach (3) AR = 0 und ([-— A) = (I- AJR = IL ist, 
(5) v‚4A=m*’A=ml, 
(6) 9,(T-4A) = m*(I—- 4A) + m*(I—- A)2 = 2m*IQ = 2mI. 
Aus (4), (5) und (6) folgt 
vI=v,A+v(I-A)— ml, 


*) Dagegen ist die Eigenschaft II eine Folge der Eigenschaft V. In der 
Tat gibt es nach V, wenn = eine beliebige positive Zahl und A eine beliebige 
Punktmenge bedeutet, mindestens eine für die gegebene Mengenfunktion » A 
meßbare Punktmenge A, so daß A<Aundv»A<vA-+ e ist. Ist dann B< A, 
so hat man, weil A meßbar und B< A ist, wiederum nach V »B<»A und 
daher »B<vA + e, woraus man auf »B<»A schließt. 


864 Kap. VI. Lineare Gebilde $ 5340 


woraus wir entnehmen, daß die betrachtete Punktmenge A für unsere 
Maßfunktion nicht meßbar ist. Nun sei A eine beliebige Punktmenge, 
die für diese Maßfunktion meBbar ist und die A als Teilmenge enthält; 


dann ist auch | 
(7) B=IA 


meßbar für unsere Maßfunktion und man hat 

@&) A<B<], 

und wegen der Meßbarkeit von B ist außerdem 

CF | v‚I=v,B-+v‚(I—DB). 

Aus (8) und m*A = mI folgt nun m*B = mI und dies verbunden mit 
BS2 = (B— A) liefert 

(10) v,B=m*’B+m*BQ=mI+ m*(B-A); 

anderseits ist ([— B)Q& = I— B und daher 

(11) »,(I—- B) = m*(I—-B) + m*(I- BR = - 3m*(I- B). 

Mit Hilfe von (4), (10) und (11) folgt nun aus (9) 

(12) mI= m*(B— A) + 2m*(I—B). 

Nun ist aber ([-A)=I2 und (I-A)=(I—-B)+(B-A); man 


"hat also 


(13) mI = m*(I— A) <m*(I— B) + m*(B—A) 
und die Vergleichung von (12) mit (13) = uns m*(I— B)<0, woraus 
unmittelbar m*(I— B) 


folgt. Dies in (12) enpmelt liefert m*(B— A) = mI und nach (10) 
ist dann 


(14) v,‚B=2mlI. 
Wir haben also auch wegen (7) und (5) 
(15) | „A>2ml=v,A+ml. 


Die untere Grenze der äußeren Maße », A aller für unsere Maßfunktion 
meßbaren Punktmengen, die A als Teilmenge enthalten, ist demnach 
(„A+mI)>v,A, so daß die Eigenschaft V des $ 253 hier nicht be- 
steht. Unsere Maßfunktion ist nicht regulär. 


340. Wir betrachten eine Mengenfunktion u A, die außer den Eigen- 
schaften I, II und IV des $ 235 noch folgende beide mn 
besitzt: 


g 310 Kritik der Theorie der Maßfanktionen 365 





IT”. Ist S die Summe von endlich oder abzählbar unend- 
lich vielen Punktmengen A,, A,,... ohne gemeinsame Punkte, 


wS>uhtuht:- 


V’. Die ZahluA ist die obere Grenze der Funktionswerte 
uB, die allen meßbaren Teilmengen B von A zugeordnet sind. 
Hierbei soll die Punktmenge B meßbar heißen, wenn für jede 
willkürliche Punktmenge W, die einen endlichen Funktions- 
wert uW besitzt, die Gleichung 


W=uBW W-B 
besteht. er E te ”) 


Die inneren Maße ($ 253) haben alle diese Eigenschaften. Man 
beweist nämlich, wie wir es im $ 338 unter b) für die inneren Inhalte 
getan haben, daß sie die Eigenschaften 1, II und IV besitzen. Daß 
auch die Forderung Ill’ erfüllt ist, ist im Satze 1 des $ 254 enthalten. 
Endlich ist aber auch V’ erfüllt, wie aus dem Satze 11 des $ 262 und 
der Definition 2 des $ 253 folgt. 

Diese Eigenschaften sind den fünf Grundeigenschaften, durch die 
die regulären äußeren Maße definiert werden, vollkommen analog; sie 
genügen aber nicht, wie man zunächst wegen dieser Symme- 
trıe vermuten könnte, um die inneren Maße zu charakteri- 
sieren. 

Zu diesem Zweck Bekfachten wir im linearen Raum ein abgeschlos- 
senes Intervall I und setzen 


Ü) nA=1 falls I<A, 
(2) „A=0 falls (T—-IA)+0 


ist. Diese spezielle Mengenfunktion besitzt offenbar die Eigenschaft 1. 
Ist nun B<A und (I—-IA)=+0, so ist umsomehr (T’—IB)+0, 
so daß nach (2) aus uA = 0 auch uB = 0 folgt; ist dagegen uA=1, 
so folgt uB< uA direkt aus (1) und (2). Die Eigenschaft II ist also 
vorhanden. 

Von endlich oder abzählbar unendlich vielen Punktmengen A,, A,,..- 
ohne gemeinsame Punkte enthält höchstens eine das abgeschlossene In- 
tervall I. Entweder gilt also für jedes k die Gleichung u A, = 0 und 
es ist 


„82 Iu4, = 0, 


oder man hat S'uA, = 1 und dann auch (wegen der schon bewiesenen 
k . 
Eigenschaft II) uS= 1. Die Eigenschaft III’ gilt also auch. 








366 ' Kap. VI. Lineare Gebilde | 8.340 


Um zu beweisen, daß unsere Mengenfunktion auch die Eigen- 
schaft IV besitzt, bemerken wir, daß nach dem Vorigen 


u(A+B)>uA+uB 
nur dann stattfinden kann, wenn zugleich 
I<A+DB, (I—-AI)+0, (I-BT)+V0 
ist, oder was dasselbe ist, wenn die Relationen 
I=AI+BI, AI+0, BI=+0 


zugleich gelten. Wären nun diese letzten Relationen für zwei Punkt- 
mengen A und B befriedigt, deren Entfernung positiv ist, so hätte 
man auch für die abgeschlossenen Hüllen A und B dieser Punktmengen 
außer AIT+0 und BI +0 auch 
I=AI+BI, 

denn aus E(A,B)>0 folgt AB-+-0. Dies ist aber unmöglich, weil 
das abgeschlossene Intervall I als Kontinuum nicht als Summe von 
zwei abgeschlossenen, nicht leeren Punktmengen dargestellt werden 
kann ($ 204). 

Es bleibt also nur noch übrig V’ zu verifizieren. Wir bemerken 
dazu, daß eine Punktmenge A, die entweder alle Punkte von I oder aber 
keinen einzigen Punkt von I enthält, für unsere Mengenfunktion meßB- 
bar ist. Man müßte sonst eine Punktmenge W finden können, für die 
zugleich _ ol 

I<W, I-IW4+0, I—-I(W-WA)#+0 


ist, und man sieht sofort ein, daß diese Relationen mit unseren An- 
nahmen über A unverträglich sind, wenn man sie in der Form schreibt 


I=IW, I—-IA+0, IA+0. 

_ Dagegen ist jede Punktmenge, für welche zugleich IA+0 und 
(I—IA)=+0 ist, nicht meßbar für unsere Mengenfunktion, denn man hat 
ul=1, uIA=0, u(I—-IA)=0 

und daher u 5 ol 
ul>uIA+u(I— IA). 


Da nun nach unseren Definitionsgleichungen für alle nicht meßbaren 
Punktmengen B der Funktionswert u. B verschwindet, ist die Richtigkeit 
der Eigenschaft V’ evident; da aber anderseits jedes (offene) Intervall, 
das in I enthalten ist, eine für unsere Mengenfunktion nicht meßbare 
Punktmenge darstellt, kann diese Mengenfunktion nicht ein 
inneres Maß sein. 


$ 341 Kritik der Theorie der Maßfunktionen 367 


341. Für die Mengenfunktion uA des vorigen Paragraphen gibt 
es, wie wir soeben sahen, Intervalle, die nicht meßbar sind. Hieraus 
entnimmt man, daß die Eigenschaft IV®, die wir im $ 252 aus den 
Eigenschaften I—IV des 8 235 abgeleitet hatten, nicht aus 
unsern neuen Eigenschaften I, II, III’, IV, V’gefolgert werden 
kann. Es entsteht nun die Frage, ob wir nicht die inneren Maße da- 
durch kennzeichnen können, daß wir zu den Forderungen des vorigen 
Paragraphen noch die neue Forderung IV® hinzufügen, die besagt, daß 
jedes Intervall meßbar sein soll. 

Daß dem nicht so ist, beweist folgendes Beispiel: wir bezeichnen 
im linearen Raum mit »A die obere Grenze der Inhalte aller 
offenen Punktmengen, deren rationale Punkte in A enthal- 
ten sind. 

Daß die Mengenfunktion v A die Eigenschaften I und II besitzt, ist 
evident. Um die übrigen Eigenschaften zu untersuchen, bezeichnen 
wir mit 
(1) R: rn, Tr, 15, .- 
die rationalen Punkte des linearen Raumes. Ferner sei, wenn A eine be- 
liebige Punktmenge bedeutet, Ö, entweder das größte lineare Gebiet, das 
r, enthält und die Relation d,-R</ AR befriedigt, oder aber eine leere 
Punktmenge, falls kein derartiges Gebiet existiert. Wir bezeichnen mit 
yı, den ersten Punkt der Folge (1), der nicht in d, vorkommt oder, falls 
ö, leer ist, den Punkt r, und mit d, entweder das größte lineare Gebiet, 
das r,, enthält und die Bedingung d,-R</AR erfüllt, oder aber eine 
leere Punktmenge. Allgemein sei r;„;, der erste Punkt, der in der 
Folge (1) nach r,,, vorkommt und der nicht in (6, + d,+--- + 6,) ent- 
halten ist, und ö„4+1 entweder das größte lineare Gebiet, das r;,, y. ent- 
hält und die Bedingung 6, ,, R<AR erfüllt, oder eine leere Punkt- 
"menge. Dann hat die offene Punktmenge 


U=-Ih+d+d+--- 


erstens die Eigenschaft, daB U,R</ AR ist, und zweitens ist jede offene 
Punktmenge P, für welche VR< AR ist, eine Teilmenge von U,. Man 
hat also nach unserer Definition 


vA=mÜ,. 


Sind jetzt A,, A,,-.. endlich oder abzählbar unendlich viele Punkt- 
mengen ohne gemeinsame Punkte und S ihre Summe, so folgt erstens 
aus A,A,=0 (für k-j), daß auch U,,U,,—=0 sein muß, und zwei- 

daß 


’ 


Us>U,+U,+: 


en 


re 


- s“ a ie Br 
en ni 
ee 
fr” = ei I; S A 
1. RL 

Fi ... 


a 
Te 
ln. 








368 Kap. VI. Lineare Gebilde | 8 341 


ist, Man hat demnach | 


vS = mUs > ZmU,= DvA, | 
k k 


wodurch die Eigenschaft III’ verifiziert ist. 


Ferner ist, wenn A und B keinen gemeinsamen Punkt besitzen, 
nur dann 


v(A+B)>vA+tvB, 


wenn für mindestens ein Intervall o, das in U,;z als Teilmenge enthal- 
ten ist, keine der Punktmengen 


o,= R4e, 0,= RBeo 


leer ist. Bezeichnen wir mit 0,, 0, und 6 die abgeschlossenen Hüllen 
von @,, 05, 9, So ist erstens 0, + 0, <{ 6 und zweitens, weil jeder Punkt 
von 6 Häufungspunkt von g, oder oe, ist, 6<0,+0,; man hat also 
0,70, 6, 

und, weil 0 als abgeschlossenes Intervall ein Kontinuum ist, 0,9,#0. 
Hieraus folgt aber, daß die abgeschlossenen Hüllen von A und B ge- 
meinsame Punkte besitzen, und daß also die Entfernung E(A,B) dieser 
Punktmengen verschwindet. Aus E(A,B) >0 folgt also v(A+B) = 
vA + vB: die Eigenschaft IV ist vorhanden. 

Es sei $ ein beliebiger Punkt der x-Achse, wir bezeichnen mit Z7; 
die Gesamtheit der Punkte x < & und mit K, die Gesamtheit der Punkte 
x>8. Ist dann W eine beliebige Punktmenge und Uy die nach der 
obigen Konstruktion ihr zugeordnete offene Punktmenge, so ist, wie man 


sofort sieht, 
Uws; = Uv-we;= UwH:, 


Uwx: u; Uw-wa: = Uw&k: 
und hieraus folgt 
vW=vWH.+v(W-WH,), 


vW=»vWK,+v(W-WK,), 


d. h. die Punktmengen H, und K, sind meßbar für unsere Mengen- 
funktion. Nach den $$ 241 und 242 ist dann der Durchschnitt und die 
Vereinigung von endlich vielen derartigen Punktmengen, oder was 
dasselbe ist, die Summe von endlich vielen getrennt liegenden linearen 
Gebieten meßbar für v A. Insbesondere sind die Intervalle meßbare Punkt- 
mengen und die Eigenschaft IV* ist vorhanden. 


$ 342 Kap.VII. Meßbare Funktionen. Darst.v.Funkt.d.Folg.v.Punktmengen 369 


Endlich aber kann man folgendermaßen die Richtigkeit von V’ 

einsehen: setzt man wieder 
U,=-I4htd+t-., 

80 ist für jede natürliche Zahl p die Punktmenge (6, +6, ++ 6,) 
meßbar, und weil außerdem noch die Menge der rationalen Punkte R 
offenbar auch meßbar ist, ist B,— (6, +0, +: + d,).R eine meßbare 
Punktmenge. Nun ist aber B, eine Teilmenge von Ä und außerdem 
vB,—vA, 
womit V’ bewiesen ist. 

Dagegen gibt es offene Punktmengen, die nicht für vA 
meßbar sind, und folglich ist die Mengenfunktion vA kein 
inneres Maß. Es sei z. B. A eine offene Punktmenge, die überall dicht 
auf dem Intervall / liegt und es sei wie im $ 280 

mA=+mI. 
Dann ist 
vI=mI, vA=mA=;:mlI 

und da die rationalen Punkte keines einzigen Intervalls in (7— A) ent- 
halten sind ee 


Aus diesen Gleichungen folgt aber 
|  sI—vA—v(I-A)=tmI>0, 
d. h. die Tatsache, daß A nicht meßbar ist.*) 


Kapitel VII. Meßbare Funktionen. 
Darstellung von Funktionen durch Folgen von Punktmengen. 


342. Die Möglichkeit, die Lehre von der Meßbarkeit der Punkt- 
mengen auf die Theorie der reellen Funktionen anzuwenden, beruht auf 
der Tatsache, daß man jede Punktfunktion f(P) durch die Angabe einer 
Folge von Punktmengen eindeutig festlegen kann. 

Wir geben uns eine abzählbare Zahlenfolge 


(1) %; 0, 0%, we 
die überall dicht auf der Zahlenachse liegt (8 76), und betrachten 
eine Folge 


(2) Ay, Ay Ay: 


*, Wären für »A alle offenen Punktmengen meßbar gewesen, so hätten wir 
die Eigenschaft IV aus IV* durch eine ähnliche Schlußweise, wie die des Beginns 
des $ 237 ableiten können. Hier aber mußten wir IV und IV* getrennt behandeln. 

Carath&odory, Beelle Funktionen. 24 





370 Kap. VII. Meßbare Funktionen 8 342 





von Teilmengen einer und derselben Punktmenge E. Wir fragen nun, 
ob es Funktionen f{P) mit dem Definitionsbereich E gibt, die für jede 
natürliche Zahl %k der Bedingung ($ 85) 
(8) | M(f=«a,) > 4,> M(f>«,) 
genügen. 

Sind «, und «, zwei Zahlen der Folge (1), für welche «,<.«, ist, 
so hat man für jede beliebige Funktion f(P) 


M(f>«,)> M(fz«,); 


wenn es also eine Punktfunktion geben soll, für welche die Bedingungen 
(3) immer erfüllt sind, so müssen notwendig die Relationen 


(4) e,<a, und A,>4, 


' stets zugleich gelten. Das gestellte Problem kann also nur dann eine 


Lösung haben, wenn für jedes Paar p, q von natürlichen Zahlen die Re- 
lation 4,> 4A, aus a,<e, folgt. Wir wollen zeigen, daß dieses Problem 
dann aber immer eine und nur eine Lösung besitzt. 

Jedem beliebigen Punkte P, von E kann man eine re der 
Folge (2) in zwei Teilfolgen zuordnen: wir bezeichnen mit A 
diejenigen unter den Mengen A,, A,,..., die den Punkt P, re und 
mit A,,A,,. -. die übrigen. Da nach Voraussetzung von zwei belie- 
bigen unserer . Punktmengen A, stets die eine eine Teilmenge der andern 
sein muß, ist hier stets 


Apm > Agm 
und bei der ar Zerlegung der Zahlenfolge (1) in zwei Teil- 
folgen «,, .und @,,&,,... muß also nach (4) 
&pm < &gm 


sein. Da die «, nach Voraussetzung überall dicht liegen, ist dann die 
obere Grenze & der Zahlen «,, zugleich auch die untere Grenze der 
Zahlen Ogm- | 

Es sei nun f(P) eine Funktion, die den Bedingungen (3) genügt; 


für jedes p,, ist dann 
Pr < Am <M(lf>a) 


und hieraus folgt | 
f(Po) 2 ap (m=]1, 24 : .) 
und daher auch | 
(5) KP)2 ae. 
Anderseits enthält keine der Punktmengen A,, und daher auch 


[Ü 


keine der Punktmengen M (f> «,,), die ja nach (3) Teilmengen von A,, 


$ 342 Darstellung von Funktionen durch Folgen von Punktmengen 371 


sind, den Punkt P,. Hieraus folgt aber = m 
f(Po) Say, n=1,2,...) 

und daher auch | 

(6) KP)<e. 

Der Vergleich von (5) und (6) liefert uns endlich f(P,) = «. 

Wir haben bisher stillschweigend vorausgesetzt, daß keine der 
Folgen 4,,4,,... und A ,4A,,... leer ist. Im Falle nun, wo P, in 
sämtlichen A, "enthalten ist, muß für jedes k die Relation f(P) > > &, 
bestehen und daher f (F, = +co sein; und ebenso sieht man, daß, 
wenn P, in keinem einzigen der A, liegt, f(P,) = — © ist. Wenn also 
eine Funktion existiert, die unsere Bedingungen (3) befriedigt, so ist 
diese Funktion durch die gegebenen Bedingungen eindeutig definiert. 

Es bleibt also nur noch zu zeigen, daB die von uns konstruierte 
Funktion f(P) den Bedingungen (3) genügt. Dazu bemerke man, daß 
für diese Funktion nur dann 


f(P) > 0%, 
ist, wenn P in A, enthalten ist, und daß daher 
4, >M (f > e,) 


ist. Anderseits ist nach unserer Konstruktion für jeden Punkt von A, 
die Relation f(P) >«, erfüllt und es ist daher auch 


M (> >a,)> 4,- 
Satz 1. Ordnet man einer auf der Zahlenachse überall dicht. Megane 
abzählbaren Folge &,, &%,..., die aus lauter verschiedenen Zahlen besteht, 
eine Folge von Punktmengen A, „Ag, -. . 2u, die in einer Punktmenge E 


enthalten sind, so gibt es dann und nur dann Funktionen f(P) mit dem 
Definitionsbereich E, die den Bedingungen 


M(f>«)>4> M(f>e,) (k=1,2,..) 
genügen, wenn stets aus «,< u, auch A,>- A, folgt, und es kann nie a 
als eine derartige Funktion geben. 
Es gilt ferner der 


Satz 2. Sind auf einer Punktmenge E die Funktionen f =, und 20%) 
wie im vorigen Satze, durch die Bedingungen 


2) M(f2«)> 4 > M(f>a,), . 


(8) | M(9>2.,)> B,> M(y>«,) 
; 24° 





312 Kap. VII. Meßbare Funktionen S 343 








definiert, und ist für jeden Wert der natürlichen Zahl k 


(9) B,<4;, 
so ist auch in jedem Punkte vn E 
p(P)< ICP). 
Aus (7), (8) und (9) folgt nämlich 
M(f>2«)>M(p>.o,), 


und hieraus für jeden Wert von k 
M(f<a) M(p>a,)=0, 


eine Relation, die nicht stets erfüllt sein könnte, wenn in einem Punkte 

von E | 
_f(P)<y(P) 

wäre. 


343. Mit Hilfe der Folge A,, A,,... von Punktmengen, die wir 
im vorigen Paragraphen betrachtet haben, ist es sehr leicht, die Punkt- 
mengen M(f>«) und M(f>e) für jeden beliebigen Wert von « zu 
berechnen. Es sei also « eine beliebige Zahl; wir ordnen die von « 
verschiedenen Zahlen der Folge «,,o,,... in zwei Teilfolgen «, , 
04 und & ,& ,..., so daß die Bedingung 


y Yan 17 97° 

(1) Op < & < ga 
stets erfüllt ist, und betrachten die entsprechenden Folgen von Punkt- 
mengen A,, A,, ... und A,,A,,-... Wir bilden nun die Punkt- 
mengen | 
(2) D, = 4,4, Aa: 
(3) edr2 Fr 2 Tee 
aus der Tatsache, daß die Relation 

. R D,< Arm < Mif 2 0.) 
für jedes »,, gilt, folgt 
(4) D [14 < M f2> e) 5 
Anderseits aber ist für jedes 9,, 

Apm > M(f> Op) > M(fz «) 

und daher auch 
(5) D,= 4,A,::- > MfZe). 


Aus (4) und (5) folgt dann 
(6) D,- Mf2o). 


S 344 Darstellung von Funktionen durch Folgen von Punktmengen 3713 


Ebenso entnimmt man aus 


\ V. > 4. > M(f>«a,); 
was für alle «,, > « gilt, daß 


Vv„> M(f>e«) 

bestehen muß; und aus 
Au <Mf>a,) <M(f>a) ‘ 

folgt nach (3) | 
| Vv,<M(f>e«e), 
also schließlich | 
(7) V,„=Mi(f>e). 
Ferner bekommt man, wenn man (6) und (7) vergleicht, 
(8) Mf=-e)-D,—V.; 


und, wenn man berücksichtigt, daß 
M(f<e) + M(f>e«e)=M(f<a)+ M(f>«)=E 


ist, 
(9) Mf<dJ=E-D,, M(f<se)=E-V,. 


344. Die Betrachtungen des vorigen Paragraphen erlauben uns den 
Satz 3 des $ 136 zu ergänzen. Wir nehmen an, daß der Definitionsbe- 
reich E der Funktion f(P) in sich dicht ist und daß alle unsere Punkt- 
mengen A, relativ zu E abgeschlossen sind ($ 74). Nach dem Satze 2 
des 8 74 ist dann der Durchschnitt von abzählbar unendlich vielen Punkt- 
mengen A, ebenfalls relativ zu E abgeschlossen. Insbesondere sind dann 
die Punktmengen 
a) Mif>«a)-D, 


für jeden Wert von « relativ zu E abgeschlossen und der Satz 3 des 
$ 136 lehrt uns, daß dann f(P) auf E nach oben halbstetig ist. 
Die Bedingung (3) des $ 342 ist insbesondere befriedigt, wenn wir 


4,= M(f2«,) 


setzen und diese letzten Punktmengen sind nach dem $ 136 relativ zu 
E abgeschlossen, wenn f(P) nach oben halbstetig ist. Es gilt also der 

Satz 3. Dafür, daß eine Funktion f(P) auf einer m sich dichten 
Punktmenge E nach oben halbstetig sei, ist notwendig und hinreichend, 
daß für jeden Wert «, einer auf der Zahlenachse überall dichten Folge 
&, &g, . .. die Punktmenge M(f>a,) relativ zu E abgeschlossen sei. 

Genau ebenso kann man ferner zeigen, daß die Funktion f(P) nach 
unten halbstetig ist, wenn alle Punktmengen M(f>«,), falls sie nicht 
leer sind, relativ zu E offen sind. 





374 Kap. VII. Meßbare Funktionen 8 345 





Meßbare Funktionen. 


345. Eine für die Anwendungen besonders wichtige Klasse von 
Funktionen erhält man, wenn man voraussetzt, daß der betrachtete De- 
finitionsbereich Z und die Punktmengen A,, die wir im vorigen Abschnitt 
betrachtet haben, lauter Punktmengen von meßbarem Inhalte sind. 
Marr sagt dann, daß die Funktionen f(P) selbst meßbar sind. 

In diesem Falle sind die Punktmengen D, und V, des $ 343 als 
Durchschnitt bzw. Vereinigung von abzählbar unendlich vielen meßbaren 
Punktmengen ebenfalls meßbar und hieraus folgt, wenn man noch die 
Gleichungen (9) von $ 343 berücksichtigt, daB die Punktmengen 


M(f>e), M(f>e), M(f<e), M(f<e) 


für jeden Wert von « meßbar sind. 

Die Punktmengen M(f=-+ oo) und M(f=— oo) sind dann eben- 
falls meßbare Punktmengen, denn die erste ist gleich dem Durchschnitte 
der Punktmengen 


M(f>n) (n=1,2,3,...) 
und die zweite gleich dem Durchschnitt von 
M(f<-—n) (n=1,2,3,...). 


Ist umgekehrt für jede natürliche Zahl % eine der vier Punktmengen 
M(f>a), Mf>a), Mlf<e,), M(f<e,) 
von meßbarem Inhalte und ist außerdem E meßbar, so können wir für 
die A, stets meßbare Punktmengen wählen. Denn man kann A, durch 
eine beliebige unter den Gleichungen 
A= Mf20)=E-M(<a), 
| A,=M(f>«a)=E- M(f<a,) 
definieren. | 
Hieraus folgt der 
Satz 1. Dafür, daß eine Funktion f(P), deren Definitionsbereich E 
von meßbarem Inhalte ist, selbst eine meßbare Funktion sei, ist notwendig, 
daß für jeden beliebigen endlichen Wert von «& die vier Punktmengen 
M(f2e), M(f>e), M(f<a), M(f<e) 
und außerdem noch die Punktmengen 
M(f=+o5) und M(f=— oo) 
stets einen meßbaren Inhalt besitzen, und hinreichend, daß für jeden Wert «, 


8 346. 847 Meßbare Funktionen 375 


einer auf der Zahlenachse überall dichten absählbaren Zahlenmenge «, ,%,, ..- 
eine beliebige unter den vier Punktmengen 


M(f>«) M(f>a) M(f<a,), M(<S e,) 
meßbar sei. | 


Die Existenz von meßbaren Funktionen wird uns durch den Satz 
geliefert: 


Satz 2. Jede auf einer meßbaren in sich dichten Punkimenge de- 
fimerte halbstetige Funktion ist meßbar. 


Es sei z. B. E eine meßbare, in sich dichte Punktmenge und f(P) 
auf E nach oben halbstetig. Dann ist für jeden Wert von « die Punkt- 
menge M(f>«) abgeschlossen relativ zu E ($ 136) und diese Punkt- 
menge ist daher als Durchschnitt von E mit einer abgeschlossenen 
Punktmenge ($ 74, Satz 1) meßbar. Das Gleiche gilt dann auch nach 
dem vorigen Satze von f(P). 


346. Eine Funktion braucht nicht meßBbar zu sein, wenn für jedes 
« die Punktmenge M(f=«) stets meßbar ist. Wir betrachten z: B. eine 
lineare nicht meßbare Punktmenge A und bestimmen eine Funktion f(x) 
durch die Vorschrift, daß f(x) gleich + x oder gleich — x sein soll, 
je nachdem der Punkt x in A enthalten ist oder nicht. Dann ist die 
Punktmenge M(f>0), die aus der Summe des Durchschnitts von A 
mit der positiven Halbachse und des Durchschnitts der Komplementär- 
menge von A mit der negativen Halbachse besteht, nicht meßbar und 
daher f(P) keine meßbare Funktion. Dagegen enthält die Punktmenge 
M(f=e«) höchstens zwei Punkte und ist daher immer meßbar. 


347. Die folgenden Sätze erlauben mit meßbaren Funktionen zu 
rechnen; sie geben die Möglichkeit, sehr allgemeine meßbare Funktionen 
zu erzeugen, und liefern Kriterien um zu entscheiden, ob eine gegebene 
Funktion meßbar ist. 


Satz 3. Eine Funktion f(P), die auf endlich oder abzählbar unend- 
lich vielen meßbaren Punktmengen C,, Os, ... definiert und auf jeder dieser . 
Punktmengen meßbar ist, ist auch auf der Vereinigung und auf dem Durch- 
schnitte dieser Punktmengen meßbar. 


Wir bezeichnen mit M(f>«) die Teilmenge von V=0,+0,+---, 
auf welcher die gegebene Funktion größer als « ist. Dann ist die Punkt- 
menge | 


M(f>e)- M(f>«)C0, + Mf>d)0,+--- 





376 Kap. VII. Meßbare Funktionen 8 348 


nn nn ee rn nn rn an nn nn 


meßbar, weil nach Voraussetzung jede der Punktmengen M(f>«)C, 
meßbar ist. Aus der Meßbarkeit des Inhalts von M(f>«) für. jedes & 
folgt aber die Meßbarkeit von f(P) auf V. Ferner folgt aus der MeB- 
barkeit von M(f>«) die Meßbarkeit von 


Mf>0)-0GC... 


und aus dieser die Meßbarkeit von f(P) auf der Punktmenge 0, 0,0, .... 

Auf ganz analogem Wege beweist man den 

Satz A. Eine Funktion f(P), die auf einer meßbaren Punktmenge A 
meßbar ist, ist auf jeder meßbaren Teilmenge B von A ebenfalls eine meß- 
bare Funktion. 

Ferner gilt der 


Satz 5. Wenn die Funktion f(P) auf einer Punktmenge C von meß- 
barem Inhalte meßbar ist, so gilt dasselbe von ihrem absoluten Betraige 


AP). 
Es ist nämlich, wenn & > 0 ist, 
M(if>e)= Mif>e) + M(f<-e) 
und, wenn & < 0 ist, 
M(\fi>e) = M(fz20) + M(f<P), 
so daB M(|f|>«) stets als die Summe von zwei meßbaren Punkt- 
mengen angesehen werden kann. 


348. Satz 6. Es sei p(u) eine monotone Funktion, die auf einem 
linearen Gebiete definiert ist und f( P) eine meßbare Funktion; dann ist die 
Funktion 

F(P)=g(f(P)) 
ebenfalls meßbar auf ihrem Definitionsbereiche. 
Ist nämlich a <w << b der Definitionsbereich von p(%), so ist 
Müa<f<b)- Mf>a)-M(f<b) 


der Definitionsbereich von F(P), also jedenfalls von meßbarem Inhalte. 
Ferner ist, wenn z. B. g(w) monoton wachsend ist, für «> g(b—0O), 


die Punktmenge 
(1) M(F>a«) 


leer. Ist aber « <g(b— 0), so bestimme man zunächst auf der u-Achse 
die Punktmenge 
M(p>.e); 


8 849 Meßbare Funktionen 377 





diese besitzt, weil (u) monoton wächst, eine der beiden Gestalten 
u.su<b odr uw<u<bdb. 


Die Punktmenge (1) ist dann identisch mit einer der beiden Punkt- 
mengen 


M(u<sf<b) oder M(u, <f<b) 


und diese sind, wegen der Meßbarkeit von f( P), von meßbarem Inhalte. 
Ganz ähnlich schließt man, wenn der Definitionsbereich von g(w) 
den Punkt v— a oder den Punkt u = b enthält. 


349. Satz 7. Es sei p(u,,Us,.. .,u„) eine endliche und halbstetige 
Funktion von m Veränderlichen, deren Definitionsbereich C perfekt oder 
die Vereinigung von absählbar unendlich vielen perfekten Punktmengen ist. 


Ferner seien die m Funktionen f,(P), ..., f„m(P) eines Punktes P des. 


n-dimensionalen Raumes auf einer meßbaren Pumktmenge dieses Raumes 
definiert und dort endlich und meßbar. Dann besitet die Funktion 
(1) FP)=o(lhP),..., m{P)) 
einen meßbaren Definitionsbereich A und ist meßbar auf A. 

Wir nehmen zunächst an, daß der Definitionsbereich C unserer 
Funktion g(u, ... u) perfekt ist. Dann ist die Komplementärmenge C’ 


von C eine offene Punktmenge, die man als Vereinigungsmenge von ab- 
zählbar unendlich vielen Intervallen 


Jı, Je, J5, ae 
des m-dimensionalen Raumes darstellen kann ($ 73). Jedes Intervall J, 
wird durch die m Ungleichheiten | 
| Jh: 9, <u<b, G=1,2,...,m) 
definiert. Setzen wir zur Abkürzung 


(2) j B,;; Fr M(a,, <f;< b,,)» 
so ist die Punktmenge 


(3) B; =: B;ı Bis u B;m 


die Teilmenge des gemeinsamen Definitionsbereichs B unserer Funk- 
tionen f,(P), für welche der Punkt des m-dimensionalen Raumes mit 
den Koordinaten 


(4) AP), AP), -- -, Fm(P) 
in J, liegt. Die Punktmenge 
(5) | B=B-(B+B+---) 


378 Kap. VII. Meßbare ‚Funktionen $ 3560 








stellt dann die Teilmenge von B dar, für welche der Punkt (4) in C 
liegt, d. h. B, ist der Definitionsbereich von F(P). Wegen der Meß- 
barkeit der Funktionen f,(P) müssen nun nach (2) die Punktmengen 2, ,; 
meßbar sein und das Gleiche gilt dann von den Punktmengen B, und 
von B,- 

Ist nun z. B. die Funktion p(u, ... w,) nach oben halbstetig, so ist 
für jeden Wert von « die Punktmenge 


Re | C(e)= M(y2e) 
eine abgeschlossene Teilmenge von Ü und man beweist genau so wie 


oben, daß die Teilmenge B(«) von B, für welche der Punkt (4) in C(«) 

liegt, meßbar ist. Diese letzte Punktmenge ist aber identisch mit 
M(F >.) 

und daraus folgt die Meßbarkeit von F'(P). 

Wir nehmen zweitens an, daß die Punktmenge C die ange: 
menge von abzählbar vielen perfekten Punktmengen C,, C,,. .. ist. Be- 
zeichnet man dann mit D,, den Definitionsbereich von F(P), wenn man 
den Definitionsbereich von p(u, ...u,) auf C, reduziert, so ist F(P) 
nach dem Öbigen meßbar auf B,, "und wegen des Satzes 3 "des 8 347 ist 
F(P) meßbar auf 


j 
! 


Byat+tDBoet+tBos +. 


Diese letzte Punktmenge enthält aber alle Punkte P des »-dimensionalen 
Raumes, für welche F(P) überhaupt definiert ist; unsere Behauptung 
ist daher vollständig bewiesen- 


350. Satz 8. Die Summe fi +f, und das Produkt f,-f, von zwei 
meßbaren endlichen Funktionen f,(P) und fs(P) sind ebenfalls meßbare 
Funktionen. Das Gleiche yili auch vom Quotienten f,/f,, wenn +0 ist. 

Dieser Satz ist ein einfaches Korollar des vorigen. Man braucht 
nur für p(u,,u,) eine der Funktionen 


— 
_ 


u rer En 


I 
1 


u ee er 


UT U, Ua, — 

2 

zu setzen, von denen die beiden ersten auf der ganzen u, %,-Ebene de- 

finiert und stetig sind und die dritte diese Eigenschaften besitzt, falls 

u +0 ist. Die Punkte der u,%,-Ebene, für welche 4, +0 ist, bilden 

aber eine offene Punktmenge, d.h eine Punktmenge, die man als Ver- 

einigung von abzählbar vielen abgeschlossenen Punktmengen darstellen 
kann ($ 73). 

Es ist übrigens sehr leicht, sich von der Voraussetzung, daß die 

Funktionen /,(P) und f,(P) endlich sein sollen, zu befreien. Es seien 





Sg 351 Meßbare Funktionen 379 


also f,(P) und f,(P) auf einer meßbaren Punktmenge E beliebige meß- 
bare Funktionen und z.B. 


F(P)=-f(P)+f(P) 


in jedem Punkte von E, in dem die Summe rechts einen Sinn hat, und 
F(P)= 0 in den übrigen Punkten von E. Setzt man 


A=-M(i=-+%), B=-M(f--o) (i-1,2) 


so ist nach dem letzten Satze die Funktion F{ P) auf (E-{4,+A,+B,+B,)) 
meßbar. Ferner ist aber F(P)=-+ oo auf der meßbaren Punktmenge 
(A, —A,B)+(A— 4,B) und F(P)=— oo auf (B— B,A,)+ 
(B,— B,4,); endlich ist F(P)=0 auf (A,B, + 4A,B,). Da alle in Be- 
tracht kommenden Punktmengen meBbar sind, muß nach dem Satze 3 des 
$ 347 die Funktion F(P) meßbar auf E sein. 


351. Für den Beweis des Satzes 7 des $ 349 war die Halbstetig- 
keit von (u, ...u,) eine wesentliche Voraussetzung. Aus der Meß- 
barkeit von (u) und f(x) folgt nicht die Meßbarkeit von p(f(x)). Es 
gilt sogar der 

Satz 9. Es gibt meßbare Funktionen-p(u) und monoton wachsende 
stetige Funktionen f(x), so daß die Funktion p(f(x)) wicht meßbar ist 
(vgl. $ 348, Satz 6). 


Dazu setzen wir f(x) gleich der Funktion x(z), die wir im 8 337 
konstruiert haben. Die Funktion 


u=fle) 


liefert dann das eineindeutige und stetige Bild der N In- 
tervalle 
0<zs1l und Osu<I1l 


aufeinander. Man kann ferner das erste Intervall in zwei Punktmengen 
A und B so zerlegen, so daß 


| mA=(0, mB=1 
ıst und für die Bilder A* und B* die Beziehungen 
mAt=1, mBt=0 


gelten. Nun sei C’ eine beliebige, nicht meßbare Teilmenge des ab- 
geschlossenen Intervalls O<xr<1; aus 


C=CA+CB 


380 Kap. VII. Meßbare Funktionen g 352 





und aus 
mlA<mA=0 


C=(’B 


ebenfalls nicht meßbar ist. Wäre sie nämlich meßbar, so müßte ihre 

Summe C’ mit der Nullmenge C’A entgegen der Voraussetzung meßbar 

sein. Das Bild C* von C ist dagegen eine Teilmenge von B* und also 

ebenfalls eine Nullmenge. | 
Nun setze man 


folgt, daß die Punktmenge 


y(w=1 für w<(0* 


und p(u)=0 in allen andern Punkten des Intervall O<u<1. Die 
Funktion p(uw) ist, wie man leicht sieht, eine meßbare Funktion. Da- 
gegen ist | 
M(p(f) > 1) =(, 


also nicht meßbar, und das Gleiche gilt von p(f(x)). 
352. Es seien f‚(P), a (P),... endlich oder abzählbar unendlich 


viele Funktionen, die auf einer Punktmenge A definiert sind; wir setzen 


(1), G(P) = obere Grenze von {f,(P), fs(P), .. .} 
(2) g(P) = untere Grenze von {f,(P), fs(P), -. .}. 


Ferner führen wir zur Abkürzung die Bezeichnung ein: 
B,= M(f,> «), G,= M(,Ze), 


wobei « eine beliebige feste, Zahl bedeutet. 
Ist dann P ein beliebiger Punkt der Punktmenge 


M(G>.), 
d.h. ist 

GP)>«, 
so kann nicht für alle k 

h(P)sSe 


sein. Es gibt also eine ganze Zahl k,, für welche ebenfalls f, (P) > « 
ist, oder mit anderen Worten P ist in B, enthalten. Hieraus folgt aber 


(8) M6G>)<B+B+B+---.. 


Umgekehrt aber ist jeder Punkt P der Punktmenge BB, +B,+--- 
in mindestens einem B, z.B. in B, enthalten; d. h. es ist für diesen 


Punkt 
f,,(P) >« 


$ 358 Meßbare Funktionen 381 
und umsomehr | 

G(P)>«, 
B+B+B+-::-<M(G>.) 
und in Verbindung mit (3) 
(4) M(G>ceo)=B+B+B,+---. 
Ebenso sieht man, daß, wenn P in der Punktmenge 

Mo20) 


woraus folgt 


enthalten ist, für jedes k 
(5) ., AKP)>« 
sein muß, und daß folglich 


(6) Mg>e)<0,G0,... 


ist. Ist umgekehrt P ein beliebiger Punkt von C,0,(0,..., 80 ist für 
jedes % die Bedingung (5) erfüllt, und folglich auch 
ıAP)Ze. 
Hieraus schließt man aber 
0,030, :::<M(92«) 
und mit Hilfe von (6) 
(7) M(g>e)=(0,(,0,.... 


Sind die Funktionen f,(P) alle meßbar, so gilt dasselbe vom Inhalte 
der Punktmengen B, und C, und folglich auch von den Inhalten ihrer 
Vereinigungsmenge und ihres Durchschnitts. Nach den Gleichungen (4) 
und (7) sind dann aber auch die Funktionen G@(P) und g(P) meßbar. 


Satz 10. Die obere Grenze G(P) und die untere Grenze g(P) einer 
Folge von endlich oder abzählbar unendlich vielen meßbaren Funktionen 
sind ebenfalls meßbare Funktionen. | 


353. Man erhält den oberen Limes /(P) einer Folge von abzähl- 
bar unendlich vielen Funktionen 


K(P), AP), .--, 


indem man die Funktionen 


p,(P) — obere Grenze von {f,(P), fu1(B). --) 
und hierauf die untere Grenze der Folge 


9(P), P(P),.-- 


bestimmt. Ähnlich wird der untere Limes f(P) dieser Funktionen- 
folge berechnet. Sind die Funktionen f,(P) alle meßbar, so sind es nach 


\ 


382 . Kap. VII. Meßbare Funktionen 8 354 


dem vorigen Satze die Funktionen p,(P) ebenfalls, und ebenso auch die 
untere Grenze dieser letzten Funktionen. Man kann also sagen: 


Satz 11. Die beiden Hauptlimites einer Folge von absählbar unendlich 
vielen meßbaren Funktionen sind meßbare Funktionen. 
- Imsbesondere ist die Grenze einer konvergenten Folge von meßbaren 
Funktionen ebenfalls eine meßbare Funktion. 


354. Über die Konvergenz von Folgen imeßbareı Funktionen gilt 
folgender bemerkenswerter 

Satz 12. Die Punkte des a: in denen eine beliebige Folge von 
meßbaren Funktionen gegen eine endliche Zahl konvergiert, bilden stets 
eine meßbare Punktmenge C. Ist der Inhalt von C von Null verschieden 
und « eine beliebige Zahl, die der Bedingung 


(1) nn 0<a<mtl 
genügt, so gibt es meßbare Teilmengen C, von C, für welche 
mÜ,2« 


ist, und in denen die Konvergenz der gegebenen Folge eine gleichmäßige ist. 

Wir bezeichnen wieder mit f(P) und f(P) die beiden Hauptlimites 
unserer Folge und betrachten die Punktmenge 

| Ü=-Mf<+@)Mf>— o); 

diese Punktmenge C” besitzt wegen der Meßbarkeit von /(P) und f(P) 
einen meßBbaren Inhalt. Auf C” ist die Funktion (f(P) — f(P)) überall 
definiert, endlich und meßbar. Die Punktmenge C, auf welcher unsere 
Folge gegen eine 'endliche Zahl konvergiert, ist aber identisch mit der- 
jenigen Teilmenge von C’, auf welcher /(P)— f(P) = 0 ist; sie ist also 
ebenfalls meßbar. 

Ist nun mC > 0 und eine positive Zahl, die der Relation (1) a: 
nügt, so gibt es positive Zahlen &, für welche 

O<a+te<m(l 


ist und meßbare Teilmengen C, von C, deren Inhalt endlich ist, und 
die der Bedingung _ 
(2) m(, > a +8 


genügen. ‘Auf CO, ist lim f.(P)=f(P) endlich; wir definieren ferner 
auf dieser. Punktmenge die Funktionenfolge 


- 9,(P) = obere Grenze von {/f,—f|, Iarı fl; - --}- 


8 354 Meßbare Funktionen ‚383 


— mn 0 nn 





Die Funktionen f{P) und p,(P) sind nach den vorigen , Sätzen meB- 
bar auf O,. Außerdem ist 


(8) Pnr(P)<Y,(P) und 9,20, 
und, weil f(P) in jedem Punkt von ©, endlich ist (vgl. den $ 97), 
(4) lim 9,(P) =0. 


Wir bemerken ferner, wenn die Folge 9,, 9,, . . . in einer Teilmenge 
C, von C, gleichmäßig konvergiert, so muB dasselbe für die ursprüng- 
liche Folge f,(P), ,(P), -.. gelten. Wir brauchen also nur den Satz 
für die 9,(P) zu beweisen. 

Es sei jetzt A eine beliebige positive Zahl; wir setzen zur Abkürzung 


(5) 4,0) = M(9,>}) 
und wegen (3) ist dann 
(6) Ad) <A). 


Wegen (4) liegt jeder einzelne Punkt von C, in nur endlich vielen A, (A); 
es ist also 
2) lim A,(4) = 


und da die Punktmengen (5) meßbar sind und als Teilmengen von (C, 
einen endlichen Inhalt besitzen, so ist wegen (6) und (7) nach dem 
Satze 9 des $ 247 | 

(8) .  limmA4(l) = 

Man setze jetzt der Reihe nach 


1 1 1 
my re a 
zunächst gibt es, wegen (8), ein n,, so daß | | 


ist, wobei & dieselbe Bedeutung ei wie in der ungesahät (2); hierauf 
gibt es ein n,, so daB 


mA,, (z} < 5: 


ist, und allgemein ein »,, so daß 


1 8 
(9) mA (5) <;r 
stattfindet. Wir bilden jetzt die Vereinigungsmenge 
10) VA HAN F- 





384 | Kap. VII. Meßbare Funktionen g 856 


an mn nn en _ u 





aller dieser abzählbar unendlich vielen An, ( F: 
gesuchte CO, j 
(11) = V. 


) und setzen für das 


Unsere Bedingungen sind dann alle erfüllt; in der Tat ist erstens, wegen 
der Relationen (9) und (10) 


m’<statat 8 
und hierauf wegen (2) 
mÜ,= mL, — mV 

| >a, 
wie es sein soll. 

Ist jetzt dö eine beliebige positive Zahl, so wähle man die ganze 
Zahl p, so daß ä 

| us Ö 


ist, und bemerke, daß, weil die Punktmenge C, nach (10) und (11) 
keinen einzigen Punkt von A„,_,(1:7) enthält, die obere Grenze 
G(Pr,_1;C,) Von 9n,_, auf C, nicht größer als 1:p und folglich kleiner 
als d ist. Hieraus folgt aber nach (3) 


G(9;0)<6 für k>2n,_ı 


und damit ist die gleichmäßige Konvergenz der Folge 9, (P), 9, (P), ... 
auf C_ bewiesen. 


355. Der Satz des vorigen Paragraphen läßt sich übrigens nicht 
dahin verschärfen, daß man die Punktmenge C, durch einen maßgleichen 
Kern von C ersetzt. Folgendes Bei- 
spiel zeigt diese Unmöglichkeit. 

Es sei die Folge von Funktionen 
einer Veränderlichen 


4) Aa), h@),... (ses) 


folgendermaßen definiert: Die Funk- 
tion f,(x) sei außerhalb des Intervalles 


- gleich Null, in diesem Intervalle stück- 
weise linear und durch die Ecken 


59-09, rl) Aa) n)-0 


8 356 Endlichwertige Funktionen 385 


bestimmt (Fig. 27). Dann ist für jedes x 
Jim fs ()=0. 


Es sei nun im een Interral O<x<1 eine beliebige 
Punktmenge B gegeben, die den Häufungspunkt x = 0 besitzt. Dann 
konvergiert die Folge (1) nicht gleichmäßig gegen Null auf B. Denn 
ist N eine natürliche Zahl, so gibt es in = nach Voraussetzung einen 


Punkt P, dessen Abszisse x, kleiner als ——— ist, Dann gibt es sicher 





N+i nn 1 
eine ganze Zahl k > 0, so daß 
1 1 
wrrpShSwrrri 
ist, woraus folgt, daß 
14r(%0) =1 


ist. Wie groß also auch N gewählt ist, so gibt es stets eine Funktion 
der Folge mit nicht kleinerem Index, die sich in einem Punkte P von 
B um Eins von der Grenzfunktion unterscheidet, was der gleichmäßigen 
Konvergenz auf B widerspricht. 

Ist also A eine solche Teilmenge des abgeschlossenen Intervalls 
0<z<1, auf welcher unsere Folge gleichmäßig gegen Null kon- 
vergiert, so darf der Nullpunkt kein Häufungspunkt von A sein. Dies 
hat aber zur Folge, daß die Komplementärmenge von A notwendig ein 
Intervall O<x<n enthält, und daß also mA <1 ist. 


Endlichwertige Funktionen. 

356. Die einfachsten Funktionen sind solche, die nur endlich viele 
voneinander verschiedene Werte annehmen; sie sollen endlichwertig 
genannt werden. 

Eine endlichwertige Funktion f(P), welche die p Werte «,,@,,...,«, 
annimmt, ist eindeutig bestimmt, wenn man die » Punktmengen 


(1) A,=M(f>«,) (k=1,2,...,P) 
kennt; ist unter den «, der Wert + oo vertreten, also z.B. a, = nn oo, 
so muß man die pte Gleichung (1) durch 

A,= M(f=+%) 
ersetzen. Man kann dann in der Tat für jede reelle endliche Zahl « die | 
ee A(e) = M(f> «) 


bilden. Ist « größer als die größte unter den Zahlen «&,,...,«,, 80 ist 


die Punktmenge A(«) leer; im entgegengesetzten Falle ist, wenn man 
Carath&odory, Beelle Funktionen. 25 





386 Kap. VI. Meßbare Funktionen 8 356 


mit «, die kleinste unter den Zahlen «,,..., a&, bezeichnet, die nicht 
kleiner als « ist, | 
(2) A(«) = A(c;) = 4;. 


Man kann sich umgekehrt die Punktmengen A,, A,, ..., A, be- 
liebig vorschreiben, wenn sie nur die Bedingung (4) des $ 342 erfüllen ; 
d.h. es muß, wenn «,> «, ist, die Punktmenge A, eine Teilmenge von 
A, sein. 

Ist die Funktion f(P) meßbar, so müssen die Punktmengen A, alle 
meßbar sein; umgekehrt folgt aus der Meßbarkeit der A, nicht nur die 
Meßbarkeit des Definitionsbereichs von f(P), sondern auch die Meßbar- 
keit von f(P) selbst, wie aus den Gleichungen (2) und dem Satz 1 des 
$ 345 folgt. Es gilt also der 


Satz 1. Für die Meßbarkeit einer endlichwertigen Funktion f(P), 
welche die Werte «,,..., «, annimmt, ist notwendig und hinreichend, daß 


die p Punktmengen 
= u 4;= M(f2 «,) (k=1,2,...,P) 
einen meßbaren Inhalt besitzen. 


Ist die Funktion f(P) auf ihrem Definitionsbereich E nach oben 
halbstetig, so müssen alle A, relativ zu E abgeschlossen sein, ist das 
aber der Fall, so folgt aus den Gleichungen (2) und aus dem Satze 3 des 
$ 136, daß fı (P) nach oben halbstetig ist. 

Um das analoge Resultat für Funktionen, die nach unten halbstetig | 
sind, a bemerke man: wenn « eine Zahl bedeutet, die von 
den p Zahlen «, . -&%, verschieden ist und die von einer dieser Zahlen 
übertroffen wird, so ist 


(3) Mf>o)=-M(f2«)— 4A 
wenn man mit a, die kleinste unter den Zahlen «, ... a, bezeichnet, die 
« übertrifft. Hat man ferner z.B. &, =— oo, so ist A = E. Hieraus 


folgt, daß wenn f( P) nach unten halbstetig ist, sämtliche Punktmengen A; 
relativ zu E offen sein müssen. Ist aber dieses der Fall, so entnimmt 
man .aus (3), daß jede Punktmenge M(f>«) für alle «, die von 
(&y...,&,) verschieden sind, leer oder relativ zu E offen ist. Nach 
dem $ 344 ist aber dann f(P) nach unten halbstetig und wir haben den 


Satz 2. Dafür, daß eine endlichwertige Funktion f( P) nach oben halb- 
stetig sei, ıst es notwendig und hinreichend, daß die Punktmengen A, relativ 
zum Definitionsbereich E von f(P) abgeschlossen seien. Für die Halb- 
stetigkeit nach unten ist notwendig und hinreichend, daß die Punktmengen 
A, relativ su E offen seien. 


$ 357 Endlichwertige Funktionen 387 


357. Es sei jetzt, ebenso wie im $ 342, eine ganz beliebige Funk- 
tion f(P) auf einer Punktmenge E durch eine Folge A,, A,,... von 
Punktmengen definiert, die den Bedingungen 


(1) Mf2«a)>4>M(f>«) 
genügen; hierbei ist wieder die Zahlenfolge «a,, a,,... überall dicht auf 
der Zahlenachse gewählt. Wir bezeichnen mit 9,(P), 9,(P),... eine 
Folge von endlichwertigen Funktionen, die auf E folgendermaßen de- 
finiert sind: Die Funktion 9,„(P) nimmt höchstens nur die (m +1) 
Werte — 0, &,, &%,..., «, an, und wird durch die Gleichungen 
My,.2a)=A (k=1,2,...,m) 
Mo9u--&)-E-(4+4+:: +4) 
definiert. Die Funktionenfolge der p,(P) ist monoton wachsend: ist 
nämlich «,,, kleiner als die kleinste unter den m Zahlen «a,,...,@,, 
die wir z. B. mit «, bezeichnen, so unterscheidet sich die Funktion 
Pm+(F) von 9„(P) nur dadurch, daß sie in den Punkten von (A„,,—4,) 
den Wert «,„,, statt des Wertes — oo annimmt. Ist zweitens «,,| 
größer als die größte der Zahlen «,.... «,, so erhält man 9, ,,(P), in- 
dem man Par On in (E— Au 41) und Pn+ı Rm+i in Amrı setzt. 
In jedem anderen Falle gibt es unter den («,,...,«,) zwei Zahlen «, 
und «,, die der Bedingung 

Op < Om+i1 < % 


genügen, so daß alle übrigen («,,...,«,„) entweder kleiner als a, oder 
größer als «, sind, und man erhält p,,,, indem man in (A„,, — 4.) 


Pu+ılF) =. P(P) nu (Auyı — &,) 
und in E- (A114) 


(2) 


| Pm+1lP) = Pm(P) 

setzt. Es ist also stets und für jeden Punkt von E 
@) Pur (PD) > 9ulD), 
und daher existiert der Grenzwert 
() lim 9(P) = P(). 
Ist P irgendein Punkt der Punktmenge A,, so ist nach (2) 

| PmlP)> on 
und daher auch nach (3) und (4) 

y(P)Zan; 


25* 


388 Kap. VI. Meßbare Funktionen 5 367 


dieses Resultat kann man schreiben: 

Ce M(9 20) > An (m—1,2,...) 
Ist anderseits Q irgendein Punkt der Punktmenge M(p>«,), so muß 
nach (4) mindestens eine natürliche Zahl p > m existieren, für welche 


| (VD « 
ist; hieraus folgt aber 
i a <M(9,2 0, = An 
und daher ist auch 
(6) M(p>«,) < 4,: (m =1, 2,4%) 


Nach dem Satze 1 des $ 342 gibt es aber nur eine einzige Funktion, für 
welche die beiden Relationen (5) und (6) zugleich erfüllt sind, und da 
nach (1) die Funktion f(P) diese Relationen befriedigt, muß man haben 


(7) p(P) = limg„(P)=f(P). 


Ist die Funktion f(P) meßbar, so kann man voraussetzen, daß so- 
wohl der Definitionsbereich E wie auch die Punktmengen A, meßbar 
sind, und dann sind die Approximationsfunktionen ,(P) ebenfalls 
meßbar ($ 356, Satz 1). 

Ist E eine in sich dichte Punktmenge und /(P) nach oben halb- 


stetig auf E, so setze man | 
A=M(f2«); : 


dann sind die Punktmengen A, abgeschlossen relativ zu E und die Funk- 
tionen 9,(P) sind dann ebenfalls nach oben halbstetig. 

Ist dagegen f(P) nach unten halbstetig, so setze man 

A,=M(f>«,) 
und man zeigt ebenso, daß die Funktionen p,„(P) Tine unten halb- 
stetig sind. 

Ist endlich f (P) nach unten beschränkt, d. h. die a Grenze g 
von f(P) auf E eine endliche Zahl, so. führe man eine Folge von Ap- 
proximationsfunktionen %, (P) ein, die dadurch definiert ist, daß man 
v„(P) gleich der größten unter den beiden Zahlen g und p,(P) setzt. 
Die Funktionen %,(P) sind dann beschränkt und zugleich mit den 
@„(P) meßbar oder nach oben oder unten halbstetig ($ 132, Satz 10). 
Wir haben daher den 

Satz 3. Man kann jede beliebige Funktion f(P) auf ihrem Definitions- 
bereich, E als Grrense einer monoton wachsenden Folge von endlichwertigen 
Funktionen v,(P) ansehen, welche dieselbe untere Grenze g wie f(P) und 
eine endliche obere Grenze besitzen. 


S 358. 369 Ä Äquivalente Funktionen | 389 


Ist f(P) meßbar oder nach oben oder unten halbstetig, so kann man 
von den y,(P) voraussetsen, daß sie die gleiche Eigenschaft besitzen. 


358. Wir betrachten eine Teilmenge E, unseres Definitionsbe- 
reiches Z, auf welcher die gegebene Funktion f(P) beschränkt ist. 
Dann sind die beiden Zahlen ($ 121) 


9, = 9; #,); G,=G(f; E) 
endlich und man kann, wenn man sich eine positive Zahl e vorgibt, das 
Intervall PER. 


durch endlich viele Teilpunkte in Teilintervalle zerlegen, deren Länge 
die Zahl e:2 nicht übertrifft. Hierauf kann man die natürliche Zahl m, 
so wählen, daß mindestens eine von den Zahlen «,,«,,...,«,, in jedem 
dieser Teilintervalle liegt. Ist dann P irgendein Punkt von E, und be- 
zeichnet man mit «, die größte unter den Zahlen «,,.. die f(P) 
nicht übertrifft, so ist 

() O<MDM-.<e. 


Der Punkt P liegt also in der Punktmenge 

M(f>«,) = 4, 
und für jeden Punkt dieser Menge ist nach unserer Konstruktion 

.<pm(P)SAP); 
es ist also auch nach (1) 
0<f(P)-9,(P)<e. 

Da nun einerseits P einen beliebigen Punkt von E, bedeutete und die 
Folge 9,(P), 9,(P), . .. monoton wächst, folgt aus der letzten Relation, 


daß diese Funktionenfolge auf E, gleichmäßig konvergiert; das Gleiche 
gilt natürlich auch von der Folge y,(P), v(P), ..-- 


Satz 4. Auf jeder Teilmenge E, von E, in welcher die Funktion f(P) 
beschränkt ist, ist die monoton wachsende Folge der endlichwertigen Funk- 
tionen v,(P), v,(P), - .. . gleichmäßig konvergent. 


ar 


Äquivalente Funktionen. 


359. Definition. Von zwei Funktionen f(P) und g(P) sagen 
wir, daB sie auf einer Punktmenge A äquivalent sind und 


schreibe 
ne pnf (auf A), 





390 Kap. VII. Meßbare Funktionen 8 360 

















wenn sie in jedem Punkte von A außer höchstens in einer 
Punktmenge vom Inhalte Null übereinstimmen. 


Es seien f,(P) und f,(P) zwei Funktionen, die auf einer und der- 
selben Punktmenge A einer dritten Funktion p(P) äquivalent sind. Setzt 
man dann 

N, = M(fh=*#py), N-Mih+p), 
so sind also N, und N, Nullmengen und dasselbe gilt von ihrer Ver- 
einigungsmenge (N, + N,). Nun ist aber 
 MhthR)<N+N, 
und hieraus folgt, daß f,(P) und /,(P) äquivalente Funktionen sind. 


Satz 1. Sind f,(P) und f,(P) zwei Funktionen, die auf derselben 
Punktmenge A einer dritten Funktion p(P) äquivalent sind, so sind die 
beiden Funktionen f,(P) und f,(P) einander äquivalent auf A. 

Folgender Satz ist evident: 

Satz 2. Sind zwei Funktionen auf einer Punktmenge A äquwalent, 
so sind sie es auch auf jeder Teilmenge B von A. 

Ferner gilt aber auch der 


Satz 3. Sind die Funktionen f,(P) und f,(P) auf jeder der abzähl- 
bar unendlich vielen Punktmengen A,, A,, . - . äquivalent, so sind sie es 
auch auf der Vereinigung V dieser Punktmengen. 


Bezeichnet man nämlich mit N, diejenigen Punkte von A,, für 
welche f, + f, ist, so sind diese Punktmengen lauter Nullmengen. Da- 


her ist auch NSNENFN Lee: 


eine Nullmenge; diese letzte Punktmenge enthält aber sämtliche Punkte 
von V, für welche f, + fa ist. ı 


360. Wir betrachten zwei Paare von Funktionen f,(P),9,(P) und 
fr,(P), 9,(P), die auf einer Punktmenge A äquivalent sind, so daß man 


schreiben kann 
h(P)» pı(P), f(P) SPP). 
Wir führen die Bezeichnungen ein 
N=M(,#+p) ;=M(h+9) N=NMH+HN;; 


ferner sei A’ diejenige Teilmenge von A, in welcher die Operation 
(fi +f,) und A” diejenige Teilmenge von A, auf welcher die Operation 
(9, + 9,) ausführbar ist ($ 22). Die Punktmenge A’A” ist dann die- 


$ 360 Äquivalente Funktionen 391 





jenige Teilmenge von 2 in welcher beide Operationen ausführbar sind. 
Wir betrachten nun diejenige Teilmenge N’ von A’A”, auf welcher 
(+) + (9, +9;) ist; in jedem Punkte von (A’A”— A'A"N ) ist so- 
wohl /,=9, als auch = Yp, und man hat daher 


AA AA'N< AA — N’ 
oder 
N<AA"N. 


Da nun N, und N, nach Voraussetzung Nullmengen sind, gilt dasselbe 
von N’, d. h. die Funktionen (f, + /%) und (9, + 9,) sind auf 44” 
äquivalent, 

Genau ®benso beweist man die übrigen Behauptungen des folgen- 
den Satzes: 


Satz 4 Aus f,(P)mg,(P) und (P)»g9,(P) auf einer Punkt- 
menge 4A folgt 
PA +RPpP)ERlP), 


f(P)-k(P) » yı(P)- PP), 


h (P) 9 (P) 
Rh (DT 9,(P) 


auf denjenigen Teilmengen von A, in welchen diese Operationen ausführ- 
bar sind. 


Endlich beweisen wir den 


Satz 5. Sind f,(P), a(P),... und 9,(P), 9,(P),... swei Folgen 
von Funktionen und ist auf einer Punktmenge A für jede natürliche 


mn. .(P)» 9(P); 


so sind die Funktionen, die man dadurch erhält, daß man die oberen oder 
unteren Grenzen oder die Hauptlimites der beiden Folgen zugleich bildet, 
ebenfalls äquivalente Funktionen. 


Bezeichnet man nämlich mit N, die Nullmenge, in welcher 
f,(P) + y,(P) ist, und setzt 


N=N+N+N+--- 
so ist N eine Nullmenge und in jedem Punkte der TER (A—N) 
ist für jedes k 
fx(P) = HP). 


Auf der Punktmenge (A— N) stimmen also die oberen und unteren 
Grenzen oder Limites der beiden Folgen überein. 











Es Leere = 
rer sa 3 A: & = 


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[1] 
[17 
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—_. = = B 
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F* 


392 Kap. VII. Meßbare Funktionen $ 361 


361. Die Darstellung von Funktionen, die wir im $ 342 be- 
trachtet haben, liefert ein bequemes Kriterium, um die Äquivalenz von 
zwei Funktionen zu untersuchen. Wir betrachten zwei beliebige Funk- 
tionen f(P) und y(P), die auf einer Punktmenge E durch zwei Folgen 
A,,As,.-. und B,, B,, - .. von Punktmengen definiert werden, die 
den Relationen 
(1) | M(fz«)> 4, > M(f>«) 

M(p2>a«,) > B,> M(p>e,;) 
genügen. Hierbei soll wieder die Zahlenfolge «,, &,,.... überall dicht 
auf der Zahlenachse liegen. Ist nun P ein Punkt von E, in welchem 
f(P) > y(P) ist, so gibt es in der Folge der «, mindestenggeine Zahl «,,, 


die der Relatı : 
ie der Relation f(P)> a,> p(P) 


genügt. Dann ist aber P ein Punkt von M(f>«,), aber sicher kein 
Punkt von M(p>«,) und daher nach (1) in A,, aber nicht in B, ent- 
halten; unser Punkt P ist m. a. W. in (A, — A 2 ) und umso eher in 


’ 
p 
(2) (A, — 4,B,) 7 (A, u A,B,) et 
enthalten. Hiermit ist aber gezeigt, daß jeder Punkt, in welchem 
f(P) > y(P) ist, in (2) enthalten ist, oder, daß B 
M(f> 9) = (A, — A,B,) % (A,— 4,B,) Te 
ist. Ebenso findet man 
. Mf<p)<(B-AB)+B-4B)+-. 
Setzt man also zur Abkürzung 
(3) G= (A, — 4,B,) ae (B, — A,B,), 
so gilt stets die Relation 
Mf+p)<0Q,+G+6G+--.. 


Sind die C, lauter Nullmengen, so sind die beiden Funktionen f(P) und 
p(P) äquivalent auf E. Ist umgekehrt dieses der Fall und setzt man 
zur Abkürzung 

& Ad)=M(f>e), Ba)-Mg>), 

so sind die Punkte der Menge (A(«) — A(«) B(«)) + (B(e) — A(c) B(«)) 
lauter solche, in denen f=F 9 ist, und diese Menge muß den Inhalt Null 
haben. Wir haben also den 


Satz 6. Eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß zwei 
Funktionen f(P) und p(P) auf einer Punktmenge E äquivalent seien, be- 


8 362 Die Klassen von Baire 393 


steht darin, daß man die Punktmengen A, und B, gemäß (1) so bestimmen 
kann, daß für jedes k die Punktmengen CO, Nullmengen sind. 

Sind die Funktionen f(P) und p(P) äquivalent auf einer meßbaren 
Punktmenge E und die Funktion f(P) meßbar auf E, so ist nach (4) 
die Punktmenge A(«) für jedes « meßbar und die Punktmengen 
(A(@)— Ale) B(e)) und (B(e)— A(c)B(«)) sind außerdem Nullmengen. 
Dann ist aber die Punktmenge 
2 B(&) = A(a)B(«) + (B(e) — A(e).B(e)) 

= A(a) — (Ale) — A(a) B(e)) + (B(a) — A(c).B(e)) 


auch eine meßbare Punktmenge, und weil dies für jeden Wert von « 
gilt, haben wir den 


Satz 7. Ist eine Funktion f(P) auf einer meßbaren Punkimenge E 
meßbar und dort emer Funktion p(P) äquivalent, so ist p(P) ebenfalls 
meßbar auf E. 





Die Klassen von Baire. 


362. Es sei A eine in sich dichte Punktmenge und A die abge- 
schlossene Hülle von A; ferner sei f(P) eine beliebige. Funktion, die 
auf A gegeben ist. Die oberen und unteren Limesfunktionen &(P) und 
p(P) der Funktion f(P) sind auf der Punktmenge A definiert ($ 123). 
Für die Stetigkeit der gegebenen Funktion f(P) auf A ist notwendig 
und hinreichend, daß in jedem Punkte von A die Gleichung 
(1) aP)=g(P) 
bestehe ($ 127). Ist die Gleichung (1) nicht nur in jedem Punkte von A, 
sondern sogar in jedem Punkte von A erfüllt, so sagen wir nach Herrn 
R. Baire, daß die Funktion f(P) auf A von der nullten Klasse ist. 
Ist A perfekt, so ist jede stetige Funktion auf A von der nullten Klasse 
und umgekehrt; ist A aber nicht abgeschlossen, so ist zwar jede Funk- 
tion, die auf A von der nullten Klasse ist, jedenfalls auf A stetig, aber 
man kann leicht Funktionen konstruieren, die zwar auf A stetig, aber 
nicht von der nullten Klasse sind; dies ist z. B. für die stückweise lineare 
Funktion des $ 227 der Fall. 

Wir betrachten nun Funktionen, die wir auf der Parkinihge A 
durch Grenzübergänge aus den Funktionen nullter Klasse bilden können. 
Wir nennen Funktionen erster Klasse auf A, diejenigen, die wir als 
Grenze einer konvergenten Folge von Funktionen nullter Klasse und all- 
gemein Funktionen pter Klasse diejenigen, die wir als Grenze einer 
konvergenten Folge von Funktionen (p —1)ter Klasse darstellen können. 











r 


394 Kap. VII. Meßbare Funktionen 8363 











Dabei brauchen unsere Folgen "natürlich nur auf A, nicht aber auch 
auf A zu konvergieren. 

Da man jede Funktion pter Klasse auch als Grenze einer konver- 
genten Folge von Funktionen derselben Klasse ansehen kann (dies ist 
z. B. der Fall, wenn die verschiedenen Funktionen der Folge alle ein- 
ander gleich sind), so umfaßt jede Klasse von Funktionen auch alle vor- 
hergehenden, d. h. jede Funktion pter Klasse ist auch (9 + 1)ter Klasse. 
Um die Einführung von Funktionen pter Klasse zu rechtfertigen, muß 
man daher zeigen, daß es wirklich Funktionen gibt, die pter aber nicht 
(p—1)ter Klasse sind. Dies ist für die zwei ersten Klassen, die in 
unseren Anwendungen allein eine Rolle spielen, äußerst einfach. Die 
Funktion des $ 169 ist höchstens von der ersten Klasse, da sie aber un- 
stetig ist, kann sie nicht von der nullten Klasse sein. Die Dirichletsche 
Funktion (8 170) ist höchstens von der zweiten Klasse; da sie aber auf 
einer perfekten Punktmenge definiert und total unstetig ist, kann sie nach 


dem Satze von Baire ($ 176, Satz 6) nicht von der ersten Klasse sein. 


363. Satz 1. Ist auf einer Punktmenge A eine Funktion f(P) von 
der pten Klasse, so ist f(P) auf jeder in sich dichten Teilmenge B von A 
ebenfalls von der pten Klasse. N 

Ist f(P) von der nullten Klasse, so ist die Behauptung evident; 
denn die abgeschlossene Hülle B von B ist eine Teilmenge der abge- 
schlossenen Hülle A von A. Bezeichnet man also mit ®,(P) und , (P) 
die Limesfunktionen von f(.P), wenn man den Definitionsbereich dieser 
Funktion auf B reduziert, so ist in jedem Punkte von B 

y(P)Sp(P) SA (P)<S HP) 
und wegen der Gleichung (1) des vorigen Paragraphen müssen diese Zahlen 
überall auf B einander gleich sein. 

Nehmen wir nun an, der Satz wäre für Funktionen der (p— 1)ten 
Klasse bewiesen. Jede Funktion pter Klasse auf A ist als Grenze von 
Funktionen (p — 1)ter Klasse auf A därstellbar, also ist sie es nach 
unserer Voraussetzung auch auf B und somit von der pten Klasse auf B. 

Eine unmittelbare Folge des letzten Satzes ist der 

Satz 2. Eine auf der Punktmenge A definierte Funktion f(P), die 
man auf der abgeschlossenen Hülle A von A zu einer Funktion pter Klasse 
auf A ergänzen kann, ist von der pten Klasse. 

Nach der Definition der Funktionen nullter Klasse Een man auch 
umgekehrt jede Funktion, die nullter Klasse auf A ist, zu einer Funk- 
tion nullter Klasse auf A ergänzen. Für höhere Klassen ist dies aber 
nicht mehr der Fall; es kann Funktionen erster Klasse auf einer Punkt- 
menge A geben, die man nur zu Funktionen zweiter Klasse auf A er- 


S 364 Die Klassen von Baire 395 














gänzen kann, w wie z.B. die Funktion des $ 370, wenn man ihren Defi- 
nitionsbereich auf einen maßgleichen Kern des abgeschlossenen Intervalls 
O<z<1 reduziert, auf welchem sie nach dem Satze 8 des $ 372 von 
der ersten Klasse ist. 

364. Wir beweisen nun den 

Satz 3. Es seien f,(P) und fs(P) beide von der pten Klasse auf der 
Punktmenge A; bezeichnet man mit W(P) die größere, mit v(P) die 
kleinere der beiden Zahlen f,(P) und f,(P), so sind die erklärten Funk- 
tionen y(P) und P(P) ebenfalls auf A von der. pten Klasse. 

Sind die gegebenen Funktionen f(P) und f,(P) beide von der 
nullten Klasse, so kann man sie zu stetigen Funktionen auf der abge- 
schlossenen Hülle von A ergänzen. Die Funktion, die in jedem Punkte 
von A gleich der größeren dieser letzten beiden Funktionen ist, ist nach 
dem Satze 10 des $132 auf A stetig; anderseits ist sie aber gleich PP) 
auf A. Die Funktion PP) ist also von der nullten Klasse. 

Wir nehmen jetzt an, der Satz sei. bewiesen, wenn die gegebenen 
Funktionen von der (p—1)ten Klasse sind. Sind dann f,(P) und /,(P) 
von der pten Klasse, so kann man schreiben 


fi) lim fulP), AP) = lim fuP), 


wobei f,,(P) und f,,(P) von der (p—1)ten Klasse sind. Setzt man 

%,(P) in jedem Punkte von A gleich der größeren der beiden Zahlen 
fi,(P) und f,,(P), so ist nach Voraussetzung P,(P) von der P- l)ten 
Klasse und, da man anderseits hat 


w(P) = lim W,(P), 
k=o 


so ist Z(P) von der pten Klasse. Ganz ebenso behandelt man die 
Funktion v(P). 
Ein wichtiges Korollar des vorigen Satzes ist der 
Satz 4. Auf einer Punktmenge A sei die Funktion f(P) von der. 
pien Klasse; dann ist die Funktion p(P), die durch die Bedingungen 
p(P)=f(P) uf Mla<f<Pp), 
y(P)= a „ M(f<e), 
definiert ist, wobei « und ß zwei beliebige Zahlen bedeuten und « < ß ist, 
ebenfalls von der pten Klasse auf A. 
In der Tat bekommt man p( P), indem man zuerst eine Funktion p,(P) 
konstruiert, die gleich der kleineren der beiden Zahlen f( P) und ß ist, und 
hierauf p(P) gleich der größeren der beiden Zahlen & und , (P) setzt. 


396 Kap. VII. Meßbare Funktionen $ 564 


Satzd5. Bezeichnet man mit 9 und G die untere und obere Grrenge einer 
Funktion f(P), die auf A von der p"" Klasse ist, wobei p >1 ist, so kann 
man f(P) als Grenze von beschränkten Funktionen (p— 1)ter Klasse dar- 
stellen, deren untere und obere (Grrenzen zwischen g und G liegen. 


Wir bemerken zunächst, daß g<@ ist, da firrg= @ die Funk- 
tion f(P) konstant und daher von der nullten Klasse wäre. Wir können 
dann zwei monotone Zahlenfolgen 
(1) AH>NR>I> 
(2) a<aG<@<-:- 
konstruieren, von denen die erste gegen 9 und die zweite gegen @ kon- 


vergiert, und dabei voraussetzen, daß 9, < @, ist. . 
Wir bezeichnen mit 9, (P), p,(P),.... eine Folge von Funktionen 


(p—1)ter Klasse, die gegen f(P) konvergieren, und setzen 


(3) HP) = p(P) auf M(,<y,<Q,): 
(4) _ (P)=9, „ M(g,<9) 
(5) „(P) er G, p2) M(g, > G,)- 


Die Funktionen f,(P) sind dann alle beschränkt und ihre oberen und 
unteren Grenzen liegen zwischen g und @. Es sei P, ein Punkt von 
M(9g<f<G); man kann dann eire natürliche Zahl n, angeben, so daß 


und hierauf eine Zahl n, > ", ‚so daß für alle n>n, 
P, (P 0) < G, 
ist. Es ist dann aber 9,<g, und G,> G, und nach (3) 
N f„(Po) = p,(Po): 
und hieraus folgt 
(6) un AP) = lm 1 pu(lPo) > = f(P,). 
Es sei zweitens P, ein Punkt der Punktmenge M(f=9); es gibt 
dann eine natürliche Zahl N, so daß fürn > n, 
9, (P 0) < G, 
ist, und dann ist f,(P,) gleich der größeren der beiden Zahlen g, und 
p,(Po). Aus 
lim g, = lim 9,(P) = (BR) 
folgt dann, daß auch 


$ 365 Die Klassen von Baire 397 
lim (Po) = FF) 

ist. Eine ganz analoge Schlußweise zeigt, daß die Gleichung 
lim ,(P) = f(P) 


auch für die Punkte von M(f=@) gilt; sie besteht also in jedem 
Punkte von A. 


365. Satz 6. Die Summe, die Differens und das Produkt von zwei 
beschränkten Funktionen, die auf einer Punktmenge A von der pten Klasse 
sind, sind ebenfalls Funktionen von derselben Klasse auf A. 

Sind die beiden beschränkten Funktionen f,(P) und /,(P) von der 
nullten Klasse auf A, so kann man sie zu beschränkten stetigen Funk- 
tionen ®,(P) und ®,(P) auf der abgeschlossenen Hülle A von A er- 
gänzen. Nun sind nach dem $ 131 die Funktionen 


9,(P)+ PP) und 9,(P)d,(P) 
stetig auf A und daher die Funktionef 


AP) tr(P) und fı(P)r(P) 


von der nullten Klasse auf A. Ist aber unser Satz für Funktionen 
(p— 1)ter Klasse bewiesen und setzt man 


A(P) — lim fi4(P), A(P) = lim ,(P), 


so können nach dem vorigen Satze die Funktionen f,,(P) und f,,(P) 
als beschränkt angesehen werden und unsere Behauptung folgt dann 
für Funktionen pter Klasse aus den Formeln 


PD ERP) = lim (fu tfuD), 


(Ph(P)- YmfıPf(®) 


Bemerkt man, daß man für die Approximationsfunktionen auch 
dann beschränkte Funktionen wählen kann, wenn die Funktionen f, (P) 
und f,(.P) selbst nicht beschränkt und sogar nicht endlich sind, und daß 
die letzten Gleichungen in jedem Punkte von A gelten, in welchem die 
Operationen f,(P) + fs(P) bzw. f,(P)f,(P) einen Sinn haben, so sieht 
man, daß auch folgender Satz behauptet werden kann: 


Satz 7. Die Summe, die Differenz und dag Produkt von zwei belie- 
bigen Funktionen, die auf einer Punktmenge A von der pten Klasse sind, 
sind, wenn p > 1 ist,»auch von der pten Klasse auf jeder in sich dichten 
Teilmenge von A, in weicher die beireffende Operation ausführbar ist. 








398 Kap. vu. Meßbare Funktionen 8 366 











Dagegen kann man schr wohl endliche Funktionen von der nullten 
Klasse angeben, deren Summe nicht von der nullten Klasse ist; z. B. 
kann die stückweise lineare Funktion des $ 227 als Summe or zwei 
stetigen monotonen Funktionen angesehen werden, die zwar nicht be- 
schränkt aber doch von der nullten Klasse sind. 


Genau ebenso beweist man den 


Satz 8. Ist f(P) eine nicht negative Funktion der pten Klasse auf A, 
so ist für p Z 1 die Funktion 1:f(P) ebenfalls von der pten Klasse, falls 
man 1:f(P) in den Nullstellen von f(P) gleich + oo und in den Un- 
endlichkeitsstellen von f(P) gleich Null setzt. 


Wir beweisen jetzt den 


Satz 9. Ist f(P) von der pten Klasse auf der Pins A, so gilt 
dasselbe von f(P)|. 


Fürp=0 kann man f(P) zu einer auf der abgeschlossenen Hülle A 
von A stetigen Funktion ®(P) ergänzen; und da |®(P)| ebenfalls 
stetig auf A ist ($ 132, Satz 11% so ist |/(P)| von der nullten Klasse 
auf A. 

Für p>1 ist die Behaupkcnz eine Folge des Satzes 7. Bezeichnet 
man nämlich mit &(P) die größere und mit Y(P) die kleinere der beiden 
Zahlen f(P) und Null, so sind diese Funktionen nach dem Satze 3 von 
der pten Klasse und man hat 


IKP)- PP) — HP), 


wobei die Differenz der beiden Funktionen #(P) aus v(P) in jedem 
Punkte von A ausführbar ist. 


366. Es sei f,(P), a(P), ... eine Folge von Funktionen der pten 
Klasse auf A. DBezeichnet man mit #,(P) die größte unter den 
m Zahlen f,(P), f&(P),...., f„(P), so ist nach dem Satze 3 die Funk- 
tion #(P) von der pten Klasse auf A. Die obere Grenze P(P) der 
gegebenen Folge von Funktionen kann aber geschrieben werden 


P(P) = lim P,(P) 


und ist also eine Funktion von der (»+1)ten Klasse. Ganz analog be- 
weist man die übrigen Behauptungen des folgenden Satzes: 


Satz 10. Die obere ud die untere Grense einer Folge von Funktionen 
pter Klasse auf A, sind (p+1)ter Klasse auf A. Der obere und der 
untere Limes einer derartigen Folge sind Funktionen (p-+2)ter Klasse 
auf A. 


5 366 oo. Die Klassen von Baire 399. 





Für gleichmäßig konvergierende Folgen von Funktionen gilt der 
folgende Satz, der sehr wichtig ist, weil er in vielen Fällen erlaubt, die 
Klasse einer gegebenen Funktion zu bestimmen. 


Satz 11. Eine endliche Funktion f(P), die man auf emer Punkt- 
menge A als Grense einer gleichmäßig konvergierenden Folge von Funk- 
tionen pter Klasse darstellen kann, ist ebenfalls pter Klasse auf A. 


Für 9=0 ist die Funktion f(P) in jedem Punkte von A nach dem 
Satze 2 des $ 172 eine stetige Funktion; dies genügt aber nicht im all- 
gemeinen, um schließen zu können, daß f(.P) von der nullten Klasse ist. 
Wir müssen vielmehr zeigen, daß die Limesfunktionen $(P) und y(P) 
von f(P) in jedem Punkte der abgeschlossenen Hülle A von A einander 
gleich sind. Wir bezeichnen mit f, (P), fs,(P),... die Folge der Approxi- 
mationsfunktionen, die auf A gleichmäßig gegen f(P) konvergieren und 
dort von der nullten Klasse sind und mit ©, (P) die beiden zusammen- 
fallenden Limesfunktionen von /„(P) auf A. Ist dann s eine beliebige 
Zahl, so kann man nach Voraussetzung die natürliche Zahl m so be- 
stimmen, daß in jedem Punkte von A 


n(P)—-e<f(P)<f„(P)+e 


ist. Hieraus folgt aber für jeden Punkt P, der abgeschlossenen Hülle 


von 4A, wenn man sich der Definition der Eimesfunklionen einer Funk- 
tion erinnert b 123), 


o,(P)-:<p(P)< OP) < <@ (P)+te. 


Ist nun ®,(P,) = + ©, so müssen die beiden Zahlen g(P,) und @(P,) 
beide gleich + oo, also einander gleich sein, und ebenso sieht man, daß 
diese Zahlen einander gleich sind, wenn ©, (P,)=— © ist. Ist dagegen 
®,(P,) endlich, so sind die Zahlen g(P,) und @(P,) beide endlich und 
ihre Differenz ist nicht größer als 2:2. Da & aber beliebig gewählt wer- 
den kann, müssen sie wieder denselben Wert besitzen; hiermit ist der 
Satz für 9 = 0 bewiesen. 

Um den Satz nun für p > 1 zu beweisen, gehen wir von der Be- 
merkung aus, daß wir jedenfalls aus der Folge der Approximations- 
funktionen, wegen der vorausgesetzten Gleichmäßigkeit ihrer Konver- 
genz eine unendliche Teilfolge 


(1) (BD, kB)... 
so bestimmen können, daß für jeden Punkt nr Punktmenge A 
(2) | Im(P) -F(P)I< zm 


ist. Setzt man nun 





400 Kap. VII. Meßbare Funktionen $ 366 


(3) Im+ı(P) - n(P) = m(P), 

so kann man schreiben 

(4) PM -ehPA+uArtwP)+ +W-ı(P): 

Nun sind nach dem Satze 7 des $ 365 die durch die Gleichung (3) de- 
finierten Funktionen 4, (P) als Differenz von zwei’endlichen Funktionen 
pter Klasse, wobei » >1 ist, wiederum Funktionen von der pten Klasse. 
Wir können daher setzen 


©) 4 P—lmfiP),  Wm(P) = lim wnı(), 


wobei die Funktionen f,,(P) und u,,(P) beschränkte Funktionen 
von der (p —1)ten Klasse bedeuten. Ferner folgt aus (2) und (3) 


UP Sin) APP) MP) 
ES | 
= gm+i gm 


1 
gm-1? 


< 


und wir können sogar nach dem Satze 5 des $ 364 voraussetzen, daß 
allgemein für jeden Punkt von A und für jede natürliche Zahl k 


' 1 
unı(P) < gm-1 
ist; folglich ist für jedes k > m 
1 1 1 
(6) ma + matt ml< nit zm tt < mar 


2 
Nun setze man 


(7) 9,(P)=hP)tWP) t + uulP) 


und bemerke, daß diese Funktionen als Summen von endlich vielen be- 
schränkten Funktionen (»—1)ter Klasse nach dem Satze 6 des $ 365 
ebenfalls von der (o—1)ten Klasse sind. Man hat für k> m, wenn 
man (6) benutzt, 

i 


PP) <Ihr(P) + %x(P) ++ %-.1.(P)]+ gm-3 
Mit Hilfe von (4) und (5) schließt man nun ($ 89, Satz 6) 
(8) im g,(P) <fu(P) + = 
und ebenso folgt aus 
1 


9(P) > [Ar(P) +tuılP) +. + Un-ı,.(P)] —gm-3 





daß ; 
(9) mn 9,(P) > fm(P) — ms 


8 367 Anwendung des Klessenbagriffe auf meßbare Funktionen 401 


ist. Da die linken Seiten von (8) und (9) von m unabhängig sind, folgt, 
wenn man m gegen Unendlich konvergieren läßt, 


f(P) < lim g,(P) <limg,(P)S ICP), 
oder schließlich u u 
f(P) = lim g,(P) 


Die Funktion f(P) ist also, wie zu beweisen war, von der pten Klasse. 


Anwendung des Klassenbegriffs auf meßbare Funktionen. 


367. Es sei auf einer Punktmenge A eine p-wertige endliche Funk- 
tion gegeben, welche die Werte 


Pr <<. -<Pß, 
annimmt, und die halbstetig nach unten ist. Dann sind die Punkt- 
mengen 
e B,=M(f<B,) (k=1,2,...,2) 


abgeschlossen relativ zu A, d. h. gleich dem Durchschnitt von A mit ab- 
geschlossenen Punktmengen C, (8 74, Satz 1). Zr ge By 
Bezeichnen wir mit p,(P) Funktionen, die auf, 

den Wert Eins annehmen und auf der Kompie — Be 
mentärmenge von Ü, verschwinden, so ist (Fig. 28) 


in jedem Punkte von A in 
(1) KP)=B P, — B,-B,-)9%-ı(P) --B—B)p(lP)- 


Nun ist, da C, abgeschlossen ist, die Entfernung E(P; C,) eines 
beliebigen Punktes des Raumes von der Punktmenge C, in jedem Punkte 
der Komplementärmenge von C, von Null verschieden. Diese Funktion 
ist übrigens stetig im ganzen Raume und verschwindet in jedem Punkte 
von C,. Setzt man also - 


Pm(P) = a cr y (m = 1, 2, en .) 


so sind die Funktionen p,„(P) stetig im ganzen Raume und genügen 
den Relationen 


(2) Gu(P)ZYpu(P)2°--, 12 9mP)>9; 
(3) Jim p,„(P) = pP). 
Setzt man also | 
fÜ(P) = — (B,— ß,_ı) P,-1,m(P) u a (ß, — BB) Yım(P); 
es, Beelle Funktionen. 26 





2. 
Be! 
n. 
h ‘ 
141 
A 





402 Kap. vo. Meßbare Funktionen 8 867 











1 — 1 


so sind re Funktionen f,(P) stetig im Gesamtraum und man hat, weil 
(B,— Bı_1) > 0 ist, wegen (2) 

KASAPS, AsSmP)<B 
und wegen (1) und (3) ist in jedem Punkte von A 


lim f(P) = FB). 


Eine nach unten halbstetige, endliche und endlichwertige Funktion 
kann also als obere Grenze einer Folge von beschränkten und im Ge- 
samtraume stetigen Funktionen dargestellt werden. . 

Nach dem Satze 3 des $ 357 kann nun jede nach unten halbstetige 
Funktion f(P), deren untere Grenze endlich ist, als obere Grenze einer 
Folge von endlichen und ebenfalls nach unten halbstetigen, endlichwer- 
tigen Funktionen dargestellt werden. Stellt man nun jede dieser Ap- 
proximationsfunktionen als obere Grenze einer Folge von stetigen Funk- 
tionen dar und ordnet alle stetigen Funktionen, die man dazu gebraucht 
hat, in eine einfache Reihe ($ 42), so erscheint f(P) ebenfalls als obere 
Grenze einer Folge von beschränkten stetigen Funktionen, d.h. wir 
haben den 

Satz 1. Jede auf einer in sich dichten Punktmenge A nach unten halb- 
stetige Funktion f(P) mit endlicher unterer Grenze g kann als obere 
Grenze einer Folge von beschränkten Funktionen dargestellt werden, die 
im gangen Raume stetig sind. | 


Ist f(P) eine nach oben halbstetige Funktion, deren obere Grenze G 
endlich ist, so genügt die Funktion — f( P) den Bedingungen des vorigen 
Satzes und man hat den 

Satz 2. Jede auf einer in sich dichten Punktmenge A nach oben halb- 
steige Funktion f(P) mit endlicher oberer Grenze G kann als untere 
Grenze einer Folge von beschränkten Funktionen dargestellt werden, die 
im ganzen Raume stetig sind. 


'Die beiden letzten Sätze sind eine etwas verschärfte Umkehrung 
des Satzes 3 des $ 174. 

Nun sei f(P) eine beliebige Funktion, die z. B. nach oben halbstetig 
ist. Wir bezeichnen mit #(P) die größere, mit y(P) die kleinere der 
beiden Zahlen f(P) und Eins. Die beiden Funktionen P(P) und v(P) 
sind nach oben halbstetig ($ 132, Satz 10) und man hat 


fP) = PP). u). 
Da die Funktion Y»(P) eine endliche obere Grenze besitzt, ist sie nach 


dem Satze 2 von der ersten Klasse. Desgleichen ist 1: PP) nach dem 
Satze 1 von der ersten Klasse, als beschränkte nach unten halbstetige 


$ 368 Anwendung des Klassenbegriffs auf meßbare Funktionen 403 


Funktion ($ 131, Satz 8). Nach den Sätzen 8 und 7 des $ 365 sind dann 
die Funktionen P( P) und f(P) ebenfalls von der ersten Klasse, und man 
kann dasselbe von Funktionen beweisen, die nach unten halbstetig sind: 


Satz 3. Jede uuf einer in sich dichten Punktmenge halbstetige Funk- 
kon ist auf dieser Punktmenge von der ersten Klasse. 


Ferner gilt der 


Satz 4. Jede Funktion pter Klasse, die auf einer meßbaren Punkt- 
menge A definiert ist, ist eine meßbare Funktion. 

Jede Funktion nullter Klasse auf A kann zu einer stetigen Funk- 
tion auf der abgeschlossenen Hülle A von A ergänzt werden; diese ist 
auf A meßbar (8 345, Satz 2) und daher ist auch nach dem Satze 4 
des 8 347 die vorgegebene Funktion auf A meßbar. 

Nehmen wir nun an, der Satz wäre für Funktionen (»p—1)ter 
Klasse bewiesen, so gilt er auch nach dem Satze 11 des $ 353 für Funk- 
tionen »ter Klasse, da diese sich als Grenzen von Funktionen (p—1)ter 
Klasse, also meßbarer Funktionen darstellen lassen. 

Dieselbe Schlußweise würde uns erlauben, den Satz 7 des $ 349 
dahin zu verallgemeinern, daß wir von der dort vorkommenden Funk- 
tion p(u,...u,) voraussetzen, daß sie im ganzen m-dimensionalen 
Raume definiert und dort von der pten Klasse ist, und diese letzte Be- 
merkung kann man benutzen, um meßbare Funktionen zu kon- 
struieren, die von keiner endlichen Klasse sind. Wir haben 
nämlich im $ 351 eine meßbare Funktion p(u) und eine stetige Funk- 
tion f(x) angegeben, so daß p(f(z)) nicht meßbar ist, was der Fall sein 
müßte, wenn p(#) von irgendeiner endlichen Klasse wäre. 


368. Die Funktionen, die auf einer meßbaren Punktmenge A einer 
beliebigen endlichen Klasse angehören, sind also viel spezieller als die 
meßbaren Funktionen im allgemeinen. Unter den zu einer beliebigen 
meßbaren Funktion äquivalenten Funktionen ($ 359) gibt es aber, 
wie wir jetzt zeigen wollen, stets solche, die von der zweiten Klasse sind. 

Es sei f(P) eine meßbare Funktion, die auf der meßbaren Punkt- 
menge A definiert ist, und «,,«,,... eine abzählbare und überall dicht 
auf der Zahlenachse liegende Zahlenmenge; die Punktmengen 

| 4,=M(f2 o,) 
sind dann alle von meßbarem Inhalte und man kann jeder von ihnen 
einen ihr maßgleichen Kern B,’ zuordnen und voraussetzen, daß B, per- 
fekt oder die Vereinigung von abzählbar unendlich vielen perfekten 
Punktmengen ist ($ 271, Satz 7). Wir wollen die Mengenfolge der B;' 
durch eine andere Folge von Punktmengen B,, B,, ... ersetzen, die 
26* 








404 Kap. VII. Meßbare Funktionen | $ 868 


außer den soeben genannten Eigenschaften der ersten Folge, noch der 
Bedingung genügen, daß, wenn «,<«, ist, B, eine Teilmenge von B, ist. 
Wir setzen dazu 


(1) B=B/ 
und, je nachdem «, > «a, oder a, <e, ist, 
(2) _ B,=BB oder B=B/+B.. 


Ähnlich wird B, mit Hilfe von B/und B,, B,,...., B,_, ermit- 
telt; ist «, weder die größte noch die kleinste unter den Zahlen dr: 
80 bezeichne man mit «, die größte unter denjenigen Zahlen dieser Folge, 
die kleiner als «, sind und mit «, die kleinste 


‚ Zahl der Folge, die «, noch übertrifft, und setze 





(3) B,= B; B,+B,. 
Ist aber «, die größte oder die kleinste der 
Zahlen «,, Kae. ‚&,, 50 bestimme man die Zahlen 
a, bzw. o, ebenso wie früher und setze statt der 
Fig. 29. letzten Gleichung 
(4) | B,=B/B, bzw B,=B/+B,; 


diese Konstruktion bewirkt, daß «,<.a, stets B, > B, zur Folge hat. 

Nun bemerke man, daß, wenn C, und C, zwei Punktmengen sind, 
die man als Vereinigung von endlich oder abzählbar unendlich vielen 
perfekten Punktmengen ansehen kann, dasselbe auch für die Vereinigungs- 
menge (C, + C,) und für den Durchschnitt C,C, der Punktmengen ©, 
und (, zutrifft. Die Gleichungen (1) bis (4) zeigen uns dann, daß die 
Punktmengen B, ebenso wie die Punktmengen B, als die Vereinigung 
von endlich oder abzählbar unendlich vielen perfekten Punktmengen an- 
gesehen werden können. 

Ferner kann man durch den Schluß der vollständigen Induktion 
leicht beweisen, daß für jeden Wert der natürlichen Zahl %k die Relation 


(5) B, <A, 
besteht. Denn es ist z. B., wenn 5, p und qg dieselbe Bedeutung wie in 
(3) haben und wenn also 0, <.a,<.e, ist, 
4,>4, B, <A, B<AL,; 
hieraus folgt aber nach (3) 
B,=B,B,+B<4,+4,=4,. 


Wir wollen endlich zeigen, daß für jedes 5 die Porknenge B, ein 
maßgleicher Kern von A, ist, d. h. daß die Gleichung 


(6) m(A,—B)—0 G-1,8,...) 


8 369 Anwendung des Klassenbegriffe auf meßbare Funktionen 405 
besteht. Dies ist nach (1) für B, der Fall; wir nehmen also an, die 


Gleichung (6) ist für alle Indizes erfüllt, die kleiner als 5 sind. Dann 


ist, wenn p und g dieselbe Bedeutung wie in (3) haben, 
{)) .  m(4,—4,B,) = 0 
und anderseits 
A,— B,=4A,— (B,B,+B,) 
<4,— B,; B p 
<(4,—B/)+(B/—B,B,) 
Von diesen beiden letzten Punktmengen ist aber die erste eine Null- 
menge, weil B, ein maßgleicher Kern von A, ist, und die zweite ist 
eine Teilmenge von (A, — A,B,), weil B/ < A,< A, ist, also nach (7) 
ebenfalls eine Nullmenge. 
369. Wir bezeichnen mit z(P) die Funktion, die nach dem Satze 1 
des 8 342 durch die Relationen 
M(1za)> B,> M(x>«) (k=1,2,...) 
eindeutig bestimmt ist. Nach dem Satze 2 desselben Paragraphen ist 


wegen B,< A, stets 
(8) P)<S FR); 
nach dem Satze 6 des $ 361 ist, weil B,< A, und (A,— B,) immer 
eine Nullmenge ist, 
9) ıP)- FR). 
Wir wollen nun zeigen, daß y(P) von der zweiten Baireschen Klasse 
ist. Wir betrachten die m ersten Zahlen «,,...., «, und bezeichnen sie, 
wenn wir sie nach ihrer Größe ordnen, mit 
Yyı <P<<dmi 

ferner bezeichnen wir die Punktmengen B,, B,, .-., D,, wenn wir sie 
entsprechend umordnen, mit 

0, >0>::.:>[,- 
‚Wir bezeichnen mit 4„,(P) die Funktion, die auf der Komplementär- 
menge von (C, gleich — oo und auf (, gleich 7, ist, und für k > 2 mit 


Xn,(P) die Funktion, welche auf C, gleich Eins ist, und die auf der 
Komplementärmenge von C, verschwindet. Dann ist, wenn wir 


10) (PP) + W-N)AmP) ++ (Ym— Im-1)Imm(P) 
setzen, nach dem $ 357 die Funktionenfolge 
u(P),1(P),..- 


k 





406 Kap. VII. Meßbare Funktionen $ 369 








nöndtan: ı, und ihre obere Grenze an unsere Funk- 


tion x(P). 


Wir zeigen nun, daß die Funktionen x, (P) als obere Grenzen von 
Funktionenfolgen dargestellt werden können, die aus lauter nach oben 
halbstetigen Funktionen bestehen. Nach en: ist Bamnch 


(11) G= O4 + Ct Qt: 
wobei die Punktmengen (, , lauter perfekte N HENER, sind. Ersetzt 


man also in der Gleichung (10) die Funktion y,,(P) durch die nach 
oben halbstetige Funktion, die auf der abgeschlossenen Punktmenge 


(12) | Ä (On 7 Os u 5) 
gleich y, und auf ihrer Komplementärmenge gleich — oo ist, und für 


k>2 die Funktion y„,(P) durch die nach oben halbstetige Funktion, 
die auf der abgeschlossenen Punktmenge 

(13) (Gy, + Cs ee C,,) 

gleich Eins ist und sonst verschwindet und berücksichtigt man, daß 
die Koeffizienten der rechten Seiten von positiv sind, so bekommt 
man an Stelle von y,(P) eine Funktion h,,(P), die, als Summe von 
endlich vielen nach oben halbstetigen Funktionen, ebenfalls nach oben 
halbstetig ist. Es ist übrigens 


DS hn(P)<---, 
lim AP) = m(P)- 


Ordnet man nun die Funktionen h,,,(P) in eine einfache Folge um, so 
erscheint (PP) selbst als die obere Grenze von abzählbar vielen Funk- 
tionen, die alle nach oben halbstetig und daher ($ 367, Satz 3) von der 
ersten Klasse sind. Die Funktion y(P) ist dann nach dem Satze 10 
des $ 366 von der zweiten Klasse. Der Satz, den wir hiermit bewiesen 
haben, lautet: 

Satz 5. Jede auf einer meßbaren Punktmenge A definierte meßbare 
Funktion f(P) ist einer Funktion y(P) von der zweiten Klasse äquivalent, 
die nicht größer als f(P) ist, und als obere Grenze einer abzählbaren Folge 
von Funktionen angesehen werden kann, welche sämtlich halbsteiig nach 
oben sind. 

Ordnet man der Funktion — f(P) eine Funktion — X(P) zu, welche 
die von der Funktion y(P) im letzten Satze verlangten Eigenschaften 


besitzt, so ist | 

KP)SKP, AP) XP) 
und X(P) die untere Grenze einer Folge von nach unten Baagen 
Funktionen. 


$ 370 Anwendung des Klassenbegriffs ı auf meßbare Funktionen 407 








nn nn nn ln m nn 


Die oberen und unteren Limesfunktionen ®(P) und gp(P) der Funk- 
tion f(P) sind halbstetige Funktionen und daher von der ersten Klasse 
(8 367, Satz 3). Bezeichnet man mit Y(P)) die größere der beiden Zahlen 
o(P) und x(P), mit Z(P) die kleinere der beiden Zahlen D(P) und 
X(P), so sind ($ 364, Satz 3) die Funktionen y(P) und PP) von der 


zweiten Klasse und es ist außerdem 
(14) (PA <Yu(lP)<SfP)<SWeP)< GP), 
v(P) »f(P) x WR). 


Satz 6. Es sei f( P) eine beliebige meßbare Funktion, D(P) und p(P) 
ihre Limesfunktiomen. Es gibt Funktionen y(P) und P(P) von der 
zweiten Klasse, die su f(P) äquivalent sind, und die der Bedingung (14) 
genügen. 


370. Um die Bedeutung des vorigen Satzes besser hervortreten zu 
lassen, wollen wir auf dem abgeschlossenen Intervalle 


I: 0<z<1 


eine meßbare Funktion konstruieren, die keiner Funktion erster Klasse 
auf I äquivalent ist. Wir betrachten auf I die überall dichte offene Punkt- 
menge des $ 280, die wir hier B, nennen wollen, sowie die perfekte 
Punktmenge (T— B,), die mit A, bezeichnet werden soll. Es ist dann 


Be Be | 


An Stelle jedes Intervalles von B, nehmen wir jetzt die offene Punkt- 
menge, die aus B, entsteht, wenn wir I auf das betrachtete Intervall 
durch Ähnlichkeitstransformation (mit geeignet gewähltem Ähnlich- 
keitszentrum) abbilden. Wir erhalten eine auf I überall dicht liegende 
offene Punktmenge B,, die in’B, enthalten ist, und es ist 


mB, =; 
und wenn man 5 
— B=4A, +4, 
setzt, ist auch 
mA, =; 


Wenn wir jedes der Intervalle von B, ebenso behandeln, erhalten wir 
eine offene Teilmenge B, von B, und mit der Bezeichnung 


I—B=4+4+4, 


erhält man 
mB, =mA, = 5 











408 ' Ä Kap. VII. Meßbare Funktionen & 371 


Durch W Wiederholung dieses Verfahrens erhalten wir abzählbar unendlich 
viele Punktmengen A,; wir setzen jetzt 
| A=A+A+At 
und es besteht dann die Relation 
I-A>4%+AtAt 


Da nun die offene Punktmenge B, für jedes k überall dicht auf Z liegt 


und aus Intervallen besteht, deren jedes höchstens die Länge 1:4 
hat, muß für hinreichend große k in jedem beliebig gegebenen Teil- 
intervall / von I mindestens eines dieser Intervalle liegen. Jedes Inter- 
vall von B, enthält aber nach der Konstruktion. eine Teilmenge von 
A,,,, die keine Nullmenge ist, und hieraus folgt, daß die Relationen 


(1) mAJ+0, m(J—AJ) +0 
beide zugleich erfüllt sein müssen. 


Nun sei f(x) eine Funktion, die gleich Eins auf A und gleich Null 
auf (7— A) ist und (x) eine beliebige ihr zen Funktion. Setzt 


u M(f+9)= 
so ist N nach Voraussetzung eine N Aa und nach 5 kann keine 
er Punktmengen 

(AJ—-ANJ), (J—-4AJ) — N(J—AJ) ' 
leer sein. In der ersten dieser Punktmengen ist aber p(z) = f(x) = 1 
und in der zweiten p(x) = f(x) = 0, und hieraus folgt, daß die Schwan- 
kung von (x) in jedem Teilintervall von I gleich Eins ist, und daß 
daher die Schwankung von p(2) in jedem Punkte von I gleich Eins ist. 
Die Funktion $(x) ist also totalunstetig auf einer perfekten Punkt- 
menge und muß nach dem Satze 6 des $ 176 mindestens von der zweiten 
Klasse sein. 


371. Auf einer beschränkten, in sich dichten und meßbaren Punkt- 
menge A, die keine Nullmenge ist, sei eine meßbare Funktion f(P) ge- 
geben, die entweder selbst endlich ist, oder mindestens einer endlichen 
(aber nicht notwendig beschränkten) Funktion äquivalent ist; die Punkt- 


menge, ee R ‚ 


soll mit andern Worten eine Nullmenge sein. Es sei ferner f,(P) eine 
zu f(P) äquivalente Funktion von der zweiten Klasse, die nach den 
Sätzen des $ 369 stets vorhanden sein muß. Dann ist die Punktmenge 


N"= M(h+N) 


$ 371 Anwendung des Klassenbegriffs auf meßbare Funktionen 409 











eine Nullmenge und 
4, = A Faz (N + N”) 
ein maßgleicher Kern von A, in welchem f(P) endlich ist und die Dar- 


stellung 
f(P) = f(P) = lim lim p(P; m, k) 
kzom=x 


zuläßt; hierbei sind die g(P; m,k) Funktionen, die auf der abgeschlos- 
senen Hülle A von A definiert und stetig sind. 
Wir geben uns eine positive Zahl e, die der Bedingung 


e<mA 


genügt, aber sonst beliebig ist. Nach dem Satze 5 des $ 364 können 
wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit voraussetzen, daß auf A, 
die Funktionen 
v(P; k) = lim p(P; m,k) 
beschränkt sind. 
Nun bestimmen wir nach dem Satze 12 des $ 354 eine meßbare 
Teilmenge C, von A,, deren Inhalt der Bedingung 


E 
mO, Ss; 


genügt, und welche die Eigenschaft besitzt, daß die Folge der y(P; k) 
auf der Punktmenge (A,—C,) gleichmäßig gegen f(P) konvergiert, was 
möglich ist, weil f(.P) auf A, endlich ist. Ebenso bestimmen wir nach 
demselben Satze und indem wir die Endlichkeit der Funktionen y(P;k) 


auf A, benutzen, eine Folge C,, C,, C,,.... von meßbaren Teilmengen 
von A,, welche den Bedingungen 
mO< gr (k=1,2,...) 


genügen, so daß die Funktionen g(P; m,k) mit wachsendem m und bei 
konstantem k gleichmäßig auf (A,— C,) gegen v(P; k) konvergieren. 
Die Punktmenge 

C=06,+0,+0+--- 


ist dann ebenfalls meßbar und man hat 


€ 


| mUÜ< t3+ => 5 


und daher auch 
m(A—-C)= mA, - ml>mA— rn. 





410 Kan vo. Meßbare Funktionen $ 37 1 


Die Punktmenge (4,—-0) enthält nach dem Satze 12 des $ 278 eine 
perfekte Punktmenge B, die der Bedingung 


mB>mA-: 
genügt, und es ist dann 








m(A—B)<e. 


Die Punktmenge B ist eine Teilmenge von (A,— C,) für jeden Wert 
von k; daher konvergieren die auf B stetigen Funktionen p(P; m,k) bei 
festem % und wachsendem m gleichmäßig gegen v(P;%) und nach dem 
Satze 2 des $ 172 ist dann auch d(P; %k) stetig auf B. Ebenso aber kon- 
vergieren die Y(P;%) mit wachsendem % gleichmäßig gegen f(P) auf 
der Punktmenge B, und nach demselben Satze muß also auch f( P) stetig 
auf B sein. 

Wir lassen jetzt die Voraussetzung, daß A beschränkt sein soll, 
fallen; wir betrachten im Raume ein Netz von abzählbar unendlich vielen 
kongruenten Wjirfeln W,, W,, ..., deren Vereinigung den Raum mit 
Ausnahme einer N ullmenge überdecken. In jedem Würfel W, kann man 
nach dem Öbigen eine perfekte Punktmenge B, finden, auf welcher die 
gegebene Funktion f(P) endlich und A ist, und so daß noch außer- 


dem die Gleichung 


gilt. Setzt man dann 
B=B+B+B+--, 


so ist die Funktion f(P) stetig auf B und außerdem 
m(A—B) = Im(AW,—B)<e. 
j 


Ferner ist aber B eine perfekte Punktmenge, weil jeder Punkt des 
Raumes auf der Begrenzung von nur endlich vielen Würfeln W, liegen 
kann und daher jeder Häufungspunkt von B auch Häufungspunkt von 
mindestens einer der Punktmengen B, sein muß. 

Endlich kann man auch die Bedingung, daß A in sich dicht sein 
soll, beiseite lassen, weil jede Punktmenge, die keine Nullmenge ist, einen 
in sich dichten maßgleichen Kern enthalten muß. Wir haben also 
folgendes Resultat: 


Satz 7. Es ses A eine beliebige meßbare Punktmenge, die keine Null- 
menge ist, f(P) eine auf A meßbare Funktion, die entweder selbst endlich 
oder einer endlichen Funktion äquivalent ist, und s eine beliebige positive 
Zahl. Es gibt perfekte Teilmengen B von A, auf denen f(P) endlich und 
stetig ist und die der Bedingung 


genügen. ae 


8 372 Anwendung des ; Klassenbegritts auf meßbare Funktionen F 411 





Man darf natürlich nicht in diesem Satze die Stetigkeit einer Funk- 
tion f(P) auf A mit ihrer Stetigkeit auf B verwechseln: die Dirichlet- 
sche Funktion des $ 170 ist z.B. in jedem Punkte ihres Definitions- 
bereiches unstetig. Reduziert man aber diesen Definitionsbereich auf 
die irrationalen Punkte der Zahlenachse, so erhält man sogar einen maß- 
gleichen Kern des ursprünglichen Definitionsbereiches, auf welchem die 
Funktion stetig ist. Genau ebenso ist der letzte Satz gemeint; die Funk- 
tion f(P) ist auf der Punktmenge B stetig, wenn wir von den Werten 
der Funktion in der Punktmenge (A — B) absehen. 

Ferner können wir hier ebensowenig wie bei dem Satze 12 des 
$ 354 die Punktmenge B durch einen maßgleichen Kern von A er- 
setzen, selbst wenn wir nicht verlangen, daß B perfekt sein soll. Die 
Funktion f(x), die wir im vorigen Paragraphen betrachtet haben, hat 
2. B. die Eigenschaft, auf jedem maßgleichen Kern ihres Definitions- 
bereiches sogar totalunstetig zu sein. 


372. Unter Vorwegnahme eines späteren Resultats können wir wei- 
tere Schlüsse ziehen. Wir werden nämlich zeigen, daß eine auf einer be- 
liebigen perfekten Punktmenge definierte und dort stetige Funktion zu 
einer im ganzen Raume stetigen Funktion ergänzt werden kann ($ 541). 

Nun seien B,, B,, B,, - - - perfekte Teilmengen von A, auf denen 
die gegebene Funktion, welche die Bedingungen des letzten Satzes er- 
füllen soll, stetig ist, und es sei 


m( 3 B,) = n j 

Setzt man dann 

b=B+b,+B+--,, 
so ıst B ein maßgleicher Kern von 4, der natürlich nicht mehr perfekt 
zu sein braucht. Die gegebene Funktion f(P) ist nach dem Satze 1 
des $ 164 stetig auf den Punktmengen 

G=B+B+-- +B 
und es gibt Funktionen f,(P), die im ganzen Raume stetig sind und 
auf C, mit f(P) zusammenfallen. In jedem Punkte von B ist dann 
@ f(P) = lim f,(P) 
und folglich ist f(P) von der ersten Klasse auf B. 


Satz 8. Es sei die Funktion f(P) meßbar auf einer meßbaren Punkt- 
menge A und dort endlich oder einer endlichen Funktion äquivalent. Es 
gibt maßgleiche Kerne B von A, die perfekt oder die Vereinigung von ab- 
gählbar vielen perfekten Punktmengen sind, und auf welchen die gegebene 
Funktion endlich und von der ersten Klasse ist. 








412 | Kap. VI Meßbare Funktionen 8 373 








Eine oberflächliche Betrachtüng könnte vermuten lassen, daß der 
letzte Satz im Widerspruch mit dem Resultat des $ 370 ist, wonach es 
meßbare Funktionen gibt, die auf ihrem Definitionsbereich A keiner 
Funktion von der ersten Klasse äquivalent sind. Dafür aber, daß f(P) 
einer Funktion erster Klasse äquivalent sei, müßte man die f,(P) nicht 
nur so bestimmen können, daß die Relation (1) in jedem Punkte eines 
maßgleichen Kerns B von.A erfüllt ist, sondern es müßte noch in jedem 


Punkt A-—-B Ba 
unkte von AZB) DM =limfil) 
k=® k=» 


sein, und es ist gerade diese Bedingung, die in bestimmten Fällen nicht 
erfüllbar ist. 


373. Die letzten Sätze legen den Gedanken einer Klassifikation der 
meßbaren Funktionen, die nicht stetig sind, je nach dem Grade ihrer 
Unstetigkeit nahe. Wir beschränken uns wieder (obgleich es, wie auch‘ 
im Vorigen, nicht unbedingt notwendig ist) auf endliche Funktionen 
oder solche, die einer endlichen Funktion äquivalent sind, und unter- 
scheiden vier Arten von unstetigen Funktionen: 


Funktionen I. Art sollen solche sein, die auf ihrem Definitionsbe- 
reich A einer stetigen Funktion äquivalent sind, 

Funktionen Il. Art solche, die auf einem maßgleichen Kern B von 
A stetig sind, | 

Funktionen III. Art solche, die auf A einer Funktion erster Klasse 
äquivalent sind, und 

Funktionen IV. Art sollen keiner Beschränkung (außer der obigen) 
unterworfen sein. 


Jede dieser vier Arten von Funktionen ist, wie wir zeigen wollen, 
in der folgenden enthalten und enger als diese. Wir brauchen uns 
übrigens nur um die drei ersten zu kümmern, da nach dem Beispiele 
des $ 370 nicht jede Funktion IV. Art auch II. Art sein kann. 

Es sei nun f(P) eine Funktion, die, wie diejenige, die wir im $ 370 
konstruiert haben, auf keinem maßgleichen Kern B, ihres Definitions- 
bereiches A stetig ist. Nach dem letzten Satze gibt es aber einen 
maßyleichen Kern B von A, auf welchem f(.P) von der ersten Klasse ist. 
Auf der Punktmenge B ist also unsere Funktion f(P) eine Funktion 
IIL Art. Wäre sie nun auch zugleich II. Art auf B, so würde entgegen 
der Voraussetzung ein maßgleicher Kern B, von B existieren, der zu- 
gleich auch maßgleicher Kern von A wäre, auf welchem /{.P) stetig ist. 
Es gibt also Funktionen III. Art, die nicht II. Art sind. 


$ 373 Anwendung des Klassenbegriffs au auf meßbare Funktionen 413 








on 


Ist dagegen f(P) eine Funktion II. Art, so ist f (P) stetig auf einem 
maßgleichen Kern B von A. Es sei ®(P) die (auf der abgeschlossenen 
Hülle B von B definierte) obere Limesfunktion der Funktion f(P), wenn 
man ihren Definitionsbereich auf .B reduziert. Dann ist @(P) = /(P) 
‚auf B und halbstetig nach oben auf B; es sei jetzt y(P) = &(P) auf 
B und gleich — oo auf der Komplementärmenge von B. Die Funk- 
tion Y(P) ist halbstetig im ganzen Raume, also von der ersten Klasse 
auf A und sie ist zugleich der Funktion f() äquivalent auf der Punkt- 
menge A. Jede Funktion Il. Art ist also auch eine Funktion IH. Art. 

Ferner betrachten wir die stückweise lineare Funktion einer Ver- 
änderlichen z, die im abgeschlossenen Intervall O<z<1 durch fol- 
gende Bedingungen definiert ist: 


f$)=1, fd)=0, 


ab Fl)  @=12..) 


Diese Funktion ist im Intervall O<x2<1 stetig und folglich eine 
Funktion Il. Artauf O<x< 1. Eine zu f(x) äquivalente Funktion p (z) 
besitzt aber stets die Schwankung Eins im Punkte = 0 und kann 
daher nicht stetig im ganzen In- % 
tervall O<z<1 sein. Also ist 
f(x) keine Funktion I. Art. An- 
derseits ist aber jede Funktion 
I. Art nach Definition einer ste- 
tigen Funktion äquivalent und 
folglich selbst stetig auf dem 
maßgleichen Kern ihres Defini- 
tißnsbereiches, auf welchem die 
beidenFunktioneneinandergleich 
sind; die gegebene Funktion ist 
also auch eine Funktion II. Art. 

Eine Kategorie von unsteti- 
gen Funktionen, der wir später begegnen werden und die eine wichtige 
Rolle spielt, ist diejenige der Funktionen, deren Schwankung in einem 
maßgleichen Kern ihres Definitionsbereiches A verschwindet ($ 415). 
Diese Funktionen sind stetig auf einem maßgleichen Kern von A und 
daher Funktionen II. Art. 

Dagegen ist das soeben behandelte Beispiel (Fig.30) auch ein Beispiel 
für eine Funktion, deren Schwankung in einem maßgleichen Kern von A 
verschwindet und die nicht I. Art ist, und die Dirichletsche Funktion 
($ 170) eine Funktion I. Art, deren Schwankung nirgends verschwindet. 


= a Sopran O0 EETTRRET EEE BE FREE er nn 2 Ent a = 
ea Em, ee Br a Ze Fer = 
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ald Kap. vmm. Das bestimmte Integral $ 374 





Kapitel VII. Das bestimmte Integral. 


Zylindermengen. 


374. Es sei B eine beliebige Punktmenge im »-dimensionalen 
Raume R(2,, 2, - - -, 2,); ferner sei C rn Panktmenge des (n+1)- 
dimensionalen Raumes Rz, 29, - - -» %,, 2), die aus allen Punkten be- 
steht, für die 

0<z<I1 


ist, und (&,, &, ..., 2,) einen Punkt von B darstellt. Dann heiße C 
der auf Bals Basis errichtete Zylinder von der Höhe Eins. 

Um Verwechslungen vorzubeugen, behalten wir unsere früheren Be- 
zeichnungen m und m* für den Inhalt bzw. äußeren Inhalt einer Punkt- 
menge nur für die Punktmengen des Raumes. der z,,...,2, bei und 
bezeichnen dagegen die Inhalte von Punktmengen des Raumes der 
(2,-..,2,, 2) durch die Buchstaben u bzw. u*. 

Ist die Basis B eines Zylinders © von endlichem äußeren Inhalte, 
so gibt es abzählbar viele n- -dimensionale Intervalle Z,, die B über- 
decken, so daß 


(1) Sml, <m’B-+e 
k 


ist, wobei & eine beliebige positive Zahl bedeutet. 

Bezeichnet man mit J, den Zylinder von der Höhe Eins, dessen 
Basis J, ist, so ist ” 
und 

ÜO<NA,thtrthr+- 
Aus der letzten Ungleichheit folgt aber 
urÜüs P3 ud, 
e 
und ferner, wegen (2) und (1), 
urÜ<m*FB-+e. 


Da dies für jedes & gelten muß und die Zahlen u*C und u*B von der 
Hilfsgröße e unabhängig sind, hat man schließlich 


(3) u*C <m*B. 


S 875 Zylindermengen | 415 





375. Wir beweisen nun den 

Satz 1. Ist die Basis B eines Zylinders C von der Höhe Eins eine 
meßbare Punktmenge, so ist C ebenfalls von meßbarem Inhalte, und es ist 

uC=mDB. | 

Ist zunächst B eine beschränkte Punktmenge, so ist B Teilmenge 
eines »-dimensionalen abgeschlossenen Intervalls I und € ist dann Teil- 
menge des auf I als Basis errichteten Zylinders J von der Höhe Eins. 

Setzt man nun 

B=I-—B, =J-(C, 

so ist C’ der über .B’ als Basis errichtete Zylinder von der Höhe Eins 
und nach dem vorigen Paragraphen hat man 


(1) u*tUÜ<mB, u*rC’<mB. 
Ferner ist 
J=(0+C), 
also ($ 235) 
(2) nF < url + url’ 
und, weil B meßbar ist ($ 245, Satz 6), 
(3) mI=mB+mB‘. 


Der Vergleich von (1) und (3) liefert, wenn man noch bemerkt, daB 
nach der Definition des Inhalts eines Intervalls ($ 228) 


(4) mI= uJ 
ist, 
u) > u*FrC+ u*l' 
und wegen (2) 
.ö) I prC + nel” 


Hieraus folgt aber nach dem Satze 8 des $ 260, daß C eine meßbare 
Punktmenge ist. Endlich muß aber 


(6) uC=mB 
sein, da sonst nach (1), (3) und (5) 
uJ<mI 


sein müßte, was (4) widerspricht. 
Ist zweitens B nicht beschränkt, so kann man B als he: einer 
monoton wachsenden Folge 


B,, Be, B,,... 


beschränkter meßbarer Punktmengen darstellen. Nennt man Ü, den über 
B, als Basis errichteten Zylinder von der Höhe Eins, so ist 








416 Kap. VIII. Das bestimmte Integral 8.876 


C=lmC, 
k=® 





und es folgt aus der Meßbarkeit der C, und aus 
ul,=mB,, 
daß C meßbar ist und daß die Gleichung‘(6) auch hier gilt ($ 247, Satz 8). 


376. Satz 2. Zwischen den äußeren Inhalten eines beliebigen Zylin- 
ders C von der Höhe Eins und seiner Basis B besteht steis die Relation 


(1) m*B= u*(C. 


Ist die Zahl m* B endlich, so ist nach dem $ 374 die Zahl u*C 
ebenfalls endlich. Ist also die Zahl u*C unendlich, so ist die Gleichung (1) 


sicher richtig; es genügt daher, diese Relation unter der Voraussetzung 


zu beweisen, daß u*C endlich ist. 

Ist aber u*C endlich, so kann man im Raume der (z,,...,%, 2) 
eine Umgebung U von Ü finden, so daß bei beliebig vorgeschriebenem, 
positivem & | 


(2) uU<u*rC+s 


ist. Nun sei P ein beliebiger Punkt von B und O> der auf P errich- 
tete Zylinder, der also aus einer einzigen abgeschlossenen Strecke be- 
steht. Da jeder Punkt von 0, im Innern von U liegt und O> abge- 
schlossen ist, so ist die Entfernung dp?’ zwischen Or und der Begrenzung 
von U von Null verschieden. Ist dr ein »-dimensionaler Würfel im 
Raume der (z2,,%,,-.., £,), dessen Mittelpunkt P und dessen Kantenlänge 
Öp:n ist, so liegt der über b> als Basis errichtete Zylinder c> von der 
Höhe Eins ganz in T. 

Mit abzählbar vielen dieser b> kann man nun nach dem Lindelöf-: 
schen Überdeckungssatz ($ 60) die ganze Basis B von ( überdecken; 
die Vereinigungsmenge B dieser ausgewählten, abzählbar vielen b> ist 
meßbar ($ 244, Satz 3). Es ist 

B<SB, 


und wenn man mit Ü den Zylinder von der Höhe Eins über B bezeich- 
net, so ist, da jedes c> in U enthalten ist, 


O<U. 
Nach dem vorigen Satze ist ferner 
mB=u0; 


man erhält also: 
m*B<mB=uÜl <uU<u*C+e. 


$ 377. 378 Zylindermengen 417 





Da dies für jedes e gilt, folgt endlich in Verbindung mit der Ungleich- 
heit (3) des $ 374 
m*B=u*C. 


377. Satz 3. Zwischen den inneren Inhalten eines beliebigen Zylin- 
ders C von der Höhe Eins und seiner Basis B besteht stets die Relation 


Es sei erstens B, ein maßgleicher Kern von B und folglich 
(2) mB, = mıB. 


Der über B, errichtete Zylinder C, ist nach dem Satze 1 des $ 375 
ebenfalls meßbar und natürlich in C enthalten; wir haben also 


u„0>u0 = mB, 
uÜ > myB. 


Zweitens sei C’ eine beschränkte und abgeschlossene Teilmenge 
von C; wir können ($ 269, Satz 3) C’ so wählen, daß für eine beliebig vor- 
geschriebene Zahl », die kleiner als u„Ü ist, die Bedingung 


(4) uc’>p 
besteht. Die Projektion B, der PunktmengeC’ des Raumes der (2,,..., 2, 2) 
auf den Raum der (2,,...,z,) kann als stetige Abbildung von C” ($ 200) 


aufgefaßt werden. Diese Punktmenge B, ist deshalb ebenfalls beschränkt, 
abgeschlossen (8202) und überdies in B enthalten; man kann also schreiben 


5) m, BZmb,. 


Der über B, als Basis errichtete Zylinder C, von der Höhe Eins ent- 
hält die Punktmenge C”, woraus folgt 


(6) mB=uG,>uC. 
Der Vergleich von (5), (6) und (4) liefert also 
m„B>» 
und, da dies für jedes p < u„Ü stattfindet, 
(7) my B > ug. 
Aus (3) und (7) folgt dann sofort die gewünschte Gleichung (1). 


und wegen (2) 
(3) 


378. Jetzt beweisen wir die Umkehrung des Satzes 1: 


Satz 4. Ist der Zylinder C meßbar im (n + 1)-dimensionalen Raum, 
so ist es auch seine Basis B im Raume der (z,, &,, -- -, £,)- 
Carath&odory, Reelle Funktionen. 27 


oder aber der Bedingung 


.418 Kap. VII. Das bestimmte Integral $ 379 





Für die Meßbarkeit von B genügt es, daß der Durchschnitt BI 
von B mit jedem »-dimensionalen Intervall I meßbar sei ($ 272). Es 
sei J/ der über I errichtete Zylinder. Der über BI errichtete Zylinder 
ist der Durchschnitt von C mit J, und ist also meßbar. Man hat daher 


url) = u.0J 
und wegen der Sätze der zwei letzten Paragraphen 
(1) u*BI= u,BI. 


Da BI aber eine beschränkte Punktmenge ist und einen endlichen In- 
halt besitzt, folgt aus der letzten Gleichung, daß sie meßbar ist (8 258, 
Satz 6). 


Ordinatenmengen. 


379. Es sei A eine Punktmenge im n-dimensionalen Raume der 
(%5 Lg, - +, %,); wir betrachten im (n + 1)-dimensionalen Raume der 


(%3 4 %,, 2) die Punktmenge O, die dadurch entsteht, daß man in jedem 
Punkte P von A eine zur positiven z-Achse parallele Ordinate von der 
Länge «(P) errichtet. Hierbei soll «(P) eine beliebige nicht negative 
Funktion bedeuten und außerdem soll für jeden einzelnen Punkt P von 
4A festgesetzt werden, ob der Endpunkt dieser Ordinate zu O gehören 
soll oder nicht. Je nachdem das eine oder das andere der Fall ist, ge- 
nügt also die Koordinate z der Bedingung 


0<e<a(P), 


0<ez<af(P). 

Zwei Ordinatenmengen O0, und 0, sollen äquivalent heißen, wenn 
sie durch dieselbe Funktion «(P) bestimmt sind; dann ist jeder innere 
Punkt einer Ordinate von O, Punkt von O0, und umgekehrt. Die Punkt- 
mengen (0, — O,0,) und (0,— 0,0,) bestehen nur aus gewissen End- 
punkten der Ordinaten von O, oder (),. 

Ist c eine positive Zahl, so soll mit cO. die Transformierte der Ordi- 
natenmenge O0 bezeichnet werden, wenn man den (» + 1)-dimensio- 
nalen Raum der linearen Transformation 


FE FE Be 7 
unterwirft. Es ist also stets ($ 329, Satz 3): 
(1) utrcO=c-u*F0O und u2.c0O=cu.0, 


wobei, wie im vorigen Abschnitt, mit u*O und u„O der äußere bzw. 
innere (+ 1)-dimensionale Inhalt von O bezeichnet wird. 


$ 380 Ordinatenmengen 419 








Sind nun O, und 0, zwei äquivalente Ordinatenmengen, so ist für 
jedes positive & j 
(2) 0,<(1+90, und ,<(1+290,. 
Es ist also nach (2) und (1) 
„*0,<(l+e)u*0, und u*0,<S(l+e)u*O, 
und, weil die letzten Relationen für jeden Wert von & gelten, 


(3) u*0, = u*0,. 
Ebenso findet man 
(4) u O0, = ug 05, 


so daß, wenn eine der beiden Ordinatenmengen meßbar und von end- 
lichem Inhalte ist, die andere auch meßbar und von gleichem Inhalte 
sein muß. Aus der Meßbarkeit von O, folgt nämlich 


#0, = u*0, = 10, 
und hieraus wegen (3) uud (4) 
u*0, = 4%0,, 
woraus man die Meßbarkeit von O, entnimmt. 

Sind O0, und O, zwei äquivalente Ordinatenmengen von beliebigem 
Inhalt, ist ferner O, meßbar, und bezeichnet man mit W einen be- 
liebigen (n + 1)-dimensionalen Würfel, dessen Mittelpunkt im Anfangs- 
punkte der Koordinaten liegt, so sind die Punktmengen WO, und 
WO, äquivalente Ordinatenmengen, deren Inhalt endlich ist. Aus der 
Meßbarkeit von WO, folgt nach dem Obigen die Meßbarkeit von WO, 
und daraus, wenn man berücksichtigt, daß W beliebig genommen worden 
ist, die Meßbarkeit von 0,. 

Zusammenfassend haben wir den 

Satz 1. Zwei äquivalente Ordinatenmengen haben stets den gleichen 


(n + 1)-dimensionalen äußeren oder inneren Inhalt. Ist die eine dieser 
Mengen meßbar, so ist es die andere auch. 


380. Ein Zylinder C von der positiven Höhe h geht aus einem Zy- 
linder von der Höhe Eins durch die lineare Transformation 
7 Bel, u —mi,,5=he 
hervor. Hieraus folgen ($ 329, Satz 3) mit den Bezeichnungen des 
vorigen Abschnitts die Gleichungen 


u*tC=hm*B und uy„C=hmyB. 
27* 


.—_ 


420 Kap. VIII. Das bestimmte Integral $ 381 


Ist insbesondere die Basis eine Nullmenge, so ist der Zylinder von :der 
Höhe h ebenfalls eine Nullmenge. Aber noch mehr: Ist O eine belie- 
bige Ordinatenmenge, deren Basis B im Raume der (2,...x,) den In- 
halt Null besitzt, so ist 


0<C404G4-. 


wobei ©, den Zylinder von der Basis B und der Höhe % bedeutet. Da 
diese sämtlichen Punktmengen nach dem Obigen den Inhalt Null haben, 
so folgt der für unsere weiteren Untersuchungen wichtige Satz: 


Satz 2. Eine Ordinatenmenge, deren Basis im Raume der (z,,.... , &,) 


den Inhalt Null besitzt, ist selbst stets eine Nullmenge des (n + 1)-dimen- 
sionalen Raumes. 


Das bestimmte Integral von nicht negativen Funktionen. 


381. Der älteste Begriff des Integrals, dem man schon in den Wer- 
ken von Archimedes begegnet, ist aus dem Bedürfnis entstanden, 
Flächen- und Rauminhalte zu berechnen. 

Ist f(x) eine positive stetige Funktion, so setzt man den Flächen- 
inhalt des Gebietes, das zwischen der Kurve y= f(x), der Achse x = 0 


und den Ordinaten z=a und =D 
| liegt, gleich dem Inhalte der Ordinaten- 
| | menge, die durch die Ungleichheiten 


| ! a<a<b, O0<y<f@) 
' | 


charakterisiert wird. 


“ es. ? . Dieser Begriff läßt sich nun mit 
unsern Hilfsmitteln sofort verallge- 


meinern. Es sei E eine beliebige meßbare Punktmenge des n-dimen- 


sionalen Raumes und f(.P) eine nicht negative Funktion, die auf dieser 
Menge definiert ist. Wir bezeichnen mit 0x die Ordinatenmenge, die 
dadurch entsteht, daß wir in jedem Punkte P von E, in welchem f(P)>0 


t, 
ist, die Ordinate 0<2<f(P) 


errichten; von jeder zu Ox äquivalenten Ordinatenmenge O wollen wir 
sagen, sie sei eine Ordinatenmenge von f(P) über E. 

Es ist klar, daB Ox stets eine Teilmenge von O ist; der Index X 
soll daran erinnern, daß Ox die kleinste unter allen Ordinatenmengen 


von f(P) ist. 


Sind die Ordinatenmengen von f(P) über E meßbar und von end- 


lichem (» +1)-dimensionalen Inhalte, so heißt f(P) summierbar 


über E und der gemeinsame Inhalt dieser engen heißt das be- 


$ 382. Das bestimmte Integral von nicht negativen Funktionen 421 


stimmte Integral der Funktion f(P) über die Punktmenge E, die, wie 
wir gleich sehen werden, keineswegs von endlichem n-dimensio- 
nalen Inhalte zu sein braucht. Man schreibt nach der durch die 
Jahrhunderte nur wenig modifizierten Leibnizschen Bezeichnung: 


„0 — /f(P)dw. 


Man kann durch eine rein formale Änderung der Bezeichnung jedes Inte- 
gral in ein solches verwandeln, das über den ganzen %-dimensionalen 
Raum erstreckt ist. Dazu denken wir uns die Funktion f(P) nicht nur 
auf der Punktmenge E, sondern im ganzen Raume dadurch definiert, 
daß sie auf der Komplementärmenge von E den Wert Null annimmt. 
Dann ist, wie man leicht an der Hand der Definition des Integrals er- 


kennt, 
‚ftp dw - /i(P) dw. 


382. Wir wollen jetzt zuerst einige der Eigenschaften des Inte- 
grals erörtern, die aus seiner Definition allein folgen. 


Satz 1. Ist die nicht negative Funktion f(P) über E summierbar und 
ist E, eine meßbare Teilmenge von E, so ist f(P) auch über E, summierbar. 


Zum Beweise konstruieren wir die Ordinatenmenge U, einer Funk- 
tion, die in E, gleich + oo und sonst gleich Null ist. Die Punktmenge U, 
ist meßbar, denn sie ist der Limes für k = oo der meßbaren Zylinder C,, 
deren Basis E, und deren Höhe % ist (vgl. $ 375, Satz 1 und $ 380). 

Ist O eine Ordinatenmenge von f(P) über E, so ist O und daher 
auch U,O meßbar, und zwar von endlichem Inhalte wegen der Endlich- 
keit von uO. Nun ist aber U,O eine Ordinatenmenge von f(P) über E,, 
also ist f(P) über E, summierbar, und man kann schreiben 


(1) uU,0= ‚Sf (P)dw. 
Satz 2. Zerlegt man E in endlich oder abzählbar unendlich viele meß- 
bare Teilmengen 
E=E+&b+Bb+-: ’ 
so st 


JB) dw -2, fi fP)dw. 


Wir konstruieren die Ordinatenmengen U, von Funktionen, die in 
E, gleich + oo und sonst gleich Null sind. Dann ist 











422 Kap. VIII. Das bestimmte Integral ' 4 383 
0O=-0U + OT, +: 
und folglich ($ 246, Satz 7) 
ul = "2 u OU, 


d.h. Ba der Alsichung (1) und den ihr analogen 


| ‚f®) dw “2, JrP) dw, 


was zu beweisen war. 


383. Satz 3. Sind zwei über E summierbare nicht negative Funk- 
tionen f(P) und f,(P) gegeben und ist in jedem Punkte von E 


MD) AP)<sklP), 
so hat man auch 
(2) fi f(P)dw < [fs(P) au. 


Sind nämlich O, und 0, die kleinsten Ordinatenmengen von f,(P) 
und fa (P) über E, so ist wegen (1) 


0,<0,;: 


und hieraus folgt (2) unmittelbar. 


Satz 4. Ist f,(P), fs(P), - . - eine monoton wachsende, gegen f (P) kon- 
vergierende Folge nicht negativer Funktionen, die über E summierbar 
sind, so ist die Grensfunktion f(P) dann und nur dann über E summier- 
bar, wenn die Zahlenfolge 


StB dw (m=1,2,...) 
E 
beschränkt ist, und es i$t dann stets 
(3) [re aw = lim /f.(P)dw. 
E WERE 


Wir bezeichnen mit O,, die kleinste Ordinatenmenge von f,(P) 
über E und mit O die kleinste Ordinstenmenge von f(P) über E. Da 


nach Voraussetzung 
{„(P) < (6) 
ist, so ist nach dem Obigen 
0, <0,<X0,<---; 


O=1limO,, 


m=X0 


außerdem ist aber 





m enthält und jeder Punkt dieser Ordinate in mindestens einem OÖ, ent- 
halten ist. Die Punktmenge O ist also meßbar ($ 247, Satz 8) und es 


ıst stets M 0 — ]im u O, 


Die letzte Gleichung ist aber nur eine andere Schreibweise für (3), falls 


f(P) summierbar über E, d.h. uO eine endliche Zahl ist, und dieses 
ist dann und nur dann der Fall, wenn die Folge der uO, beschränkt ist. 
Unser Satz ist hiermit vollständig bewiesen. 


Meßbarkeit und Summierbarkeit. 


384. Zwischen meßbaren und summierbaren Funktionen besteht 
ein sehr enger Zusammenhang, für welchen die folgenden Sätze die 
Grundlage bilden. 


Satz 1. Jede nicht negative über eine meßbare Punktmenge E sum- 
mierbare Funktion ist meßbar auf E. 


Um die Meßbarkeit einer Funktion f(P) zu beweisen, genügt es zu 
zeigen, daß für jedes « die Punktmenge 


(1) M(f>«) 
von meßbarem Inhalte ist ($ 345, Satz 1). 


Wir führen im (» + 1)-dimensionalen Raume der (z,, .- ., An 2) die 
abgeschlossenen Punktmengen T, ein, die durch die Bedingungen 


(2) a<e<a+, 


bestimmt werden. Es sei jetzt O die kleinste Ordinatenmenge der nicht 
negativen über E summierbaren Funktion f(.P) und C, die Punktmenge, 
die aus OU, durch die lineare Transformation 

| en, =2,5=hle—e) 
entsteht. Aus der Summierbarkeit von f(P) folgt die Meßbarkeit von 
O und aus dieser die Meßbarkeit von OU, und von (, ($ 335, Satz 3). 
Ferner ist die Punktmege C, eine Ördinatenmenge, deren Projektion 
auf den Raum der (z,, &,, ..-, x,) identisch mit (1) ist; denn der Durch- 
schnitt von OU, (und folglich von C,) mit einer Parallelen zur z-Achse, 
die sich in einen Punkt P @es Raumes der (z,,..., z,) projiziert, ist dann 
und nur dann nicht leer, wenn f(P) > « ist. 
Ferner bemerke man, daß wegen (2) in jedem Punkte von (, 

O<istı 


1st. 














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424 Kap. VII. Das be bestimmte Integral g 385 





Die Vereinigungsmenge 
C=0,+G+0G+- 


ist nach dem Obigen ebenfalls meßbar. Nun ist aber C ein Zylinder, 
dessen Basis gerade die Punktmenge (1) ist; ist nämlich P irgendein 


- Punkt von (1), d.h. ist f(P)>«, so - eg ein a k, so 


daß auch 
fP)> «+ 


ist, und die Ordinate von O über P durchsetzt die Menge U,. Die ent- 
sprechende Punktmenge C, wird also eine Ordinate über P besitzen, die 
von z=0 bis z=1 reicht und die Punktmenge C ebenfalls. Da der 
Zylinder C im (» + 1)-dimensionalen Raume meßbar ist, so ist es auch 
nach dem Satze 4 des $ 378 seine Basis und das sollte ja gerade be- 
wiesen werden. 


385. Satz 2. Eine endlichwertige, beschränkte, nicht negative und 
meßbare Funktion ist über eine meßbare Punktmenge E von endlichem 
Inhalte stets summierbar. 


Jede Ordinatenmenge einer solchen Funktion ist nämlich der Summe 
von endlich vielen Zylindern äquivalent, die sämtlich meßbar sind, weil 
ihre Basen meßbare Punktmengen sind (8 375, Satz 1). Außerdem ist 
jeder dieser Zylinder von endlicher Höhe und seine Basis ist als Teil- 
menge von E von endlichem »-dimensionalen Inhalte, so daß die be- 
trachtete Ordinatenmenge unserer Funktion ebenfalls einen endlichen 
(a + 1)-dimensionalen Inhalt besitzt. | 

Satz 3. Eine nicht negative, beschränkte und meßbare Funktion f(P) 
ist über jede meßbare Punktmenge E, die einen endlichen Inhalt besitzt, 
summierbar. 


Wir können ($ 357, Satz 3) eine monoton wachsende Folge 


g,(P), $(P), --- 


von endlichwertigen, nicht negativen, meßbaren Funktionen finden, die 
gegen f(P) konvergiert. Es ist also 


Le) Pm(P)< Pm+ı(P) und A(£) — lim Pm(P) 


und folglich für jedes m 

2 PP) SAP)S EG, 

wobei @ die obere Grenze der beschränkten Funktion f(.P) bedeutet. 
Nach dem vorigen Satze sind die Funktionen p, (P) sowie die kon- 

stante Funktion, die überall gleich G ist, über E summierbar. 


$ 386 Meßbarkeit und Summierbarkeit 425 
Aus (2) folgt ferner ($ 383, Satz 3) 


Son(P)aw </@aw, 
E E 


so daß die Folge der Integrale von 9, (P), 9,(P),.... über E beschränkt 
ist. Die Voraussetzungen des Satzes 4 des $ 383 sind also sämtlich hier 
erfüllt und die gegebene Funktion f(.P) ist summierbar über E. 


386. Ist E eine beliebige meßbare »-dimensionale Punktmenge, 
so kann man eine monoton wachsende Folge 


(1) E<E<EBE<--- 
von meßbaren Punktmengen angeben, die einen endlichen »-dimen- 
sıonalen Inhalt besitzen und gegen F konvergieren. 


Es sei nun f(P) eine nicht negative, meßbare Funktion in E; wir 
bezeichnen mit /„(P) eine Funktion, die durch die Gleichungen 


9) f„(P)=m in der Punktmenge M(f>m), 
\ f„(P)=f(P) „» „ M(f<m) 


bestimmt wird. Die Folge f,(P), fs(P),. .. besteht aus lauter beschränk- 
ten und meßbaren Funktionen; nach dem vorigen Satze ist also f,(P) 
summierbar über E,. Wir bezeichnen ferner mit p,(P) eine Funk- 
tion, die durch die Gleichungen 


(3) | Pm (P) = f„(P) in der Punktmenge E,, 

\ PP) = 0 „9 „ (E— E,) 
bestimmt wird. Jede Ordinatenmenge der Funktion 9, (P) über E ist 
dann eine Ordinatenmenge von f,(P) über E,, woraus wir entnehmen, 


daß die Funktionen der Folge g,(P), 9,(P),... über E summierbar 
sind, und daß für jedes m die Gleichung | 


(4) Son(P)dw — [fn(P) dw 
Eın 
besteht. 
Ferner ist nach Voraussetzung 
E=lmE, 


M=® 


und folglich gelten wegen (1), (2) und (3) in jedem Punkte von E die 
Relationen 

9„(P)< 9.+1(P) und im 9,(P)=f(P). 
Nach dem Satze 4 des $ 383 ist also die Funktion f (P) über E sum- 








426 Kap. VI. Das bestimmte Integral $ 387 





mierbar, falls die Folge der Integrale von p„(P) über E, oder, was 
nach (4) dasselbe ist, falls die Folge 


5) Sr„P) dw (m=1,2,...) 
beschränkt ist, und man hat in diesem Fall 
rd) au - lim [f„(P)dw. 
Ist umgekehrt f(P) KAIRO so it für jedes m 
RL (P)dw < </fP)dw, 
d. h. die Folge (5) ee beschränkt. Zusammenfassend mit dem Satz 1 


des $ 384 hat man also den 

Satz 4. Für die Summierbarkeit einer nicht again Funktion f(P) 
über eine beliebige meßbare Punktmenge E von endlichem oder unendlichem 
Inhalte ist notwendig und hinreichend, daß f(P) in E meßbar sei, und daß 
die Folge (5), die dann stets aus endlichen Zahlen besteht, beschränkt sei. 

Insbesondere sind die Voraussetzungen des vorigen Satzes erfüllt, 
wenn f(P) meßbar ist und eine über E summierbare Funktion ®(P) 
gefunden werden kann, für welche 

KP)<S EP) 

ist. In diesem Falle besteht nämlich (8 383, Satz 3) für jedes »n die 


Gleichung E 
> fgn(Daw < [OLP) dw 
E E 


und die Folge (4) und daher auch (5) ist beschränkt. 

Satz 5. Eine nicht negative, meßbare Funktion f(P), die in einer be- 
liebigen meßbaren Punktmenge E eine über diese Punktmenge summier- 
bare Funktion nicht übertrifft, ist summierbar über E. 

387. Ist f(P) eine nicht negative über E summierbare Funktion 
und p(P) eine ebenfalls nicht negative, ihr äquivalente Funktion ($ 359), 
so ist nach Definition der n»-dimensionale Inhalt der Punktmenge 

E=HM(f+p) 
gleich Null. Die Ordinatenmengen von p(P) über (E— E,) stimmen 
mit denen von f(P) überein; die Funktion p(P) ist also über (E—E,) 
summierbar und man hat 


(1) J p(P) du nl f(P)dw. 


8 388 Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens 427 








Nach dem $ 380 ist aber die Ordinatenmenge einer beliebigen, nicht 
negativen Funktion über E, eine (a + 1)-dimensionale Nullmenge; hier- 
aus folgt aber erstens, daß jede nicht negative Funktion, also auch p(P), 
über %, summierbar ist, und zweitens, daß die Integrale über E,, die 
man so erhält, stets verschwinden. Man kann also schreiben 


(2) SeP)du  [fB)dw =0.. 


Ferner sehen wir, daß dann p(P) auch über E summierbar ist, und 
wegen (1) und (2) folgt hieraus: 


Se Paw  /IP) au. 


Es sei jetzt mit E,„ die Punktmenge bezeichnet, in der eine sum- 
mierbare, nicht negative Funktion f(P) den Wert +oo annimmt. Die 
Ördinatenmenge von f(P) über E,. hat nur dann einen endlichen In- 
halt, wenn E,.„ eine Nullmenge ist. 

Die endliche (aber nicht notwendig beschränkte) Funktion p(P), 
die in der Punktmenge (E— E,.) gleich f(P) und auf H,. Null ist, 
ist also der Funktion f(P) äquivalent, und wir haben den 


Satz 6. Es ses f(P) eine über die meßbare Punktmenge E summier- 
bare, nicht negative Funktion und p(P) eine beliebige, nicht negative Funk- 
tion, die zu f(P) äquivalent ist. Dann ist g(P) ebenfalls über E sum- 
mierbar. 

Ferner gibt es unter den zu f(P) auf E äquivalenten, nicht negativen 
Funktionen stets solche, die in jedem Punkte von E endlich sind. 


Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens. 


388. Es seien auf einer meßbaren Punktmenge E zwei endlich- 
wertige, beschränkte, nicht negative und über E summier- 
bare Funktionen p(P) und Y(P) gegeben. Man kann als Ordinaten- 
menge von p(P) eine Summe von endlich vielen Zylindern wählen, 
deren Basen B,’ und deren Höhen die positiven Zahlen h,' sein mögen, 
und ähnlich die Ordinatenmenge von y(P) mit Hilfe von endlich vielen 
Zylindern, mit den Basen und Höhen B,” und h,” bestimmen. Dann folgt 
aus den Gleichungen 


[p(P)aw= Ih-mB,, 
E k 


[v(®) dw = Ih” mB,;, 
E j 


Ar 


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- Bm 7 = 100 040 nA - Fe P = Fr. 
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u di a a r P Fin nn m ut = 


B ec _ 
u u A en — 





498 Kap. VIII. Das bestimmte Integral Ss 389 





daß wegen der Endlichkeit der linken Seiten, die n-dimensionalen In- 
halte mB, und mB,” der notwendig meßbaren Punktmengen B, und 
B,” ebenfalls endliche Zahlen sein müssen. 


Nun ist die Funktion (p(P) + y(P)) ebenfalls eine endlichwertige 
Funktion und man erhält eine ihrer Ordinatenmengen, wenn man für 
jede Kombination von k und 5 auf der Basis 


B,= BB; 
einen Zylinder von der Höhe 

h,=h4th, 
errichtet. 


Hieraus folgt aber für jedes der endlich vielen D,, deren n-dimen- 
sionaler Inhalt ebenfalls eine endliche Zahl ist, 


SP + vP)dw = [p(P)dw + [ü(P) dw 


p > 


und folglich nach dem Satze 2 des $ 382 
(1) SB + v(D) dw = [p(P) dw + [y(P)aw. 
E E E 


‚389. Es seien jetzt f(P) und g(P) zwei beliebige über Z summier- 
bare, nicht negative Funktionen. Man kann ($ 357, Satz 3) monoton 
wachsende Folgen von endlichwertigen, nicht negativen meßbaren Funk- 
tionen p,(P) und u, (P) finden, die gegen f( P) bzw. g(P) konvergieren: 


Ym(P)<S Parı(P), ‚lim 9, (#) = f(P), 
un <YmlB),  limin(P) = gl) 


Dann sind aber auch nach dem Satze 5 des $ 386 diese Funktionen 
summierbar und man hat ($ 383, Satz 4) 


| SrP) dw = im [p„(P)aw, 
. : E MZDE 

(1) ä 
Ss(P)aw = lim [v,(P)dw. 
E M=ZX 

Ferner ist die Funktionenfolge | 


(BD +uB), (D+ Bi... 


monoton wachsend und man hat 


f(P) + 9(P) = lim (g,(P) + v„(P)). 


$ 390 Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens 429 


en a a m a 


Endlich ist nach dem vorigen Paragraphen 
2) StontP)+v„(P)dw—[p„(P)dw + [v„(P) dw 
E E E 


</f(P)dw + [g(P)du. 


Die Integrale über E von (p„(P) + v,„(P)) bilden demnach eine be- 
schränkte Zahlenfolge und hieraus folgt ($ 383, Satz 4), daß die Funk- 
tion (f(P) + g(P)) über E summierbar ist, und daß 


(3) Sir) + gP)) dw — lim ((p(P) + v„(P)) dw 
E MZRE 
ist. Der Vergleich der Gleichungen (1), (2) und (3) liefert endlich die 
Gleichung: | 
(4) SP) + 9(P))dw = [f(P)dw + [o(P)äw. 
A E E E 
Satz 1. Die Summe (f{P)-+g(P)) von zwei über E summierbaren, 


nicht negativen Funktionen ist eine summierbare Funktion, für welche die 
Gleichung (4) gilt. | 


390. Es sei F(P) eine endliche Funktion, die man auf einer meß- 
baren Punktmenge E als Differenz von zwei endlichen, über E summier- 
baren, nicht negativen Funktionen f(P) und g(P) ansehen kann; ferner 
seien f,(P) und g9,(P) zwei beliebige, nicht negative, über E summier- 
bare endliche Funktionen, deren Differenz ebenfalls gleich F(P) ist. 


Man hat also | 
F(P) = (P) - s(P) = (P) - 9(P) 


und hieraus folgt 
KP)+4(P)=hlP)+glP). 
Nach unserm letzten Satze hat man dann 


, SrP)aw + ‚Jo (P)au * [fP)aw + Jo(®) dw 


oder 


‚re aw - /aP) er Pd a Ig(P) dw. 


Zweitens betrachten wir eine beliebige, ebenfalls endliche Funktion 


F(P), die auf der Punktmenge E zu unserer Funktion F(P) äquivalent 
ist, und setzen 





m 








430 | Kap. VID. Das bestimmte Integral S 391 
f(P)=f(P) auf M(F<F), 
fP)=(FiP—-FiP)+fP) „ MF>F), 
9(P)=y(P) „ M(F>F), 


KP)=(FP)—F(P))+g(P) „ M(F<F). 
Nach dieser Definition hat man in jedem Punkte von E 
F(P)-F(P)- 30), 

und f(P) > f(P), F(P) > g(P), woraus folgt, daß die Funktionen f(P) 
und 9(P) nicht negativ sind. Wegen der Aquivalenz von F(P) und 
F(P) sind ferner die Punktmengen M(F>F) und M(F<F) beide 
Nullmengen und es ist daher 

F(P)F(P) und ZCP)g(P) auf E. 


Hieraus folgt aber nach dem Satze 6 des $ 337, daß die Funktionen 
f(P) und 9(P) summierbar über E sind, und es gelten die Gleichungen 


Si f(P) dw = /f®) dw, . Ja) dw — Je) dw. 


Zusammenfassend haben wir den 

Satz 2. Wenn man eine endliche Funktion F(P) auf einer meßbaren 
Punktmenge E als Differenz von zwei über E summierbaren, nicht negativen 
Funktionen darstellen kann, so gestattet jede auf E zu F(P) äquivalente 
endliche Funktion F(P) eine ebensolche Darstellung. Sind dann f(P), 
g(P), fı(P), 9,(P) vier beliebige, nicht negative, über E summierbare 
Funktionen, die den Gleichungen 


F(P)=f(P)—-g(P), F(P)=f,(P) -7,(P) 
genügen, so ist auch stets 


j [rp)aw a [s(P) dw ” SF(P) dw z SF.(P)dw. 


391. Der letzte Satz gestattet, den Begriff der Summierbarkeit auch 
auf Funktionen beliebigen Vorzeichens zu. übertragen. 

Definition I. Eine Funktion ®(P) (die nicht endlich zu sein 
braucht) soll über eine meßbare Punktmenge E summierbar 
genannt werden, wenn sie der Differenz von zwei nicht nega- 
tiven, endlichen und im früheren Sinne über £ summierbaren 
Funktionen f(P) und g(P) äquivalent ist. 

Die neue Definition der Summierbarkeit enthält die frühere; ist 
nämlich /(P) im früheren Sinne über E summierbar, so gibt es eine 


$ 392 Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens 431 


mn an m nn nn un 


endliche, zu f(P) äquivalente, nicht negative Funktion f,(P), die (im 
früheren Sinne) über # summierbar ist ($ 387, Satz 6). Setzt man 
dann 9,(P)=0, so ist g,(P) ebenfalls über E summierbar und man hat 


a) 2. PB)rAlP- AP). 
Das Integral einer summierbaren Funktion ®(P) wird nun folgen- 
dermaßen definiert: 


Definition II. Ist @(P) eineFunktion beliebigen Vorzeichens 
und bedeuten f(P) und g(P) zwei nicht negative, über E im 
früheren Sinne summierbare Funktionen, deren Differenz 
äquivalent zu B(P) auf E ist, so setze man 


(2) S o(P)dw  /i®) du — [s(P) aw, 


wobei die Integrale der rechten Seite die alte Bedeutung 
haben. 


Daß die durch die Gleichung (2) definierte Zahl ganz unabhängig 
von der Wahl der Funktionen f(P) und g(P) ist, sobald diese Funk- 
tionen unseren Bedingungen genügen, ist eine Folge des Satzes des 
vorigen Paragraphen in Verbindung mit der Tatsache, daß zwei einer 
dritten äquivalente Funktionen einander äquivalent sind ($ 359, Satz 1). 
Für Funktionen, die im alten Sinne summierbar sind, folgt aus (1) 


| Jh) do — ‚Jo (P)dw - /r®) dw, 


- und hieraus sieht man, daß die neue Definition des Integrals in diesem 
Falle zu derselben Zahl führt wie die alte. 


392. Ist F(P) eine beliebige (nicht notwendig endliche) über E 
summierbare Funktion und ist ®(P) eine in E ihr äquivalente Funk- 


tion, so folgt aus 
F(P) »f(P) — g(P), | 
wo f(P) und g(P) zwei nicht negative, endliche, über E summierbare 
Funktionen bedeuten, daß ebenfalls 
(P)»fP)—g(P) 
ist, und daß folglich D(P) über E summierbar ist und dasselbe Inte- 
gral wie F'(P) besitzt: 
Satz 3. Ist F(P) eine beliebige, über E summierbare Funktion und 


ist ın der Punktmenge E 
F(P)»&(P), 





ıE 
i 
Hi 
K 
a 


a R y 
Ks A; 





432 Kap. VIII. Das bestimmte Integral $ 393 


so ist die Funktim D(P) ebenfalls summierbar über E und es besteht die 
Gleichung 

SEP) dw = [F(P) Aw. 

E E 


393. Ist F(P) eine über E summierbare Funktion, so ist nach 
Definition ° | 

(1) F(P)SfP)— g(P), 

wobei f(P) und g(P) zwei nicht negative, endliche, summierbare Funk- 
tionen bedeuten. Dann ist aber ($ 360, Satz 4) 


(2) - FRSgP)- PR), 


also ist die Funktion — F(P) ebenfalls über E summierbar und man 
hat die Relation 


(3) > — F(P)dw — Jo) dw — ‚rP)dw f F(P)dw. 
Ist ferner A eine endliche positive Zahl, so ist nach (1) 
AFP) Af(P) — AgCP); 


nun erhält man aber die Ordinatenmengen von Af und Ag, aus denen 
von f und g durch die lineare Transformation 





Pe re sr a we . 


des (n-+1)-dimensionalen Raumes, in dem diese Ordinatenmengen liegen. 
Nach dem Satze 3 des $ 329 müssen also Af und Ag über E summier- 
. bar sein und die Gleichungen gelten 


f ıfP)dw=a/f(P)aw, [ag(P)aw A /g(P)aw. 
Also ist auch A F(P) summierbar und man hat 
(4) SaF(P) dw = ı [F(P)aw. 


Mit Hilfe von (3) kann man die Relation (4) auf negative Werte 
von A übertragen. Endlich ist aber die Gleichung (4) auch für A = 0 
erfüllt, falls AF(P) in jedem Punkte von E definiert ist, was dann und 
nur dann der Fall ist, wenn F(P) eine endliche Funktion bedeutet. 

Satz 4. Ist die Funktion F(P) über E summierbar und ı eine be- 
biebige reelle, von Null verschiedene Zahl, so ist AF(P) ebenfalls eine über 
E summierbare Funktion und es besteht die Gleichung 


SAr(P) dw = [FB aw. 


| S: 394. 895 Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeicheng 433 








Die Behauptung des Satzes ist auch für A = 0 richtig, falls F(P) eine 
endliche Funktion ist. 


394. Esseien F(P)=f,(P)—-g(P), 
F(P)=A(P)—-9(P) 
zwei über E summierbare, endliche Funktionen. Dann sind die Funk- 
tionen (f,(P)+fs(P)) und (9,(P)-+9,(P)) nach dem Satze 1 des $ 389 
ebenfalls über E summierbar und dasselbe muß also auch von 
F(P)+ F(P)= (htP) + ftP)) - (alP) + g(P)) 
gelten, und der soeben erwähnte Satz liefert außerdem die Gleichung 


SP) + FP))aw -[F(P)dw + [F,(P)dw. 
E E E 


Mit Hilfe des Satzes des vorigen Paragraphen kann man schließlich 
behaupten: 

Satz 5. Sind F,(P) und F,(P) zwei über E summierbare endliche 
Funktionen und sind A, und A, irgend welche reelle Zahlen, so ist die 
Funktion (),F\(P)+4,Fs(P)) ebenfalls eine über E summierbare Funk- 
bon, für welche die Gleichung gilt: 


[a PP) +1, PP) dw = [F(P)dw + 1, [ Fs(P) dw. 


Dieser Satz, der insbesondere die Formeln für die Integrale über 
die Summe oder Differenz von summierbaren Funktionen als Spezial- 
fälle enthält, läßt sich sofort auch auf nicht überall endliche, summier- 
bare Funktionen übertragen, wenn man als Integrationsbereich die 
Menge E’ wählt, in der die Operation (A, F\ +4,F,) einen Sinn hat. Es 
ıst überdies stets, wie aus. der ersten Definition des $ 391 ist, 

m(E—-E) = 


395. Jede über E summierbare Funktion F(P) ist einer in E end- 
lichen, summierbaren Funktion F,(P) äquivalent. Schreibt man also 


(1) FP)SFP=hP)- MP) 

so ist F, (P) als Differenz von zwei endlichen meßbaren Funktionen meß- 
bar ($ 384 u. 350) und das Gleiche gilt dann auch von F(P) (8 361, 
Satz 7). Ferner hat man 

(2) F(P-IFAl<YAM + HDi 

die Funktion ,F, (P)| ist ebenfalls meßbar ($ 347, Satz 5) und sie ist nicht 
größer als die Funktion f,(P)+g, (P), die über £ summierbar ist (8389); 


Caratheodory, Reelle Funktionen. 28 








434 Kap. VIII. Das bestimmte Integral 8 395 


nach dem Satze 5 des $ 386 ist also |F\ (P)| ebenfalls über E summier- 
bar und das Gleiche gilt von der ihr äquivalenten Funktion |F(P)| 
($ 387, Satz 6). 

Ist umgekehrt F(P) eine in E meßbare Funktion und die Funktion 
ıF(P)| über E summierbar, so ist | F(P)| einer endlichen Funktion äqui- 
valent; dann muß aber auch F(P) einer endlichen Funktion F\ (P) 
äquivalent sein. Man hat ferner 


F(B)IS]FB) 

und hieraus folgt, daß |F(P)| über E summierbar ist. Nun bilde man 
F(P)+F(P F(P)|—-F,(P 

a AN, aa AA, 


die beiden endlichen Funktionen f(P) und g,(P) sind nicht negativ 
und nicht größer als die summierbare Funktion |F,(P)| und sind daher 
ebenfalls summierbar. Dasselbe muß also auch für 


FP)=AHP)—- g(P) 
und für die der Funktion F\, (P) äquivalente Funktion F'(P) der Fall 
sein. Es gilt also der 

Satz6. Für die Summierbarkeit einer Funktion F(P) über die Punkt- 
menge E ist notwendig und hinreichend, daß F(P) in E meßbar und | F(P), 
über E summierbar sei. 

Im Wortlaute dieses Satzes müssen beide Voraussetzungen, die 
Meßbarkeit von F(P) und die Summierbarkeit von |F(P)|, ausdrück- 
lich erwähnt werden, da sie voneinander unabhängig sind. Z. B. ist 
die Funktion 1: x? im Intervalle I: O<z<1 meßbar, aber nicht sum- 
mierbar (vgl. $ 403). Anderseits aber ist, wenn A eine nicht meßbare 
Teilmenge von I bedeutet, die Funktion f(a), die in jedem Punkte von 
A gleich +1 und in jedem Punkte von (I— A) gleich —1 ist, keine 
meßbare Funktion, aber |f(x)| ist hier konstant und daher summierbar 
auf der beschränkten Punktmenge I. | 

Im Falle, daß die Funktion F'(P) meßbar und beschränkt ist, ist 
|F(P)| ebenfalls meßbar und beschränkt und daher auf jeder meßbaren 
Teilmenge des Definitionsbereiches von F'(P), die einen endlichen In- 
halt besitzt, summierbar ($ 385, Satz 3); wegen des letzten Satzes können 
wir also sagen: 

Satz 7. Eine meßbare und beschränkte Funktion F(P) ist summier- 
bar über jede meßbare Teilmenge ihres Definitionsbereichs, die von end- 
lichem Inhalte ist. 


Nach den Relationen (2) und (3) ist 
FRA =-AP+ I(P). 


S 396 Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens 435 





Setzt man also 
s-/fh(Dau, &-/g(P)äw, 
E E 
so kommt 


[FP)daw= 8-8, SFP)jau= 8, +5;; 
E E 


nun ist aber, weil keine der Zahlen S, und $, negativ ist: 


s-$&<s9+% 
und hieraus folgt der 
Satz 8. Für jede über die beliebige meßbare Punktmenge E summier- 
bare Funktion F(P) güt die Gleichung 


| [FB dwi<IF(P)law. 


396. Die Sätze des $ 382 lassen sich auf 'summierbare Funktionen 
beliebigen Vorzeichens erweitern: 

Ist z. B. E, eine meßbare Teilmenge von E, so ist jede über E sum- 
mierbare Funktion F(P) meßbar in E,, weil sie in E meßbar ist. Außer- 
dem ist die über E summierbare, nicht negative Funktion |F’(P)| nach 
dem Satze 1 des $ 382 auch über E, summierbar, und daher muß auch 
F(P)) nach dem Satze 6 des vorigen Paragraphen die gleiche Eigenschaft 
besitzen. 

Satz 9. Eine über die Punktmenge E summierbare Funktion F(P) 
ist auf jeder meßbaren Teilmenge E, von E ebenfalls summierbar. 

Zweitens existieren nach Voraussetzung zwei nicht negative, end- 
liche, über E summierbare Funktionen, deren Differenz der Funktion 
F(P) äquivalent ist, 

(1) FP)SFP)— IE). 
Zerlegen wir nun die Punktmenge E in endlich oder abzählbar unend- 
lich viele meßbare Teilmengen E, ohne gemeinsame Punkte: 


E=-E4R ta, 


so folgt aus der Tatsache, daß die Beziehung (1) auch in jedem E, gilt, 
nicht nur | 


(2) /F(P) du — [f(P) dw - [s(P) dw, 
sondern auch z - ü j | " i 
(3) fi F(P)dw = [f(P) dw — ö g(P)dw. 

28* 


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436 Kap. VIII. Das bestimmte Integral g 397 


Nun gelten nach dem Satze 2 des $ 382 die Gleichungen 


‚Jr du— 2 ‚Jt®) dw, 
‚JeP)aw -2 /(P) dw, 


und da die Subtraktion der beiden Summen über % in (4) gliedweise er- 
folgen darf ($ 109), haben wir durch Vergleich von (2), (3), (4) den 


Satz 10. Ist die Funktion F(P) über E summierbar, so gilt für jede 
Zerlegung von E in endlich oder absählbar unendlich viele meßbare Pumkt- 
mengen E,, Es, . . . olme gemeinsame Punkte stets die Gleichung 


[F(P)aw = I [F(P)aw. 
E RE 
397. Wir setzen wieder, wie im vorigen Paragraphen, 


E-E+B+E+--- 


und machen über die E, dieselben Voraussetzungen wie dort. Die Sum- 
mierbarkeit einer Funktion F(P) über E zieht die Summierbarkeit von 
|F(P)| über E und diese die Beschränktheit der Folge 


M) - = firdlaw 


=1E 
für jedes m nach sich. z 
Wir betrachten nun eine Funktion F(P), von der wir nur wissen, 
daB sie über jedes Z, summierbar ist, und setzen 


9,(P) = 5 (Pi in der Punktmenge E,, 


y,(P )= „»» „ (E— E,). 


Die nicht negativen Funktionen p,(P) sind über E summierbar und das 
Gleiche gilt ($ 389, Satz 1) von 


Außerdem ist in jedem Punkte von & 
m) YmılB), im unlP) = |FLR)! 
und es gilt auch die Gleichung 
(2) Sun(P) dw = I fIF(P)law. 
E —tEL 


Nach dem Satze 4 des $ 383 ist also |7(P)| dann und nur dann über E 


(4) 


S 398 Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens 437 





summierbar, wenn die Zahlen (2) alle unterhalb einer endlichen Schranke 
liegen. Da die Funktion F(P) aber jedenfalls in E meßbar ist, haben 
wir den 

Satz 11. Sınd E,, E,,.... endlich oder absählbar unendlich viele meß- 
bare Punktmengen ohne gemeinsame Punkte und ist eine gegebene Funktion 
F(P) für jeden Wert von k über E, summierbar, so ist sie dann und nur 
dann auch über E-E+BE+B+-- 


summierbar, wenn die Folge der Zahlen 


(3) D firniao ee 


=1 Er 
beschränkt ist. 


Man kann diesen Satz als Kriterium für den Beweis der Summier- 
barkeit gewisser Funktionen benutzen. Es sei z.B. 
E: z <ıi<l 


BE: <0<y k=1,2,...) 


a E 
und 


F@l< 7; 


In jedem Punkte von E, ist dann |F'(x)| < 9 und man kann daher 
schreiben 
u 2 ()" 


Die Beschränktheit der Folge (3) folgt nun hier aus der Tatsache, daß 


die Summe es a 
ter 


einen endlichen Wert besitzt ($ 107). Insbesondere ist also die Funk- 
tion 1: Vz über das Intervall O< x < 1 summierbar. 


398. Da wir von nun ab von der Äquivalenz einer summierbaren 
Funktion mit der Differenz von zwei nicht negativen endlichen Funk- 
tionen keinen Gebrauch mehr zu machen haben werden, wollen wir 
wieder für das Funktionszeichen kleine Buchstaben benutzen. 

Es sei f(P) eine über die beliebige meßbare Punktmenge E sum- 
mierbare Funktion beliebigen Vorzeichens und p(P) eine in .E meßbare 
und beschränkte Funktion, die in keinem Punkte von E verschwindet, 





438 Kap. VIII. Das bestimmte Integral 8 399 
in welchem |f({P)|= + oo ist. Dann folgt aus 


IP(P)I<@ 
in jedem Punkte von E, daß 


(1) PARSE If) 


ist. Nun ist aber \/(P)| über E summierbar und nach dem Satze 4 


des $ 393 hat die Funktion G|f(P)| dieselbe Eigenschaft. Also ist 
wegen (1) die nicht negative meßbare Funktion |;p(P)f(P)| nach dem 
Satze 5 des $ 386 ebenfalls über E summierbar, und da p(P)f(P) nE 
meßbar ist, muß diese Funktion ebenfalls über E summierbar sein ($ 395, 
Satz 6). Dies liefert den 


Satz 12. Das Produkt g(P)- f(P) einer über E summierbaren Funk-. 
tion f(P) mit einer in E meßbaren und beschränkten Funktion p(P), die 
in keinem Punkte von E verschwindet, in welchem f(P) umendlich ist, ist 
stets eine, über E summierbare Funktion. 


Man bemerke, daß die Funktion y(P) nicht über E summierbar 
zu sein braucht, wenn E nicht von endlichem Inhalt ist. Ferner, daß, 
selbst wenn E von endlichem Inhalte ist und p(P) summierbar über Z, 


. aber nicht beschränkt ist, die Funktion g(P).f(P) nicht über E sum- 


mierbar zu sein braucht. So ist z. B. nach dem vorigen Paragraphen 


 fa)=1:Yx summierbar im Intervall O<xr< 1; setzt man aber 


PR); fx), so ist | 
p(X): f(x) = — 
nicht summierbar in demselben Intervall (vgl. $ 403). 

Die Voraussetzungen des letzten Satzes, die wegen ihrer Unsym- 
metrie auf den ersten Blick als verbesserungsbedürftig erscheinen könn- 
ten, lassen sich also nicht leicht durch andere praktischere oder allge- 
meinere ersetzen. 


399. Es seien f‚,(P) und /,(P) zwei über E summierbare Funk- 
tionen und in jedem Punkte von E sei außerdem 


) (BP) <h(D. 
Die Punkte von E, in denen 
AAl+APi=+0 
ist, bilden eine Nullmenge N. Setzt man nun 
9,(P)=fi(P) und 9,(P)=f(P) in der Punktmenge (E— N n) 


und 
| 9,(P)=9,(P)=0 in der Punktmenge N, 


$ 399 Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens 439 


so sind 9, und 9, zwei zu f, und f, äquivalente Funktionen, die also 
auch über FE summierbar sind, und die überdies endlich sind. Außerdem 
aber hat man nach Konstruktion 


9(P) — 9,(P) > 0 
und folglich ($ 394, Satz 5) 


‚SrrP) dw — [p(P)dw - [KAP AiP))du 20. 
Da nun aber, wegen der Äquivalenz unserer Funktionen, 
Sf (P)dw - AL p,(P)dw und fhtP) dw — ak 9, (P)dw 
ist, sieht man schließlich, daß die Ungleichheit (1) die folgende 
2) SP ao </h(P)au 


nach sich zieht. 
Es sei jetzt eine monoton wachsende Folge 


(8) K(P<A(P)<f(P)<--- 


von über E summierbaren Funktionen gegeben. Dann existiert stets 
der Limes | 


(4) f(P) = lim f(P). 
Ist f(P) über E summierbar, so folgt nach dem Obigen für jedes k 
Jh® dw </f(® dw 


und die Zahlenfolge 
(5) Sr Bau (k=1,2,3,...) 
E 
ist beschränkt. 
Wir wollen aber auch umgekehrt zeigen, daß, wenn die Folge (5) 


beschränkt ist, die Funktion f( P) über E summierbar ist. 
Dazu bemerken wir, daß die Punktmengen 


N,=M(fi= +) 
und ihre Vereinigungsmenge 
N=-N+N+N+--- 


Nullmengen sind. Wir definieren eine neue Folge von Funktionen durch 
die Gleichungen 





440 Kap. VIII. Das bestimmte Integral $ 399 


(6) 1 p(P)=f(P) in der Punktmenge (EN), 


pP) = 0 ”»» „ N. 
Die Gleichungen (6) und (3) haben aber zur Folge, daB 
(7) 9(P)<S P+ı(P) 


ist und daß @,(P) für jedes % eine endliche Funktion ist, für welche 
die Beziehung 


(8) (P) m fı(P) 
gilt. Also existiert stets die Grenzfunktion 
pr )= lim ı pl ) 


und ist der Funktion f(P) Kodisalen: ($ 360, Satz 5). Es genügt also 
die Summierbarkeit von p(P) über E zu beweisen; dazu setze man 
(9) Y(P) = PulP) — Yı(P) 
und bemerke, daß die Folge 
v(P), %(P), v(P),..- 


monoton wächst und aus lauter nicht negativen, über Z summierbaren 
Funktionen besteht. Wegen (8) und (9) hat man nun für jedes k | 


(10) [vB au - Sh®) dw — h®) dw (k=1,2%..) 


und man sieht, daß die vorausgesetzte Beschränktheit der Zahlenfolge (5) 
die Beschränktheit der Folge (10) nach sich zieht. Nach dem Satze 4 
des $ 383 ist also die Funktion 


v(P) u vı(P) 


summierbar und man kann mit Benutzung von (10) schreiben: 


(11) S v(P)du = Im Jh) dw — Jh) dw. 
Hieraus folgt die Summierbarkeit der Funktion 
(12) y(P)=HP)+ pP) 


und der ihr äquivalenten Funktion f(P). Mit Benutzung von (11) und 
(12) folgt überdies die Gleichung 


[rP) dw — lim [f,(P) dw. 
E I=@R 


$ 400 Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens 441 


Da nun dieselben Überlegungen unverändert auch für monoton ab- 
nehmende Funktionenfolgen gelten, können wir das allgemeine Resultat 
aussprechen: | 


Satz 13. Ist f‚,(P), f(P), ... eine monotone, gegen f(P) konvergie- 
rende Folge von beliebigen, über E summierbaren Funktionen, so ist die 
Zahlenfolge 


(13) J f„(P)dw (m=1,2,...) | 


ebenfalls monoton. Ferner ıst die Grensfunktion f(P) = ‚im 2 fm (P) dann 


und nur dann über E summierbar, wenn die Folge (13) beschränkt ist. 
Ist dieses der Fall, so gilt stets die Gleichung 


‚Ir dw — lim /f(P)dw. 


400. Es sei jetzt 
(1) Ä KPD)... 


eine beliebige Folge von über E summierbaren Funktionen. Wir be- 
trachten in einem Punkte P von E die k Zahlen f,(P), ı(P),..-, fı(P) 
und bezeichnen mit p,(P) die größte unter diesen Zahlen. Dann ist 
p,(P) eine Funktion, die, auf E betrachtet, meßbar ist ($ 352, Satz 10); 
außerdem aber ist 


(2) AS Ari + + AD, 


und, da die Summe auf der rechten Seite der letzten Ungleichheit aus 
lauter über E summierbaren Funktionen besteht, ist sie selbst über E 
summierbar und das Gleiche gilt nach dem Satze 5 des $ 386 von 
Ip,(P)|. Hiernach muß aber auch p,(P) selbst über E summierbar sein. 


Die Folge 
pP), y(P),.-- 


ist nun nach Konstruktion monoton wachsend, und da sie aus lauter 
über E summierbaren Funktionen besteht, so kann man den Satz des 
vorigen Paragraphen hier anwenden, der hier eine Aussage über 


(3) G(P) = obere Grenze der Folge {f(P), &(P), -- -) 
enthält, weil man ja, 

(a) GP) = lim g,(P) 

setzen kann. 


Man bemerke, daß, wenn @(P) über E summierbar ist, jede der 














442 Kap. VIII. Das bestimmte Integral g 40 


Funktionen f,(P) kleiner als eine über E summierbare Funktion ı1st 
und daß, wenn das der Fall ist, d. h. wenn für jedes k 

| KP)SS(P) 
ist, wo S(P) eine über E summierbare Funktion ist, die Folge der Inte 
grale von 9,(P), 9,(P),... über E beschränkt ist, da dann für jedes / 


Jr P)aw < /p(P)aw < [S(P) au 


ist. Hieraus folgt aber nach dem letzten Satze die Summierbarkeit von 
G(P) über E und wir können den Satz aussprechen: 

Satz 14, Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß die 
obere Grenze G(P)) einer Folge von über E summierbaren Funktionen eber- 
falls über E summierbar sei, ist die, daß sämtliche Funktionen f,(P) nicht 
größer seien als eine feste über E swmmierbare Funktion S(P). Darn 
ist aber auch stets die 


obere Grenze von SAAB) dw < S G(P)aw. 


Ein ganz analoger Satz gilt natürlich auch für die untere Grenz ze 
einer Folge von Funktionen, 


401. Liegen die Funktionen f,(P), fs(P), ... sämtlich unterhalb 
einer festen, über E summierbaren Funktion $,(P) und setzt man 


(1) G,(P) = obere Grenze von (f,(P), +ı(P), -- -}; 


so sind nach dem letzten Paragraphen diese Funktionen summierbar. 
Außerdem ist aber nach unserer Konstruktion 


2) G(P)26,(P)2@(P2--- 
und folglich ist auch 
3 


r(P) — lim G,(P), 
k=» 
wegen des Satzes 13 des $ 399, über E summierbar, falls 
(4) | im /G,(P)äw > — 
k= 5 
ist. 


Setzt man zur Abkürzung 
1, = [f,(P) aw, 
E 


so ist nach dem vorigen Be 
obere Grenze von {],, I,,,.,---) </[@,(P) dw 
E 


8 402 Summierbare Funktionen beliebigen Vorzeichens 443 
und folglich für jedes k 

im /f,(P)dw < /G,(P)aw. 

jJea} E 





Es ıst also auch 
(5) lim Ir) dw <lim [G,(P)dw, 
j=» k=xp 


woraus man entnimmt, daß die Bedingung (4) jedesmal dann erfüllt ist, 
wenn die linke Seite von (5) endlich ist. In diesem Falle ist aber y( P) 
summierbar und 


Sr®) dw - lim [6,(P)aw; 

E k=0% 
ferner kann man auch schreiben 

>(P) = lim fx(P), 
sodaß wir den Satz aussprechen können: 
Satz 15. Sind die Funktionen der Folge f,(P), fs(P), --. alle über 
E summierbar und nicht größer als eine feste, über E summierbare Funk- 
tion S,(P) und ist \ » 
lim nf f.(P)dw 


eine von — co verschiedene Zahl, so ist die Funktion lim f,(P) ebenfalls 
eine über E summierbare Funktion und man hat 


lim fu) dw < im A(P) dw. 


Einen ganz analogen Satz hat man für die unteren Limites, falls die 
Funktionen f,(P), fs,(P),.... alle nicht kleiner sind als eine über E 
summierbare Funktion $,(P). Man kann ihn aus dem vorhergehenden 
sofort entnehmen, indem man f,(P) durch —f,(P) und $,(P) durch 
— 8,(P) ersetzt. 


402. Der wichtigste Fall ist aber der, daß beide Ungleichheiten 
zugleich gelten und man setzen kant: 


a) SD << SP); 
dann hat man nämlich für jedes k 
[S(P) dw < [f,(P)aw < [S,(P)aw 
und folglich j ä i 
2) JSCP)aw < im [f,(P) dw < lim [f(P)dw < [S,(P)dw, 





444 Kap. VIII. Das bestimmte Integral 8 402 


woraus man entnimmt, daß die beiden Hauptlimites der Folgen der 
Integrale von f,(P) über E endliche Zahlen sind. 

Aus der Bedingung (1) folgt überdies für jedes k 
| APIS ICP) + ISCP)l = SP), 
wo S(P) eine über E summierbare Funktion bedeutet; ist umgekehrt 
für jedes k 
(8) ASS), 


so kann man schreiben: 


-S(P)SHP)SSD), 


womit gezeigt ist, daß man die Bedingung (1) durch (3) ersetzen kann. 
Alles in allem haben wir folgenden, aus dem vorigen mit Hilfe 
unserer Bemerkungen sofort aufzustellenden | 


Satz 16. Sind die Funktionen f(P), a(P), - - . über E summierbar, 
und ist ferner für dsk 
(4) APIS SP), 


wo S(P) eine über E summierbare Funktion bedeutet, so ist stets 

(5) Ni CP) do < im [I,(P)dw < Jim [f,(P) do < m f,(P)ate. 
‚Im Falle, daß die Funktionenfolge konvergiert, hat man insbesondere 

(6) lim [Du -fi lim f,(P)dw. 


Für eine konvergente Funktionenfolge, die der Voraussetzung (4) 
des letzten Satzes genügg, folgt überdies, wenn man 


M) f(P) = lim f,(F) 

setzt, nicht nur die Gleichung 

(8) Ir)! dw = lim [f,(P)| a, 
sondern sogar 2 “ 

N lim fi f(P)f.(P)ldaw=0, 


was natürlich mehr besagt, weil |f(P)A—f,(P)| > IIr(P)| — | r(P)l| ist. 
Man beweist diese letzte Gleichung, indem man bemerkt, daß für jedes k 


ro) —- HP) < |f(P)| + IK <28(P) 


ist, so daß unser Satz auch auf die gegen Null konvergierende Funk- 
tionenfol e 
e KD-kPl| —— —  (dk-1,2,..) 


angewandt werden kann. 


8 403 Abschätzung und Approximation von Integralen 445 


Für die Anwendungen ist es bequem, noch folgenden Satz auszu- 
sprechen, obgleich er viel spezieller als Satz 16 ist: 


Satz 17. Eine auf einer Punktmenge E endlichen Inhalts gleichmäßig 
konvergierende Folge f,(P), f,(P), ... von über E summierbaren end- 
lichen Funktionen konvergiert gegen eine über E summierbare Funktion f(P) 
und man hat siets 


(10) [raw - lim fi f.(P)dw. 
E en} 


Man kann in der Tat nach Voraussetzung eine natürliche Zahl m 
finden, so daß für jede natürliche Zahl j> m und in jedem Punkt P 
von E die Ungleichheiten 
(11) A) -MPlsl G-m+rlmt2,..) 
gelten (8$ 171, 172). Nun ist aber, wegen der Endlichkeit des Inhalts 
‘von E und der Summierbarkeit der Funktionen f,(P) über E auch die 


Funktion 
Ss(P= IP) +lR(lP) ++ mA r1 


über E summierbar. Ferner hat man mit Hilfe von (11) für jede natür- 


liche Zahl k 
AP. SS(P), 
so daß der Satz 16 auf unsere Funktionenfolge anwendbar ist. 


Abschätzung und Approximation von Integralen. 


403. Es sei E eine meßbare Punktmenge und f(P) eine über E 
summierbare Funktion. Die Funktion |f( P)| ist dann ebenfalls über E 
summierbar ($ 395, Satz 6) und das Integral 


(1) I= [if P)law 
E 
ist gleich dem Inhalte einer beliebigen Ordinatenmenge O von |f{P) 
($ 381). ! 
Wir setzen, wenn « eine beliebige positive Zahl bedeutet, 

(2) E,— M(lfiZe) («>0) 
und bemerken, daß, wenn E, nicht leer ist, der Zylinder von der Höhe a, 
der Z&_ als Basis hat, in der Ordinatenmenge O als Teilmenge enthalten 


ist. Der Inhalt dieses Zylinders ist aber nach dem $ 380 stets gleich 
«mE, und wir haben daher die Ungleichheit 


e-mE,<J, 
welche die Endlichkeit der Zahl mE, nach sich zieht. 





446 Kap. VIII. Das bestimmte Integral Sg 404 


Satz 1. Ist f( P) eine beliebige, über eine meßbare Punktmenge E sum- 
mierbare Funktion und definiert man die Zahlen J und E, dwrch die 
Gleichungen (1) und (2), so ist E, stets eine Punktmenge von endlichem 
Inhalte, für welche die Ungleichheit 


(8) mE,<—J 
besteht. 


Die Ungleichheit (3) liefert uns eine notwendige (aber nicht hin- 
reichende) Bedingung für die Summierbarkeit einer meßbaren Funktion 
f(P), indem sie die Existenz einer positiven Zahl J behauptet, die für 
jedes positive « dieser Ungleichheit genügt. Sie gibt uns die Möglichkeit, 
meßbare Funktionen anzugeben, von denen man von vornherein sagen 
kann, daß sie nicht summierbar sind. 

Betrachtet man z. B. die Funktion einer Veränderlichen 1: x? im 
Intervalle O < x< 1, so gilt mit den Bezeichnungen dieses Paragraphen ° 
für jedes « > 1 die Gleichung a-m E,)—= Ya. Eine Zahl J, die für jedes 
& der Bedingung (3) genügt, existiert also nicht und die Funktion 1:2? 
ist im betrachteten Intervall nicht summierbar. 

Um zu zeigen, daß unser Kriterium nicht hinreichend ist, betrachte 
man etwa die Funktion f(P)=1:x im Intervall 1: 0<x<1. Diese 
Funktion ist ebenfalls nicht summierbar; setzt man nämlich 


1 1 
L: FSe<ge (k=1,2,...), 
so ist f(x) > 2*-! in jedem Punkte von I, und daher 
‚JrP)dw >2-ml=+- 
k 


Wäre nun f(P) über E summierbar, so müßte (8 397, Satz 11) 


2 # f(P) dw 


eine endliche Zahl sein, und dies ist offenbar nicht der Fall. Dagegen 

ist hier mE, = 1:0, so daß die Bedingung (3) für J > 1 besteht. 
404. Wir führen noch die Bezeichnungen ein: 

a) | © M(fI=0), 

(2) = M(I<ifi<e); 

dann ist, wenn E,_ dieselbe Bedeutung hat wie im vorigen Paragraphen, 


E=eo+e+ Kae 


5 404 Abschätzung und Approximation von Integralen 447 


und man hat, weil die Integrale von f(P) und von ;f(P): über e, beide 
verschwinden, die Gleichungen 


(3) ‚SrBdw - /f(P)dw + Srdaw, 
& SrP)iaw = fir) aw + JirP)iaw. 
Nun sei j - & 

>, >w,>--: 


eine monoton abnehmende, gegen Null konvergierende Folge von posi- 
tiven Zahlen. Bemerkt man, daß dann 


E,„<E,<E.<' 
und Ä | 
iImE„=E-e 
k=o 
ist, so folgt mit Hilfe des Satzes 13 des $ 399, daß 
firtP)! dw = lim [f(P)|dw 
E K=ar,, 
stattfinden muß; hieraus folgt aber wegen (4) 
li P)daw=0. 
lim S F(P)' dw 


Statt der letzten Gleichung kann man aber auch schreiben, weil das 
Integral von 'f(P)! über e, monoton mit « abnimmt, 


(5) lin /If(Py dw = 0, 

a=0 .a 
und, wenn man noch den Satz 8 des $ 395 berücksichtigt, 
(6) lim /f(P)dw = 0. 

a=0,, 
Die Gleichung (3) zeigt uns dann, daß 
(1) [fP) dw = lim [f(P) dw 

E' a=05, 

sein muß. 


Nach derg vorigen Paragraphen sind die Punktmengen FE, von end- 
lichem Inhalte; aus der Formel (7) entnehmen wir ferner: um das Inte- 
gral über eine Punktmenge unendlichen Inhaltes durch Inte- 
grale über Punktmengen endlichen Inhalts zuapproximieren, 


448 | Kap. VIII. Das bestimmte Integral S 405 


können wir diese stets so wählen, daß in ihnen die zu inte- 
grierende Funktion merklich von Null verschieden ist. 


405. Es sei f(P) eine über E summierbare, nicht negative Funk- 
tion, die nicht der identisch verschwindenden Funktion äquivalent ist. 
Dann ist, wenn man die Bezeichnung einführt | 


b=M(f2 1), 
| [1 1 
E,=-M(3<f<y.) (k=1,2,...), 
mindestens eine der Punktmengen 
2 RE 2 JE 


von nicht verschwindendem Inhalte, denn sonst wäre /(P) nur in einer 
Nullmenge, nämlich in 
Eb+trE+trBEHt:'-- 


von Null verschieden. Es ist also z.B. 
mE, +0, 
und es besteht dann nach dem $ 403 die Relation 


(1) SrP)aw>4mE,>0. 
‚E j 
Anderseits ist aber, weil f(P) nicht negativ ist, 
(2) Sre)aw > ff(P) dw 
E Er 


und der Vergleich von (1) und (2) liefert den 


Satz 2. Es sei f(P) eine nicht negative, über die meßbare Punkt- 
menge E summierbare Funktion. Die Gleichung 


[rP)aw = 0 
E 
findet dann und nur dann statt, wenn auf E 
rP)»0 
ist. Insbesondere kann man aus 
SrP)aw > 0 i 
_ E 


. schließen, daß die Punktmenge M(f>0) keine Nullmenge ist. 


& 406 Abschätzung und Approximation von Integralen 449 


406. Es sei E eine meßbare Punktmenge von endlichem Inhalte 
und f(P) eine Funktion, die über E summierbar ist und deren untere 


Grenze | 
9=g(f; E) 


endlich ist. Eine Funktion, die auf der Punktmenge E konstant gleich g 
ıst, ist über £ summierbar und man hat 


Sodw=9-mE. 
FE 


Ferner ist die nicht negative Funktion (f(P)—g) ebenfalls über E 
summierbar und diese letzte Funktion ist dann und nur dann der iden- 
tisch verschwindenden Funktion äquivalent, wenn f(P) äquivalent zu g 
ist. Man hat also nach dem letzten Satze stets 


SrB- dw > 0 
E 
oder 


Sr) aw >qy-mE, 
E 


und das Gleichheitszeichen ist dann und nur dann zu nehmen, wenn 


f(P) wg ist. 
Wir haben mit andern Worten den folgenden Satz, dessen zweiter 
Teil ebenso zu beweisen ist: 


Satz 3. Es sei E eine meßbare Punktmenge endlichen Inhalts und 
f(P) eine über E summierbare Funktion mit endlicher unterer Grenze 9. 
Dann ist dort entweder 


fP)ng und /fPdw=g- mE 
E 
oder man hat stets 
SrP)aw>g-mE. 
E 
Ist dagegen die obere Grenze G von f(P) auf E endlich, so ist dort entweder 
KP)»G und [fP)dw = G-mE 
FE 
oder man hat stets 
IrtP)dw <G-mE. 
E 


. Dieser wichtige Satz wird der erste Mittelwertsatz der Inte- 
gralrechnung genannt. 
Carathöodory, Reelle Funktionen 29 


450 Kap. VII. Das bestimmte Integral 8.407 


nn nn nn u 


407. Wir wollen jetzt das Grenzverfahren angeben, durch welches 
Lebesgue ursprünglich das Integral definiert hat. Es sei E eime 
Punktmenge von endlichem Inhalte und f(P) eine nicht negative, 
über E summierbare Funktion. Wir geben uns eine monoton wachsende 
Folge von Werten, 

(1) Y<Yy<y< 


die folgende Eigenschaften besitzen sollen: 


(2) w=0, lmy=+w, 
k=o 


(3) Yu <6 (k=1,2,...); 


und nennen eine Folge, die diese Eigenschaften besitzt, eine „Skala 
zwischen Null und Unendlich von der Breite 6“. 
Führen wir die Bezeichnung ein 
(4) E, = M(y,<sf< Yırı)ı 
so ı8t 


E=-E+E+&%k+t:: 
und folglich ($ 396, Satz 10) 


Ce | „JFP) au - 2 fan. 


Die Punktmengen E, sind als Teilmengen von E alle von endlichem 
Inhalte, und nach dem Mittelwertsatze ($ 406) folgt hieraus 


(6) YmE,</f(P)dw<yy,ımE,. 
Er 


Da keine der Zahlen y,mE, negativ ist, folgt aus dem Vergleich von 
(5) mit (6), daß die Summe 


(7) $ => y, mE, = y,mE, 
einen Sinn hat und daß stets 
(8) s</f(P)dw' 
E 
sein muß. 


Anderseits aber folgt aus (3) für jede natürliche Zahl p 


p 
ZUn-wWmE <ö.mE, 


woraus mit Hilfe von (7) folgt, daß die Summe von nicht negativen Zahlen 


8 408 Abechätzung und Approximation von Integralen 451 


(9 S- Sy,mE, 


eine endliche Zahl darstellt, und daß 
(10) S--s<6d:mE 
ist. Wir haben aber nach (5), (6) und (9) 


(11) s> [f(P)dw 
E 
und können also wegen (10) z. B. schreiben 
(12 IfP\dw-s+8-6-mE w<®e<1). 


iR 
Betrachtet man also unendlich viele Skalen mit gegen Null kon- 
vergierenden Breiten, so können wir das Integral der Funktion f( P) über 
E als Grenze der Summen s (oder auch $) darstellen, die man für 
diese Skalen berechnet. Wichtig ist ferner, daß die Genauigkeit der je- 
weiligen Approximation nur von der Breite ö der Skala abhängt und 
für alle Funktionen, die über E summierbar sind, stets die gleiche ist. 


408. Hat der Integrationsbereich E einen unendlichen Inhalt, so 
sind von den Punktmengen F,, die wir im vorigen Paragraphen einge- 
führt hatten, die Punktmengen E,, E,,.... nach dem Satze 1 des 3403 
immer noch von endlichem Inhalte und die Punktmenge E, allein 
hat den Inhalt oo. Die Zahl 

s- Zy,mE, 
k=1 
kann also ebenso wie früher gebildet werden und sämtliche Schlüsse, 


die wir über diese Zahl hergeleitet haben, bleiben gültig. Insbesondere 
hat man auch hier 


1) 0<s</f(P)dw: 
i E 


dagegen hat jetzt $ keinen Sinn. Wir wollen nun zeigen, daB man auch 
jetzt das Integral mit abnehmender Breite unserer Skala durch s mit 
beliebiger Genauigkeit approximieren kann; d. h., wenn man sich eine 
beliebige positive Zahl s gibt, so existiert ein d,, so daß für alle 
Skalen, deren Breite d < ö, ist, die Beziehung 


(2) s</fPaw<s+e 
ä 


39* 


452 Kap. VII. Das bestimmte Integral 8 408 


gilt. Wir führen nun die Bezeichnungen 
4.= M(<f<20), 
6,— M(e<f) 
ein und bemerken, daß nach den Ergebnissen des $ 404 das Integra 


von f(P) über e,, mit « gegen Null konvergiert und die Zahl m? end- 
lich ist. Wir können daher « derart wählen, daß die Relation 


(8) SrP)aw <z 
ga 
gilt; außerdem setzen wir Fi gleich der kleinsten der beiden Zahlen 
e und Fr 
Ist jetzt die Breite d der Skala kleiner als Ö,, So gibt es sicher unter 
den Zahlen der Skala eine Zahl y,, die der Bedingung 
u < %< 2« 
genügt und für die dann 9 >1 ist. Nun setze man 
( nn | 
E-M(f2y,); 


woraus 
(5) E<e, und E"<e, 
folgt, und führe außerdem die Bezeichnungen ein 

p-1 | o 
(6) ’—=ZymE,, s’- ZumE 
Man hat dann | 
(7) 0<s’</fP)dw, 

FL 


und da wegen (5) : 
‚[FP)aw < /f(P)aw 
ist, entnimmt man aus (3) ” 


(ae s’< [fiP)dw<+- 
2 


Die Gleichung (12) des letzten Paragraphen liefert sodann, wenn man 
bemerkt, daß 
I<d—S gme, 


und daher 


$ 409. 410 Darbouxsche Summen 453 


ö0:-mE”< d-m&,<z 
ist, 
(9) "< /fiP dw <s’+ re 


Durch Addition von (8) und (9) erhält man endlich die Ungleichhei- 
ten (2), die wir beweisen wollten. 


409. Man kann die Überlegungen des $ 407 im Falle, daß der Inte- 
grationsbereich E einen endlichen Inhalt hat, auf über E summierbare 
‘* Funktionen beliebigen Vorzeichens übertragen. Dazu betrachte man eine 
von — oo bis + co reichende Skala von der Breite ö 


<Y_,<Yyı —<YH<—nH<up<h, 
in der wieder y,=0 ist, und führe die Punktmengen 
E-M(fz=d), 
’ E'=-M(f<v) 
ein. Auf E’ ist die gegebene Funktion f(P) nicht negativ, desgleichen 
die Funktion —f(P) auf E”. Die Ausführungen des $ 407 können da- 


her auf jeder dieser Punktmengen angewandt werden. Man behalte die 
früheren Bezeichnungen bei und setze für negative Werte von k 


E,= My,<f<y;,5 
dann ist jede der Zahlen 


-o 
? „r j 
ymE,,, 5 = Zy,mE,, 
k 


‘=D 
»=0 
-2y sımE,, S"- Zy,.ımE, 
endlich, also auch 


. ) +® 
s=-DymE, und S=- Dy,mE. 
a=—o k=—® 


Man sieht ferner ebenso wie früher ein, daß die Gleichungen (8), (10) 
und (12) des $ 407 auch hier gelten müssen. 


Darbouxsche Summen. 


410. Im Falle, daß der Integrationsbereich E eine beschränkte 
und abgeschlossene Punktmenge und die zu integrierende Funktion 


454 Kap. VII. Das bestimmte Integral 8410 














f(P) eine beschränkte, halbstetige Funktion ist, kann man das 
Integral Ä | 
Sr) dw 
E 


durch ein Grenzverfahren ganz anderer Art, als das in den letzten Para- 
graphen angegebene, berechnen. 

Wir betrachten ein Zellennetz des Raumes, wie wir es im $ 283 
beschrieben haben, und bezeichnen mit o den Durchmesser und mit 


6,(0), (eo), ds(o), - -- 


die endlich oder abzählbar unendlich vielen Zellen des Netzes, die 
mit E mindestens einen Punkt gemeinsam haben. Die Zellen sind nach 
Voraussetzung quadrierbare offene Punktmengen; die Gesamtheit der 
Punkte des Raumes, die auf der Begrenzung von mindestens einer Zelle 
des Netzes liegen, haben, wie wir im $ 284 sahen, den Inhalt Null, und 
jeder Punkt des Raumes liegt entweder in einer Zelle oder auf der Be- 


grenzung einer Zelle. Hieraus folgt, daß, wenn man ; 
(1) = ler) rt 
setzt, i 

m(E— Eo,) = 0 


ist, und daß folglich 
| [rP) aw = [f(P) dw 
(2) | F “ (173 
| - >) [HP)dw 
k Eök 
ist. Wenn man nun mit G(f; EÖ,) die obere Grenze von f(P) in der 
Punktmenge Eö,(o) bezeichnet, so ist nach dem Mittelwertsatz ($ 406) 
[rm Paw < @(f; E8,)-mEB, 
Ed; 


(8) | 
| < G@i(f; EB): md,. 


Nun setzen wir 


(4) S, - 26; Eö,)-moö,, 


und nennen 8, die obere Darbouxsche Summe der Funktion f{P) 
für das gegebene Zellennetz vom Durchmesser o. Dann folgt aus (2), (3) 
und (4), daß 


(6) Sr Pau <S, 


ıst. 


8 411 Darbouxsche Summen 455 





411. Wir wollen jetzt: zeigen, daß, wenn die Funktion f(P) be- 
schränkt und nach oben halbstetig ist, bei hinreichend kleiner Abmes- 
sung des Durchmessers ge unseres Zellennetzes ‚ die entsprechende Dar- 
bouxsche Summe das Integral der Funktion f(P) mit beliebiger Ge- 
nauigkeit approximiert. 

Wir bezeichnen mit 9 und @ die untere und obere Grenze der 
Funktion f(P) innerhalb der Punktmenge E und zerlegen das Intervall 








— Her un Ss — 


g<y<@r+l 
ın ? gleiche Teile durch die Skala 
(6) Y<Yyı<y< <<. 
Es ist also 
(7) %»„=9, 4=-6+Ll, 
und für jedes k 

G— 1 

(8) Yyaıyıah= n- 
Setzt man jetzt zur Abkürzung 
(9) , = M(izy): 
so erhält man eine monoton abnehmende Folge von Punktmengen 
(10) HH >>>; 


die alle abgeschlossen oder leer sind, weil f(P) nach oben halbstetig 
und # abgeschlossen ist ($ 136, Satz 3). Außerdem aber ist wegen (7) 
und (9) 


(11) »=E, 8,=-V0. 
Wir setzen ferner | 
(12) = — Sıı (k=0,1,...,(p—D), 
was man wegen (9) schreiben kann 
=-Myu<f<yr), 

und beimerkän; daß (uch dem $ 407) 
(13) Zyrıme, </fP) de +hmE 

= E 


ist. Wir können nun wegen (12) schreiben 


\ 
me, = ms, — ms 
, k k k+1 
und hieraus folgt 
P—1 


== yms, a %,-ıM3,_ı — ymS,, 


456 | Kap. VII Das bestimmte Integral 8 411 











und, weil ms, — 0 ist, hat man schließlich 
p-1 i 

(14) yms, +h Sms, < /f(P)dw + hmE. 
k=1 E 


Wir bezeichnen jetzt mit o, die Vereinigungsmenge der Zellen 
unseres Zellennetzes, die mit s, einen Punkt gemeinsam haben; das ‚ist 
eine Punktmenge, die der Menge S, des $ 284 entspricht. Wir erhalten 
eine monoton abnehmende Folge von Punktmengen 


(15) 9 >09,>6>:'7 060, 


bei der 6, dieselbe Bedeutung hat wie im vorigen Paragraphen und 
6, leer ist. Außerdem ist, wegen der Eigenschaften des Zellennetzes, 


(16) mo, > ms;. 
Setzt man jetzt 
(17) MT Ir 


so besteht 7, aus Zellen, die keinen einzigen Punkt von s,,, enthalten; 
wegen der Gleichung (9) ist also 


En < M(f< Yırı) 


und durch Umordnen der Glieder der Summe in der Gleichung (4) er- 
hält man die Beziehung 


p-1 


8,< = N UNE 
Eine der Umformung v. von (13) in (14) analoge Rechnung liefert hierauf 
p-1 


5, <y mo, + h Zmo, 


und, wenn man (14) benutzt, 
pl 


19) 8,< fi Pydw + hmE + may ms) + hZ mo, —mi,). 
Ist jetzt & eine beliebige positive Zahl, so wähle man die Anzahl » 

der Teilungspunkte (6), so daß 

| h-mE< 7 

sei; dazu genügt es, die natürliche Zahl 

| 2(@—9+DumE 


pP>- . 
zu wählen. Hierauf kann man mit Berücksichtigung der Abgeschiossen- 


heit der Punktmengen s, nach der Schlußgleichung des $ 285 eine po- 


$ 412. 413 Darbouxsche Summen 457 


sitive Zahl o, so wählen, daß die Ungleichheit 
p-1 
u, (mo,(o) — ms,) + h N imo lo: — ms) < z 
vl 
gilt, sobald ge <e, ist. Dann ist aber nach (5) und (18) für jedes Zellen- 
netz, dessen Durchmesser oe die Zahl o, nicht übertrifft, 


(19) IMPYaw<s,</fP)dw + e. 


Wir betrachten nun eine Folge von Zellennetzen, deren ‘Durchmesser 
gegen Null konvergieren. Die vorige Überlegung zeigt uns dann, daß die 
entsprechenden oberen Darbouxschen Summen gegen eine ganz bestimmte 
Zahl, nämlich gegen das Integral unserer Funktion /(P) über E kon- 
vergieren. 


412. Es sei jetzt f(P) eine beschränkte, nach unten halbstetige 
Funktion. Wir definieren die untere Darbouxsche Summe, die einem 
gegebenen Zellennetz des Raumes entspricht, durch die Gleichung 


(1) S, == Dc(f; E9,) < mö,, 
S k N 


die der Gleichung (4) des $410 nachgebildet ist, und in welcher g(f; E6,) 
die untere Grenze der Funktion f(P) in der Punktmenge E-ö,(o) be- 
deutet. Die Summe ist über dieselben Zellen des Raumes erstreckt wie 
früher. 

Nun bemerke man, daß die Funktion — f(P) eine beschränkte und 
nach oben halbstetige Funktion ist, deren obere Darbouxsche Summe 
der Zahl 5, entgegengesetzt ist. Hieraus folgt, daß mit abnehmendem 
Durchmesser des Zellennetzes die Zahl S, gegen das Integral von f(P) 
über E konvergiert. 

Die Resultate dieses und des vorigen Paragraphen lassen sich in 
folgendem Doppelsatz zusammenfassen: 


Satz 1. Ist E eine beschränkte und abgeschlossene Punktmenye und 
f(P) eine auf E definierte, nach oben (unten) halbstetige und außerdem 
beschränkte Funktion, so konvergieren die oberen (unteren) Darbouxschen 
Summen von f(P) über Zellennetze des Raumes. deren Durchmesser gegen 
Null streben, yeyen das Integral 


J f(P) dw. 
E 


413. Bei der Detinition der beiden Darbouxschen Summen haben 
wir nur von der Beschränktheit der Punktmenge E und der Funktion f(.P) 


458 Kap. VIII.’ Das bestimmte Integral $ 413 














Gebrauch gemacht, dagegen die Abgeschlossenheit von E und die Halb- 
stetigkeit von f(P) nur wegen der Bedürfnisse des Konvergenzverfah- 
rens hinzugezogen. 

Wir können also die Darbouxschen Summen auch für ganz beliebige, 
beschränkte — nicht einmal meßbare — Funktionen bilden, deren De- 
finitionsbereich E ebenfalls beschränkt, aber nicht meßbar zu sein Brauent, 
Es existieren dann stets die beiden Summen 


(1) 8,- 360; Eö,) mb, 
(2) 9, = Zt: Eö)md,; 


die über alle Zellen d, zu summieren sind, welche mit E einen gemein- 
samen Punkt besitzen. Diese Summen konvergieren stets absolut. 


Das bemerkenswerte Resultat von Darboux ist, daß auch hier mit 
abnehmendem, gegen Null konvergierenden Durchmesser des Zellen- 
netzes die beiden Summen S, und S, gegen zwei wohlbestimmte Zahlen 


S.f(PJau und S,f(P)dw 


konvergieren. Um dies zu zeigen, betrachten wir die abgeschlossene 
Hülle E von E, die eine beschränkte, abgeschlossene Punktmenge ist, 
und die obere und untere Limesfunktion der Funktion f(P), die wir hier 
ebenso wie im $ 123 mit D(P) und p(P) bezeichnen wollen. Nun 
bemerken wir, daß jede Zelle ö,, die mit E einen Punkt gemeinsam hat, 
auch mit E einen Punkt gemeinsam haben muß ($ 284), so daß die 
Darbouxschen Summen (1) und (2) und die Darbouxschen Summen der 
halbstetigen Funktionen ®(P) und g(P) über E sich bei derselben: 
Zelleneinteilung über dieselben Zellen erstrecken. 

Da ferner die Zellen ö, offene Punktmengen sind, hat man ($ 133, 
Satz 12) 5 

@(B; E8,) = @(f; E,) 


9(9: Eö,) = g(f; EÖ,). 


Die obere Darbouxsche Summe von f(P) über E ist also gleich — und 
zwar gliedweise gleich — der oberen Darbouxschen Summe von @(P) 
über E, und ebenso ist die untere Darbouxsche Summe von f f(P) über 
E gleich der unteren Darbouxschen Summe von p(P) über E. 

Diese letzten Summen konvergieren nach den vorigen Paragraphen 
gegen die Integrale der Funktion ®(P) bzw. p(P) über E, wenn. man 
den Durchmesser des Zellennetzes gegen Null konvergieren läßt. 


und 


$ 414 Biemannsche Integrale 459 
Es Sr isleren alas die Limites 
lim 8, = S,f(P)dw 
g=0 
und B 
lim 5, — Sr/(P) dw. 


Diese letzten Zahlen nennt man gewöhnlich das obere und das 
untere Riemannsche Integral der Funktion f(P) über E und man 
hat den 


Satz 2. Beseschnet man mit 


S,f(Paw, S,fPıdu 
das obere, und das untere Riemannsche Integral einer beschränkten Funk- 
tion f(P) über die beschränkte Punkimenge E, so gelten mit den obigen 
Beseichnungen die Gleichungen 
(3) S,fPidw - [®(P)aw, 
E 
(4) S,/(P)du = - [g(P) dw. 
K 
RBiemannsche Integrale. 


414. Sind die Punktmenge E und die Funktion /(P) beide meßB- 
bar, so folgt aus der Beschränktheit von E und f(P), daß f (P) über E 
summierbar ist ($ 395, Satz 7). Ferner ist die Funktion, die in E gleich 
f(P) und in(E—E) gleich der unteren Grenze g von f(P) ist, über E 
summierbar und in keinem Punkte von E größer als ®(P). Hieraus und 
aus der Gleichung (3) des letzten Paragraphen folgt aber sofort 


S,f P\dw > [farm +y- wi E--E). 

Ebenso findet man durch den Vergleich von g(P) mit einer Funktion, 
die in E gleich f(P) und in # gleich der oberen Grenze @ von f(P) ist, 
S,/(P) du < /rP) de +@-m(E—E). 

E 
Ist endlich noch außerdem E nach außen quadrierbar ($ 279), d.h. 
hat man WE-E)=0, 
so kann man statt der letzten Relationen einfach schreiben 
S,f(Pidw< F f(Pidw <S,f(P)aw. 


460 Kap. vm. Das bestimmte Integral $415 


415. Die älteste Definition des Dies die für die Theorie der 
reellen Funktionen in Betracht kommen konnte, ist zuerst für stetige 
Funktionen von Cauchy und später für die allgemeinsten in Betracht 
kommenden Funktionen von Riemann gegeben worden. Nach unserer 
bisherigen Terminologie erstreckt sich diese Definition über folgende 
Funktionen: Ä 


Definition. Eine auf einer beschränkten nach außen qua- 
drierbaren ($ 279) Punktmenge E definierte Funktion /(P) 
heißt nach Riemann integrierbar, falls das obere und das 
untere Riemannsche Integral von f(P) über E den gleichen 
Wert haben, der dann das Riemannsche Integral von f(P) 
über E heißt. 


Nach Voraussetzung ist hier mit den Bezeichnungen def vorigen 








Paragraphen u 

(1) .m{E—E=0 

und e , 

(2) JB) dw - So(P)dw. 


Aus diesen beiden Gleichungen folgt nun 


op) — pP) dw = 0 

E 
Nach dem Satze 2 des $ 405 muß aber dann, weil (®(P)—g(P)) eine 
nicht negative Funktion, nämlich die Schwankung S(P) von f(P) in & 
bedeutet, 
(3) S(P)=&(P)— y(P)w0O 
sein, und diese Bedingung ist hinreichend für die Gültigkeit der Glei- 
chung (2). 

Satz 1. Dafür, daß eine Funktion f(P) nach Riemann über E inte- 
 grierbur sei, ist notwendig und hinreichend, daß diese Funktion be- 
schränkt und, außer in einer Nullmenge, überall stetig ses und ; E 
beschränkt und nach außen quadrierbar sei. 

Aus der Bedingung (3) folgt ferner, wenn man noch die i in en 
Punkte von E bestehende Ungleichheit 

yr)<HP)<Or) 
benutzt. 
(4) YA) PP). 


Die Funktionen p(P) und @(P) sind über E summierbar, desgleichen 
also auch die ihnen äquivalente Funktion f(P), die deshalb auch meß- 


8 416 Riemannsche Integrale 461 


bar (8 395, Satz 6) sein muß. Aus den Gleichungen (1) und (4) oder 
wenn man will, aus der Schlußrelation des letzten Paragraphen folgt 
ferner, daß das Riemannsche Integral über E denselben Wert wie das 
gewöhnliche hat. 

Satz 2. Eine über E nach Riemunn integrierbare Funktion ist ın E 
meßbar und auch über E summierbar und ihr Riemannsches Integral 
über E ist gleich dem gewöhnlichen.*) 


416. Die Umkehrung des vorigen Satzes ist natürlich nicht richtig: 
2. B. ist die Dirichletsche Funktion (8 170) meßbar und beschränkt und 
daher über das Intervall O<z< 1 summierbar, aber wie man sofort 
sieht nicht nach Riemann integrierbar. 

Die Klasse der nach Riemann integrierbaren Funktionen ist aber 
nicht nur deshalb wichtig, weil sie bis vor kurzem die allgemeinste 
Klasse von beschränkten Funktionen war, die man in der mathematischen 
Literatur systematisch behandelt hatte, und daher die Kenntnis ihrer 
Eigenschaften für das Studium der meisten mathematischen Abhand- 
lungen unentbehrlich ist, sondern vor allem, weil man die Riemann- 
schen Integrale durch einen Grenzprozeß berechnen kann, der die in 
den $$ 407 und 410 geschilderten bei weitem an Einfachheit übertrifft. 

Wir betrachten dazu wieder ein Zellennetz des Raumes vom Durch- 
messer go und bezeichnen, wie im $ 410, mit 


(1) d,(e), Ile), -- - | 

die in endlicher (oder abzählbar unendlicher) Anzahl vorhandenen Zellen 
die mit der Punktmenge FE einen Punkt gemeinsam haben. In jeder der 
Punktmengen 

(2) E ö,(e) 


wählen wir einen Punkt P,aus und bilden die Riemannsche Summe 
R,= Zf(P,)-mö 


Zu einem Zellennetz kann es unendlich viele Riemannsche Summen 
geben, da man noch die Freiheit ın der Wahl von P, innerhalb der 
Punktmenge (2) besitzt. Aber für jede solche Wahl ist nach den For- 
meln (1) und (2) des 8 413 
(3) 8,<R,< S ” 

Man kann nun P, innerhalb der Zelle ö so wählen, daß für jedes A die 


*, D.h. dem Integral, das wir in den $$ 381 und 891 definiert haben, und 
das auch im Gegensatz zum Riemannschen das Lebesguesche Integral ge- 
nannt wird. 


462 _ Kap. VIN. Das bestimmte Integral $ 416 
- Ungleichheit 


(a; Ei) FRI) md, < gr 
ist. Dann ist, wenn man über k summiert, 


S,—R,<o. 


Durch eine andere Wahl der P, hätte man bei demselben Zellennetz 
erreichen können, daß 
R oe I, < o 
ist. ö 
Betrachtet man jetzt eine Folge von Zellennetzen, deren Durchmesser 


O1, 08, 055 - - - 


gegen Null konvergieren, so kann man ihnen eine Folge von Riemann- 
schen Summen aauninen für welche 


Dig BR. ,_.< O9:-1ı (k=1,2,...) 


R,,— Se < sr (k=1,2,...) 


zugleich mit 


gilt. 

Ist die Funktion f(P) nicht nach Riemann integrierbar, so werden 
die Riemannschen Summen mit ungeradem Index gegen das obere, die 
mit geradem Index aber gegen das untere Riemannsche Integral kon- 
vergieren, die ganze Folge also überhaupt keinen Grenzwert haben. 

Ist dagegen f(P) über E nach Riemann integrierbar, so wird, 
wegen (3), bei ganz beliebiger Wahl der Riemannschen Summen R,, 
die Gleichung 


lim R, „= ffP) au 


stattfinden. Es gilt also der 


Satz 3. Ist E eine beschränkte, nach außen quadrierbare Punktmenge 
und bildet man für eine Folge von Zellennetzen, deren Durchmesser gegen 
Null konvergieren, gang beliebige Riemannsche Summen einer in E be- 
schränkten Funktion f( P), so konvergieren diese Summen dann und nur 
dann immer gegen einen bestimmten Wert, wenn f(P) über E nach Rie- 
mann integrierbar ist. In diesem Falle ist die Grenze der Riemannschen 
Summen stets gleich dem Integral der Funktion. 


Bei diesem Grenzverfahren ist vor allem zu beachten, daß man die 
Punkte P, in jeder Zelle ganz willkürlich wählen kann. Es ist natür- 
lich nicht gesagt, daß man bei spezieller, besonders kunstvoller Wahl 


8417. 418 Riemannsche Integrale 463 


der Punkte P, nicht Riemannsche Summen bilden kann, die gegen das 
Integral einer summierbaren, aber nach Riemann nicht integrierbaren 
Funktion konvergieren. 





4 


417. Wir wollen jetzt einige Bedingungen aufstellen, unter denen 
eine gegebene Funktion nach Riemann integrierbar ist. 

Satz A. Eine auf einer beschränkten, nach außen quadrierbaren 
Punktmenge E stetige und beschränkte Funktion ist nach Riemann inte- 
grierbar. 

Der Satz ist eine direkte Folge des Satzes 1 des $ 415; die Be- 
dingung der Beschränktheit der Funktion muß natürlich erwähnt werden 
und kann nur für abgeschlossene Punktmengen E durch die Bedingung 
ersetzt werden, daß f(P) endlich sein soll ($ 137, Satz 6). Dagegen 
braucht die Funktion f(P) nicht nullter Klasse auf E zu sein ($ 362), 
d.h. es kann in der Punktmenge (E — E) die Schwankung 


9(P)— p(P)+0 
sein. 
Satz 5. Eine in einem Intervalle 
a<x<b 
beschränkte monotone Funktion ist nach Riemann integrierbar. 


Wir sahen nämlich, daß die Unstetigkeitspunkte einer solchen Funk- 
tion immer eine abzählbare Punktmenge ($ 151, Satz 7) bilden und eine 
solche Menge hat stets den Inhalt Null. 


418. Eine beschränkte halbstetige Funktion braucht nicht nach 
Riemann integrierbar zu sein. Eine Funktion, die in der offenen, überall 
dichten Punktmenge A, die wir im $ 280 angegeben haben, gleich Null 
ist und in allen übrigen Punkten des abgeschlossenen Intervalls O<z<1 
‚den Wert Eins annimmt, ist halbstetig. Ihre Schwankung ist aber gleich 
Eins in allen Punkten des Intervalls, die nicht zu A gehören und von 
diesen Punkten haben wir gerade bewiesen, daß sie keine Nullmenge 
bilden, sondern eine Menge vom Inhalte }. 

Dagegen gilt der 

Satz 6. Die obere und die untere Limesfunktion einer über E nach 
Riemann integrierbaren Funktion sind ebenfalls iiber E und sogar über E 
nach Riemamn integrierbare Funktionen. & 

In der Tat ist die Schwankung der Limesfunktionen einer Funk- 
tion in keinem Punkte von E größer als die der Funktion selbst ($ 140, 
Satz 2), und folglich, falls die Funktion nach Riemann integrierbar ist, 


464 Kap. VIII. Das bestimmte Integral $ 419 








überall Null außer höchstens in einer Nulimenge von E ee in der 
Nullmenge (E— E). 

Dagegen können die beiden Limesfunktionen einer Funktion nach 
Rıemann integrierbar sein, ohne daß dies für die Funktion selbst der 
Fall ist. Z.B. hat die Funktion, die in allen rationalen Punkten eines 
Intervalls gleich Eins und sonst gleich Null ist, überall die Schwankung 
Eins und ist also nicht nach Riemann integrierbar, ihre beiden Limes- 
funktionen sind aber stetige Funktionen und daher integrierbar nach 
Riemann. Hier fällt das untere Riemannsche Integral der Funktion 
mit dem ‘gewöhnlichen Integral zusammen. Die im $ 128 gebildete 
Funktion liefert uns dagegen ein Beispiel einer summierbaren Funktion, 
deren Integral weder dem oberen noch dem unteren Riemannschen 
Integral der Funktion gleich ist und wo die beiden Limesfunktionen 
der Funktion wiederum stetig sind. 


419. Sind f,(P) und f,(P) zwei über E nach Riemann integrier- 
bare Funktionen, so seien N, und N, die Teilmengen von E, in denen 
die Schwankungen von f, (P) und f,(P) von Null verschieden sind. Nach 
Voraussetzung sind N, und N, Nullmengen, desgleichen also ihre Ver- 
einigungsmenge 

N=N,+N. 

In jedem Punkte von (E— N‘) sind also die beiden Funktionen f,(/) 

und /,(P) stetig und nach dem Satze 9 des $ 131 gilt dasselbe von 


hP+RP, APP), 


und, falls /,(P)=+0 ist, von 
| hP) 

.(P) 
Die Siwaikang dieser letzten Funktionen ist also höchstens in der 
Nullmenge N von Null verschieden und wir können folgendes schließen: 


Satz 7. Sind f,(P) und f,(P) zwei über E nach Riemann integrier- 
bare Funktionen, so gilt dasselbe von 





(1) KP)trR(P), APr(P) 

und endlich auch von . 
h(P) 

2) AP’ 


dieses aber nur, wenn in jedem Punkte von E die Bedingung |, (F = 0 
besteht und wenn die Funktion (2) in E beschränkt ist. 


Ist insbesondere /,(P)=4 eine Konstante, so folgt: aus dem vorigen 
Satze, daß Af,(P) nach Riemann integrierbar ist. Ferner folgt durch 


$ 420 Riemannsche Integrale 465 





den Schluß von n ut (n +1), daß jeder Ausdruck, in welchem endlich 
viele nach Riemann integrierbare Funktionen vorkommen und der durch 
Wiederholung von endlich vielen Operationen, wie (1) und (2), gebildet 
ist, ebenfalls eine nach Riemann über FE integrierbare Funktion darstellt. 

Dieselbe Schlußweise auf die Sätze 10 und 11 des $ 132 angewandt 
liefert ferner den 

Satz 8. Der absolute Betrag f(P) einer über E nach Riemann mie- 
grierbaren Funktion f(P) ist nach Riemann inteywserbar. 

Die obere und die untere Grrense einer Folge von endlich vielen, nach 
Riemann über E integrierbaren Funktionen hat dieselbe Eigenschaft. 

420. Dagegen braucht die obere oder untere Grenze einer Folge 
von unendlich vielen, nach Riemann integrierbaren Funktionen, selbst 
wenn sie summierbar und beschränkt ist, nicht nach Riemann integrier- 
bar zu sein. Im $ 418 haben wir z. B. eine nach oben halbstetige Funk- 
tion untersucht, die beschränkt war und über das Intervall O<r<i1 
nicht nach Riemann integrierbar war. Eine solche Funktion kann aber 
stets als untere Grenze einer monoton abnehmenden Folge von stetigen 
beschränkten Funktionen angesehen werden ($ 367, Satz 2), womit aber 
schon unsere Behauptung erwiesen ist. 

Die Sätze der $$ 399— 402, die für summierbare Funk- 
tionen gelten, können also auf nach Riemann integrierbare 
Funktionen nicht übertragen werden, mit Ausnahme des 
Satzes 17, der sich auf gleichmäßig konvergente Folgen 
bezieht. 

Es sei nämlich 
1) (BD, IP)... 
eine Folge von unendlich vielen, über E nach Riemann integrierbaren 
Funktionen, die gleichmäßig gegen eine Funktion f(P) konvergiert. 

Mit N, bezeichnen wir die Nullmenge, in welcher die Schwankung 
von f,(P) nicht verschwindet, und mit N die nn 

N=-N+N+N+- 
Dann ist N ebenfalls eine Nullmenge und ın es Punkte von (E--N) 
ist für jedes X die Funktion f,(P) stetig. 

Konvergiert die Folge (1) gleichmäßig gegen eine Funktion /(.P), 
so ist f(P) beschränkt ($ 172, Satz 1) und stetig in jedem Punkte von 
(E— N) (Satz 2 desselben Paragraphen), also auch nach Riemann inte- 
grierbar über E ($ 415, Satz 1). 

Satz 9. Eime gleichmäßig komvergente Folge von über E nach Rie- 
mann integrierbaren Funktionen konvergiert geyen eine Funktion von der: 
selben Eigenschaft. 


Carathtodory, Reelie Funktionen. 30 


: 466 Kap. VII. Das b bestimmte Integral. S 421 


_ — 


421. Es sei E, eine beliebige, nach außen Gnade Teilmenge 
von E und f(P) eine über E nach Riemann integrierbare Funktion. 
Dann ist f(P) in E, beschränkt und die Punkte N, von E,, in denen 
‚die Schwankung von f(P) von Null verschieden ist, bilden eine Teil- 
menge der Punktmenge N von E, in welcher die Schwankung von fi (P) 
in E nicht verschwindet. 

"Da .N eine Nullmenge ist, so gilt dasselbe von N, und wir haben den 


Satz 10. Eine über E nach Riemann integrierbare Funktion hat auf 
jeder nach außen quadrierbaren Teilmenge E, von E dieselbe Eigenschaft. 

Es seien anderseits E, und E, zwei nach außen quadrierbare be- 
schränkte Punktmengen ohne gemeinsame Punkte, E, und E, ihre ab- 
geschlossenen Hüllen und 
(1) | E=E +E,. 
Weil E,E, = 0 ist, kann man schreiben 
(2) | E, = (E, u EzE,) + (E, — E,)E, ’ 

B= (E,— E,E,) Ar (E, — E,)Es. 
Ist nun f(P) eine auf E definierte Funktion und S(P), 8,(P), 5(P) 
ihre Schwankung auf E, E, und E,, so ist, weil E, und E, abge- 
‚schlossen sind, 
a) | S(P)=$,(P) in der Punktmenge (E,— E,E,), 
Ss(P)= S(P), » ” (E,— E,E,). 

Nimmt man nun an, daß f(P) über E, und E, nach Riemann integrierbar 
ist, und bezeichnet mit N, und N, die Nullmengen, in denen $,(P) und 
S,(P) nicht verschwinden, so ist nach (2) und (3) die Schwankung S(P) 
unserer Funktion überall Null auf E, außer höchstens in der Punktmenge 
(4) N=N+N+(E,-E)+(E,—B,). 
Da nach Voraussetzung sämtliche Bestandteile der Vereinigungsmenge(4) 
Nullmengen sind und außerdem f(P) auf E beschränkt und E nach 
außen quadrierbar ($ 279, Satz 2) und beschränkt ist, so ist f(P) über 
E nach Riemann integrierbar. 

Mit Hilfe des Schlusses der vollständigen Induktion haben wir den 

Satz 11. Sind E,, E,,..., E, endlich viele beschränkte, nach außen 
quadrierbare Punlktmengen ohne gemeinsame Punkte und setzt man 


E=E+EBE+-:: +E,. 


so ist jede auf E definierte Funktion fi er. die über jedes E, nach Riemann 
integrierbar ist, auch über E nach Riemann integrierbar. 


$ 22 | Riemannsche Integrale 461 


Dieser Satz kann nicht auf abzählbar unendlich viele Punktmengen E, 
übertragen werden. Um dies zu zeigen, betrachten wir wieder das Bei. 
spiel am Anfang des $ 418 und bezeichnen mit B die abgeschlossene 
Punktmenge, in welcher die Funktion unseres Beispiels gleich Eins ist, 


und mit 
0.0 


die unendlich vielen (linearen) Intervalle, deren Summe gleich der Punkt- 
menge A ist, in welcher unsere Funktion verschwindet. Dann ist die 
Funktion sowohl auf B als auch auf jedem d, nach Riemann integrier- 
bar, nicht aber, wie wir schon sahen, auf 


BEI EIN ; 


Bemerkung. Da jede über eine Punktmenge E nach Riemann 
integrierbare Funktion auch über E summierbar ist und ihr gewöhn- 
liches Integral gleich dem Riemannschen ist, gelten sämtliche früheren 
Rechnungsregeln für Integrale (und insbesondere der Mittelwertsatz) 
auch in der Riemannschen Integrationstheorie, insofern die vorkommen- 
den Funktionen alle nach Riemann integrierbar sind. Dieses muß in 
jedem speziellen Falle z. B. mit Hilfe der Sätze dieses Abschnitts nach- 
gewiesen werden. Das Rechnen mit Riemannschen Integralen folgt dann 
einfach aus der Kombination der letzten Sätze mit den früheren. 


422. Durch eine geringfügige Änderung der Schlußweise am Ende 
des $ 367 kann man nach Riemann integrierbare Funktionen 
angeben, die von keiner endlichen Klasse sind. Dazu betrachten 
wir, wie im $ 351, eine stetige monoton wachsende Funktion u = f(&), 
welche die abgeschlossenen Intervalle O<z<1lundO<u<1 em- 
eindeutig und stetig aufeinander und einen maßgleichen Kern B des 
ersten Intervalls auf eine Nullmenge B* des zweiten abbildet. Es sei B, 
eine perfekte Teilmenge von B, die keine Nullmenge ist ($ 278, Satz 12) 
und C eine nicht meßbare Teilmenge von B, ($ 334, Satz 3). Das Bild 
B,* von B, ist wegen der Stetigkeit der Abbildung abgeschlossen und 
als Teilmenge von B* eine Nullmenge. 

Es sei nun g(w) eine Funktion, die in jedem Punkte des Bildes C’* 
von C gleich Eins und in der Komplementärmenge von C’* gleich Null 
ist. In jedem Punkte der «-Achse, der nicht zur abgeschlossenen Hälle 
von C* gehört, ist die Schwankung der Funktion p(w) gleich Null, und 
da diese abgeschlossene Hülle als Teilmenge von B,* eine Nullmenge 
ist, ist die Funktion p(u) nach Riemann integrierbar über das Intervall 
0<u<1. Dagegen beweist man, nach der Schlußweise am Ende 
des 8 367, daß p(u) von keiner endlichen Klasse sein kann. 

30 *7 
” 


468 Kap. VIII. Das bestimmte Integral $423 


428. Wir wollen zeigen, wie man die Integration von stetigen Funk- 
tionen über beschränkte und abgeschlossene Punktmengen benutzen kann, 
um das Integral einer beliebigen, summierbaren Funktion zu berechnen. 
Eine über E summierbare Funktion f(P) ist nämlich einer endlichen 
Funktion äquivalent ($ 391) und wir können daher die Resultate der 
88 371 und 372 benutzen. 

Wir bezeichnen, wie im $ 372, mit B,, B,, B,, ... eine Folge von 
abgeschlossenen Punktmengen, auf denen f(P) stetig ist, und für welche 


(1) m(E— B,)< > 


ist. Ferner bezeichne ınan mit W, einen abgeschlossenen Würfel, der 
defi Anfangspunkte der Koordinaten konzentrisch und von der Kanten- 
länge k ist, und setze 
(2) E,=WXB,+b, +: +B) (k=1,2,...). 
Die Funktion f(P) ist auf jeder der abgeschlossenen Punktmengen E, 
stetig ($ 164); ferner enthält die Punktmenge 
(3) E, = lim E, 

'k=& 


jeden Punkt von 


B+B+B+- 
und wegen (1) ist 
m(E— E,) = 0 
Es ist also 
(4) [rau = [fiP)au 
| E ko 


und, wenn man mit p,(P) eine Funktion bezeichnet, die in E, gleich 
der Funktion f(P) und sonst Null ist, so ist für jeden Punkt von E, 


f(P) = lim g,(P). 
Außerdem ist überall in £, 

AP) <IAR) 
und folglich nach dem Satze 16 des $ 402 


(5) / f(P) dw = lim / 9,( P)dw. 
E, =, 


Endlich liefert der Vergleich von (4) und (5), wenn man noch beräck- 
sichtigt, daß | 

[puPyaw - [fit 

In E 
ıst, das Resultat | 


5 424 Das unbestimmte Integral 469 
If P)dw = lim [f(Pıide, 
E Lean, 


das u. a. folgenden Satz enthält: 


Satz 12. Jedes Integral einer summierbaren Funktion kanm als Grrense 
von Integralen von stetigen Funktionen über abgeschlossene und beschränkte 
Punktmengen und nilhin als Grense von Riemannschen Interralen be- 
rechnet werden. 


Kapitel IX. Das unbestimmte Integral und die addi- 
tiven totalstetigen Mengenfunktionen. 


Das unbestimmte Integral. 


424. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit Funktionen f(P) 
eines Punktes P des »-dimensionalen Raumes, die über jede meßbare 
Punktmenge des Raumes von endlichem Inhalte summierbar sind 
Die Funktionen, die zugleich meßbar und beschränkt sind, haben z. B. 
diese Eigenschaft (8 395, Satz 7). Ebenso die Funktionen, die über eine 
meßbare Punktmenge E summierbar sind und in der Komplementär- 
menge E’ von E verschw inden. 

Der Wert des Integrals von fi (P) über eine beliebige meßbare Punkt- 
menge e von endlichem Inhalt ist eine Zahl, die von der Wahl von e 
abhängt, und daher als eine Mengenfunktion F(e) angesehen werden 
kann (8 83). Diese Mengenfunktion 


(1) Fi) = |fiP)dw 


nennt man das unbestimmte Integral von f(P). 
Es seien f(P) und g(P) zwei Funktionen, welche dasselbe unbe- 
stimmte Integral Fe) besitzen; wir betrachten die Punktmengen 


(2) E=-M(f>V), EKE-Mi<y 


und bemerken, daß diese Punktmengen, die notwendig meßbar sind, 
beide Nullmengen sein müssen. Ist in der Tat z. B. E, keine Nullmenge, 
so gibt es meßbare Teilmengen e, von E,, die ebenfalls keine Null- 
mengen sind, und deren Inhalt endlich und von Null verschieden ist 
($ 269, Satz 3). Für diese muß nach Voraussetzung 


/r P)dw — /g(P)du, 


470 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. & 426 


oder, wenn man bemerkt, daß wegen (2) die Operation (f(P)—g(P)) in 
e, stets ausführbar ist, 


Sr -sP)) dw = 0 





sein, was aber, weil in jedem Punkte von e, 
f(P)>s(P) 


ist, und me, = O0 ist,.dem Satze 2 des $ 405 widerspricht. Die Funk- 
tionen f(P) und g(P) müssen daher äquivalent sein. 

Hat umgekehrt die Funktion f(P) ein unbestimmtes Integral (Ce) 
und ist 9(P) eine ihr äquivalente Funktion, so ist nach dem Satze 3 
des $ 392 die Funktion g(P) über jede Punktmenge mit endlichem In- 
halte summierbar und ihr unbestimmtes Integral gleich F‘(e). 


Satz 1. Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß zwei 
Funktionen dasselbe unbestimmte Integral besitzen, ist, daß sie im ganzen 
Raume äquivalent seien. 


Aus dem Satze 10 des $ 396 folgt, wenn man mit e, und e, zwei 
meßbare Punktmengen von endlichem Inhalte ohne gemeinsame Punkte 
bezeichnet, 


Fe +8) = [f(P) dw 


| arte 

(3) | — /f(P) dw + [F(P) dw 
| = Fle)+ F(a)- 
Von einer Mengenfunktion, welche die Eigenschaft 
 Fla+s) = Flea)+ Fe) 

besitzt, sagt man, daß sie additiv ist. 

Satz 2. Jedes unbestimmte Integral ist eine additive Mengen- 
funktim. 


425. Wir betrachten eine nicht negative Funktion p(P), die über 
den ganzen Raum R, summierbar ist, und definieren durch die @lei- 


chungen 
a) | 9(P)=y(P) auf M(p<i), 
9(P)=k „ M(p>k) 


eine monoton wachsende Folge von beschränten Funktionen, die gegen 


5426 Das unbestimmte Integral P 471. 
er) konvergiert. Es ist dann ($ 383, Satz 4) 


‚® dw = am r® dw, 


und man kann, wenn & eine beliebige nah Zahl bedeutet, die natär- 
liche Zahl k, so bestimmen, daß 

| HP puPı)dw < . 

1st. ii 

Es sei jetzt e eine beliebige meßbare Punktmenge von endlichem 
Inhalte: man hat 


SpıP)aw - [9,(P)aw < (pP —-p,P)aw<}, 
€ € Rn 


woraus mit Hilfe des Mittelwertsatzes (8 406, Satz 3) folgt, da nach (1) 
stets 9, (P) <k, ist, 
[r(P)aw <k,. me+ ; 


Für alle meßbaren Punktmengen e, die der Bedingung 


(2) me< 72 
genügen, ıst also stets 
(3) Jv(P) dw<e 


426. Einer nicht negativen meßbaren Funktion f(P) ordnen 
wir die monoton abnehmende Folge von Punktmengen 
M) E=-Mf>2) &=1,3,...) 
zu. Sind die Punktmengen E, alle von unendlichem Inhalt, so kann 
man eine meßbare Teilmenge e, von E, bestimmen, für welche me, = 1:2 
ist und hierauf für jede natürliche Zahl k eine meßbare Teilmenge e,,, 
von (E,,ı — (++ @)E,;ı), für welche me, = 1:2* ist. Die Folge 
&, €g, ... von Punktmengen besitzt also folgende Eigenschaften 


4 <_K,; ee, = G=+k), 
(2) 1 | 
me, >= PT: u 
Wir betrachten noch die Punktmenge 
s= e, + & + 


und bemerken, daß wegen (2) 
ms — |] 


ist. Nun ist unsere Funktion f(P) entweder schon nicht summierbar 


472 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. $ 437 





m U m nn 


über eine der Punktmengen e, oder, falls /(P) über sämtliche e, sum- 

mierbar ist, so ist sie es nicht über s, denn man hat nach den Mittel- 

wertsatz ($ 406, Satz 3) mit Berücksichtigung von (1) und (2) 
IfP)dw> 1 (k=1,2,...) 


k 


und daher 
> /rPidw = ©; 
k=1 & 


dieses könnte aber nach dem Satze 11 des $ 397 nicht stattfinden, falls 
f(P) über s summierbar sein sollte Die Punktmengen e, und s sind 
von endlichen Inhalt; aus unserer Voraussetzung, daß die E, sämtlich 
von unendlichem Inhalt sind, folgt also die Existenz von mindestens 
einer meßbaren Punktmenge endlichen Inhalts, über die die Funktion 
f(P) nicht summierbar ist. 

Umgekehrt folgt also aus der Voraussetzung, daß eine nicht nega- 
tive Funktion f(P) über jede Punktmenge endlichen Inhalts summier- 
bar ist, die Existenz einer Zahl k,, so daß E, von endlichem Inhalte ist. 
Dann muß aber f( P) nach Voraussetzung auch über E, summierbar sein; 
nach der Gleichung (1) ist in jedem Punkte der Komplementärmenge E;, 
von E;, die nicht negative Funktion f(P) nicht größer als 2*, also be- 
schränkt. 


427. Das letzte Resultat des vorigen Paragraphen kann auf Funk- 
tionen beliebigen Vorzeichens übertragen werden. Es sei f( PP) eine nicht 
notwendig endliche Funktion, die über jede meßbare Punktmenge e von 
endlichem Inhalte summierbar ist. Ist dann W irgend ein Würfel des‘ 
Raumes, so ist f(P) über W summierbar und die Punkte von W, in 
denen f(P) unendlich ist, müssen eine Nullmenge bilden. Hieraus folgt, 
daß /(P) in allen Punkten des R,, außer höchstens in einer Null- 
menge N, endlich ist. 

Wir betrachten die nicht negative Funktion p(P), die in allen 
Punkten der Komplementärmenge N’ von N gleich |f(P)| ist und in 
N verschwindet. Die Funktion g(P) ist endlich und über jede meßbare 
Punktmenge e von endlichem Inhalt summierbar. Nach dem vorigen 
Paragraphen gibt es dann eine meßbare Punktmenge E, so daß die 
Funktion g(P) über E summierbar ist und in der Komplementärmenge 
E’ von E beschränkt ist. Es sei Y(P) eine Funktion, die in (E+E'N) 
gleich f(P) ist und in (E’— E’N) verschwindet; diese Funktion ist dann 
über den ganzen Raum R, summierbar. Ferner sei y(P) eine Funktion, 


848 Das unbestimmte Integral 473 


die in (E+ E’N) verschwindet und in (E’— E’N\ gleich f(P\ ist; die 
Funktion xy(P) ist meßbar und beschränkt. Ferner ist 
M=wiM+xD) 

d.h. eine Funktion, die über jede beliebige meßbare Punktmenge end- 
lichen Inhalts summierbar ist, ist die Summe von zwei meßbaren Funk- 
tionen, von denen die eine über den ganzen Raum summierbar und die 
andere beschränkt ist. 

Umgekehrt sieht man sofort ein, daß die Summe von zwei der- 


artıgen Funktionen über jede meßbare Punktmenge e von endlichem 
Inhalte summierbar ist. Wir haben also den 


Satz 3. Dafür, daß eine Funktion fi P) ein unbestimmtes Integral F'(e) 
besitze, ist notwendig und hinreichend, daß man f( P) als Summe von zwei 
meßbaren Funktionen darstellen kann, von denen die eine über den ganzen 
Raum summierbar und die andere beschränkt ist. 


428.’ Wir wollen jetzt die Bedingungen dafür aufstellen, daß das 
unbestimmte Integral Fe) einer Funktion f(P) eine beschränkte 
Mengenfunktion sei. Wir nehmen also an, es existiere eine endliche 
Zahl G, so daß für jede meßbare Punktmenge e von endlichem Inhalte 


1) Ä IrPidw <G 


ist. Wir führen die beiden Punktmengen 
E=M(f>0) und E=M(f<O) 
ein. Dann ist für jede meßbare Punktmenge e von endlichem Inhalte 


fir dw - /f(P) de - /ftP) dw 


und daher nach (1) 
J fPıdw<2@. 


Da hiernach das Integral der nicht negativen Funktion |f( P)| über jeden 
beliebigen Würfel nicht größer als die endliche Zahl 2@ sein kann, so 
ist (8 397) diese Funktion und daher auch f(P) selbst ($ 395, Satz 6) 
über den ganzen Raum NR, summierbar. 

Ist umgekehrt f(P) über den ganzen Raum summierbar, so gilt 
dasselbe von ihrem absoluten Betrage !f(P)| und, wenn ınan 


‚Jireiide = G 


RN, 


474 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. $ 429 
setzt, so ist ($ 395, Satz 8) für jede meßbare Punktmenge e des Raumes 
Fo < fIf(P)iaw<@. | 


Wir haben also den 

Satz 4. Dafür, daß das unbestinmte Integral F(e) einer Funktion f( PP’) 
eine beschränkte Mengenfunktion sei, ist notwendig und hinreichend, daß 
die Funktion f(P) über den ganzen Raum R, summierbar sei. 


429. Es sei Fe) das unbestimmte Integral einer Funktion fi 7?) 
und & eine beliebige positive Zahl. Nach dem Satze 3 des Ss. 427 können 


wir PEOnE en 
fP)=v(ıP)+x(P), 


wobei Y(P) über den ganzen Raum summierbar und x(P) meßbar und 
beschränkt ist. Mit #(.P) ist auch die Funktion %(P)| über den ganzen 
Raum summierbar und nach dem $ 425 können wir eine positive Zahl Ö° 
so bestimmen, daß für jede meßbare Punktmenge e, die der Bedingung 


me<o6 
genügt, die Relation | 
@ Jiveldu<; 
erfüllt ist. Anderseits ist nach Voraussetzung 
KPAI<SE 
und daher ist auch, wenn man 
| = 5G 
setzt, für alle meßbaren Punktmengen e, die der Bedingung 
me<oö” 


genügen, nach dem Mittelwertsatz ($ 406, Satz 3) 

(2)  Sa@lau<;- 

Bezeichnet man also mit ö die kleinere der beiden Zahlen 6’ und 6”, 

so ist d>0O und für jede. meßbare Punktmenge e, welche der Bedingung 
me<ö6 


genügt, sind die beiden Relationen (1) und (2) zugleich erfüllt und 
daher 


Fl < fIv(P)law + [1 Plaw<e. 


8 430 _ Additive totalstetige Mengenfanktionen 475 


Hieraus folgt der 

Satz 5. Ist F(e) das unbestimmie Integral eier Funktion, so kann 
man jeder positiven Zahl e eine ebenfalls positive Zahl ö zuordnen, so daß 
für alle meßbaren Punktmengen e, die der Bedingung 

me<ö 
genügen, die Relation 
\ F(e) TE 

erfüllt ist. Eme Mengenfunklion F(e) mit dieser Eigenschaft heißt 
totalstetig. 


Additive totalstetige Mengenfunktionen. 


430. Wir wollen jetzt eine vom Begriffe des unbestimmten Inte- 
grals unabhängige Untersuchung der totalstetigen, additiven Mengen- 
funktionen führen, durch welche sich die Identität der beiden Begriffe 
ergeben wird ($ 439). 

Wir betrachten also eine endliche Mengenfunktion F'(e), deren De- 
finitionsbereich € aus der Gesamtheit der meßBbaren Punktmengen e mit 
endlichem Inhalte besteht. Von dieser Mengenfunktion setzen wir zu- 
nächst bloß voraus, daß sie additiv ist, d.h., daß wenn e, und e, zwei 
Punktmengen von E ohne gemeinsame Punkte bedeuten, die Glei- 


(1) Flate)=Fle)+ Fıe) 
gelten soll. 

Wir bezeichnen, wenn A eine endliche positive Zahl bedeutet, mit 
n(A) die obere Grenze der Zahlen |F(e) für alle en e, die 
in € enthalten sind, und der Bedingung 


(2) mesi 


genügen. Die Funktion (A) stellt für jedes positive A eine nicht nega- 
tive Zahl dar, die auch gleich + oo sein kann. 
Es sei h eine zweite beliebige positive Zahl, und e eine meßbare 


Punktmenge, für welche 
(3) me<i+h 


ist. Nach dem Satz 12 des $ 2:8 kann man die Punktmenge e als 
Summe von zwei meßbaren Punktmengen e’ und e” ansehen, die keine 
gemeinsame Punkte besitzen und den Bedingungen 


(4) me'<A, me”<h 
genügen, Nun folgt aber aus e=e’+ e” nach (1) 
F(e) = F(e‘) + Fe”), 


416 Kap. IX. Das unbest. Infegr: u. d. additiven totalstetigen | Mengenfunkt., 8 430 


und hieraus; wenn man noch die Bedingungen (4) berücksichtigt, 
Fl <|Fle). + Fe”), <n(a) + n(h). 


Da nun c eine beliebige meßbare Punktinenge bedeutet, die nur der Be- 
dingung (3) zu genügen hat, folgt aus der letzten Relation 


(5) yAa+h)<y(a) + neh). 

Gibt es eine positive Zahl A,, für welche die Funktion 7(A) endlich ist, 
so ist diese Funktion im ganzen Intervall 0 < A < A, endlich und mono- 
ton wachsend, denn die Zahl n(4’) ist jedesmal, wenn 4’< A” ist, die obere 


Grenze einer Teilmenge jener Zahlenmenge, deren obere Grenze n7(2”’) 
ist. Setzt man nun in (5) 


so kommt 
(6)  3(24,) <27(A,), 


woraus man schließt, daß die Funktion 7(2) auch im Intervall O<i<21, 
endlich sein muß. Aus diesen Tatsachen schließt man, daß, wenn die 
Funktion (4) überhaupt für einen positiven Wert von A endlich ist, 
sie für alle endlichen Werte des linearen Gebietes A>0 endlich sein 
muß, und daß, wenn sie für einen positiven Wert von A verschwindet, 
sie auch für jedes 1 >0 verschwinden muß. 

Die Funktion y(A) ist mit andern Worten entweder konstant gleich 
Null oder konstant gleich + oo oder aber in ihrem ganzen Defini- 
tionsbereiche A > 0 endlich, monoton wachsend und von Null verschieden. 

Wir nehmen an, dieses sei der Fall und setzen in (8) A=ph, 
es wird 


yKp+ Dh) <n(ph) + eh) 


und nach dem Schlusse der vollständigen Induktion muß also mit Be- 
rücksichtigung von (6) für jede natürliche Zahl p_ 


(7) n(ph) <p-n(h) 
sein. Ist A eine beliebige positive Zahl, die } übertrifft, so kann man 
stets eine natürliche Zahl p und eine Zahl ®, die der Bedingung I<9S 1 
genügt, bestimmen, so daß 
(8) | 1-(p+9)h 
ist. Dann ist, wegen der Monotonie von (A), 
na <nlp+Dh)<(p+ Dal) 
und wegen (8) 


® DE 


5 431 Additive totalstetige Mengenfunktionen 477 





Für A setzen wir der Reihe nach die Werte einer gegen unendlich kon- 
vergierenden Folge A,, A,,... ein, für welche die Gleichung 

lim 7% _ Jim 70 

k=za .=+& 
gilt (8 146). Halten wir dabei A fest, so werden die entsprechenden 
Zahlen p, gegen unendlich und die rechte Seite von (9) gegen 


n(h) 
h 


konvergieren. Es ist also für jeden Wert von A 
(10) ‚Im a € en | 
und daher auch 


lim ni < lim n.h 
= +r& ä Ah=+& ho 


was nur dann stattfinden kann, wenn der Grenzwert 


existiert: außerdem ist stets wegen (10) 
a 


431. Nachdem wir die Eigenschaften von y(A) für allgemeine addı- 
tive Mengenfunktionen untersucht haben, nehmen wir an, daß die Mengen- 
funktion F'(e) totalstetig ist, d. h. daß man jeder positiven Zahl & eine 
Zahl ö zuordnen kann, so daß aus der Bedingung 


med 


die Relation 
Fre, <e 


folgt; dann muß aber auch y(d) < & sein und man sieht, daß die For- 
derung der Totalstetigkeit von F'(e) ıdentisch ist mit der Gleichung 
hm ya=0. 
i=0 
In diesem Falle ıst es leicht zu sehen, daß (A) eine stetige Funktion 


von A sein muß; denn es folgt aus (5), wenn man darin / gegen Null 
konvergieren läßt, 


AV <n. 
Anderseits hat man, wenn man in (5) die Zahl 4 durch (4 — Ah) ersetzt 


418 Kap. IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen glich 5432 


und h gegen Null konvergieren läßt, 
nA—0)>n() 

und aus den beiden letzten Relationen folgt die Stetigkeit der mono- 
ton wachsenden Funktion n(A). 

Alles in allem haben wir den 

Satz 1. Jeder additiven, totalstetigen und nicht identisch verschwiss-. 
denden Mengenfunktion F(e) kann man für beliebige positwe Werte von A 
eine endliche, von Null verschiedene, monoton wachsende und stetige Funk- 
tion n(A) zuordnen, die den Bedingungen 


limn(a)-0, Am" ec 
2=0, 


IV 
= 


genügt, und wobei n(A) die kleinste PM bedeutet, für welche die Ungleich- 


me<a,  |F)I<n() 
stets zugleich stattfinden. 
432. Ist F(e) eine additive Mengenfunktion, so folgt aus der Formel 
Fe +8) = Fe) + Fe) 


für zwei meßbare Punktmengen ohne gemeinsame Punkte mit Hilfe des. 
Schlusses der vollständigen Induktion, daß auch für die Summe 
e=4a+%+t' te, 
von endlich vielen, meßbaren Punktmengen von endlichem Inhalte ohne 
gemeinsame Punkte eine ähnliche Gleichung, nämlich 
(1) Flo = Fe), 
k=1 

stattfindet. | 

Ist F(e) außerdem totalstetig, so kann man die Gleichung (1) 
auch auf die Summe von abzählbar unendlich vielen Punktmengen über- 
tragen, natürlich aber immer nur in dem Falle, daß e von endlichem In- 
halte ist. 

Es sei nämlich e meßbgr und von endlichem Inhalte und es gelte 
die Gleichung 
(2) e = rs tr&T'" 
wobei die e, meßBbar sein sollen und kein Punkt des Raumes in zwei 
verschiedenen e, vorkommt. Setzt man 


s=4tr&+t'' +6 
(3) k 1 2 k 


r=e—S$, 


$ 433 Additive totalstetige } Mengenfanktionen 4719 


— 


so ist ($ 247, Satz 9) 
(4) Jim mr, = lim m(e—8)=V®. 








= —_—- — - - nn up 


Nun folgt aber aus ” und (3) 
(5) F(e)-F(s)+ Fin) = < Fiey + Fir) 
für jeden Wert von k und anderseits wegen der nn von F'(e) 


mit Berücksichtigung von (4) 
lim|A(r)|=®. 
k=x» 


Hieraus folgt aber, daß die Summe in der Gleichung (5) mit wachsen- 
dem % gegen F'(e) konvergiert, und daß man schreiben kann: 
F(e)= F(r)+Fie)+--- 


Satz 2. Wird eine meßbare Punktmenge e von endlichem Inhalte in 
endlich older abzählbar unendlich viele nießbare Teilmengen ohne gemein- 
same Punkte zerlegt, 

e=e, +76 +%+°',, 
so galt für jede additiwe, totalstetige Funktion Fe) die Besiehung 
F(e) = SF (Ph 


433. Sind F\(e) und F,(e) zwei additive, totalstetige Mensen: 
tionen und bezeichnet man mit A, und A, zwei beliebige endliche Zahlen, 
so ist der Ausdruck | 

D(e) = A, Fı(e) + A,F;(e) 
ebenfalls eine Mengenfunktion, von der man sofort sieht, daß sie additiv 
ist. Sie ist aber auch totalstetig, weil 
De) <A Fle)|+ Fe 

ist, und daher ist auch, wenn man mit n,(Ö) und n,(d) die nach dem 
$ 431 den Funktionen F\(c) und F,{ei zugeordneten Funktionen be- 
zeichnet, für me < 6, 

Idle) <A, ml) + Asına(d), 
woraus man die Totalstetigkeit von ®(e) sofort entnimmt. 


' Insbesondere ist, wenn Fe) eine beliebige, adaitive, Reue 
Mengenfunktion bedeutet, für jedes beliebige endliche A 


F(e) + Ame 
eine Msuferkbhn mit denselben Eigenschaften. 


480 Kap. x Das unbest. Integr. ı u. d. additiv. totalstet. Mengenfunkt. $434. 435 


- 0.1.1. u — m 





434. Ess sei wieder Fe) eine ibelebige: additive, totalstetige Mengen- 
funktion und E eine meßbare Punktmenge. Setzt man nun 


&(e)= F(eE) falls eE+0 ist, 
Öle) = UV „.eE=0O ist, | 
so ist ®(e) für alle meßbaren Punktmengen von endlichem Inhalte de- 


finiert und, wie man sofort sieht, additiv. Außerdem ist, wenn me < 6 
ist, auch meE< d und daher 


Dle) <n(d), 
wo 10 dieselbe Bedeutung hat wie früher. Die Mengenfunktion Die) 


ist also auch totalstetig. 
Ferner ıst, falls der Inhalt 


mE= 6, 
von E endlich ist, für jede beliebige Punktmenge e 
meE<mE=6, 


[Biol < nl). 
Da n(ö,) aber eine endliche Zahl ist, so folgt hieraus, daß ®f(e) be- 
schränkt ist. 


und daher stets 


Die mittleren Derivierten. 
435. Es sei Fe) eine beliebige (endliche) Mengenfunktion, P ein 


beliebiger Punkt des »-dimensionalen Raumes und 

q=1a(P;a) 
ein Würfel, dessen Mittelpunkt P und dessen Kantenlänge a ist. Wir 
bilden die Funktion 


: \ F 
(1) y(P;a) = 
wo mg = a" den Inhalt des Würfels bedeutet, und setzen ferner 
(2) D«(P) = lim g(P; a), 
azUvı 
(3) D«P)= um yıP;a). 


Diese beiden Funktionen, die nur von der Lage des Punktes /’ abhängen, 
heißen die obere und untere mittlere Derivierte der Mengenfunk- 
tion Fe) im Punkte P. Man nennt sie mittlere Derivierte, um sie 
von den allgemeineren Derivierten zu unterscheiden. die wir später 
betrachten werden ($ 443). | 


. 


g 435 Die mittleren Derivierten 481 


Aus den Gleichungen (2) und (3) folgt 68 146), daß .man. zwei 
Folgen von Zahlen a,’, a’, a,,... und a,”,a,,G, ‚..., die monoton 
abnehmen und gegen Null konvergieren, so bestimmen kann, daß 


D+(P) = lim p(P; a) und D,(P)= lim y(P;a;') 


wird. Man kann also sowohl die obere als auch die untere mittlere 
Derivierte einer Funktion unter eine Klasse von Funktionen subsu- 
mieren, die folgender Definition genügt: 

Definition. Jedem Punkte des Raumes sei eine monoton ab- 
nehmende, gegen Null konvergierende Folge von positiven 


Zahlen 

G, Ag, Ay, ... 
zugeordnet, die sich von Punkt zu Punkt ändern kann, aber 
die Eigenschaft besitzt, daß für jeden Punkt P des Raumes 
der Grenzwert 


lim p(P; a,) 
k=x 
existiert. Dann heißt die Funktion 
(@ D«(P) — lim p(P; a) 


eine mittlere Derivierte der Mengenfunktion Fe). 

Für jede mittlere Derivierte von F(e) gilt natürlich die Beziehung 

(5) D»(P) < D,(P)< Dr(P). 
Sind die obere und die untere mittlere Derivierte nicht überall gleich, 
so gibt es mehrere — in der Regel unendlich viele — mittlere Deri- 
vierte einer gegebenen Mengenfunktion. Z.B. ist dann jede Funktion, 
die teilweise mit der oberen, teilweise mit der unteren mittleren Deri- 
vierten übereinstimmt, selbst eine mittlere Derivierte. Diese Unbestimmt- 
heit hat den Vorteil, daß jeder Satz, der für die mittleren Deri- 
vierten einer Funktion bewiesen wird, "zugleich sowohl für die obere 
als auch für die untere mittlere Derivierte dieser Funktion gilt. 

Es gibt Funktionen, die überhaupt nur eine mittlere Derivierte be- 
sitzen, z. B. die Mengenfunktion me, die gleich dem Inhalte von e ist. 
Hieraus folgt unmittelbar der sehr brauchbare 

Satz 1. Ist F(e) eine endliche Mengenfunktion und setst man 


Öle) = F(e) + Ame, 
wobei A eine endliche Konstante bedeutet, so ist mit den obigen Beseich- 
Do(P) = Dy(P) + 
eıne mittlere Derivierte der Funktion &(e). 


Carath&odory, Beelle Funktionen. 31 


482 Kap. IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. $436 


In der Tat ist stets für jeden Würfel q des Raumes 
IQ _F@ AN, 


mq mq 





436. Wir nehmen nun an, die Mengenfunktion Fe) sei additiv 
und totalstetig; dann ist, wie wir zeigen wollen, die Funktion g(P;@); 
die wir am Anfang des vorigen Paragraphen definiert haben, sowohl eine 
stetige Funktion des Parameters a bei festgehaltenem P als auch eine 
stetige Funktion des Punktes P bei festgehaltenem a. 

Sind nämlich a und a’ zwei positive Zahlen und z.B.a’>a, und 
bezeichnet man mit q und g’ die entsprechenden Würfel, die denselben 
Mittelpunkt P haben, so folgt aus der Additivität, weil g <g’ ist, 


Fa) - Fi)i= Fa) 
und wegen der Totalstetigkeit ist die letzte Zahl kleiner als eine be- 
liebige positive Zahl e = (6), sobald 
m(d’—q)=a"—a”<d6 

ist ($ 431). Dies ist aber der Fall, sobald (a’— a) hinreichend klein ist, 
weil a” eine stetige Funktion ist. Also ist F'(g) bei festem P eine stetige 
Funktion von a und, da mg ebenfalls stetig in a und von Null ver- 
schieden ist, so gilt dasselbe vom Quotienten dieser beiden Funktionen, 
nämlich von p(P; a). 

Zweitens sei a eine feste positive Zahl und es seien P und P, zwei 
beliebige Punkte des Raumes und o ihre gegenseitige Entfernung 


E(P, P,) do. 


Bezeichnen wir mit q und g, die Würfel von 
der Kantenlänge a, deren Mittelpunkte in P 
bzw. P, liegen, so setze man (s. Fig. 32) 


aa, +rd yvarautrd: 


Dann ist, wegen der Additivität unserer 
Fig. 32. Mengenfunktion, 


Fa) - Fq); = |F(@) — F(a)!< ‚F(d), + F(d).. 
Nun liegt d im Innern des Würfels, der zu q, konzentrisch ıst und die 


Kantenlänge (a -+ 2_) besitzt, enthält aber keinen einzigen Punkt von g, 
selbst; es ist also 

mda<(a+2o)" — a” 
und ebenso findet man 

md, <(a+2o)" — a". 


5 436 Die mittleren Derivierten 483 

Wegen der Totalstetigkeit von F'(e) folgt also 
lim ıP(@)| = lim Fa)! = 0 
om e= 





und folglich 

Im Fa) - Fa). —®. 

e= 
Die Funktion F'(g) ist also bei konstantem a eine stetige Funktion von P 
und dasselbe gilt mithin von p(P; a). 

Es seien jetzt 
DB Diende 
abzählbar unendlich viele positive Zahlen, die im Intervalle von Null 
bis a überall dicht liegen. Setzen wir 
(1) v(P; a) = obere Grenze von p(P;b,) fürn=1,2,3,... 
d 


un 
(2) ı(P; a) = obere Grenze von p(P;b) für O<b<a, 
80 ist erstens 
(3) yP;a)<x(P;a). 
Zweitens aber sei « eine beliebige Zahl, die kleiner ist als z(P;«), 
und «’ eine zweite Zahl, die der Bedingung 
a<e'<y(P;a) 
genügt. Wegen (2) kann man im Intervalle 0 <b <a eine Zahl b, der- 
art bestimmen, daß 
y(P;b) > a’ 
ist, und, weil p(P;b) eine stetige Funktion von 5 ist, eine Umgebung 
von b, derart bestimmen, daß für jeden Punkt dieser Umgebung 
y(P;b) >« 
bleibt. Da nun die Zahlenfolge der b, sicher Punkte innerhalb dieser 
Umgebung besitzt, folgt hieraus wegen (1) 
v(P;a)>a, 
und, weil « eine beliebige Zahl unterhalb x(P; a) bedeutete, mıt Rück- 
sicht auf (3) | 
(4) vP;a)= ı(P;a). 
Ist nun a,, @,... eine gegen Null konvergierende Folge von posi- 


tiven Zahlen, so kann die Gleichung (2) des vorigen Paragraphen ge- 
schrieben werden: 


(5) D,(P) = lim x(P; a,) = lim y(P; a,). 


31* 


484 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. $ 437 











Nun bemerken wir, daß, da die g(P;b,) nach dem Früheren stetige 
Funktionen in P sind, die Funktion Y(P;a) für jeden Wert von a 
eine nach unten halbstetige Funktion in P ist ($ 174, Satz 3) und daB 
folglich nach (5) die obere mittlere Derivierte die Grenze einer monoton 
abnehmenden Folge von nach unten halbstetigen Funktionen bedeutet, 
also jedenfalls meßbar und von der zweiten Klasse ist ($ 367). 

Die untere mittlere Derivierte Dr(P) von F(e) ist der oberen mitt- 
leren Derivierten von — F(e) entgegengesetzt. Sie ist also die Grenze 
einer monoton zunehmenden Folge von nach oben halbstetigen Funk- 
tionen, was man übrigens auch direkt hätte zeigen können. 

Satz 2. Die obere und untere mittlere Derivierte einer additiven 
totalstetigen Funktion sind meßbare Funktionen und von der zweiten 
Klasse. 

437. Es sei jetzt Dr(P) eine beliebige unter den mittleren Deri- 
vierten der additiven, totalstetigen Funktion F'(e), « sei eine gegebene 
reelle Zahl und e sei eine meßbare Punktmenge von endlichem Inhalte, 
die so gewählt ist, daß in jedem ihrer Punkte die Ungleichheit 
(1) « < Dr(P) 
stattfindet. 

Unter diesen Voraussetzungen kann man nach der Gleichung (4) 
des $ 435 um jeden Punkt P von e als Mittelpunkt abzählbar unendlich 


viele Würfel | 
4(P),%(P),--- 


konstruieren, deren Dimensionen gegen Null konvergieren, so daß für 
jeden dieser Würfel die Ungleichheit 


(2) ac Zu) (k=1,2,...) 


stets stattfindet. _ 

Nach dem Vitalischen Satze ($ 290, Satz 3), dessen Voraussetzungen 
hier erfüllt sind, können wir jetzt abzählbar unendlich viele Punkte P,, 
P, :.. innerhalb e auswählen und um jeden dieser Punkte als Mittel- 
punkt einen der vorigen Würfel bestimmen, so daß die Folge 


91, 93 937 - -- 
dieser ausgewählten Würfel folgende Eigenschaften besitzt: 
1. Die Würfel haben keinen gemeinsamen Punkt und ihre Summe 
(8) | s-,r 94T 


überdeckt die ganze Punktmenge e höchstens mit Ausnahme einer Null- 


menge, d.h. es ist 
(4) m(e—es)=0. 


2. Die Punktmenge s liegt innerhalb einer beliebig vorgeschrie- 
benen Umgebung von e und man kann daher verlangen ($ 291), daß 
(5) m(s—es) <6 
ist, wobei ö eine beliebig vorgegebene positive Zahl bedeutet. Nun be- 
merke man, daß wegen (4) 


8437 Die mittleren Derivierten 485 


me —= mes 
ist, und daß folglich nach (5) 


(6) ms—=mes-+ m(s—es)=me+%:-Ö6 (0<#<I) 
sein muß. 


Anderseits aber ist wegen der Totalstetigkeit von Fe) nach (4) 
und (5) 
(7) Fle-—es)=0 und F(s-es)| <n(b), 
wobei n(ö) dieselbe Bedeutung wie im $ 430 besitzt. Nun benutzen 
wir die Additivität von Fe) und schreiben 
F(e) = F(es) + F(e—es), 
F(s) = F(es) + F(s—es), 
_ woraus mit Hilfe von (7) folgt: 
(8) Fs) < Fe) + n(8). 
Nach dem Satze 2 des $ 432 können wir wegen (3) außerdem noch 
schreiben 
9) Fs)=-Fa)+ Fat; 


anderseits ıst aber, weil alle Würfel q, der Bedingung (2) genügen, für 
jedes k 


1) am < Fiq) 
und folglich, wenn man (9) und (10) vergleicht und noch die Gleichung 


ms=mgqy, +mga+°°* 
benutzt, 


a-ms< Fis). 
Hieraus folgt mit Hilfe von (6) und (8) 
a(me+9»0) < F(e) + n(6) 
oder, wenn man beachtet, daß die Zahl # zwischen Null und Eins liegt, 
a-me<lf(e)-n(d)+ «0. | 
Die letzte Ungleichheit ist für jeden positiven Wert von Ö erfüllt; 


läßt man also Öd gegen Null konvergieren, so wird n(d) ebenfalls gegen 
Null konvergieren und man bekommt 


(11) a:me< Fe). 


486 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. 8 438 


a nn nn nn le m nn 


Hätte man von der Punktmenge e nur gewußt, daß in jedem Punkte 
von e 


«<Dr(P) | 
ist, so zeigt das soeben bewiesene Resultat, daß für jedes positive, von 


Null verschiedene & 
(«e—e)me< Fe) 


ist, und hieraus folgt wieder die Bedingung (11). 
Wäre e eine Punktmenge von endlichem Inhalte, in welcher 


D-(P\<B 
D(e) = — Fe); 


dann sind die mittleren Derivierten von F' und ® entgegengesetzte Zahlen 
und man hat 


ist, so setze man 


Ä Ps De(P), 

folglich nach dem Früheren 
— ßB-me< &f(e) 
und daher ' 
F(e) <Pß-me. 


Satz 3. Gilt in jedem Punkte einer meßbaren Punktmenge e von end- 
lichem Inhalte für eine beliebige unter den mittleren Derivierten einer ad- 
ditiven und totalstetigen Mengenfunktion F(e) eine der Ungleichheiten 

@<Dyr(P) oder Dr(P)<B, 
so ist sugleich die entsprechende unter den beiden Bedingungen 
a-me< F(e) oder F(e)<ß-me 

438. Wir nehmen jetzt an, daß die mittlere Derivierte D+(P), die wir 
betrachten, eine meßbare Funktion sei; dies ist keine Beschränkung der 
Allgemeinheit hinsichtlich F'(e), da wir gesehen haben, daß jede additive, 
totalstetige Mengenfunktion meßbare Derivierten besitzt ($ 436, Satz 2). 

Es sei e eine Punktmenge, die meßbar und von endlichem Inhalte 
ist und die Eigenschaft besitzt, daß in jedem ihrer Punkte 


(1) D«(P) = 0 
1st. 

Wir führen eine Skala 
(2) Y<Y<p< 


von der Breite } ein, die von Null bis + oo reicht ($ =) Eis 


ist also 
(3) %=0, YıuyıSh, lim y, = +®. 


& 438 Die mittleren Derivierten 487 
Nun setzen wir 
(4) „me M(y,_ıSDr<y), 
d.h. e, ist diejenige Teilmenge von e, in der die betrachtete mittlere 
Derivierte nicht kleiner als y,_,, aber kleiner als y, ist, und führen 
außerdem die Bezeichnungen ein 
(5) re 

e=$g,+r,- 


Die r, bilden eine monoton abnehmende Folge von Punktmengen; falls 
man also 


(6) Emflrts-.. 
setzt, so hat man 
(7) e=meteatet+at:- 


Nun enthält nach (4) und (5) die Punktmenge s, sämtliche Punkte von 
e, in denen D,(P) kleiner als y, ist, und für jeden Punkt von r, ist 


„<DrP). 
Nach dem letzten Satze ist also 
(8) y mr, sFr); 


anderseits ist aber. r, eine Teilmenge von e, und wenn man den Inhalt 
von e mit d bezeichnet, ist 


mr, s6 
und folglich nach dem $ 431 
Fr) sn(), 
woraus nach (8) folgt 
mr. <S I 
k 
und wegen (3) 
Immr, =. 
k=o 
Die Gleichung (6) liefert nun 
(9) me —= 0 
und hieraus folgt wegen der Totalstetigkeit unserer Mengenfunktion Fe) 
F(e)-0; 


wendet man also den Satz 2 des $ 432 auf die Summe (7) an, so erhält 
man mit Berücksichtigung der letzten Gleichung 


10) F(e)= F(e) + F(e)+ Fe) +: -- 


488 Kap. IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. $ 438 





Anderseits liefert die Definitionsgleichung (4) von e,, wenn man den 
Satz 3 des vorigen Paragraphen benutzt, 


(11) Y_ıme< Fe) < y‚me;; 
daher folgt aus (10) 
(12) Zy-ıma< Fe) < Oyıme, 


falls die Summen in dieser letzten Formel einen Sinn haben. Dies ist 
in der Tat der Fall: die Glieder dieser Summen sınd sämtlich nicht 
negativ und die Teilsummen von 
(13) | ZSy_ıme, 

k=1 
"sind sämtlich kleiner als die endliche Zahl F(e), so daß diese Summe 
konvergiert. Ferner sind die Teilsummen von 


(14) PA — Y_ı) me, 


sämtlich kleiner als h- me, woraus folgt, daß auch die Summe rechts 
in (12) konvergiert und daß die Differenz 


(15) Syme — Zy,-ıme<h-me. 
k=1 k=1 


ist. | 

In jeder der Punktmengen e, ist nach (4) außerdem D;(P) be- 
schränkt und nach Voraussetzung meßbar. Daher ist D,(P) über e, 
summierbar ($ 395, Satz 7) und nach dem Mittelwertsatze haben wir dann 


(16) | Y_ıMe, </D. (P)aw <y,me,.- 


Hieraus folgt, weil die bee Summen in (12) konvergieren, daß 
man schreiben kann: 


(17) Zy-maz P2 [D(P)dw < Zum; 
= =le, = 


wobei die mittlere Summe dieses Ausdrucks, die aus lauter nicht nega- 
tiven Zahlen besteht, ebenfalls konvergiert. Nach dem Satze 11 des 
$ 397 ist dann aber Dy,(P) auch über 


e—-e=e+6&6+6%+°': 


summierbar, und weil @ nach (9) eine Nullmenge ist, ist Dr(P) sogar 


8 439 Die mittleren Derivierten 489 
über e summierbar, und man hat 
(18) SDr(P)dw = [ DADaw = D | Dr(P)aw. 
e u 7 ul e, 
Der Vergleich von (17) und (18) zeigt uns dann, daß 


DI y-ıma<.[ Dı(P)dw s mc, 


k=1 


=1 


und wenn man diese letzte Ungleichheit mit (12) und (15) vergleicht, 
so sieht man, daß Fe) und das Integral von D;(P) über e zwischen 
zwei Zahlen liegen, deren Differenz die Zahl h- me nicht übertrifft. Es 
ist also auch 


F()— [| D4P)dw <h-me, 


und da die Breite RA unserer Skala ganz willkürlich gewählt werden 
kann, folgert man hieraus 


(19) Fi) = | Ds(P)dw. 


439. Ist e eine meßbare Punktmenge von endlichem Inhalte, in 
deren Punkten 
DrP)<oO 
ist, so setze man 
D(e)= — Fie). 


Die Mengenfunktion &(e) ist additiv und totalstetig, und die Funktion 
Da»(P) = — Dr(P) 


ist eine mittlere Derivierte von ®(e). Ist nun D;(P) meßbar, so ist es 
D»(P) ebenfalls, und nach dem vorigen Paragraphen ist dann D.»(P) 


über e summierbar und 


o(e) — /[D.»(P)dw. 


Also ist auch D;,(P) über e summierbar und die Gleichung (19) des 
vorigen Paragraphen gilt auch bier. 

Endlich sei die mittlere Derivierte D,(J’) wieder eine meßbare 
Funktion und e sei eine meßbare Punktmenge von endlichem Inhalte, 
aber über das Vorzeichen von D;(P) in e sei nichts bekannt. Wir zer- 
legen dann e in zwei meßbare Punktmengen e’ und e”, die durch die 
Gleichungen 


490 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. $ 440 
d=e: M(D;(P) > 0), 
e=e. M(D-(P)<0) 


definiert werden. Diese beiden Punktmengen sind meßbar und von end- 
lichem Inhalte, die mittlere Derivierte ist nach dem Früheren über jede 
dieser Punktmengen summierbar und man hat 


Fe) = [Dr(P)aw, 








Fe)=, / Dr(P)d w. 


Ferner folgt aus 
| ee e’ + e”, 


daß D;,(P) auch über e summierbar ist und daß die Gleichung 
Fi) = [Dr(P)äw, 


wegen der Additivität von F(e), bestehen muß. 


Satz 4. Ist F(e) eine addıtive und totalstetige Mengenfunktion und 
e eine meßbare Punktmenge von endlichem Inhalte, so ist jede meßbare 
mittlere Derivierte Dr(P) von F‘(e), also insbesondere die obere oder die 
untere mittlere Derivierte dieser Funktion über e summierbar und F‘(e) ist 
das unbestimmte Integral einer solchen mittleren Derivierten. 


Der Vergleich dieses letzten Satzes mit den Sätzen 2 und 5 der 
88 424 und 429 zeigt, daß die unbestimmten Integrale einer Funk- 
tion f(P) und die additiven totalstetigen Mengenfunktionen äquivalente 
Begriffe sind. 


440. Nach dem vorigen Satze haben die obere und die untere 
mittlere Derivierte D»(P) und Dr(P) einer additiven, totalstetigen 
Mengenfunktion F'(e) dasselbe unbestimmte Integral, nämlich F'(e) selbst, 
und hieraus folgt, daß diese beiden Funktionen einander äquivalent sind 
($ 424, Satz 1). Ist ferner D;(P) irgend eine andere mittlere Derivierte 
von F'(e), so folgt aus der Relation (5) des $ 435, d.h. aus 


D+(P) < Dx(P) < Dr(P), 


daß in allen Punkten des Raumes, in denen DrP)=D Dr(P) ist, auch 
D,(P)=D;(P) sein muß, und hieraus die Äquivalenz von Dr(P) mit 
D;(P) und dann auch die Meßbarkeit von Dr(.P) (8 361, Satz 7). 

Satz 5. Alle mittleren Derivierten einer additiven totalstetigen Mengen- 
funktion sind meßbare Funktionen und einander äquivalent. 


5441. 442 Die mittleren Derivierten 491. 


- .o mein — —- m nn 


Ferner liefert der Satz 4 des $ 428 ; in Verbindung mit den letzten 
Sätzen das Resultat: 


Satz 6. Jede additive totalstetige und beschränkte Mengenfunktion ist 
das wunbestimmie Integral einer über den gansen Raum summierbaren 
Funktion. 


441. Wir bezeichnen wieder mit D,(P) irgend eine mittlere Deri- 
vierte von F'(e) und setzen 


= M(D,>V,, E’= M(D;<d). 
Ferner definieren wir zwei neue Funktionen p(P) und y(P) durch die 
Gleichungen 
y(P)=D-P), afE, g(P)=0aufE”, 


v(P)=0aufE, v(P) = — Dr(P) auf E”. 
In jedem Punkte des Raumes ist dann 
(1) D«(P) = g9(P) — HP); 


die Funktionen p(P) und Yy(P) sind übrigens nicht negativ und über 
jede meßbare Punktmenge e von endlichem Inhalte summierbar. Die 
additiven totalstetigen Mengenfunktionen 


(2) sa-/plP)aw, Wie) - (v(P)dw 
sind dann ebenfalls nicht negativ und man hat nach (1) und (2) 
Fe) = [Dr(P)dw = Die) — We). 


Satz 7. Jede additwe totalstelige Mengenfunktion ist die Differens 
von zwei ebensolchen nicht negativen Funktionen. 


442. Wir nehmen an, daß die additive totalstetige Mengenfunk- 
tion F'(e) für alle meßbaren Teilmengen endlichen Inhalts einer meßbaren 
Punktmenge & (deren Inhalt aber nicht endlich zu sein braucht) den 
Wert Null annimmt. Dieses ist gleichbedeutend mit der Aussage, daß die 
Mengenfunktion F,(e) = Fee) für alle Punktmengen e endlichen In- 
halts identisch verschwinden muß. Nun ist, wenn man mit D,(P) irgend 
eine mittlere Derivierte von F'(e) bezeichnet und mit p(.P) eine Funktion 
bezeichnet, die in jedem Punkte von € gleich D,(P) ist und in den 
übrigen Punkten des Raumes verschwindet, 


F,(e) = F(ee) — [Dr(P)dw - [p(P)aw; 
das unbestimmte Integral von g(P) muß also, nach unseren Annahmen, 


A92 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. $ 443 


identisch Null sein, und nach den: Satze 1 des $ 424 ist dies dann und 
nur dann der Fall, wenn die Funktion „(P) der Null äquivalent ist. 
Dann muß aber auch D;(P) auf der Punktmenge 2 der Null äquivalent, 
sein, d. h. es muß einen maßgleichen Kern e, von & geben, in welchem 
die gegebene mittlere Derivierte D;(P) = O ist. 

Anderseits gibt es ($ 440, Satz 5) einen Heben Kern &, 
von 2, in dem sämtliche mittlere Derivierten stets denselben Wert. 
haben. Berücksichtigt man, daß dann 


| no 
ebenfalls ein maßgleicher Kern von € ist, so hat man den 


Satz 8. Ist für jede meßbare Teilmenge e' endlichen Inhaltes einer 
gegebenen meßbaren Punktmenge € der Wert F(e’) einer additiven total- 
stetigen Mengenfunktion stets gleich Null, so gibt es einen maßgleichen 
Kern e, von E, in dem sämtliche mittlere Derivierten von F'(e) verschwinden. 


Die verallgemeinerten Derivierten. 


443. Man kann den Begriff der mittleren Derivierten durch einen 
sehr viel allgemeineren ersetzen, auf den sich die soeben bewiesenen 
Sätze übertragen lassen. 

Wir betrachten wieder in jedem Punkte des Raumes die Würfel 
q(P; a), die den Punkt P als Mittelpunkt und die Kantenlänge a haben. 
Jedem dieser Würfel sei eine meßbare Punktmenge o(P; a) zugeordnet, 
die im Innern des Würfels liegt und sonst ganz beliebig ist, aber der 
Bedingung genügen soll, daB der Quotient 

mo(P; «u 
(1) 2 HP)>0 
ist, wo (P) eine von a unabhängige positive Funktion ist, die mit 
P irgendwie variiert und nicht einmal meßbar zu sein braucht. Nun 
bestimme man für jeden Punkt P eine gegen Null konvergierende Folge 
von positiven Zahlen 


(2) Gy, Ag, Ay, , 
für welche der Grenzwert 

| _ 1 FiotP;a,)) 
(3) A(P) = lim z mo(P; eo) 


existiert. Dann nennt man die Funktion A(P), die in jedem Punkte des 
Raumes entweder endlich oder gleich + oo ist, eine Derivierte der 
additiven totalstetigen Mengenfunktion Fe) im Punkte P. 


8441 Die verallgemeinerten Derivierten 493 


Diese Definition der Derivierten einer Mengenfunktion enthält natür- 
lich die frühere Definition der mittleren Derivierten als Spezialfall; man 
braucht nur 

s(P;a) = u(P; a) 
zu setzen, wobei dann $(P)=1 ist. 

Wir werden nun zeigen, daß trotz der großen Willkür in der Wahl 
der Punktmengen o(P; a) und der Folgen (2) nicht nur jede Derivierte 
für sich als Funktion von P betrachtet den mittleren Derivierten äqui- 
valent ist, sondern sogar, daß, höchstens abgesehen von einer festen 
Nullmenge, in jedem der übrigen Punkte des Raumes alle Derivierten 
stets denselben Wert besitzen. 


444. Wir bezeichnen mit E die Gesamtheit der Punkte des Raumes, 
in welchen die mittleren Derivierten einer additiven und totalstetigen 
Funktion F(e) nicht alle einander gleich oder nicht alle endlich sind, 
und mit E’ die Komplementärmenge von E. Die Punktmenge E ist 
dann notwendig eine Nullmenge ($$ 439, 440) und E’ ein maßgleicher 
Kern des Gesamtraumes ($ 271). Ist dann « eine gegebene reelle Zahl 
und Dr(P) irgend eine mittlere Derivierte von Fe), so führe man die 
Bezeichnungen ein 
(1) H,= EM(Dı<e) 


und bemerke, daß, weil D;(P) eine meBbare Funktion ist, H, eine meB- 
bare Punktmenge sein muß. 

Ferner sei p(P) eine Funktion, die in HZ, gleich Eins und sonst 
gleich Null ist, und 
(2) uP)=-1- pP). 


Die Funktionen g(P) und y(P) sind dann ebenfalls meßbar und die 
Mengenfunktionen 


(3) D(0) = [p(P)(DrP) + 1 —a))dw, 


(4) ae) — [u(P)(Dr(P) + 1 a))dw 
ck’ 


existieren und sind additiv und totalstetig; ferner ist aber wegen (2) 
5) Dle)+WPle)= FieE)+(1—a)meE’—= Fe) +(1—e«)me. 


Anderseits ist die Funktion unter dem Integral (3) in jedem Punkte 
von H, wegen (1) kleiner als Eins und sonst gleich Null. Nach dem 
Mittelwertsatze ist also 
(6) De) <me, 


494 : Kap. IX. Das  unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. 8 44 
und der Vergleich von (5) und (6) liefert 





(N - F(e)<a:-me+ Pe). 
Nun betrachten wir die Funktion 
(8) X(e) = Si Y(P)| Dr(P) + (1- a) | dw, 


die ebenfalls additiv und otalstetig ist, und bemerken, daß stets ($ 395, 
Satz 8) 

| vo)! < X(e) 

ist. Es ist also nach (7) 

(9) F(e) < ame + X(e). 

Ferner ist die Funktion unter dem Integral (8) für alle Punkte von 77, 
gleich Null, weil »(.P) dort verschwindet und der zweite Faktor in E’ 
endlich ist. Ist also e’ irgend eine meßbare Teilmenge von H,, deren 


Inhalt endlich ist, so ist 
X(e) = 0 


und nach dem Satze 8 des $ 442 gibt es einen maßgleichen Kern X, 
von H,, so daß alle mittleren Derivierten von X(e) in jedem Punkte 
von K_ verschwinden. 

Nun sei P irgendein Punkt von X, und A;-(P) irgendeine Derivierte 
von Fe) im Punkte P; man hat nach Voraussetzung 


(10) Ar(P) = lim Fan 


o Mo; ’ 


wo 6, eine Abkürzung für die IHR o(P;a,) des vorigen Para- 
graphen bedeuten soll. Da die Ungleichheit (9) für jede meßbare Punkt- 
menge gilt, kann man schreiben: 

(11) F(6,) < «mo, + X(6,). 

Es sei nun q, der Würfel, dem o, zugeordnet ist; nach Voraussetzung ist 


65,< 4, 
und folglich, weil die Funktion unter dem Integral (8) nicht negativ ist, 
(12) | X(6,) S X(q,)- 
Mit Berücksichtigung von (11) und (12) können wir also schreiben: 
F(o;) < &- X (4;) x mM 9; 


mo, > "ma mo, 
oder, wegen der Bedingung (1) des $ 443, 


: F'(6,) 1 X(q) 
(18) <a Er $(P) mg; 





$ 445 Die verallgemeinerten Derivierten 495 


Nun sind aber nach Voraussetzung & alle mittleren Derivierten von X(e) 
im Punkte P gleich Null, und dies hat zur Folge, daß man schreiben 
kann: 


(14) lim w _. 0. 


kue u 
Vergleichen wir (10), 13), (14), so kommt schließlich 
(15) A,(P)<u 


eine Beziehung, die also für alle Derivierten von F’\(e) in der Punkt- 

menge X, erfüllt ist. Oder mit anderen Worten: Die einzigen Punkte 

des Raumes, in denen zugleich 

(16) D«P)<« und AıP)>« 

stattfinden kann, liegen entweder in der Nullmenge (H, — K,) oder in 

der Nullmenge E, d.h. diese Punkte liegen sicher in der Vereinigungs- 

menge | 
A,=E+(H.-K.) 

dieser beiden Nullmengen. 

Bemerken wir, daß wenn Dr(P) und A;,( P) eine mittlere bzw. eine 
verallgemeinerte Derivierte von F'(e) bedeuten, die Funktionen — D,(P) 
und —Ar(P) eine mittlere bzw. verallgemeinerte Derivierte von — F'(e) 
darstellen, so können wir nach dem Früheren (indem wir « durch — « er- 
setzen) eine Nullmenge B, bestimmen, die sämtliche Punkte ButhANN, für 
welche zugleich 


— DP)<—e und — A, (Pi>—u 
ist; sie enthält daher die Punkte, in denen zugleich 
D«(P)>« und A,(P)<a 
stattfinden. 


445. Es seien jetzt «,, «,,... abzählbar unendlich viele Zahlen, die 
auf der ganzen Zahlenachse überall dicht liegen. Mit A, bezeichnen 
wir eine Nullmenge, die sämtliche Punkte enthält, für welche zugleich 


(1) D-(P)<a«, und A«(P)>«,, 

mit B, eine Nullmenge, welche die Punkte enthält, in denen zugleich 
(2) D-(P)>«, und Ar(P)<a, 

stattfinden kann. 


Ist jetzt P ein Punkt des Raumes, in dem D,(P) + A,(P) ist, so 
gibt es mindestens eine Zahl «,, die zwischen D,(P) und Ar(P) liegt. 


496 Kap. IX. Das unbest. ‚Integr. u.d. additiven totalstetigen Mengenfunkt, 3 4146 


Und es sind dann entweder die Ungleichheiten (1) oder die Ungleich- 
heiten (2) zugleich erfüllt. Der Punkt P liegt daher stets in der Null- 


menge ; ' 
In allen übrigen Punkten des Raumes sind alle Derivierten der Mengen- 
funktion gleich Dr(P) und also auch einander gleich. 

Wir können jetzt folgenden Begriff aufstellen: | 

Definition: Eine additive totalstetige Mengenfunktion heißt 
in einem Punkte P des Raumes differentiierbar, wenn ihre 
sämtlichen Derivierten in diesem Punkte den gleichen Wert 
haben. 

Das soeben abgeleitete Resultat lautet dann, wenn man noch be- 
rücksichtigt, daß D;(P) über jede Punktmenge endlichen Inhalts sum- 
mierbar ist ($ 439) und daher einer endlichen Funktion äquivalent ist: 


"Satz 1. Jede additive und totalstetige Fumktion ist in einem maß- 


gleichen Kern des Raumes, d.h. überall außer höchstens in einer Nullmenge 
differentiierbar und besitzt dort eine endliche Derivierte. 


Nach dem letzten Satz sind alle Derivierten einer totalstetigen addi- 
tiven Mengenfunktion einander äquivalente Funktionen; im Satze 5 des 
$ 440 hatten wir aber gesehen, daß die mittleren Derivierten einer der- 
artigen Funktion meßbar sind, und im $ 439, daß für jede meßbare 
mittlere Derivierte die Gleichung gilt: | 
F(e) = [ Dx(P) dw. 


v 
Hieraus folgt nun aber ohne weiteres der 


Satz 2. Jede Derivierte Ar(P) einer additiven totalstetigen Mengen- 
funktion F(e) ist eine meßbare Funktion, die über jede meßbare Punkt- 
menge e von endlichem Inhalte summierbar ist und deren unbestimmtes 
Integral die Mengenfunlktion Fe) ist. 


446. Ist F(e) das unbestimmte Integral einer über jede Punkt- 
menge endlichen Inhalts summierbaren Funktion f(P) und Ar(P) 
irgendeine Derivierte von F'(e), so folgt aus der Gleichung 


F(eo) = [fiP)dw = [Ar(P)dw, 


daß f(P) und A,(P) äquivalent sind ($ 424, Satz 1). 
Es gibt mit anderen Worten einen maßgleichen Kern /;’ des ganzen 


Raumes, in dem f(P) = Ar(P) 


8 447 Die verallgemeinerten Derivierten 497 





ist. Nennt man ferner E” den maßgleichen Rern des Raumes, in dem 
nach dem Satze 1 des vorigen Paragraphen F'(e) differentiierbar ist, 


so Ist 


E=E'E”" 
2 4 pi 


ein maßgleicher Kern des Gesamtraumes und die gegebene Funk- 
tion f(P) ist in jedem Punkte von FE gleich sämtlichen Derivierten 
von F(e). 


Satz 3. Eine über jede meßbare Punktmenge endlichen Inhalts sum- 
mierbare Funktion f(P) ist überall außer höchstens in einer Nullmenge 
gleich sämtlichen Derivierten ihres unbestimmten Integrals. 


444. Es ist sehr leicht einzusehen, daß alle diese Sätze nicht gelten, 
wenn wir die Punktmengen o(P; a), die wir im $ 443 einführten, nicht 
der Beschränkung 

mo(P;.a) 
(1) nah > 0 
unterwerfen. Es sei z. B. A eine beschränkte, nirgends dichte Punkt- 
menge, die keine Nullmenge ist; wir haben wiederholt derartige Punkt- 
mengen betrachtet ($ 280). Ferner sei f(P) eine Funktion, die auf A 
gleich Eins und sonst gleich Null ist; das unbestimmte Integral 7'(e) 
verschwindet nicht identisch, da hier stets 


F(e) = meA 


ist. In jedem Würfel g(P;a) des Raumes gibt es aber nach Voraus- 
setzung einen zweiten Würfel o(P; a), der keinen einzigen Punkt von 
A enthält, so daß hier 

F(s(P; a)) = 0 


ist. Würden wir so gewählte o(P; a) für die Berechnung einer Deri- 
vierten benutzen, so würde diese Derivierte identisch Null sein und da- 
her der Funktion f(P) nicht äquivalent sein. Wir folgern hieraus, daB 
bei unserer Wahl der o(P; a) die Bedingung (1) nicht stets erfüllt sein 
kann, oder daß es Punkte P gibt, für welche 


. mo(P;a) es 
lim mqa(P;a; 2 
ist. | 
Eine der Bedingung (1) genügende Folge von Punktmengen 
o(P)=o(P;a) (=1,2,...) 


nennt man nach Lebesgue eine gegen P konvergierende reguläre Folge 
von Punktmengen. 


Carasth&odory, Beelle Funktionen j 32 


498 ° Kap. IX. Das unbest, ‚Integr. u 1.d. adaditiv. totalstet, Mengenfunkt. 8 448. 449 


448. Es sei 6, (P), 6: (P), ‚... eine beliebige reguläre Folge von 
_ Punktmengen, die gegen einen Punkt P konvergiert; wir betrachten 
die Zahlenfolge 
F (6) 


(1) —_ & 1,2,3,...) 


und bemerken, daß die konvergenten Teilfolgen der Folge (1) dann und 
nur dann alle denselben Grenzwert besitzen, wenn (1) selbst konvergent 
ist (898). Hieraus folgt, daß, wenn die Mengenfunktion F'(e)im Punkte P 
differentiierbar ist, die Folge (1) notwendig gegen die Derivierte D.(/) 
konvergieren muß. 

Ist umgekehrt P ein Punkt, in dem F‘(e) nicht differentiierbar ist, 
so gibt es zwei gegen P konvergierende reguläre Mengenfolgen 6, ',6,,... 
und 6,",6, ,..., so daß 








nr lim u 
un =®© u = 74 


ist. Setzt man dann 
I,-ı = 9, 9,6; (k=1,2,...) 


so ist die Mengenfolge o,, ©,, ... ebenfalls regulär, aber die für diese 
Mengenfolge gebildeten Zahlen (1) konvergieren nicht gegen eine 
(Grenze. 


Satz 4. Für die Differentiierbarkeit einer additiven totalstetigen 
Mengenfunktion F(e) in einem Punkte P des Raumes ist notwendig und 
hinreichend, daß für alle regulären Folgen von Punktmengen 6,, 6, ... 


der Grengwert 
F(o,) 
mo k 


lim 
stets existiert. Dieser Grenzwert ist dann gleich der Derivierten A,(P) 
von F'(e) im Punkte P. 


449. Es seien F\(e) und F,(e) zwei beliebige additive totalstetige 
Mengenfunktionen und 


Dle)=«F,(e) + %Fy(e) 


eine lineare Schar von Mengenfunktionen, die von zwei willkürlichen 
Parametern c, und c, abhängt. In jedem Punkte P, in dem F,(e) und 
F,(e) beide differentiierbar sind und eine endliche Derivierte besitzen, 
ist jede Funktion der Schar differentiierbar. Es sei nämlich 6,, 6,,... 
eine gegen P konvergierende reguläre Folge von Punktmengen, dann 
folgt aus 

Dio,)= «,F(o,) + aF%i6,) 


& 450 Die Limesfunktionen der Derivierten 499 


und aus 
._ F,(6 . F,(6) 
lim = DriP), Im u Du(P), 
daß 
lim Te _ A.(P) 
k=u MOL 


existiert und daß | | | 
da(P)= aDr(P)+aDr(P) 
ist. Ferner folgt aus der Tatsache, daß die rechte Seite der letzten 


Gleichung ganz unabhängig von der Wahl der regulären Folge o,, 6,, .... 
ist, die Differentiierbarkeit von ®(e) im Punkte P, so daß man schreiben 


kann 


Au(P) = Do(P). 


Die Punkte, in denen F,(e) und F,(e) differentiierbar sind und endliche 
Derivierte besitzen, bilden zwei maßgleiche Kerne E, und FE, des 
Raumes. Da die Punktmenge 


E=E#, 
ebenfalls einen maßgleichen Kern des Raumes bildet, so haben wir den 


Satz 5. Sind F\(e) und F,(e) additive totalstelige Mengenfunktionen, 
so gibt es einen maßgleichen Kern E des Raumes, in welchem alle Mengen- 
funktionen D(e) der linearen Schar 


(1) Die) = File) + Fy(e) 

zugleich differentiierbar sind; ın jedem Punkte von E ist die Derivierte 
Da(P) von ®(e) endlich und hat den Wert 

(2) Da(P)=aDr(P)+gDr(P). 

Sind F\(e) und F,(e) die unbestimmten Integrale von f,(P) und 
fs,(P), so hätte man nach dem Satze 3 des $ 446 die Punktmengen E, 
und E, so wählen können, daß in jedem ihrer Punkte die Gleichungen 

D,(P=fi(P) wd Dr(P)=h(P) 
gelten. Dann wäre in jedem Punkte von E nach (2) 
(3) Ds(P)= af(P)+af(P). 


Die Limesfunktionen der Derivierten. 


450. Es sei A,(P) eine beliebige Derivierte der additiven und 
totalstetigen Mengenfunktion F'(e), und ®(P) sei die obere Limesfunk- 
tion von Ar(P) (8 123). Wir betrachten einen Punkt P des Raumes, in 

32* 


500 Kap. IX. D: Das unbest. Integr. u.d. sdditiven totalstetigen Men; Mengenfunkt. S 450 





welchem o(P) von — co verschieden ist, und zugleich mit diesem 
Punkte irgendeine endliche Zahl «, die der Bedingung 


(a) @<®(P) 
genügt. Führen wir jetzt die Bezeichnung ein 

(2) 6. = M(Ar>a), 

so ist, wie wir zeigen wollen, für jede Umgebung Ur des Punktes P 
(3) MErUÜr +0. 


Wäre nämlich e, U> eine Nullmenge, so hätte man für jede Teilmenge e 
von U P 


mee,—0, 
und es wäre daher, falls e meßbar und von endlichem Inhalte ist, 
(4) F(e) — J Ar(P)äw — [ Ar(P)dw. 


In der Punktmenge (e—ee,) ist aber nach (2) stets Ar(P)<« und 
man bekommt, wenn man den Mittelwertsatz auf (4) anwendet, 


(6) Fi) <u-m(e—ee,) 
<u-me. 
Ist nun © irgendein Punkt von U> und o,,6,,... eine reguläre 


Folge von Punktmengen, die gegen Q konvergiert und für welche 
F 
lim 7, nen Ar(Q) 
ist, so ist, weil Ur eine offene a bedeutet, für jeden hin- 
reichend großen Wert von k die Punktmenge o, eine Teilmenge von Up 
und folglich nach (5) 
Fo) <a 


mM 0; zo 


&r(Q) <a, 


und weil Q einen beliebigen Punkt von U bedeutet, ist die obere Grenze 
von Ar(P) in Ur 


Es ıst also auch 


G(Ar ; Up) < a, 
woraus aber ($ 123) im Widerspruch mit (1) 
9(P)<s« 


folgen würde. Die Bedingung (3) muß also stets bestehen. 
Nun sei f(P) irgendeine Funktion, die der Funktion Ar(P) äqui- 
valent ist, und P(P) sei die obere Limesfunktion von f(P). Da die 


8 451 Die Limesfunktionen der Derivierten 501 








Punktmenge e, Ur keine N ullmenge ist, enthält sie sicher Punkte, in 


denen 


dr(P)=f(P) 
ıst, und hieraus folgt, wegen (2), 
(6) G(f; U.) > «. 


Nun erinnere man sich daran, daß U, eine ganz beliebige Umgebung 
von P bedeuten sollte; man kann also aus (6) schließen: 


Y(P)>u 


und a weil @ nur der Bedingung (1) genügen sollte, aber sonst 
ganz beliebig war, 
(7) P)>e(P). 

Die Ungleichheit (7) ist unter der Voraussetzung bewiesen worden, daß 
®(P) von — oo verschieden ist; in den Punkten, wo D(P) = — 00 ist, 
ist aber (7) von selbst erfüllt. Sie gilt also allgemein. 

Bezeichnet man mit p(P) und Y(P) die unteren Limesfunktionen 
von Ar(P) und f(P) und berücksichtigt man, daß dann —g(P) und 
— »(P) die oberen Limesfunktionen von — Ar(P) und — f(P) sind, 
daß diese beiden -letzten Funktionen einander äquivalent sind und daß 
die erste unter ihnen eine Derivierte von — F'(e) ist, so folgt aus dem 


obigen Resultate 
‚v(P)2-gY(P) 


v(P)SYp(P). 


Satz 1. Zwischen den oberen und unteren Limesfunktionen ®(P\ 
und p(P) einer beliebigen Derivierten Ar(P) der addıtiven totalsteligen 
Mengenfunktion Fe) und den Limesfunktimen P(P) und y(P) einer 
beliebigen zu Ar(P) äquivalenten Funktion f(P) bestehen stets die Rela- 


tionen 
v(P)<p(P)s HP)<s PP). 


451. Zwei beliebige Derivierte A,(P) und A,(P) derselben addı- 
tiven und totalstetigen Mengenfunktion F'(e) sind äquivalente Funk- 
tionen. Nach dem letzten Satz muß also, wenn man mit ®,(P) und 
d,(P) ihre oberen Limesfunktionen bezeichnet, sowohl 


2,(P)= PP) 
o,(P) 2 d,(P) 


sein. Die beiden oberen Limesfunktionen sind also einander gleich, 


oder 


als auch 


502 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiv. totalstet. Mengenfunkt. 8452. 453 


und dasselbe gilt auch, nach einer analogen Schlußweise, für die unteren 
Limesfunktionen der beiden Derivierten. 


Satz 2. Alle Derivierten einer additiven totalstetigen Mengenfunktion 
haben dieselbe obere und dieselbe untere Limesfunktion. 


452. Wir nehmen nun an, F‘(e) sei das unbestimmte Integral der 
Funktion f(P). Ist diese Funktion stetig in einem Punkte P des 
Raumes, so ist, mit den obigen Bezeichnungen, in diesem Punkte 


(P)=v(P)=f(P), 
und nach dem Satze 1 des $ 450 ist dann auch 


%P)=g(P)=Ff(P), 


woraus folgt, daB jede Derivierte von Fe) im Punkte P stetig ist und 
den Wert f(P) besitzt. 


Satz 3. Das unbestimmie Integral F(e) einer Funktion f(P) sst in 
jedem Steligkeitspunkte von f(P) differentiierbar und seine Derivierten 
sind gleich f(P) in diesem Punkte. 


Ist ferner die Funktion f(P) über jede nach außen quadrierbare 
Punktmenge e nach Riemann integrierbar, so müssen ($ 415, Satz 1) 
die Unstetigkeitspunkte von f(P) eine Nullmenge des Raumes bilden 
und dasselbe gilt dann auch von den Unstetigkeitspunkten einer be- 
liebigen unter den Derivierten Ar(P). Diese sind -also auch nach Rie- 
mann integrierbar über e. 


Satz 4. Ist die additive totalstetige Mengenfunktion F(e) das unbe- 
stimmte Integral einer über jede nach außen quadrierbare Punktmenge e 
nach Riemann integrierbaren Funktion, so gilt dasselbe von jeder Deriwvierten 
von F(e). Hierzu genügt aber, daß eine dieser Derwierten nach Riemann 
integrierbar sei; dann sind es demnach auch alle rg 


x 


Die additiven totalstetigen Intervallfunktionen. 
453. Wir bezeichnen mit { die Gesamtheit der Punktmengen 
(1) o-htrhr Hl 


die’ aus der Summe von endlich vielen Intervallen ohne gemeinsame 
Punkte d,,ö,,...,d, bestehen. Eine Mengenfunktion ®(o), deren De- 
finitionsbereich gleich % ist, soll eine Intervallfunktion genannt 
werden. Jeder Mengenfunktion F‘(e), deren Definitionsbereich alle Punkt- 
mengen 6 von S enthält, kann man eindeutig eine Intervallfunktion P(e) 


8 453 Die »dditiven totalstetigen Intervallfunktionen 503 


zuordnen, die dadurch definiert wird, daß die Gleichung 
(2) ®(e) = Fio\ 
für alle Punktmengen (1) gelten soll. 

Gibt es eine (für alle meßbaren Punktmengen e von endlichem In- 
halt definierte) additive und totalstetige Mengenfunktion F‘(e), die für 
alle Punktmengen (1) einer gegebenen Intervallfunktion ®(c) gleich ist, 
so wollen wir die Intervallfunktion ®(e) selbst additiv und total- 
stetig nennen. Es ist sehr leicht, notwendige und hinreichende Be- 
dingungen dafür anzugeben, daß (co) additiv und totalstetig sei. Da 
nämlich ®(o) für alle Würfel des n-dimensionalen Raumes definiert ist, 
kann man nach dem $ 435 mittlere Derivierte von ®(6) definieren. Aus 
(2) folgt dann, daß z. B. die oberen mittleren Derivierten von ®(o) und 
von F(e) in jedem Punkte P des Raumes einander gleich sein müssen: 


(3) D»(P) = D,(P). 

Für die Addivität und Totalstetigkeit der Funktion Fe) ist nun nach 
dem. vorigen Abschnitt notwendig, daB die Funktion D,(P) über jede 
meßbare Punktmenge e von endlichem Inhalte summierbar sei und daß 
die Gleichung 
F(e) = [ Di(P)dw 


für alle diese Punktmengen erfüllt se. Aus alledem folgt, daß die 
Intervallfunktion D(6) nur dann additiv and totalstetig sein kann, wenn 
eine Funktion /(P) existiert, die über jede meßbare Punktmenge e von 


endlichem Inhalte summierbar ist, so daß für alle Punktmengen (1) die 
Gleichung 


(4) (6) - /f(P)dw 


stattfindet. Diese Bedingung ist aber auch hinreichend, weil dann die 
additive und totalstetige Mengenfunktion 


(5) Fie) = [f(P)dw, 


die für alle meßbaren Punktmengen e endlichen Inhalts definiert ist, der 
Gleichung (2) genügt. Wir haben also den 


Satz 1. Für die Additivsiät und Totalstetigkeit einer Intervallfunk- 
tion D(o) ist notwendig und himreichend, daß eime über jede meßbare 
Punktmenge e endlichen Inhalts summierbare Funktion f(P) existiere, die 
für alle Punktmengen o des Definitionsbereichs 3 von D(e) der Glei- 
chung (4) genügt. 


504 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. $ 454 


454. Die im vorigen Satze vorkommende Bedingung wollen wir 
jetzt durch andere ersetzen, die bequemer anzuwenden sind. Zu diesem 
Zweck bemerken wir, daß die Gleichung (4) des vorigen Paragraphen 
folgende Eigenschaften von ®(6) nach sich zieht: 


a) Besteht die Intervallmenge 6 aus der Summe der Inter- 


valle d,,ö,,...,0,, so ist auch stets 
(1) Do) = 58) + Bd) + + P(d,). 


b) Zerlegt man ein beliebiges Intervall ö des Raumes 
durch Parallele zu den Koordinatenebenen in endlich viele 


Teilintervalle ö,, d,,...,d,, so ist 
(2) 2()- D(+ +: +8). 


In der Tat ist das ursprüngliche Intervall ö gleich der Summe einer 
Nullmenge v und der Teilintervalle d,, d,,...., d,, und die Gleichung (2) 
ist eine Folge der beiden Gleichungen 


Sroau- rau + > frau, 
[rd ao 0. 


c) Bezeichnet man mit n (A) die obere Grenze von |®(o)| 
für alle Intervallmengen o, für welche mo <A ist, so genügt 
die Funktion n(A) der a 


(3) lim 7a) = 


Die Funktion (A) ist N nicht größer als die obere Grenze 
des absoluten Betrages der durch die Gleichung (5) des vorigen Para- 
graphen definierten Funktion Fe) für alle meßbaren Punktmengen e, 
deren Inhalt me <A ist, und diese letzte Funktion konvergiert stets 
mit A gegen Null ($ 431). 

Wir wollen nun zeigen, daß die drei Bedingungen a), b) und c) 
für die Additivität und Totalstetigkeit einer Intervallfunktion ®(e) 
nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend sind. 

Ehe wir diesen Beweis bringen, machen wir noch die Bemerkung: 

wenn A und h zwei positive Zahlen bedeuten und 6 eine Intervall- 
menge des Definitionsbereiches 3 von ®(6) ist, die der Bedingung 


(4) mo<iA-+h 


genügt, so kann man die Punktmenge @ durch eine Parallele zu einer 


P2 


& 455 Die additiven totalstetigen Intervallfunktionen 505 


beliebigen unter den Koordinatenebenen in zwei Teilmengen 6 und oe” 
so zerlegen, daß die Gleichungen 
(6) | m(e— (e+o))=0, 

mo <A, meo"<h 


zugleich erfüllt sind. Die beiden Punktmengen 0’ und 6” sind dann im 
Definitionsbereich $ von ®(e) enthalten und man hat wegen der Be- 


dingungen a) und b) 

(6) D(o) = Bl) + De”). 

Aus (4), (5) und (6) folgt aber, daß man die Überlegungen der 88 430, 
431 wörtlich auf unsere jetzige Funktion (2) übertragen kann, und 
man kann daher die Gleichung (3) benutzen, um genau wie dort zu be- 
weisen, daß die Funktion n(2) für alle positiven Werte von A endlich, 
stetig und monoton wachsend ist. 


455. Wir nehmen nun an, ®©(6) sei eine Intervallfunktion, die den 
Bedingungen a), b) und c) des vorigen Paragraphen genügt, und be- 
trachten zwei Punktmengen 


o=6,+%4+:..+6, 

‘= 6, + 6, + ee + Ö, 
ihres Definitionsbereiches. Legt man durch alle Ecken der Intervalle Ö, 
und d, Parallelen zu sämtlichen Koordinatenebenen, so wird jedes dieser 


Intervalle in höchstens endlich viele Teilintervalle zerlegt und jedes 
dieser Teilintervalle liegt in einer und nur einer der drei Punktmengen 


00, 0 —00, W— 00; 
wir bezeichnen mit r, g, o’ die Vereinigungsmengen der Teilintervalle, 


die in je einer dieser drei Mengen liegen. Dann ist, wegen der. Eigen- 
schaften a) und b) von ®(e) 
(1) de) = Pr) + DR), 
(2) lo) Br) + De). 
Anderseits ist nach der Konstruktion 
n(o0—T)=0, ml -Gc+O)=-0, ml" — (T+o))= 0 
und daher, weil alle betrachteten Punktmengen meßbar und von end- 
lichem Inhalte sind, 
(3) me=m(6—od)=-41, mo =m(d— ec) = 4. 
Die Gleichungen (1), (2) und (3) liefern uns also, wenn man die Eigen- 
schaft c) unserer Funktion ®(6) berücksichtigt, 
(4) ‚Ble) - Bl) SIDE) +PlE). End) + na). 


506 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiven totalstetigen Mengenfunkt. $ 455 _ 





Wir betrachten eine meßbare Punktmenge e des Raumes, deren 
Inhalt endlich ist, und bezeichnen mit & eine beliebige positive Zahl. 
Nach dem Vitalischen Satze ($ 291) können wir endlich viele Inter- 
valle ö,, d,, .. ., d, ohne gemeinsame Punkte finden, deren Summe 


o=6,+d+-.-.. +0, 
den beiden Relationen 
(5) | mr<e, mise 
zugleich genügt, wenn wir zur Abkürzung die Bezeichnungen 
(6) r=e-—eo, i=6-—e6 
einführen. Es sei 0’ eine zweite Punktmenge derselben Art, d.h. wieder 


eine Summe von endlich vielen Intervallen ohne gemeinsame Punkte, für 
welche, wenn man 


(7) =er-ed, t=0-eo 
setzt, die Relationen 
(8) | mr <e, mÜ<e 


zugleich gelten. 
Nach (6) und (7) ist dann 
o6=e—r+Ht, 
e=6‘—t+r, 
und daher 
6-6 —t!+r— 77 
oder wenn man rechts und links gliedweise mit o multipliziert, 
o=-60—-ot +or—or+ot. 


Hieraus’ folgt aber, weil wir es mit lauter meßbaren Punktmengen zu 
tun haben, 


mo = moo’ — mot’ + mor' — mor + mot; 


die vier letzten Glieder der rechten Seite sind abwechselnd positiv und 
negativ, und wegen (5) und (8) ist jedes von ihnen absolut genommen 
nicht größer als e, und hieraus folgt 


‚ms—moo|<s2e. 
Ebenso findet man durch Vertauschung von o mit 
mo—moo <2s 
und nach (3) und (4) folgt hieraus 
(9) 2) - Do) <2u(2e). 


$ 455 Die additiven totalstetigen Intervallfunktioneu 507 





Wir betrachten jetzt eine Folge von Punktmengen 
(10) 01, 02, Or. . >; 


von denen jede im Definitionsbereich % von ®(e) liegt und für welch», 
nach Einführung der Bezeichnung 


„.=e—e6,. n=0,— e6,, 
die Relationen 


mr, Ss r ‚, mus + 
gelten. Ist dann p eine beliebige natürliche Zahl, so ist nach (9) für 
jede natürliche Zahl k 
Ä 2 
%s,)-Pa)i<®n(,); 
da nun nach Voraussetzung 
| 2 
(11) lim 27 (7)-0 


ist, folgt aus dem Gauchyschen Konvergenzkriterium ($ 97, Satz 3) die 
Existenz des Grenzwertes 
(12) lim ®i6,). 
k\=» 
Ist ferner 
6, .:0.,.,,.0, 544% 
irgendeine zweite Folge von Punktmengen, die denselben Bedingungen 
wie (10) genügen, so liefert uns die Relation (9) für jeden Wert von k 
‚ s 3 
|) - a) <2n(z) 

und daher, wenn man noch (12) berücksichtigt, 

lim ®(o6,) = lim D(9,). 

ku k=o 
Der Grenzwert (12) ist also von der speziellen Wahl unserer Folge 


6,,6,,... unabhängig und wir können daher eine Mengenfunktion F(e) 
durch die Gleichung 


(13) F(e) = lim »(o,) 
definieren. Für Punktmengen os, welche im Definitionsbereich ‘5 von 
®(6) enthalten sind, kann man hierin für jedes k 
0,=6 
setzen, woraus folgt, daß dann auch stets 
F(6) = ©(6o) 
ist. Um die Additivität und Totalstetigkeit von ®(6) nachzuweisen, ge- 


508 Kap.IX. Das unbest. Integr. u. d. additiv. totalstet. Mengenfunkt. $ 456. 457 





nügt es mithin zu zeigen, daß die Mengenfunktion F'(e), die wir durch 
einen wohlbestimmten Grenzprozeß für alle meßbaren Punktmengen e 
endlichen Inhalts eindeutig definiert haben, additiv und totalstetig ist. 


456. Es sei e eine meßbare Punktmenge endlichen Inhalts und 
me=4; 


dann ist, nach den Voraussetzungen des vorigen Paragraphen, für jede 
Folge o,, o,,... von Punktmengen, die wir dort betrachtet haben, 


mo,— me— mr, + ml, <A+Z 
und daher | 
. 1 
‚se)|<n(A +): 


Nach der Gleichung (13) des vorigen Paragraphen ist aber dann, wenn 
man die Stetigkeit von n7(A) berücksichtigt ($ 454), 


Fo|<imn(a +7). 


Ferner ist nach Voraussetzung ar n(A)=0 und daher die Funktion = 
totalstetig. 


457. Wir betrachten ferner zwei meßbare Punktmengen e und e’ 
endlichen Inhalts mit leerem Durchschnitt und approximieren wie oben 
diese Punktmengen durch zwei Folgen 


D I a no 
6,505, 04a 

von Intervallmengen, die im Definitionsbereich $ von ®(6) liegen. Wir 

verlangen also: wenn man die Bezeichnungen 

(2) 

einführt, so sollen die Relationen 

(3) mr, < 7 —- mt,< n » mr, < + mis + 


— 


n =e—e6,, , =6, —e6,, 
' [4 4 [4 v 4 ' [4 


gleichzeitig gelten. Dann ist nach dem vorigen Paragraphen 
F(e) = lim d(o) = lim F(6,), 
k=» k=o 


(4) F(e) = lim ®(e,) — lim F(e,'). 





$ 457 Die additiven totalstetigen Interrallfunktionen 509 
Nun folgt aber aus 





,=-(e—rn) tb, 
,=-(e—r,)+ti,, 
wenn man noch berücksichtigt, daß die beiden Punktmengen (e — r,) 
und (e — r,') als Teilmengen von e und e’ keinen gemeinsamen Punkt 
besitzen, 
,%, = (er), +, = (ler) +0: 


und hieraus entnimmt man nach (3) 
= a 
(5) m6,6, S—' 
Bezeichnet man mit S, die Vereinigungsmenge von 6, und 6,' 
50, + 6,, 
| (e+e)— S,(le+e) = (e — Se) + (e — Se) 
<(e—- 0e)+(d — oe) 


so ıst 

(6) 

und anderseits 

M (9,-(e+e)S,—- (,— (e + €)o,) + (4 e +00) 
<(,-— es, +(0e, —eds,). 


Aus den Relationen (6) und (7) folgert man mit Hilfe von (2) und (3) 


>) 


m(e+e)—-S(e+eö)<z 
(8) 





m e+ÖS)<,- 


Nun lege man, wie im $ 455, durch jede Ecke der Intervalle, aus 
deren Summe 6, und 6,’ bestehen, Parallelen zu sämtlichen Koordinaten- 
ebenen, wodurch jedes der betrachteten Intervalle in höchstens endlich 
viele Teilintervalle zerlegt wird, und bezeichne mit r,, E,, e, die Ver- 
_ einigungsmengen dieser Teilintervalle, die in 0,0, , in (6,—0,6,’) und in 

(0, — 0,6, ) liegen. Die Relationen (8) bleiben bestehen, wenn man in 
ihnen die Punktmenge 5, durch (7,+_,+ e,) ersetzt, und hieraus folgt 
nach der Definition der Mengenfunktion Fe) ($ 455), 

Fle+e)- lim (ed, ++) 

I ER ’ 

” - tim (Dr) + 00) + Der). 


Anderseits ist aber auch 


510 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen | & 458 
[Fi < im Ka) — lim (9a) + 9@))), 


IR) = Im Day) = lim | Oe) + De) 
k=o k=o& 

und wegen (5) 

(11) lim (7) = Im 6(6,6,)=0. 


Der Vergleich von (9), (10) und (11) zeigt endlich, daß 
| F(e+e)= F(e) + Fe) 
ist, wie wir beweisen wollten. 
Wir haben also den 


Satz 2. Für die Additivität und Totalstetigkeit einer Intervallfunk- 
tion D®(6) ist notwendig und hinreichend, daß die Bedingungen a), D) 
und c) des 8 454 erfüllt seien. 


Nachdem wir eingesehen haben, daß diese Bedingungen für die 
Additivität und Totalstetigkeit einer Intervallfunktion charakteristisch 
sind, sind wir in der Lage, die Eigenschaft der Additivität von der Eigen- 
schaft der Totalstetigkeit auch für Intervallfunktionen zu trennen. Wir 
werden eine Intervallfunktion additiv nennen, wenn sie den Bedingungen 
a) und b) des $ 454 genügt, und totalstetig, wenn sie der Bedingung c) 
dieses Paragraphen genügt. 


Kapitel X. Funktionen einer Veränderlichen. 


Die A-Variation. 

458. Es sei A ein lineares Gebiet, das also entweder aus einem 
Intervall oder aus einer Halbgeraden, wenn nicht aus der ganzen x-Achse- 
besteht ($$ 147, 225), und f(x) sei eine auf A definierte endliche Funk- 
tion. Wir bezeichnen mit 
(1) 9: , <e<P, (k=1,2,...,) 
eine endliche Anzahl von Intervallen ohne gemeinsame Punkte, die ın A 
liegen, und mit 


(2) o=0,+%,4+:+96, 
die Summe dieser Intervalle, und betrachten die Mengenfunktion 


F(6) = (fi — (ey). 


Diese Mengenfunktion F'\6) ist eine Intervallfunktion ($ 453), welche 
wir die der Funktion f(x) zugehörige Intervallfunktion nennen wollen. 


8 458 Die 4-Variation Sl 





Die Intervallfanktion Flo) ist nstärlich additiv (8 457), denn es ist 
einerseits F(e) — F(6,) + sl + F(6,) 
und anderseits, wenn man ein Intervall ö durch einen Teilungspunkt in 
zwei Intervalle ö’, ö” zerlegt, 
F(6) = Fi) + Fi6); 

d.h. die Bedingungen a) und b) des $ 454 sind hier erfüllt. 

Definition. Unter A-Variation der Funktion f(x) auf dem 
linearen Gebiete A verstehen wir eine Funktion z(A), die mit 
der Funktion n(A), die wir im $ 454 jeder Intervallfunktion 


zugeordnet haben, eine gewisse Ähnlichkeit hat; die Funk- 
tion r(A) soll die obere Grenze der Zahlen 


= fB) — fie) 


für alle Punktmengen (2) sein, die aus endlich vielen Teil- 
intervallen von A ohne gemeinsame Punkte bestehen, für 
welche die Ungleichheit 


p 
P- (B. — «,) <4 
erfüllt ıst. 


Ist f(x) ın einem abgeschlossenen Intervall a < x < b definiert, so 
kann man ihren Definitionsbereich erweitern, indem man festsetzt, daß 
f(x) = f(a) für <a und f(x) = f(b) für 2>b sein soll. Die A-Varia- 
tion dieser letzten Funktion auf der ganzen x-Achse nennen wir dann 
die A-Variation von f(x) für das ursprüngliche abgeschlossene Intervall. 
Es ist klar, daß man hier, um z(A) zu berechnen, nur Intervalle d, zu 
berücksichtigen hat, deren Endpunkte in der Punktmenge a <r <b 
liegen, und daß z(b—a) gleich der totalen Variation von f(x) (8 177) 
im Intervalle a <z <b ist. 

Man beweist genau wie wir es im $ 430 für die Funktion 7,(1) ge- 
tan haben, daß, wenn A und k zwei positive Zahlen bedeuten, 


rti)<r(+lh<r()+r(h) 


ist; nach den Ausführungen dieses Paragraphen ist dann r(}) eine 
monoton wachsende Funktion, die entweder konstant gleich Null oder 
konstant gleich + oo ist, oder aber für alle Werte von A endlich und 
von Null verschieden ist. 

Ist f(x) eine Konstante, so ist natürlich die Funktion (A) identisch 
Null; ıst dagegen f(x) nicht konstant, so gibt es mindestens zwei Punkte 


512 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen $ 459 


x, und x, von A, für welche /(x,) + f(z,) ist, und man hat 
(a nl) fr) -Fa)|>0, 


woraus nach dem Früheren folgt, daß (A) für keinen positiven Wert 
von A verschwinden kann. 

Satz 1. Die A-Variation einer Funktion f(x), die auf einem linearen 
Gebiete A oder einem abgeschlossenen Intervall definiert ist, ist eine für 
positive Werte von A definierte monoton wachsende Funktion (A), die ent- 
weder konstant gleich + oo ist oder stets endlich ist. Im letzten Falle ıst 
z(A) steis von Null verschieden, außer wenn f(x) selbst konstant ist; dann 
verschwindet die A-Variation identisch. 

459. Wir nehmen jetzt an, das Gebiet A sei ein Intervalla<x< DB 
und die A-Variation sei eine endliche Funktion; ferner sei f(x) auch in 
den Endpunkten a und 5b des Intervalls definiert und in jedem Punkte 
des abgeschlossenen Intervalls a <x<b endlich. Sind dann x und x, 
zwei beliebige Punkte des Intervalls a < x << b, so folgt aus 


‚fta) - fa) | Se — a), 
daß f(x) in diesem Intervalle und sogar im abgeschlossenen Intervalle 
a<x<b beschränkt ist. In der letzten Punktmenge ist nämlich | f(x) | 
nie größer als die größte der drei Zahlen 
'füa)|), If), Ifa)|+ rl — a). 
Es gibt also insbesondere eine endliche Zahl M, so daß für je zwei 
Punkte & und 2” vonasz<b 


(1) fa) — fa” 
ist. Wir zerlegen das Intervall a <x<b durch m Teilungspunkte 
% <m<r<I7a 
in (m + 1) Teilintervalle und betrachten die Zahlen 
(2) Far) - Fr) (k=1,2,...,(m—1)). 


Die Summe der Zahlen (2) ist nach der Definition von z(A) nicht größer 
als (b— a). Es ist also, wenn man noch (1) berücksichtigt, 





Ma) - Fo) + Zr) Ta) + FO) TE SFO-)+2M, 


und hieraus folgt, daß die Funktion f(x) im abgeschlossenen Intervalle 
aSst<bvon beschränkter Variation ist ($ 177). 

Ist umgekehrt f(x) von beschränkter Variation im abgeschlossenen 
Intervalle a <xz<b, so sieht man unmittelbar ein, daß (1) eine end- 
liche Funktion sein muß. 


$ 460 Die 4 -Variation 5 13 


nn nn m 


Satz 2. Dafür, daß eine endliche Funktion fa) auf dem abge- 
schlossenen Intervalle a S x Sb von beschränkter Variation sei, ist not- 
wendig und hinreichend, daß die A-Variation von f(x) im (offenen) Inter- 
val a <x<b eme endliche Funktion sei. 

Hieraus folgt insbesondere, daß eine Funktion, die, wie z.B. die 
Dirichletsche Funktion (8 170), in einem Intervall totalunstetig ist, eine 
i-Variation besitzt, die stets gleich + oo ist; es gibt sogar stetige Funk- 
tionen mit dieser Eigenschaft, wie das Beispiel des $ 184 zeigt. 


460. Da (2) eine monoton wachsende Funktion ist, existiert stets 
der Grenzwert ($ 148) 
x(0) = lim «(), 
1=0 


den wir die Nullvariation der Funktion f(x) nennen wollen. Diese 
Nullvariation ist nach dem Vorhergehenden dann und nur dann end- 
lich, wenn die A-Variation eine durchweg endliche Funktion ist. 

Wir bezeichnen wieder mit 6 eine offene Punktmenge, die aus end- 
lich vielen Intervallen ohne gemeinsame Punkte, 


I,:, <re<ß,, 
besteht. Ferner sei 0 die Summe der Intervalle d,, für die f(ß,) > f(«,) 
ist, und 0" = 6 — 0’. Dann ist, wenn F'(o) die zu f(x) gehörige Inter- 
vallfunktion bedeutet, 
ir) fa) - Fe) — Fe"), 
und man hat, wenn mo < } ist, woraus me’ <A und mo” <A folgt, 
ZB) - Na) < Im; 


bierbei hat (A) dieselbe Bedeutung wie im $ 454. Nun folgt aber, 
nach der Definition der A-Variation, 


t(A)<27(2) 
und da anderseits n()< (A) ist, so folgt aus z(0) = 0 stets lim n(A)=0 
und umgekehrt. 
Die Intervallfunktion Fa) ist also dann und nur dann totalstetig 
(3 457), wenn z(0) =0 ist. Wenn dies der Fall ist, soll die Funk- 


tion f(x) selbst totalstetig genannt werden. 
Wir haben demnach folgende 


Definition. Eine Funktion f(x) einer Veränderlichen z soll 
in einem linearen Gebiet A, in dem ihre Nullvariation ver- 
schwindet, totalstetig genannt werden. u 

Carath&odory, Reelle Funktionen. 33 


514 Kap. x. x. Funktionen einer Veränderlichen | 8 460 


Die Totalstetigkeit e einer Funktion hat ihre gewöhnliche Stetigkeit 
zur Folge; sind mämlich x, und x, zwei beliebige Punkte unseres linearen 
Gebietes A, so ist, wenn man Ä 











U % 1 


fi) - fa)!<ria), 


und dies verbunden mit :(0) — 0) zeigt, daß f(x) in jedem Punkte von 
A stetig ist. 

Ist insbesondere das Gebiet A ein Intervall a<x<b und f(x) 
totalstetig auf A, so ist, wenn man der Funktion in den Endpunkten 
a und b des Intervalls irgendwelche endliche Werte zuschreibt, die so 
erweiterte Funktion, nach dem letzten Satze, von beschränkter Variation 
auf dem abgeschlossenen Intervalla<x<b. Es müssen also die beiden 
Zahlen f(a + 0) und f(b — 0) existieren und endlich sein (8 180), und 
die erweiterte Funktion f(&) ist auch in den Endpunkten a und B 
stetig, wenn 'man 


fd) -fla+0) und fl) -fB-0) 
setzt. Hieraus folgt der 


Satz 3. Jede in einem Intervall a<x<b definierte totalstetige Funk- 
tion f(x) kann erweitert werden zu einer Funktion, die auf der abgeschlossenen 
Hülle a<x<b dieses Intervalls stetig ist und die außerdem noch von 
beschränkter Variation ist. 


Eine stetige Funktion von beschränkter Variation und sogar eine 
stetige, beschränkte monotone Funktion brauchen nicht totalstetig zu 
sein (vgl. $ 509). Es ist deshalb nützlich, noch folgendes zu bemerken: 

Es sei f(x) eine Funktion, die im abgeschlossenen Intervalle 


T: a<z<b 


stetig und von beschränkter Variation ist und in jedem Intervalle 
@<x<.ß, dessen Endpunkte im Innern von I liegen, totalstetig ist. Es 
ist also « > a und 8 <b, und wenn man mit V(«) und V(ß) die totale 
Variation der Funktion in den abgeschlossenen Intervallen a <x< ae 
bzw. B<z<b und mit 1,(A).die A-Variation der Funktion im Inter- 
valle ae <a <Bß bezeichnet, so ist, für jede Menge von endlich vielen 
Teilintervallen von I ohne gemeinsame Punkte, deren Gesamtinhalt <A 


Fr die Bummme 
3 'fiß,) — fa) 


über diese Interall sicher nicht größer als Rn + vB) + nA); 


setzt, 


8 461 Die Derivierten einer Funktion 515 





hieraus folgt aber für die obere Grenze r(4) dieser Summen 
(2) < Ve) + VAN) +), 
und weil f(x) totalstetig im Intervalle « <xz<ß ist, 
:(0)S Va) + VB). 
Wegen der Stetigkeit der Funktion konvergieren aber die Zahlen V(«) 
und F(ß) gegen Null, wenn « gegen a und ß gegen b strebt (88 178 


und 181); es ist daher 
)=0, 


d.h. die Funktion ist totalstetig in I. 


Satz 4. Eine in einem abgeschlossenen Intervall I stetiye Funktion 
von beschränkter Variation, die in jedem Teilintervall von I, dessen End- 


punkte mit denen von I nicht susammenfallen, totalstetig ıst, ıst es 


auch ın I. 


Die Derivierten einer Funktion. 


461. Sind x und & zwei beliebige Punkte eines linearen Gebietes A, 
ın welchem eine endliche Funktion /(z) definiert ist, so bezeichnet man 
die Zahl 

fe) — fi) 
(1) E—ıx 
als einen Differenzenquotienten der Funktibn f(x). Der Differenzen- 
quotient (1) hat eine einfache geometrische Bedeutung: er ist nichts 
anderes als die „Steigung“ der Strecke, welche 
die Punkte mit den Koordinaten (x, f(x)) und 
(&, f(&)) verbindet. Das Problem, Tangenten an 
eine Kurve zu legen, hat von altersher dazu ge- ı*) 
führt, die Grenzwerte des Ausdruckes (1) zu stu- 
dieren, wenn man den Punkt & als veränderlich 
denkt und ihn gegen x konvergieren läßt. 

Man kann z. B. abzählbar unendlich viele s i 
Punkte Fig. 38. 

(2) 2%, 14, Is, ua 


des Intervalls betrachten, die alle größer als x sind und gegen x kon- 
vergieren, und aus dieser Folge (2) eine Teilfolge 


(8) N OR EEE 
aussondern, so daß der Grenzwert 

| . fa — fix) 
CE D,fa) = lim TU, 


33 * 


516 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen g 462 


existiert undein eine endliche oder unendliche Zahlı darstellt, DieZahl D, f(x) 
heißt eine rechte Derivierte von f(x) im Punkte x; ganz analog findet 
man linke Derivierte D_f(z), die man in allen Punkten des Gebietes A 
berechnen kann, indem man von Folgen (2) ausgeht, für die stets 
2%, <a ist. 


462. Betrachtet man die zu f(x) gehörige Intervallfunktion F’(e) 
und nennt man d, das Intervall zwischen x und z,, so nimmt stets der 
entsprechende Differenzenquotient die Gestalt an 

Fi), 

mö, ’ 
hieraus folgt, daß die rechten oder linken Derivierten unserer Funk- 
tion f(x) auch als Derivierte „der Mengenfunktion Fo) aufgefaßt 
werden können und daß sie unter den Begriff fallen, den wir ım $ 443 
erklärt haben. Man muß dazu die dort vorkommende Punktmenge 
o(P; a) durch Öd, ersetzen und g(P; a) durch ein offenes Intervall, das x 
zum Mittelpunkte hat und das z. B. dreimal so lang ist wie d,. Die 
Bedingung (1) des $ 443 ist dann stets erfüllt, weil die Zahl $(P), die 
in dieser Bedingung vorkommt, unter den jetzigen Voraussetzungen kon- 
stant und gleich 1:3 ist. 

Der Wert einer rechten (oder linken) Derivierten im Punkte x hängt 
im allgemeinen noch von der Wahl der Punktfolge (3) ab. Betrachten 
wir die Funktion 
(1) p(&; x) = a - fi) 


—Xxc 








als Funktion von & in einem NR, 
(2) x <$<e, 


in dem sie definiert ist, so ist der Punkt &= x ein Häufungspunkt des 
Definitionsbereiches der Funktion, der nicht zu diesem Definitionsbereich 
selbst gehört. Nach dem Satze 4 des $ 126 gibt es innerhalb des Inter- 
valls (2) eine gegen x konvergierende Folge von Punkten 


4; 7 Is), oo. 
für welche 
lim g(a,; &) 
k=o 


existiert und gleich der oberen Limesfunktion der Funktion (1) im 
Punkte &E=r ist. Der so bestimmte Wert ist also eine rechte Deri- 
vierte unserer Funktion f(x), die wir mit D_ f(x) bezeichnen und die 
obere rechte Derivierte von f(x) in x nennen. Nach dem Natze 3 


8 463 Die Derivierten einer Funktion 517 


des $ 126 ist für jede andere rechte Derivierte von f(x) die Beziehung 
D,f(z) < D,f(«) 
erfüllt. 
Man kann die rechte obere Derivierte folgendermaßen berechnen: 
man setze 


x(2; «) = obere Grenze von mia für O<&—r<e; 


dann ist 


D,f(«) - lim q(e: „)' 


Ebenso definiert man die untere rechte Derivierte D, f(x) und be- 
weist, daß sie die untere Grenze aller rechten Derivierten ist, und die 
obere und untere linke Derivierte 

D_fi),  D_f() 
als obere und untere Grenzen der linken Derivierten von f(x). 

Die vier oberen und unteren rechten und linken Derivierten einer 
Funktion wollen wir auch die vier Hauptderivierten der Funktion 
nennen. 

Man könnte auch ebenso wie früher ($ 435) mittlere Derivierte ein- 
führen, diese sind aber für die meisten Untersuchungen über Funktionen 
einer Veränderlichen nicht so bequem 
wie dierechten und linken Derivierten, 
die wir fortan allein benutzen werden. 


463. Man kann durch eine Zeich- 
nung die geometrische Bedeutung der 
vier oberen und unteren Derivierten 
veranschaulichen. Auf der neben- ' 
stehenden Figur ist z. B. der Fall dar- 
gestellt, daß sämtliche Derivierten end- 
lich und die vier Hauptderivierten von- 
einander verschieden sind. Von den 
Strecken PR, PR,, R,P und R,P 
haben die erste und dritte Steigungen, 
die größer sind als die oberen Deri- 
vierten rechts und links, die zweite 
und vierte Steigungen, die kleiner sind 
als die beiden unteren Derivierten im 
Punkte z. Jedem System von Geraden mit diesen Eigenschaften kann 
man ein Intervall 





Rs Fig. 34 


s—-h<i<c+th 


518 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen $ 464. 465 


zuordnen, so daß für jeden Punkt & innerhalb dieses Intervalls, der 
- Funktionswert f(&) als Ordinate aufgetragen, weder unterhalb des Linien- 
zuges R, PR, noch oberhalb des Linienzuges R,PR, zu liegen kommt. 


464. Man sagt, die Funktion f(x) ist im Punkte x nach rechts 
(oder nach links) differentiierbar, wenn für diesen Punkt alle 
ihre rechten (oder linken) Derivierten übereinstimmen. Dazu ist natür- 
lich notwendig und hinreichend, daß die obere und die untere rechte 
(oder linke) Derivierte denselben Wert besitzen. 


Definition. Ist die Funktion f(x) im Punkte x sowohl nach 
rechts wie auch nach links differentiierbar und haben die 
Derivierten rechts und links denselben Wert, so heißt die 
Funktion in & differentiierbar. 


Man bezeichnet die Derivierte einer Funktion f(x), die im Punkte z 
differentiierbar ist, durch das eine oder andere der Symbole 
d 
Ze, re 
von denen das erste von Leibniz, das zweite von Lagrange herrührt. 
Es gibt Funktionen, die in jedem Punkte differentiierbar sind, z. B. 
‚die Funktion f(x), die durch die Bedingungen 
fa)=xr—1 für 2<0, 
fa)=x+1 für >00 


definiert ist und die in jedem Punkte x +0 die Derivierte Eins, im 
Punkte x = 0 die Derivierte + oo besitzt. 

Ist f(x) totalstetig, so kann man die ihr zugeordnete Intervall- 
funktion F(c) (8 458) zu einer totalstetigen Mengenfunktion F'(e) er- 
gänzen ($$ 453 und 457). Ist diese im Punkte x differentiierbar ($ 445), 
so ist es f(x) natürlich auch, weil jede rechte oder linke Derivierte 
von f(x) als Derivierte von Fe) gedeutet werden kann. Dagegen kann 
f(z) sehr wohl in einem Punkte x differentiierbar sein, ohne daß dieses 
in diesem selbem Punkte für F‘(e) stattfinde. 





Die Regeln der Differentialrechnung. 


465. Sind mehrere Funktionen f,(&), fs(2), - - -, /„(2) in endlicher 
Anzahl gegeben und sind diese Funktionen alle endlich und im selben 
linesren Gebiete A definiert, so kann man jeder gegen Null konver- 
gierenden Folge von Zahlen 


Ad) I FR 





$ 466 Die Regeln der Diferentialrschnung. 519 
die alle dasselbe Vorzeichen haben, eine Teilfolge 





(2) Rh. 
so zuordnen, daß die Grenzwerte 
() DIE) NT plz...) 


für einen gegebenen Punkt x des Gebietes A alle gleichzeitig existieren 
(8 98). Diese Grenzwerte, die lauter rechte oder linke Derivierte unserer 
Funktionen darstellen, je nachdem die Zahlenfolge (1) aus positiven oder 
negativen Zahlen bestehen, wollen wir gleichzeitige oder zugeord- 
nete Derivierte der Funktionenfolge f, (2), (X), .. ., fm(x) im Punkte x 
nennen. 

Man kann natürlich eine dieser gleichzeitigen Derivierten Df,(z) 
unter den Derivierten von /,(x) willkürlich wählen, indem man die 
Folge (1) so vorschreibt, daß die ee; 


(4) Df (2) = me fp(&) 


stattfindet; dann wird für das ann: p der Grenzwert unverändert 
bleiben, wenn man in (4) die Größen h,' durch die A, ersetzt. 

Die Regeln der Differentialrechnung folgen sofort aus der Be- 
trachtung gleichzeitiger Derivierter einer Anzahl von Funktionen. 


466. Es sei z. B. die Funktion f(x) gleich der Summe der beiden 
endlichen Funktionen f,(z) und /,(r). Sind dann 


Df(e), Dfi@), Dre) | 
ein Tripel von zugeordneten Derivierten dieser drei Funktionen, so 
folgt aus 


fa+h)- fa) (at) + hat) Aw) 
in Verbindung mit der Gleichung (3) des vorigen Paragraphen, daß die 


Relation 

Df(z) = Dfi(z) + Dia) 
besteht, so lange sie einen Sinn hat, d. h. solange ihre rechte Seite nicht 
gleich ‘der Summe von unendlichen Zahlen entgegengesetzten Vor- 
zeichens ist. 

Satz 1. Zwischen den gleichzeitigen Derivierten von zwei endlichen 
Funktionen f, (x) und f,(z) und ihrer Summe f(x) besteht stets die Relation 
Df(z) = Dfi&) + Dfx(@), 
falls wicht die beiden Zahlen Df, (x) und D f,(x) beide unendlich und ent- 

gegengesetsten Vorseichens sind. 


f 


"520 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 467 


a 


Sind die beiden Funktionen f,(x) und f,(x) im Punkte x differen- 
tiierbar, und sind die Derivierten f, (x) und f, (x) nicht beide unendlich 
und von entgegengesetztem Vorzeichen, so folgt aus der Bemerkung am 
Ende des vorigen Paragraphen, nach der man zu jeder beliebigen Deri- 
vierten Df(x) von f(x) zwei mit dieser gleichzeitige Derivierte D Pr) 
und Df,(x) finden kann, und aus | 


Dy@)=h, Dha)=rha), 


Dfe)-fh@)+r(e) 
ist und daß folglich die Rn f(x) ebenfalls im Punkte x differen- 


tıierbar ist. 


Satz 2. Sind die beiden Funktionen f, (x) und f,(x) beide im Punkte x 
differentiierbar und ihre Derivierten f, (x) und f, (x) nicht beide unendlich 
und von entgegengesetztem Vorzeichen, so ist ihre Summe f(x) ebenfalls im 
Punkte x differentiierbar und es besteht die Relation 


fa)-h@)+Rr(e). 
Es sei ferner f, (x) im Punkte x differentiierbar und ihre Derivierte 
fh (@) = 


Von der Funktion f,(2) setzen wir voraus, daß die untere Grenze ihrer 
Derivierten im Punkte z größer als — oo ist; dann folgt aus dem ersten 
Satze, daß jede Derivierte der Summe f(x) dieser beiden Funktionen 
gleich + oo ist und daß folglich auch f(x) im Punkte x differentiier- 
bar ist. 


Satz 3. Die Summe einer Funktion f,(x), die im Punkte x diffe- 
rentiierbar ist und dort die Derivierte -+ oo besitzt, und einer Funktion fs(z), 
deren Derivierte in x nach unten beschränkt sind, ist im Punkte x diffe- 
rentiierbar und ihre Derivierte ist dort ebenfalls gleich + oo. 


467. Wir nehmen jetzt an, daß die Derivierten der Funktion /, (2) 

im Punkte z alle endlich sind. Sind dann D, f(x) und D,f,(z) zwei 

rechte Derivierte dieser Funktionen, die der oberen rechten Derivierten 

D,f (x) ihrer Summe zugeordnet sind, so ist nach dem Satze 1 des 
vorigen Paragraphen 


D,f@)=D,h(@)+D,ha), 
D,fı(&) < D,fı(@) und D,rs(#) < D,f,(), 
so folgt an = DE ö 
() D,f@) <D,r(@) + Dh). 





‘daß stets 


und da 


$ 468 Die Regeln der Differentialrechnung 521 


Es seien jetzt D,f(z' und D,f,(xz) zwei rechte Denivieris, von n f(e) 
und /,(z), die der rechten oberen Derivierten D,f,(r) von f(z) zu- 
geordnet sind. Aus 





D,f(z) = D,tia) + D,f(x) 


und aus 
D,f(z) s D,fiz), D,f;‘x) > D.t(z) 
‘folgt dann 5 
(2) D,ft@)>D_f(x) T D,R(&). 
Genau ebenso beweist man die Formeln 
(8) D,f(x) > D,rı@) + D,h(e) 
und - 
(4) D,fiaz)<D, hd) + d.h). 
(8) D,f(x) < D,f, (2) + D,fı(&), 
(6) D,fir) = D,fi'z) + D,t,(@) 


und ganz analoge Formeln für die linken Derivierten. 
Ist f,(z) im Punkte x nach rechts differentiierbar, so folgt aus (1) 
und (2) 


(7) D,fix x) = D,fı(&) Sr D frz. 
und aus (5) und (6) 
(8) D,fa) =D.) + D,h@), 


und ganz ähnliche Gleichungen erhält man, wenn man voraussetzt, daß 
fs(z) nach links oder /,(r) nach rechts oder nach links differentiier- 
bar ist. 


468. In ganz ähnlicher Weise findet man Beziehungen zwischen 
den gleichzeitigen Derivierten von zwei endlichen Funktionen und ihrer 


Differenz | 
= h) - he). 
Aus 
fa+h)- fa) (hart vw - ho) - (rt h,)  k@) 
folgt nämlich, wenn f(x), Df,(xz) und Df,(x) irgend drei gleich- 
zeitige Derivierte unserer Funktionen bedeuten, 
Df(e) = Di) — Dia), 
solange die letzte Operation einen Sinn hat und nicht in der Gestalt 
(co — 00) erscheint. 


Satz 4. Ist f(x) die Differenz von swei endlichen Funktionen f, (x) 
und f(x), so besteht swischen den gleichzeitigen Derivierten dieser drei 


522 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8469 
Funktionen stets die Relation 


Df@) = Dfia) —- Dh), 
solange die beiden letzten Derivierten nicht beide unendlich sind ud das 
gleiche Vorzeichen haben. 


Dieser Satz ist die Quelle einer Reihe von Sätzen, die den eben für 
die Derivierten der Summe von zwei Funktionen abgeleiteten ähnlich 
sind und von denen wir hier nur ein Beispiel geben wollen. 

Es sei die obere rechte Derivierte von f,(z) eine endliche Zahl 

D,fı(&); bezeichnet man dann mit D, f(x) und D, f(x) zwei Derivierte 
von f(x) und f,(), die D|f, («) zugeordnet sind, so folgt aus 


D, (2) = D,fı(@) — D,f(&) 








und aus _ 

u DiazDr@, —D,h)>-D,Aß), 
a 

(1) D,f(«) 2 D,h(@) — D,h(&) 

ist. Ebenso findet man unter derselben Voraussetzung 

OB D,f@) < D,f(@) - D,h@). 


469. Wir wollen jetzt die Derivierten des Produktes und des Que- 
tienten von zwei endlichen Funktionen mit den Derivierten dieser Funk- 
tionen vergleichen. Wir beschränken uns aber der Einfachheit halber 
auf Funktionen f(x) und /, (x), deren sämtliche Derivierte im betrach- 
‚teten Punkte endlich sind, so daß die Funktionen selbst i in diesem Punkte 
stetig sein müssen. 

Setzt man nun 


( Pa) hr) ud an, 
so folgt aus den Identitäten 
p( +h,) — P(®) 
1 = fa t+th)Rat+tm- Ra) that Am) 
Ri Kae — he) haha t mh) 
al +h,) — gl) = Tetmao 


daß für jedes Tripel von gleichzeitigen Derivierten Dp (2), Dfi(e), 
Dfs(z) oder Dg(x), Df, (x), Df,(z) die Relationen gelten müssen 


un 





(2), Dp(z) = fı(&) Dfs(a) + fa(®) Di (@) 
/ kaDh@— fa) Dr a 
(3) Da(x) = ne 


‚diese letzte natürlich nur, wenn /,(z) im Punkte x nicht verschwindet. 


8 470 Die Regeln der Differentialrechnung 523 


Aus der Formel (2) folgt hierauf wie oben, daß, wenn die Funk- 
tionen f,(z) und f,(x) beide nach rechts (oder links) differentiierbar 
sind, das gleiche auch von ihrem Produkte p(zx) gilt, und der analoge 
Satz gilt auch für den Quotienteng(r), falls man die Bedingung /,(r) + 
hinzunimmt. 

Die soeben bewiesenen Sätze erlauben bekanntlich zu zeigen, daß 
rationale Funktionen von z, d.h. der Quotient von Polynomen in z, 
überall dort differentiierbar sind, wo der Nenner einen von Null ver- 
schiedenen Wert hat, und daß der Differentialquotient dieser Funktionen 
in allen solchen Punkten endlich und stetig ist und als rationale Funk- 
tion dargestellt werden kann. 


470. Es sei 
(1) y-fi2) 
eine monotone, stetige und stets wachsende Funktion von z im abge- 
geschlossenen Intervalle a < x < db; dann besitzt die inverse Funktion 


(2) 2 9(y) 

dieselben Eigenschaften im Intervalle « <y<’ ß, wobei 
e=fla A und B=flb) 

ist ($ 160). 

Durch eine der Funktionen (1) oder (2) wird eine eineindeutige 
stetige Abbildung der Intervalle a<r<b und «a<y<ß aufeinander 
geliefert. Sind nun z, y und (r+h), (y+k) zwei Paare von Punkten, 
die sich bei dieser Abbildung entsprechen, so ist erstens das Vorzeichen 
von k immer dasselbe, wie das Vorzeichen von h, und zweitens, wegen 
der Gleichungen (1) und (2), 


8) fet+h— fa=k, 

(4) Pyy+k)—py)—h. 

Ist nun Df{z) irgendeine Derivierte von f(x) im Punkte x und 
Kl et 


eine gegen Null konvergierende Folge von Zahlen, die alle dasselbe Vor- 
zeichen besitzen nnd für welche 


Df(x) = 1 


ist, so kann man vermöge unserer Abbildung jeder Zahl A, eine Zahl k, 
zuordnen und die Folge 
k,, kr, k;, re 


mer = ul 


ı 
=» 


‘594 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 471 


‚konvergiert gegen Null und besteht aus lauter Zahlen, die dasselbe Vor- 

zeichen besitzen. Aus (3) folgt ferner 

(5) Df(x) — lim’? . 
p=oRp 

Nun existiert aber ($ 92, Satz 8) gleichzeitig mit dem Grenzwerte (5) 

der Grenzwert 


dieser Grenzwert stellt einerseits wegen (1) eine Derivierte Dp(y) von 
op(y) dar, und anderseits ist dieser Grenzwert gleich + oo oder 0, wenn 
Df(x) gleich 0 oder + oo ist, und in jedem anderen Falle ist 


1 
Dy(y) Di Df&)' 

Wir können also auch hier von gleichzeitigen Derivierten sprechen 
‚und haben den 

Satz 5. Ist y= f(x) eine stetige, monotone, stets wachsende Funktion 
und x == gp(y) ihre Inverse, so ist von gwei gleichzeitigen Derivierten Df(=) 
und Dy(y) dieser Funktionen in entsprechenden Punkten die eine Null, 
falls die andere + oo ist, und umgekehrt, und in jedem anderen Falle 
besteht die Relation 

Df(e): Dyy)=1. 


Ist ferner die eine Funktion nach rechts oder links im Punkte x differen- 
tiierbar, so ist es die andere auch. 


471. Wir betrachten jetzt zwei endliche Funktionen 


(1) u=-fW), y-y() 
und nehmen an, daß die Funktion 
(2) u= Fa)=- flow) 


für ein Intervall der x-Achse definiert ist und daß in einem Punkte z, 
dieses Intervalls die Funktion 9(xz) stetig ist. 

Wir betrachten zwei beliebige zugeordnete Derivierte DF'(x,) und 
Do(x,) der Funktionen F(x) und p(z) im Punkte x,. Es gibt dann 
eine gegen Null konvergierende Folge von Zahlen gleichen Vorzeichens 
(3) Is es Mayen, 
so daß die Relationen 


DF(x,) = lim F@+ I F(&,) 
(4) p=® p 


Dg(z,) — lim 9% + a. (&o) 
y=o® P 


$ 471 Die Regeln der Differentialrechnung 525 





zu gleicher Zeit stattfinden. Setzt man nun 


(5) k,— plz + h,)— Fa) (?-1,2,...) 
so konvergiert die Zahlenfolge 
(6) kan dar.. 


wegen der Stetigkeit von p(x) im Punkte x, ebenfalls gegen Null. 
Wir betrachten nun zunächst den Fall, in dem nur höchstens end- 
lich viele A, + 0 sind; dann ist für hinreichend große 9 
p(2, + h,) — p(2,) — 0, 
Fix Tr h,) — F(x,) em f(g + R,)) 2 f($ ty) = 0, 
und man hat daher zu gleicher Zeit 
(7) DF(«)=0 und Dy(a,) =. 


Sind aber unendlich viele Zahlen der Folge (8) von Null verschieden, 
so gibt es Teilfolgen 
(8) hs kr, h;, BR 


von (6), die aus unendlich vielen Zahlen gleichen Vorzeichens be- 
stehen und für welche mit der Bezeichnung y,= $(2,) der Grenzwert 


 fy tk) — fly 
(9) Di 
existiert. Bezeichnet man mit 

h, Ars he - | 


die Teilfolge von (3), die der Teilfolge (3) von (6) entspricht, so ist mit 
Berücksichtigung von (2), (4) und (5) 
DF(z,) ne im Fr+ N) F(z,) er lim ut fu) 
P=» hp p=» hr 


Do(a,) — lim vu+ ” IE) _ im " 


und folglich mit Hilfe von (9) 
(10) DF(x,) = Df(y): Dy(a), 


falls die rechte Seite dieser Gleichung einen Sinn hat, d.h. falls von 
den beiden Zahlen Df(y,) und Dy(x,) nicht die eine Null und die andere 
unendlich ist. | 
Dieses allgemeine Resultat ist ziemlich verwickelt und von geringem 
Nutzen für die Anwendungen, so lange man die beiden Möglichkeiten, 
die zu den Gleichungen (7) und (10) geführt haben, unterscheiden muß; 
man kann dies aber durch einschränkende Bedingungen . vermeiden 


526 Kap. X. Funktionen einer: Veränderlichen $ 471 


und erhält j je nach der Wahl der Einschränkungen drei one 
Sätze, die wir jetzt formulieren wollen. 


Satz 6. Es seien die beiden Funktionen u=f(y) und y=yp(x) end- 
lich, die Funktion | 
Fa) = f(9@) 


in eimem Intervalle der x-Achse definiert und p(x) in emem Punkte x, 
dieses Intervalles stetig. Sind dann DF(z,) und Dy(x,) zwei beliebige 
zugeordnete Derivierte von F(x) und p(x) im Punkte x, und ist Dop(z,) 
weder gleich Null noch unendlich, so gibt es im Punkte y,= $(x,) min- 
destens eine Derivierte Df(y,) von f(y), für welche die Gleichung 

| DE) = Df(y): Dy(a,) 
erfüllt ist. 

In der Tat ist unter den Voraussetzungen dieses Satzes die zweite 
Gleichung (7) ausgeschlossen, sowie auch die Möglichkeit, daß die rechte 
Seite von (10) ein nicht ausführbares Produkt darstellt. 

Weiß man, daß im Punkte y, = p(z,) sämtliche Derivierte von f(y) 
endlich (also auch beschränkt) sind, so hat die rechte Seite von (10) 
einen Sinn, sobald man weiß, daß Dy(x,) ebenfalls endlich ist. Aber 
es ist hier, auch im Falle, daß nur höchstens endlich viele unserer 
Zahlen k,) = 0 sind, nach (7) 


DF(«,) = D,f) Dy(%) = (0 
und man hat daher den 


Satz 7. Die Behauptung des vorigen Satzes ist auch im Falle, daß 
Dy(x,) = 0 ist, erfüllt, falls sämtliche Derivierten von f(y) im Pumkte Y% 
endlich sind. 


Drittens Aehınen wir an, daß die Funktion (x) im Punkte x, und 
die Funktion f(y) im Punkte y, beide differentiierbar sind, setzen aber 
nicht mehr voraus, daß Df(y,) endlich sein soll, wohl aber, daß von 
den beiden Zahlen Do(z,) und D/(y,) nicht die eine Null und die andere 
. unendlich sein soll. 

Für jede beliebige Derivierte von F'(x), für welche, nach unserer 
Rechnung, unendlich viele k, + 0 sind, ist dann die Gleichung (10) er- 
füllt. Für jede Derivierte von F(x), für welche höchstens riur endlich 
viele %k + 0 sind, ist notwendig sowohl Dy(x,) = 0 als auch DF(z,)=0; 
nun folgt aus der ersten dieser er 


Df(y) : Dy(z,) = 


ao die Gleichung (10) ist auch hier erfüllt. Die Funktion F 2 ist 
'also ebenfalls im Punkte x, differentiierbar. 


$ 472 - Die Derivierten von stetigen Funktionen 597 


Satz 8. Sind unter den übrigen Vorausselzungen des Satses 6 die 
Funktionen p(z) und f(y) im Punkte x, bew. y, differentiierbar und von 
den beiden Zahlen g'(z,) und f'(y,) nicht die eine Null und die andere 
unendlich, so ist auch die Funklion F(x) = f(p(x)) im Punkte x, differen- 
tiierbar und es besteht die Gleichung 


Fa) = fu) P (Ro). 





Die Derivierten von stetigen Funktionen als Funktionen der 
unabhängigen Veränderlichen. 


4%2. Wir wollen zunächst einige Sätze, die wir für die Derivierten 
von totalstetigen additiven Mengenfunktionen abgeleitet haben, auf 
die Derivierten einer beliebigen endlichen und stetigen Funktion über- 
tragen. Da es aber stetige Funktionen gibt, die nicht totalstetig sind — 
wir haben schon stetige Funktionen kennen gelernt, die nicht einmal 
von beschränkter Variation sind ($ 184) —, müssen die Beweise unab- 
hängig von den früheren und teilweise auf ganz anderer Grundlage ge- 
führt werden. 

Zunächst bemerken wir, daß wir ganz analog wie im $436 beweisen 
können, daß die vier Hauptderivierten einer stetigen Funktion meßbare 
Funktionen und sogar, daß sie von der zweiten Baireschen Klasse sind. 

Wir können uns dabei auf die rechten oberen Derivierten beschränken, 
weil die rechte untere Derivierte von f(x) gleich dem Produkte von — 1 
mit der rechten oberen Derivierten von — f(x) ist, und weil die linken 
Derivierten von f(x) im Punkte x mit den rechten Derivierten der Funk- 
tion p(&)=— f(—E) im Punkte E= — r zusammenfallen. 

Eine in einem abgeschlossenen Intervall a <xr<b definierte end- 
liche, stetige und daher beschränkte ($ 137, Satz 6) Funktion f(x) kann 
man zu einer Funktion erweitern, die auf der ganzen x-Achse definiert, 
beschränkt, und stetig ist, indem iman z. B. für <a die erweiterte 
Funktion gleich f(a) setzt und diese Funktion für r>b gleich fıb) 
setzt. Wir betrachten eine abzählbare Folge von positiven Zahlen 


(1) Rudi, Ba. 
die im Intervalle O<A <a überall dicht liegen und setzen 
(2) Y(r; «) — obere Grenze von !* + ji FD zür kb a 


fa FC) gar 0 
h 


(3) x(x2; «) = obere Grenze von h<a. 


528 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 473 


Wegen der Stetigkeit von f(x) ist aber auch für alle Dan h der 
Differenzenquotient 


eine stetige Funktion von A und man beweist genau wie im $ 436 (Gl. (4)), 
daß für jedes positive beliebig gegebene « 


(5) db(z;e) = (a; «) 


ist. Ist nun «,, @&,,.... eine monoton abnehmende gegen Null konver- 
gierende Folge von positiven Zahlen, so ist nach Definition ($ 462) 


D,f(«) = lim x(z; 0) 
und folglich j 
(6) D,f@) — lim va; o). 


Nun bemerke man, daß y(x; «) nach ihrer Definitionsgleichung (3) 
eine monoton wachsende Funktion von « ist, und daß also das Gleiche 
von Y(z;«) gilt. Ferner aber ist y(x;«) nach (2) die obere Grenze 
einer Folge von stetigen Funktionen von x und folglich selbst eine 
nach unten halbstetige Funktion von z (8 174, Satz 3). Nach (6) ist 
also D, f(x) die untere Grenze einer monoton abnehmenden Folge von 
halbstetigen Funktionen und daher von der zweiten Klasse ($$ 362, 367). 


Satz 1. Die vier Hauptderivierten einer endlichen und sieligen Funk- 
tion sind meßbare Funktionen und von der zweiten Klasse. 


443. Das letzte Resultat erlaubt einige Schlüsse über die Punkt- 
mengen zu ziehen, in denen eine der Hauptderivierten, z.B. D +), 
unendlich ist. 

Wir bemerken zunächst, daß, wenn ß irgendeine positive Zahl <« 
ist, und wenn man mit (@ die endliche obere Grenze der stetigen Funk- 
tion !f(z)| in ihrem Definitionsbereich bezeichnet, für alle Werte von 4, 
die im Intervalle 

J Pshsu 
liegen, 

m - fi) <", 
ist. Die Zahl x(z; «) = Y(z; z die mindestens gleich Y(x; ß) ist, ist 
also höchstens gleich der größeren der beiden Zahlen »(z; ß) und 
2@:ß. Ist daher insbesondere 


vaa)>';, 


8 473 Die Derivierten von stetigen Funktionen 529 


so muß | 
v(z; ß) = v(z;e) 

sein. In einem Punkte, in dem 

(l) v(z;1)= + 

ist, muß also für jedes ß<1 auch 


v(z;ß) = +8 
und daher auch u 
) D,fe) = lim v(z; ß) = + 
sein. Da anderseits aber stets : 
v(2; 1) > D,f(x) 
ist, muß in jedem Punkte, in welchem die Gleichung (2) gilt, auch die 
Gleichung (1) erfüllt sein. 
Man erhält mit anderen Worten die Punktmenge 

6. = M(D;f= +) 

durch die Bedingung 
&+c= M(y(a;l)=+ 00). 
Führt man also die Bezeichnung 
4,= Miv(ar; D>k) 

ein, so ist 
(3) = A 44; :--- 

Nun ist aber y(x; 1) eine nach unten halbstetige Funktion und 
daher die Punktmenge A, für jedes k eine offene Punktmenge ($ 136, 
Satz 3). Wir haben also, wenn wir analoge Betrachtungen auch für die 
übrigen Hauptderivierten anstellen, den Satz: 

Satz 2. Die Punktmengen, ın denen eine der oberen Derivierten gleich 
+ 00 oder eine der wnleren Derivierten gleich — oo ist, können sämtlich 
als Durchschnitte von abzählbar unendlich vielen offenen Punktmengen 
dargestellt werden. 

Um die Punktmenge 

e-.— M(D,f=— ©) 
herzustellen, können wir folgendermaßen verfahren. Wir bezeichnen 
mit k und » zwei natürliche Zahlen und setzen 


41 
(4) B,— M(v(z; ,)<—»); 
ferner setzen wir 
A,=B,+B.+But+t.- 


Carath&odory, Reelle Funktionen. 34 


530 Kap. X; - Funktionen einer Veränderlichen $ 4T- 











Jeder Punkt von A, gehört inindestens einem B,, an, so daß ın 


diesem Punkte — weil die v(z; s- .) mit wachsendem % abnehmen und 


gegen D,f(x) konvergieren — 


D,f@)<-n 
ist. Ist anderseits ım Punkte x 
D + (x) <o n , 


so muß für hinreichend große k auch 
1 
v(,)<-n 


sein und der betreffende Punkt x ist in A, enthalten. Es gelten mit 
anderen Worten die Beziehungen | 


M(D,f<—n)<4A/< M(D,f<-n) 
und hieraus folgt, daB 
(5) e_o = A, A, As... 


ist. Da Y(x; «) eine nach unten halbstetige Funktion ist, sind wegen (4) 
die Punktmengen B,, alle abgeschlossen ($ 136, Satz 3)und es gilt fol- 
gender Satz, den wir auch für die übrigen Haurtderivierten aussprechen: 


Satz 3. Die Punktmengen, in denen eine der oberen Deriwvierten 
gleich — oo oder eine der unteren Deriwvierten gleich + oo ist, können 
sämtlich als Durchschnitte von abzählbar unendlich vielen Punktmengen 
dargestellt werden, von denen jede einselne für sich die Vereinigungsmenge 
von absählbar unendlich vielen abgeschlossenen Punktmengen ist. 


Der Vergleich der letzten beiden Sätze mit den Sätzen der $$ 81 
und 82 liefert jetzt folgendes Resultat, das wir der Einfachheit wegen 
nur für eine der oberen Derivierten aussprechen: 


Satz 4. Die Punktmenge, in der die obere rechte Derivierte einer 
stetigen Funktion gleich + oo ist, ist entweder abzählbar und enthält dann 
keine in sich dichte Teilmenge, oder falls sie nicht abzählbar ist, ist min- 
destens eine ihrer Teilmengen perfekt. 

Die Fumktmenge, in welcher diese Derivierte gleich — oo. ist, ist alı- 
'zählbar oder aber sie enthält mindestens eine perfekte Teilmenge. 


4714. Im $ 451 haben wir bewiesen, daß sämtliche Derivierten 
einer additiven totalstetigen Mengenfunktion dieselbe obere und die- 
selbe untere Limesfunktion besitzen. Ein ganz analoger Satz gilt für die 


5 474 Die Derivierten von stetigen Funktionen 531 





Intervall 


(1) a<ı<b 
betrachten. 
Wir bezeichnen mit L und ? die obere und untere Grenze der 
Zahlen 
ka) — fa) 
“ an 
für alle Punktepaare z,, z,, die im Intervalle (1) liegen und für welche 


z, +2, ist. Ähnlich bezeichnen wir mit A und A die obere und untere 
Grenze von D, f(x), mit A, A die obere und untere Grenze von D, f(x) 
für alle Punkte des Intervalles (1). Aus 


D,f(@)<D,f(@) 
folgen dann sofort die Relationen 


(3) A<ı und A<A. 
Ist ferner A> — oo und irgendeine Zahl 
(4) y<A 


gegeben, so muß nach der Definition von A ein Punkt x, innerhalb des 
Intervalls (1) existieren, so daß 


pP< D,f(&,) 


ist, und daher muß auch ein Punkt z, zwischen z, und b liegen, für 
welchen 


fa) - far) 
P< 2% 


ist. Aus dieser letzten Bedingung schließt man aber, daß 
p<L 


sein muß, und da p eine beliebige Zahl bedeutet, die der Bedingung (4) 
genügt, muß auch 


(5) ASL 


sein, eine Beziehung, die auch im ausgeschlossenen Falle A = — oo von 
selbst erfüllt ist. Ebenso findet man, daß stets 


6) ı<ı 
ist. - 


34° 


532 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen g 475 





Ve TE 7 


47 5 Es seien jetzt % und x, zwei beliebige Punkte des Inter- 
valls (1) und k und k zwei beliebige endliche Zahlen. Wir nehmen anı, 
daß x, <x, ist und bezeichnen mit p(z) die lineare Funktion, die ın 
den Punkten x, und x, die Werte 


(7) pa)=fa)th und pa)=fa)+k 


annimmt. Die Funktion p(x) ist in jedem 
Punkte differentiierbar und man hat 





Ey 


8) gpla)- Kir Vet de 


uU m — 

Nun nehmen wir ferner an, daß h>0O 
und k<<O ist; dann ist die stetige Funktion 
(9) v2) = le) — P(@) 
negativ im Punkte x, und positiv ıinı 
Punkte x,, denn es ist wegen (7) und (9) 

va) —h, vn)=—k. 








D 
um 


#2 Es gibt also Punkte des Intervalles 

x, <2<2a,, in denen y(x) = (0 ist ($ 226) 
und diese Punkte bilden eine abgeschlossene Punktmenge. Bezeichnen 
wir mit & die obere Grenze dieser Punkte, so ist also 


Fig. 35. 


Y(£) = 0 
und für alle Punkte des Intervalls 8 <x< x, ist 
(10) (2) >0. 
Hieraus folgt aber 
Dv)>0. 


Anderseits ist, weil p(x) differentiierbar ist, nach der Gleichung (8) 


des $ 467 
D,v(&) = D,f(«) — px) 
und der Vergleich der beiden letzten ren mit (8) liefert 


(11) D, ro 2" ne +; = 


Hieraus folgt aber mit den ‚Bezeichnungen des vorigen RERREN 
A> f(z,) Eu fa) _ h h—k 


az, u 
und wenn man k = — h setzt und h gegen Null konvergieren läßt, 
(12) > fa) fe). 


7 a 21 


x 476 Die Derivierten von stetigen Funktionen 533 
Die Ungleichheit (12) gilt für jedes Punktepaar (z,, 2,), das im 
Intervalle (1) liegt; es muß daher auch 
AZL 
sein, und wenn man (3) und (5) hinzunimmt, so folgt hieraus 
A=A=L. 


Hätten wir die Größe negativ und die Größe k positiv genommen 
und mit & ebenso wie vorhin die obere Grenze der Punkte des Intervalls 
2, <x<.a, bezeichnet, für welche y(z) = 0 
ist, so hätten wir gefunden 


D,ve)<0, 


und hieraus mit ganz analogen Schlüssen 
die Bedingung 





m | on BE Tr Tr | 


A<I 
abgeleitet. Es ist also auch ee Er 
le Im 1. Fig. 36. 


Bezeichnet man endlich mit A’ und A’ die oberen Grenzen der 
beiden linken Hauptderivierten von f(x) im Intervalle a<x<b und 


mit A’ und A’ die unteren Grenzen dieser Hauptderivierten, so gelten 
die Gleichungen 


A = ger: Feist: 
die man entweder direkt beweisen kann, oder besser aus der Be- 
merkung ableitet, daß die linken Hauptderivierten von f(x) im Inter- 
valle (1) und die rechten Hauptderivierten von — f(— x) im Intervalle 
b<z2<-a 


dieselben oberen und unteren Grenzen besitzen, und daß die für die 
Funktion — f(—z) im neuen Intervall berechneten Zahlen Z und / die- 
selben sind wie vorher. 


476. Ist nun Df(z) irgendeine rechte Derivierte von f(x) und be- 
zeichnet man mit A und A die obere und untere Grenze von Df(x) 
im Intervalle a <x<b, so ist in jedem Punkte unseres Intervalls 


D,f(«) < Df(«) < D,f(«) 


A<A<A. 


und daher 


534 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 477 














Es ist also nach dem Früheren 

A=L 
und ebenso findet man 

1=l. 


Ebenso beweist man das analoge Resultat, wenn D/(x) eine linke 
Derivierte bedeutet. 


Satz 5. Dezeichnet man mit A und A die obere und die untere 
Grenze einer rechten oder einer linken Derivierten der sieligen und end- 
lichen Funktion f(x) innerhalb eines beliebigen Teilintervalis a <xz<b 
ihres Definitionsbereiches und mit L bzw. I die obere und untere Grenze 
des Differenzenquotienten 

fa) — Fa) 
Lg 0% 
für alle Punktepaare (x,, %,) dieses Teilintervalls, so gelten stets die 


Gleichungen 
A=L und /=!. 


Da die oberen und unteren Grenzen der Derivierten Df(x) hier- 
nach für jedes Teilintervall des Definitionsbereiches einander gleich 
sind, müssen die oberen und unteren Limesfunktionen aller Derivierten 
in jedem Punkte des Definitionsbereiches übereinstimmen: 


Satz 6. Alle Derivierten Df(x) einer im Intervalle a<x<b def- 
nierten endlichen und stetigen Funktion besitsen dieselbe obere Limes- 
funktion Do(x) und dieselbe untere Limesfunktion po(x). 


Hieraus folgt insbesondere, daß wenn eine rechte Derivierte D, f(x) 
oder eine linke Derivierte D_f(x) existiert, die im Punkte x stetig ist, 
alle Derivierten f(x) in diesem Punkte stetig sind und denselben Wert 
besitzen. Die Funktion f(x) ist also in diesem Punkte differentiierbar. 


Oder anders ausgedrückt: 


Satz 7. In einem Punkte, in dem f(x) nicht differentüierbar ist, ist 
keine eingige Derivierte von f(x) stetig. 


477. Der Satz 5 erlaubt uns über die Limesfunktionen ®(z) und 
(x) noch folgendes auszusagen: Wir bemerken, daß in keinem Teil- - 
intervall des Definitionsbereiches unserer Funktion die Zahl Z, die ja 
als obere Grenze von endlichen Zahlen definiert ist, gleich — oc sein 
kann; es ist also auch stets 

A>— 
und ebenso findet man 


A<-+to. 


8 478 Die Derivierten von stetigen Funktionen 535 


In jedem "Teilintervall unseres Definitionsbereiches liegen en 
Punkte, in denen eine der Derivierten von f(x), z.B. D, f(x), von — 
verschieden ist, da sonst in diesem Intervalle A = — oo sein ab 
und Punkte, in: denen. D ‚f(x) von + 00 verschieden ist, da sonst 
hierbei A = + 00 sein müßte. 

Ist aber in einem Punkte & 


Df&)>- oo, 


so gilt dies um so mehr von ®(&) und ähnlich schließt man für p(z). 
Es gilt also der Satz: 


Satz 8. Die Punktmengen 
M(®>—-oo) und M(p<-+ oo) 
liegen überall dicht auf dem Definitionsbereich von f(x). 


Dieser Satz faßt übrigens das früher gesagte zusammen, denn in 
jeder Umgebung eines Punktes &, in welchem z.B. 


p(E) <-+ co 


ist, muß es Punkte geben, in denen D,f(x) ebenfalls von + oo ver- 
schieden ist, sodaß jeder Häufungspunkt der Punktmenge 


M(p<-+ oo) 
auch Häufungspunkt von _ 
M(D,f<+®) 
ist. Diese letzte Punktmenge ist also ebenfalls überall dicht im Inter- 
vallea<xz<b. 

Insbesondere ist also eine perfekte Punktmenge, in welcher 
D,f=+% ist, die Komplementärmenge einer offenen, auf der Zahlen- 
achse überall dichten Punktmenge und ist daher selbst nirgends dicht 
($ 79). Dieses Resultat läßt sich offenbar auch auf die übrigen Haupt- 
derivierten übertragen und liefert uns einen Satz, der den Satz 4 des 
$ 473 vervollständigt: 


Satz 9. Eine perfekte Punktmenge, in welcher eine der Hauptderi- 
vierten entweder gleich + oo oder gleich — oo ist, ist steis cine nirgends 
‚dichte Punktmenge. 


478. Wir müssen auf einen Unterschied een machen, der 
zwischen dem Satze 6 des $ 476 und dem entsprechenden Satze für 
totalstetige Funktionen ($ 451) besteht. Bei totalstetigen Funktionen 
ist nämlich der Satz auch für den Fall bewiesen, in welchem Df(z) 
für gewisse Punkte des Intervalls eine rechte und für andere eine 


536 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8479 





linke Derivierte darstellt. Unter den jetzigen Voraussetzungen muß 
dagegen Df(x) für alle Punkte des Intervalls stets entweder immer 
nur eine rechte oder immer nur eine linke Derivierte be- 
deuten. Daß aber diese Einschränkung eine notwendige ist, sieht 
man ein, wenn man das Beispiel betrachtet, das wir in den 88 519—522 
untersuchen werden. 

Die Funktion w(z), die wir dort konstruieren werden, hat näm- 
lich die Eigenschaft, daß in jedem Punkte des Definitionsintervalls 
eine ihrer Hauptderivierten gleich + oo und eine andere gleich — oo 
ist. Es ist also für diese Funktion in jedem Punkte des Intervalls 


D(a)=+& und pla)= — 0; 
bezeichnet man nun mit Af(x) in jedem Punkte x eine Hauptderivierte, 


die gleich -+ oo ist, so ist die untere Limesfunktion von Af(zx) ebenfalls 
stets gleich + oo und daher von (x) verschieden. 


479. Wir kehren jetzt zu der Konstruktion des $ 475 zurück und 
behalten die dortigen Bezeichnungen bei, indem wir sie folgendermaßen 
flze) spezialisieren: wir betrachten eine 

z beliebige feste positive Zahl e und 
bestimmen. die Größen h und %k 
durch die Bedingungen 


(1) = a, 


(2) ” ae <k< an ), 


Jedem Werte von % entspricht 
dann eine lineare Funktion, die 
wir mit (x, k) bezeichnen, sowie 
ein Punkt &(k), der gleich der 
oberen Grenze der Punkte des In- 
tervalls z, <x <a, ist, in denen 
Fig. 37. | f(x) — p(2,k) = 
1st. 
Sind jetzt k, und /, zwei Werte von k, die der Relation (2) genügen, 
und k,<k,, so ist für joden Punkt des Intervalls 2 en (s. Fig. 37) 


p(z,k,) < pa, ke); 
setzt man also zur ver: 


=5(k) und ,= Eh) ) 
Bon k)>Yp6&,h)=flä), 






ul 
> 
Ss 
= 
En 










. 


EEFEMPIIBENEEEREEERPOERER TER. 


L 
t 
I 
t 
& 


so folgt aus 


8 479 Die Derivierten von stetigen Funktionen 537 


daß die stetige Funktion (f(x) — g(z, A,)\ im Intervalle &E <r<r, ihr 
Zeichen wechselt, und daß folglich 


>85, 
ist. Die Funktion &(k) ist daher eine monotone stets wachsende (nicht 
notwendig stetige) Funktion, welche die eineindeutige Abbildung des 
abgeschlossenen Intervalls (2) auf eine Teilmenge A des Intervalls 
z, <r<z, liefert. Hieraus folgt, daß die Punktmenge A nicht ab- 
zählbar ist, da sonst auch das Intervall (2?) aus einer abzählbaren 
Punktmenge bestehen müßte. 

Die abgeschlossene Hülle 4 von 4 ist also ebenfalls nicht ab- 
zählbar und enthält daher eine perfekte Punktmenge B, nämlich die 
Menge ihrer Kondensationspunkte ($ 64). 

Bezeichnet man mit &’ und &” die Punkte &(k), die den Endpunkten 
des Intervalls (2) entsprechen, so liegt A und daher auch A im ab- 
geschlossenen Intervall 


(3) ESıSsE, 


sodaß A eine Teilmenge des gegebenen Intervalls x, <x<., ist. 
Ist E=&(k) irgendein Punkt von A und z ein Punkt des Intervalls 
E<x<z,, so ist nach den Relationen (9) und (10) ds S45 





fa) > plz, k) 
und daher auch 
(4) fe) —-fE)>pa,k)—- PR). 
Nun ist aber, weil p(z,k) eine lineare Funktion bedeutet, 
(5) plz, k)— pl, K) = plz, k)- (28) 


und man hat außerdem, wenn man die Gleichung (8) des $ 475 mit 
unseren jetzigen Werten von A und % vergleicht, 


OB 772 DE 2 0 3a Al ES den SD TE ler An er 
Aus (4), (5) und (6) folgt also 
@) ft -rO> (Zu -)@-B 


Ist nun &, ein Punkt von A, so ist entweder schon &, in A enthalten, 
oder &, ist Häufungspunkt von A und kann als Grenze von abzählbar 
unendlich vielen Punkten &,, &,, ... angesehen werden, die in A ent- 
halten sind, d. h. man kann schreiben 


&=lm$,; 
p=w 


938 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 480 








für einen beliebigen festen Punkt x des Intervalls 8, <z<xz, kann 
man sogar voraussetzen, daß für jedes » die Ungleichheit &,<x gilt. 
Dann ist aber nach (7), wenn man die Stetigkeit von f («) berück- 


sichtigt, 
fa) — f&) = lim (fa) —f&,) 


> lim (er = ven e)(@— &,); 


p=» T, 
und schließlich, weil &— &,>0 ist, 








eine Bedingung, die natürlich auch im Falle gilt, in dem schon &, ein 
Punkt von A war. 

Da die Beziehung (8) für jeden Punkt x des Intervalls , <x<x, 
besteht, ist auch. 


Os Dre - ;; 

diese letzte Bedingung gilt für jeden Punkt von A und daher auch für 
jeden Punkt der perfekten Menge B. Die Gesamtheit der Punkte &,, 
in welchen die Relation (9) besteht, enthält also sicher eine 
perfekte Punktmenge. 


480. Wir sahen ($ 477), daß die obere Grenze A der Haupt- 
derivierten unserer Funktion f(x) im Intervalle «a <x<b immer von 
— 00 verschieden ist. Es gibt also Zahlen «, die kleiner als A sind; 
nach dem Satze 5 des $ 476 ist dann auch a<L und es gibt sicher 
zwei Punkte x, und x, des Intervalls, sodaß 

f(x) — fl) 


-=2:>0 


ist. Die Punktmenge, in welcher 
Df@)2«+: 


ist, enthält also nach dem vorigen Paragraphen schon innerhalb des 
Intervalls x, <x2<.x, und um so mehr innerhalb des Intervalls a <z<b 
eine perfekte Teilmenge. Das gleiche gilt daher auch für die Punkt- 
menge M(D, f> &). 

Hätten wir im vorigen Paragraphen & negativ genommen, so hätten 
unsere Überlegungen zu einer Eigenschaft der rechten oberen Deri- 
vierten geführt; wir können zusammenfassend den Satz behaupten: 


& 481 Die Derivierten von stetigen Funktionen 539 
Satz 10. Sind « und B swei Zahlen, die den Bedingungen 
a<A, B>1 
genügen, so enthält jede der Pumktmengen 
M(D,f>e), M(D,f<ß) 
eine perfekte (also nicht abeählbare) Teilmenge des Intervalls a<x<b, 
für welches A und A definiert sind.*) 


481. Wir untersuchen jetzt den speziellen Fall, in dem die ge- 
gebene Funktion f(x) in jedem Punkte des Intervall a<x<b 
differentiierbar ist, und bezeichnen die Derivierte von f(x), die in ge- 
wissen Punkten des Intervalls auch unendlich sein kann, mit f(x). Es 
seien x, und z, zwei beliebige Punkte des Intervalls a <xz<b und 
man habe z. B. x, < x,; wir setzen 


(1) p(z)= f(x) + (e— fiz,)) 
und bemerken, daß die Funktion 

©) v(2) = fl2) — pe) 

den Gleichungen 

(3) v(r)=0, Yvi)=0 


genügt. Außerdem ist die Funktion y(x) differentiierbar und ihre De- 
rivierte in jedem Punkte des Intervalls a < x < b durch die Gleichung 


(4) va=r@) - Zw 


2, — 4, 
gegeben. Ist die stetige Funktion Y(x) im abgeschlossenen Intervalle 
x, <x< a, konstant, so muß sie wegen (3) in diesem Intervalle iden- 
tisch verschwinden und ın jedem inneren Punkte & des Intervalles ist 
dann 


(5) v6) =. 
Ist »(x) im abgeschlossenen Intervall 2, <xr<x, nicht konstant, so 


*, Für totalstetige Funktionen f(x) ist dieser Satz schon in den Ausfüh- 
rungen des $ 450 enthalten. Die Ungleichheit « < A hat nämlich zur Folge, daß 
in mindestens einem Punkte des Intervalls a <xr<’b die obere Limesfunktion 
®,(x) der Derivierten von f(x) größer ist als «. Hieraus folgt nach der Bela- 
tion (3) des $ 450, daß die meßbare Punktmenge M(D,f>«) von nicht ver- 
schwindendem Inhalte ist. Sie muß also ($ 278, Satz 12) perfekte Teilmengen ent- 
halten. Dagegen gibt es stetige Funktionen, für die bei geeigneter Wahl von 
«<A die Punktmenge M(D,f> «) eine Nullmenge ist (vgl. hierzu die $$ 505, 510); 
das Resultat des $ 450 kann also nicht in seinem ganzen Umfange übertragen 
werden. 


540 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 482 








muß (ebenfalls nach )) ihre obere Grenze in dieser Punktmenge po- 
sitiv sein, wenn nicht ihre untere Grenze dort negativ ist. Nehmen 
wir an, ersteren wäre. der Fall; dann ist jeder Punkt &, in welchem die 
in der abgeschlossenen Punktmenge z, <x <a, stetige Funktion Y() 
ihre obere Grenze erreicht ($ 137, Satz 5), ein innerer Punkt des 
Intervalls x, <xz<z,. In einem solchen Punkte & ist aber stets für 





u <re<I 
die Bedingung 

va) < v6) 
erfüllt, und hieraus folgt, daß man zu gleicher Zeit 
(6) D_v)>0 und D,v@)<0 


schreiben kann. Da nun Yy(z) im Punkte & differentiierbar ist, hat man 


D_+&) = Dr) = vÜ) 
und dieses ist nur dann zugleich mit (6) möglich, wenn auch hier 
die Gleichung (5) gilt. Ganz ebenso behandelt man den Fall, in dem 
die untere Grenze von Y(x) im Intervalle x, <x <a, negativ ist, und: 
zeigt, daß auch hier mindestens ein innerer Punkt & des Intervalles 
x, <2<xg existiert, für welchen die Gleichung (5) besteht. Vergleicht 
man (5) mit (4), so erhält man 
f(@,) — fix) 

Moe: 
und hieraus folgt der sogenannte Mittelwertsatz der Differential- 
rechnung: 


Satz 11. Ist f(x) eine endliche, stetige und in jedem Punkte des In- 
tervalles a < x <.b differentiierbare Funktion, so kann man zwischen je 
zwei getrennten Punkten x, und x, dieses Intervalles einen dritten von 
diesen verschiedenen Punkt & einschalten, sodaß die Gleichung 

fa) - fa) = (8 -)f 
besteht. 

482. Es seien unter denselben Voraussetzungen für f(x) wie im 
vorigen Paragraphen mit A und A die untere und die obere Grenze der 
Derivierten f(x) im Intervalle a <x<<b bezeichnet. Ist f’(z) nicht: 
konstant in diesem Intervalle, so ist A <’ A und wir können eine end- 
liche Zahl « finden, die den Bedingungen 


(1) A<u<Ai 


genügt. Wegen des Satzes 5 des $ 476 kann man innerhalb unseres 
Intervalls zwei Punktepaare 





$ 482 Die Derivierten von stetigen Funktionen 541 
(2) a<rı, <n<b, u<y <y<b 
finden, sodaß 
f(z) — fa) fy) —-fyı) 
3) u Te In De 


stattfindet. Setzt man nun 
st + HN, 
tm + lH, 
so ıst für alle Werte des Parameters t, die im abgeschlossenen Intervall 
(5) 0<t<1 
liegen, die Differenz 

5, Hm - 2) rl - Um N) 
positiv und daher die Funktion 

‚ (e &; == 7 
eine stetige Funktion von f. Überdies ist wegen (3) 
yN)>a, gl<a 

und es gibt daher im Intervalle (5) eine Zahl r, sodaß 


y(r)—. 

ist ($ 226). Nach (2) und (4) liegen aber die Punkte &, und &, im In- 
tervalle a <x< db, solange ? der Bedingung (5) genügt (vgl. $ 188); 
wir haben also innerhalb dieses Intervalles die Existenz eines Punkte- 
paares &,, &, nachgewiesen, für welches 

fe) fl) _ 

&, 8 

ist. Nach dem letzten Satze gibt es also zwischen diesen Punkten einen 
Punkt &, für den f(E) = « ist. 

Satz 12. Die Derivierte f'(x) einer differentiierbaren stetigen Funk- 
tion f(x) nimmt in einem Intervalle a < x <_b alle Werte an, die zwischen 
ihrer oberen und ihrer unteren Grenze in diesem Intervalle liegn. 

Sind z, und z, zwei Punkte des Intervalles a <x<b, und be 
zeichnet man jetzt mit A’ und A’ die untere und obere Grenze von f (x) 
und mit L’ und /’ die oberen und unteren Grenzen der Differenzen- 
quotienten im Teilintervalle x, <x<2x,, so ist, weil f'(z,) und f’(2,) 
als Grenzen von solchen Differenzenquotienten dargestellt werden 


können, 
"sf@a)sL, UIsf@W)SstL, 


(4) 


&x 


542 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 3 483 











und daher nach dem Satze 5 des $ 476 
“sfa)sA ud ASfn)SA. 

Hieraus folgt mit Benutzung des letzten Satzes der 

Satz 13. Die Derivierte f(x) nimmt in einem Intervalle x, <x <a, 
alle Werte an, die zwischen den Zahlen f (z,) und f (x,) liegen. 

Einfache Integrale und totalstetige Funktionen. 

483. Das Zeichen 

Ce SrP)au, 
A 

das wir bisher für das Integral einer summierbaren Funktion f(P) über 
eine beliebige Punktmenge A benutzt haben, ersetzt man, wenn f(P) 
eine Funktion f(x) einer einzigen Veränderlichen x ist, und wenn der 


Integrationsbereich A ein lineares Gebiet a <xr<b bedeutet, durch das 
Symbol 


(2) | f f&) dx. 


Sind also x, und x, zwei beliebige Punkte des Gebietes A und hat man 
x <X,, so bedeutet 


(3) ? f(a) da 


das Integral der ei Funktion f(x) über das Intervall 
% <x<a,. Diese Bezeichnungsweise, die auf Fourier zurückgeht, hat 
den Vorteil, daß man sie auch auf den Fall erweitern kann, daß ,<z, 
..ist, was für die Rechnung mit Integralen sehr bequem ist. Wir setzen 
dazu 


(4) Sr® dı=0, wenn %=2, ist, 


(5) und Ste) - - [no)az. wenn %,<z, ist. 


Sind dann z,,%,, 2, drei beliebige Punkte des linearen Gebietes A, die 
nicht alle voneinander verschieden zu sein brauchen, so hat man stets | 


(fe) dx - [fia) de + [fe) dz, 


wie man durch eine Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten einsieht. 


8 484 Einfache Integrale und totalstetige Funktionen 543 


mm nn u {nn — 


Das durch die Gleichungen (3), (4) und (5) definierte Symbol 


Ste) dx 


nennt man das zwischen den Grenzen 2, und z, genommene 
bestimmte Integral der summierbaren Funktion f(z). Die 
Zahl x, heißt hierbei die untere Grenze, die Zahl x, die obere Grenze 
des Integrals und zwar auch dann, wenn ,<z, ist. Die eine oder 
beide Grenzen können übrigens auch unendlich sein, falls f(x) über 
eine Halbgerade oder über die ganze Achse summierbar ist. Die Inte- 
grale (2) nennt man auch einfache Integrale im Gegensatz zu den 
mehrfachen Integralen, die wir im nächsten Kapitel untersuchen 
werden. 


484. Ist f(x) über ein lineares Gebiet A summierbar und er- 
weitert man den Definitionsbereich dieser Funktion, indem man in 
jedem Punkte der Komplementärmenge von A die Funktion f(x) = 0 
setzt, so erhält man eine über die ganze x-Achse summierbare Funk- 
tion; einer solchen Funktion haben wir eine additive und totalstetige- 
Mengenfunktion zugeordnet, die wir das unbestimmte Integral von f(x) 
nannten ($ 424) und hier mit H(e) bezeichnen wollen. Der additiven 
totalstetigen Mengenfunktion Z(e) haben wir ferner eindeutig eine 
ebenfalls additive totalstetige Intervallfunktion ®(o) zugeordnet (8 453); 
die Funktion ®(c) ist übrigens, weil sie additiv ist, eindeutig definiert, 
wenn man ihren Wert für jedes Intervall ö der x-Achse kennt. Nun 
haben wir, wenn 

6: 21, <ı<a 


irgendein solches Intervall bedeutet, nach unseren früheren Definitionen 


(1) ®(8) — H(6) = [ f(a)dz = | fo)az. 


Im $ 458 haben wir schließlich jeder endlichen Funktion F(x) einer 
Veränderlichen eine additive Intervallfunktion zugeordnet, indem wir 
mit den obigen Bezeichnungen 


(2) 2(6) = Fin) - Fix) 


gesetzt haben. Nun ist es sehr leicht, Funktionen F(r) zu bestimmen, 
welche die Gleichungen (1) und (2) zugleich befriedigen. Man braucht 
nur, wenn x, irgendeinen Punkt des ursprünglichen (oder erweiterten) 


944 Kap. X. Funktionen einer  Veränderlichen $ 485 





Definitionsbereiches von fa) bedeutet, 


(3) Fi) =c+ ra) dz 


zu setzen, wobei c eine beliebige endliche Konstante bedeutet. Dann 
ist nämlich 


Fa) — Fa) = | fe) de — [ f&) dx = [fa)dz, 


wie wir es haben wollten. Ist umgekehrt F,(x) eine beliebige Funk- 
tion, der unsere Intervallfunktion (0) zugeordnet ist, so folgt aus 


der Gleichung 
F,(&) - Fa) = Fl) - Fo), 
die für jeden Wert von x gelten muß, 
F,(z) = (F,(&,) — Fa) + Fa) = cd + Fa) 


und hieraus, daB F,(x) sich ebenfalls durch eine Gleichung wie (3) 
darstellen läßt. Die Funktionen (3) sind also die einzigen, welche die 
geforderten Eigenschaften besitzen; man nennt sie von alters her das 
unbestimmte Integral von f(x) und bezeichnet sie oft durch das 
Symbol 


Ste) az, 


in welchem man alle Grenzen wegläßt. Der Umstand, daß wir, dem 
Vorgange von Lebesgue folgend, auch die Mengenfunktion H(e) das 
unbestimmte Integral von f(x) genannt haben, kann keine Verwechs- 
lungen hervorrufen, da eine Mengenfunktion und eine Punktfunktion 
zwei ganz verschiedene Begriffe sind. Bei Untersuchungen über Funk- 
tionen einer Veränderlichen kommt überdies die Mengenfunktion Z/(e) 
kaum vor, nachdem man die jetzt folgenden Sätze hergeleitet hat. 


485. Aus der Totalstetigkeit der Funktion ®(o) folgt nach dem 
$ 460 die Totalstetigkeit der ihr zugehörigen Funktion ns und es 
gilt daher der 


Satz 1. Jedes unbestimmte Integral 


F(ix)=c + [f(@) dx 


einer summierbaren Funktion f(x) ist eine totalstetige Funktion. 


$ 485 Einfache Integrale und totalstetige Funktionen 545 

Es sei umgekehrt F'(z) eine im linearen Gebiete a <x<b beliebig 
gegebene totalstetige Funktion, d. h. eine solche, deren Nullvariation 
versehwindet. Ist a > — co, so haben wir schon gesehen (8 460, Satz 8), 
daß die Zahl F(a +0) existiert und endlich ist. Setzt man dann 


F(x)=F(a+0) für z<Sa, 


80 ist, wie man sofort sieht, die so erweiterte Funktion (x) auf dem 
linearen Gebiete — oo <xr<-b ebenfalls totalstetig, und man kann ähn- 
lich verfahren, wenn b< + oo ist Wir können also den Definitions- 
bereich von F(z) so erweitern, daß er die ganze x-Achse umfaßt. 
Dann ist die zugehörige additive Intervallfunktion ®(c) ebenfalls total- 
stetig ($ 460) und kann nach dem $ 453 zu einer additiven und total- 
stetigen Mengenfunktion Hie) erweitert werden, die für alle meßbaren 
Iinearen Punktmengen endlichen Inhalts definiert ist. Bezeichnet man 
mit Az(z) irgendeine Derivierte von H(e), so ist nach dem Satze 2 
des $ 445 


Fa) — F(x,) =/ Anlz) da 


und daher die Funktion F(z) ein unbestimmtes Integral von Ax(z). 
.Nun kann aber nach dem $ 462 jede rechte oder linke Derivierte von 
:F(z) als Derivierte von H(e) aufgefaßt werden; bezeichnet man also 
mit DF(z) eine Funktion, die in gewissen Punkten des Intervalles ' 
7, <x<ea, gleich einer rechten und in den übrigen Punkten dieses 
Intervalles gleich einer linken Derivierten von F'(z) ist, so ist auch 


F(2,) — Fa) = [ DF(a) da. 


Es gilt also, wenn man sich der Sätze des $ 445 erinnert, der 


Satz 2. Jede totalstetige Funktion F(x) ist in einem maßgleichen 
Kern ihres Definitionsbereiches A differentiierbar;; jede Deriwierte DF(x) 
von F(z) ist eine über jedes in A enthaltene Intervall summierbare Funk- 
tion, für welche die Funktion F(x)'ein unbestimmtes Integral ist. 


Dagegen braucht, wie wir später sehen werden ($ 506), eine Funk- 
tion F(z), deren Hauptderivierten summierbar sind, nicht immer total- 
"stetig zu sein. 

Wenn zwei Funktionen f(x) und /,(x) über dasselbe lineare Ge- 
‚biet A summierbar sind und ein gemeinsames unbestimmtes Integral 
F(x) besitzen, so sind die Funktionen /,(x) und f,(z), die in A mit 


Osrath&odory, Reelle Funktionen. 35 


546 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen | S 486 














den gegebenen zusammenfallen und in der Komplementärmenge von 4 
verschwinden, über die ganze x-Achse summierbar und man hat all- 
gemein 


(1) | N Fı(a) da = fir (0) dr. 
Die additiven en Merzäitinktigien 
Mo-fTada, He) —,ffre)da 


besitzen dann wegen (1) dieselben mittleren Derivierten und sind 
daher nach dem Satze 4 des $ 439 einander gleich. Hieraus folgt aber 
nach dem Satze 1 des $ 424 die Äquivalenz der beiden Funktionen 
F (x) und f,(x) und daher auch die Äquivalenz von fı(2) und fs(z). 

Satz 3. Zwei über dasselbe lineare Gebiet A summierbare Funk- 
tionen f(x) und f,(x), die ein gemeinsames unbestimmtes Integral F'(x) 
besitzen, sind äquivalent. 

Der spezielle Fall dieses Satzes, in dem die eine der beiden Funk- 
tionen f,(x) und f(x) verschwindet, läßt sich folgendermaßen aus- 
sprechen: | 

Satz 4. Eine summierbare Funktion f(x), die ein konstantes unle- 
stimmies Inteyral F(x) = c besitzt, verschwindet in einem maßgleichen 
Kern ihres Definitionsbereiches. 


| Aus der Gleichung 
Fa@)=c+ 1 DF() da 


folgt | ferner, wenn man die ara Funktion DF(x) als Differenz 
von zwei nicht negativen summierbaren Funktionen darstellt ($ 391), 
folgendes Anlogon des Satzes 7 des $ 441: 

Satz 5. Jede totalstetige Funktion F(x) kann als Differenz von zwei 
monolon wachsenden totalstetigen Funktivnen dargestellt werden. 


Man bemerke, daß dieses Resultat zwar teilweise, aber nicht in 
seinem vollen Umfange aus der Vergleichung des Satzes 3 des 8 400 
mit dem Satze 9 des $ 181 hergeleitet werden kann. 


486. Es ist bequem, jeder totalstetigen Funktion eine eindeutig 


bestimmte endliche Funktion (x) zuzuordnen, deren unbestimmtes 
Integral F(x) ist. Wir wollen diese Funktion die Ableitung von F\z) 
nennen und sie folgendermaßen definieren: 





$ 487 Einfache Integrale und totalstetige Funktionen 547 








m nn 


Definition. Unter Ableitung einer totalstetigen Funk- 


tion F(z) verstehen wir die endliche Funktion F(z), die in 
allen Punkten, in denen Fz) differentiierbar ist und die 
Derivierte DF(x) endlich ist, gleich der Derivierten von F(z) 
ist, und die in allen übrigen Punkten des Definitionsbe- 
reiches von F(z) verschwindet.*) 


Ist e, die Nullmenge, in welcher z. B. die obere rechte Derivierte 
D,F‘x) unendlich ist und e, die Nullmenge, auf welcher F(z) nicht 
differentiierbar ist, so ist in jedem Punkte der Nullmenge (e, +e,) die 
Ableitung F(x) nach ihrer Definition gleich Null und in jedem Punkte 
von A— (&+e,) ist 

D,F(x) = Fe); 


diese beiden Funktionen sind äquivalent und es ist also stets, wie wir 
es haben wollten, 


F(iz,)— Fia)= fi E@) dx. 


487. :Wendet man den Satz 5 des $ 394 auf die Ableitungen f(z) 
und 9(x) von zwei totalstetigen Funktionen f(x) und g(x) an, so folgt, 
daß für alle Zahlenpaare (A,,A,) die Funktion (A,f(z)+4,g(2)) eben- 
falls totalstetig ist, und daß stets die Gleichung 


(A,fto) + A290) = A flo) + As9(&o) +f Auf + Aga))dar 


bestehen muß. 

Insbesondere ist die Summe und die Differenz von zwei im 
gleichen Intervall definierten totalstetigen Funktionen von x ebenfalls 
totalstetig. 

Mit Hilfe der Definition der Totalstetigkeit, die wir im $ 460 ge- 
geben haben, sieht nıan, daB der absolute Betrag einer totalstetigen 
Funktion f(x) ebenfalls totalstetig ist. Für jedes Intervall 


6b: a <zr<ß 


ist nämlich 
NEIN SIIA-A)- 


*) Nach unserer Definition ist die Ableitung F'(x) keineswegs immer eine 
Derivierte der tutalstetigen Funktion Fıx). Nur für differentiierbare Funktionen, 
die in jedem Punkte ihres Definitionsber-iches eine endliche Derivierte besitzen, 


fallen die beiden Begriffe notwendig zusammen. 
36” 


548 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 488 


— on nn En nn pr rennt AT en 0 0 m nn Sets Pe, 


Sind also 





I: <e<Pß, - (k=1,2,..., #) 
Intervalle ohne gemeinsame Punkte, deren Gesamtlänge die Zahl A 
nicht überschreitet, und bezeichnet man mit r(A) die A-Variation der 
Funktion f(x), so ist 


FELONERG 


und folglich die A-Variation von |f(z)| ebenfalls nicht größer als (A). 
Die Nullvariation von |f(z)| ist also gleich Null, womit unsere Behaup- 
tung bewiesen ist. 


488. Zwei Funktionen f(x) und g(x), die im Intervalle 


(1) a<ı<b | 
totalstetig sind, sind nach dem Satze 3 des. $ 460 beschränkte Funk- 
tionen und man kann eine endliche Zahl @ finden, so daß für alle 
Punkte von (1) die Bedingungen 

Talse, y@ise 


gelten. Bezeichnet man mit u(x) das Produkt der beiden Funktionen 


f(«) und 9(z) 
u(2) = fla)9@), 
so ist für jedes Teilintervall 
6: e<zs<Pß 


ud) — le) = FB) — g@)) + gla)(FR) Aa) 


(A) ua) S RL) Fa)| + Is) —gla)lt. 

Bezeichnet man daher mit (A), r,(A) und r,(A) die A-Variationen 
von u(z), f(x) und g(x), so folgt hieraus, wenn man ebenso wie im 
vorigen Paragraphen verfährt, 


z(A) < G(t,(M+T,(M)); 


wegen der Totalstetigkeit von f(x) und g(x) muß also die Nullvariation 
von u(x) verschwinden und infolgedessen diese Funktion ebenfalls 
totalstetig sein. 

Nach dem $ 469 ist in jedem Punkte, in welchem f(x) und g(x) 
differentiierbar sind und eine endliche Derivierte besitzen, die Funk- 
tion u(z) ebenfalls differentiierbar und es gilt die Formel 


2) Du(a) = @)@) + @ fa). 


$ 489 Einfache Integrale und totalstetige Funktionen 549 


T— ——— ni | — nn 














m —— 


Da nun die Punkte, in denen f(z) und g(z) beide differentiierbar sind 
und eine endliche Derivierte besitzen, einen maßgleichen Kern des 
Intervalls (1) bilden, ist die Funktion 


f(@)I(«) + ge) fe) 


in diesem Intervalle einer beliebigen Hauptderivierten von «(z) äqui- 
valent und für jedes Punktepaar z,, 2,, das in (1) enthalten ist, gilt 
die Gleichung: 


an. 
(8) “() — ul) = | (sa) + garten) az. 
= 


Satz 6. Das Produkt von swei im Intervalle a < x <_b totalstetigen 
Funktionen ist eine in diesem Intervalle tolalstelige Funktion, die einem 
unbestimmten Integral des Ausdrucks 

BR f(@) (2) + g(e)f(e) 
gleich ist. 


489. Aus der Gleichung (3) des vorigen Paragraphen entnimmt 
man eine Formel, die als „partielle Integration“ bekannt ist und sehr 
oft gebraucht wird. Diese Gleichung läßt sich nämlich schreiben: 


(1) Sr) se) dr - N) ala) -Fa)sa)) - S sa) fa) dr. 


Sei also /(z) eine im Intervalle a < x < 5 totalstetige (und daher be- 
schränkte) und (x) eine über dieses Intervall summierbare, endliche 
Funktion. Das Integral 


. [fa)p(e)dz 


hat einen Sinn ($ 398, Satz 12). Setzt man nun 


(2) g(z) = ec +/ $(@) dx, 


wobei c eine beliebige Konstante bedeutet, so ist 9(z) eine zu »(z) 
äquivalente Funktion und daher gilt wegen (1) der 


Satz 7. Ist f(x) eine im Intervalle a < x < b totalstetige und p(x) 
eine über dieses Intervall summierbare endliche Funktion, so gilt für je 
zwei Punkte z,, x, des gegebenen Intervalls die Gleichung 


550 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 490. 491 





OBe LOLCLLEITOSFI ICE EN IOHOLD 
in der die Funktion 9(x) OR unbestimmtes Integral von p(x) 
bedeutet. 


490. Es sei g(x) eine im Intervalle a <z <b totalstetige Funk- 
tion und in jedem Punkte dieses Intervalls sei die Bedingung 


(1) s@)l2#>0 
erfüllt. Für je zwei Punkte « und ß dieses Intervalls ist dann 











1 |_ MW - HM —gw| 
0) ge) sg = 9 
woraus man ohne Mühe wie früher schließt, daß die Funktion 
1 
9“) 


im Intervalle a <x<b totalstetig ist. Nach dem $ 483 folgt also 
unter denselben Voraussetzungen für f(x) wie dort, daß die Funktion 
f(&) 

2) 9%) 
auch totalstetig ist. In jedem Punkte, in dem f(x) und y(x) beide 
differentiierbar sind und eine endliche Derivierte besitzen, ist ferner 
(8 469) die Funktion (2) differentiierbar und ihre Derivierte hat den 

Wert j 
gar — FI). 
g’R) 
Da die letzten Voraussetzungen aber in einem maßgleichen Kern von 
a<x<b erfüllt sind, gilt außerdem noch die Formel 


m) a et g’@) 





fe) _ fe) _ (oe) — tee) 5, 


491. Wir betrachten jetzt Funktionen mit beschränkten Diffe- 
renzenquotienten, d.h. solche; die die Eigenschaft haben, daß für je 
zwei Punkte x, und x, des Intervalls 


a<xi<b 
die Beziehung 
fa fa)ıc 
I 0% = 





besteht. Aus 
fay-fa)lsel®— | 


g 492 Einfache Integrale und totalstetige Funktionen 551 


un nn mm m ne m 


folgt dann sofort, daß, wenn man mit z(A) die 1-Variation v. von n fix) im 
gegebenen Intervall bezeichnet, 


TA)<@G-ä 
ist, so daß f(x) totalstetig sein muß. 


Satz 8. Jede Funktion, deren Differenzenqwotienten für alle Punkte- 
paare eines Inlervalls beschrünkt sind, ist totalslelig in diesem Intervall. 


Ferner bemerken wir, daß, wenn f(z) im abgeschlossenen Intervall 
a<xz<b definiert, endlich und stetig ist, die oberen und unteren 
Grenzen L und I der Differenzenquotienten dieser Funktion innerhalb 
des offenen Intervalls a <x<.b und der Differenzenquotienten von f(x) 
innerhalb des abgeschlossenen Intervalls a < x < b dieselben sind. Mit 
Hilfe des Satzes 5 des $ 476 kann man also behaupten: 


Satz 9. Dafür, daß eine endliche, steige Funktion f(x) im Intervalle 
a<xr<b beschränkte Differenzenguotienten besitze, ist notwendig und 
hinreichend, daß eine beliebige unt:r ihren rechten (oder linken) Derivierten 
im offenen Intervalle a< x < b beschränkt ser. 


492. Der Satz 8 d-s vorigen Paragraphen läßt sich nicht umkehren, 
denn sonst würden alle totalstetigen Funktionen beschränkte Derivierte 
besitzen, was offenbar nicht der Fall ist. Man kann sogar totalstetige 
Funktionen leicht angeben, die überall differentiierbar sınd und in ge- 
wissen Punkten die Derivierte + oo besitzen, z. B. die Funktion, die 
durch die Gleichungen 


()=0 und f(x) - Fe Viel für z+0 
definiert ist (vgl. $ 494). 
Die Punktmenge A, in welcher eine im Intervalle « <xr<-b total- 


stetige Funktion differentiierbar ist und die Derivierte + oo besitzt, ist 
aber stets eine Nullmenge. Denn A ist eine Teilmenge von 


M{D,f=+%) 
und die letzte Punktmenge ist wegen der Summierbarkeit von D, f schon 
selbst eine Nullmenge. 

Ist nun A eine beliebige Nullmenge, die im Intervalle a <r<b 
enthalten ist, so kaın man, wie wir jetzt zeigen wollen, totalstetige und 
monoton wachsende Funktionen f(x) finden, die in jedem Pankte von A 
differentiierbar sind und dort die Ableitung + oo besitzen. 

Es seien 


U, D,, Q;. 


552° Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen. 8 492 : 








Umgebungen von A; deren Inhalte den Se 
(1) mU,< 5 (p=1,2,...) 


genügen, und 9,(2) Funktionen, die in der offenen Punktmenge U, den 
Wert Eins und in der abgeschlossenen Komplementärmenge von U, den 
Wert; N ull besitzen. Ferner setzen wir 


2) EDITH) +PRR) +: +9) 
und Ä ! 
(8) ha) = Sud. 


Die nichtnegativen Funktionen y,(x) sind in jedem Punkte von A stetig 
und besitzen dort den Wert k; also sind die monoton wachsenden Funk- 
tionen f,(x) in jedem Punkte von A differentiierbar und ihre Derivierte 
in diesem Punkte ist gleich k ($ 452, Satz 3). Ferner ist für jedes 9» 
und für jedes x > a nach (1) 


x 


FARERE 0,<h, 


a 


und folglich nach @) und (3) 


(4) Kazı. 
Da die Folge der »,(x) monoton wachsend ist 
VA)<SHAM)<SUR)S-- 


und ihre Integrale (8) sämtlich unterhalb Eins liegen, ist die Grenz- 
funktion Ä 


ua) — lim 4u(2) 
über das Intervall a<x<b summierbar ($ 383, Satz 4) und die Funktion 
f(@) = J via)ar 


totalstetig. Setzt man nun 
| fa) he) tn); 
so ıst 


na) = | (u) - va) de, 


also r,(x) gleich dem Integral über eine nichtnegative Funktion und 


5 493 Einfache Integrale und totalstetige Funktionen 553 


BEE EEE EEE GREEN EEE, 





daher monoton wachsend. Hieraus folgt aber für jeden inneren Punkt x 
des betrachteten Intervalls 
D,f@)>D,fie) und D_f(@)>D_fı(e) 

und insbesondere für jeden Punkt von A 
(6) D,f@)>k und D_f@)>k. 
Da aber hierbei % eine beliebige natürliche Zahl bedeutet, ist in jedem 
Punkte von A die Funktion f(x) differentiierbar und f'(z) = 

Satz 10. Es gibt monoton wachsende totalstetige Funktionen f(x), die 
‚in emer beliebig vorgeschriebenen Nullmenge A differentiierbar sind und 

dort die Derivierte + oo besitzen. 

493. Durch die Konstruktion des letzten Paragraphen erhält man 

sehr bemerkenswerte Funktionen, wenn man von der Nullmenge A 


voraussetzt, daß sie auf dem gegebenen Intervall a <xr<b überall dicht 
liegt. Setzt man nämlich 





= UL,...U,, 


so ist V, eine offene Punktmenge, welche die überall dichte Punkt- 
menge A enthält und daher selbst überall dicht ist. Der Durchschnitt 
von V, mit irgendeinem Teilintervalle ö des Definitionsbereiches a <r<b 
ist also eine nicht leere Punktmenge, die, weil sie offen ist, keine Null- 
menge sein kann. Nun ist aber in jedem Punkte von V, die Funktion 
(2) differentiierbar und ihre Derivierte gleich k, so daß in einem 
solchen Punkte die Bedingungen (5) des vorigen Paragraphen erfüllt 
sind. Bezeichnet man also mit « eine beliebige positive Zahl und mit e, 
den Durchschnitt der beiden Punktmengen 


M(D,f>«) und M(D_f>e«), 
so ist die Punktmenge e, nicht nur überall dicht im Definitionsbereich 
der Funktion, sondern es ist vielmehr auch 
me, 6 +0 


für jedes Teilintervall ö dieses Definitionsbereiches. Bezeichnet man in 
analoger Weise mit e,„ die Punkte, in denen f(x) differentiierbar und 
Df(x) = + oo ist, so ist nach dem Obigen der Durchschnitt 


VII <eu 


Anderseits enthält die Punktmenge ö - V,V,V,... eine in sich dichte 
Teilmenge, nämlich Ad; nach dem Satze 1 des $ 81 muß also e,.„Öd eine 
perfekte Punktmenge enthalten und dies selbst, wenn A abzählbar 
war. Man bemerke, daß dieses Resultat aus dem $ 473 nicht gefolgert 


254 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 494 


werden kann. Aus den dortigen Überlegungen folgt nämlich wohl, daß 
die Punktmenge M(D,f=-+ oo) perfekte Teilmengen enthält, nicht 
aber, daß dasselbe auch für M(D,f=+ oo) der Fall sein muß. 


494. Sind f(u) und u=9g(x) zwei totalstetige Funktionen, so 
kann die Funktion f(p(x)) in einem gewissen abgeschlossenen Intervall 
der x-Achse definiert sein, ohne dort totalstetig zu sein. 

Wir definieren z. B. p(x) folgendermaßen: jedes Intervall 


1 1 
Ö,: aer<an 


der Folge 
Ö,, 0,, Os, - - - 


teilen wir in 2* gleiche Teile durch (2?—1) Teilungspunkte und in 
jedem dieser Teilungspunkte schreiben wir für die Funktion p(x) ab- 
wechselnd die Werte 


AN z und 0 
2 
' Fr) 7 Pi N vor. In den Endpunkten der In- 
07 8 : tervalle d, und im Punkte x — 0 
q 2 2 


soll außerdem p(x) verschwinden 
und zwischen zwei aufeinander 
folgenden Punkten, in denen ihre Werte vorgeschrieben sind, linear 
sein. Die totale Variation der Funktion in einem Intervalle ö, ist dann 
nach dem Obigen 


Fig. 38. 


und die totale Variation von @(x) im Intervalle O<z<1 ist gleich 
1,1 
starte —l. 


Im Intervalle O<x<1 ist also p(z) von beschränkter Variation; 
in jedem Intervalle &<x<1 ist für jede positive Zahl E<1 die Funk- 
tion p(x) totalstetig, weil sie dort beschränkte Derivierten besitzt. Nach 
dem Satze 4 des $ 460 ist also p(x) totalstetig im Intervalle O<r<i1. 

Die Funktion f(u) sei nun für nichtnegative u durch die Bedin- 
gungen 

f0)=0, fwW=Yu für u>0 | 
definiert; diese Funktion ist im Intervalle O<u<1 monoton wachsend 


und beschränkt, also von beschränkter Variation und in jedem Inter- 
valle h<u<i1 ist sie für jede positive Zahl A<1 totalstetig, weil ihre 


8.495 Einfache Integrale und totalstetige Funktionen 555 





Derivierten dort beschränkt sind. Die Funktion f(u) ist also ebenfalls 
im Intervalle 0 <u< 1 totalstetig. 
Nun nimmt aber die Funktion f(p(x)) in den (2?—1) Teilungs- 
punkten von ö, abwechselnd die Werte 
1 
an; da sie zwischen zwei aufeinander folgenden dieser Teilungspunkte 
monoton verläuft, so ist ihre totale Variation ın d, gleich 


or, 1 
2 2 1: 


Da es unendlich viele 8, gibt, kann sie nicht von beschränkter Variation 
im Intervalle O<Sr<1 sein und ist daher auch nicht totalstetig in 
diesem Intervalle. 


‘495. Es gibt nun zwei wichtige Fälle, in denen man von vorn- 
herein behaupten kann, das f(p(r)) totalstetig ist. 

Wir nehmen zunächst an, daß, wenn der Punkt x im Intervalle 
a<rsob liegt, die Funktion p(r) den Bedingungen 


(1) a <p(e)<sb, 
genügt, und daß für u Punktepaare («,, ß,) des Intervalls a4 <u<sd, 
die Relation 

fB)- fe) y 
”) Ph —a = 2 
besteht. Sind dann « und ß irgendzwei Punkte des Intervalls a <r<b, 
so folgt aus unseren Voraussetzungen, daß 


(3) Ifp(B) —f(ple))! S Nip(ß)— Y(e) 


ist. Bezeichnet man also mit (A) die A-Variation von @(z) und mit 
t,(4) die A-Variation von f(p(z)), so folgt aus (3) 


(4) wa) SN- TA). 


Da nach Voraussetzung (0) =0 ist, muß also auch ı,(0) = 
sein, d.h. die Funktion f(p(x)) muß totalstetig sein. 


Satz 11. Es sei p(x) im Intervalle a <r <b totalstetig und f(u) eine 
Funktion, die im Intervall a, <w< b,, das bei der Abbildung u = p(x) 
dem Definitionsbereiche von p(x) entspricht, beschränkte Differenzenquo- 
tienten besitzt; dann ist die Funktion f(p(x)) ebenfalls totalstetig im Inter- 
volle ası<sb. 


356 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen | 8 496 





Zweitens nehmen wir an, daß g(z) im Intervalle a <x <> nicht 
nur totalstetig ist, sondern auch monoton. Sind dann 


(5) 00 (d,: 0, <z<Pß,) 


irgendwelche Teilintervalle dieses Definitionsbereichs ohne gemeinsame 
Punkte, so werden sie durch die Abbildung | 


(6) “= 9(a) 
in getrennt Hegenae Teilintervalle 
(7) ö,, ö,, eg Ö, (d,: , <u<Pß,) 


der «-Achse in gleicher oder geringerer Anzahl abgebildet, wenn wir 
“ erstens von denjenigen Intervallen (5) absehen, die auf einen Punkt und 
zweitens von denjenigen Punkten der übrigen Intervalle (5), die auf 
einen der Punkte «a, oder ß, abgebildet werden. Ist nun die Gesamtlänge 
der Intervalle (5) nicht größer als A und z(A) die A-Variation der Funk- 
tion @(z), so ist die Gesamtlänge der Intervalle (7) nicht größer als z(A). 

Bezeichnet man jetzt mit r’(A) die A-Variation der Funktion f(w) 
und mit ,(A) die A-Variation der Funktion f(p(x)), so ist die Zahl, die 
man erhält, wenn man die Ausdrücke 


SIEB) -o@))| = Sif@) Br) 
bildet, nicht größer als v’(r(A)) und daher ist auch 
t(A) <t(r(A)). 


Läßt man A gegen Null konvergieren, so konvergieren (A) und z’(r(A)) 
ebenfalls gegen Null, woraus dann folgt, daß f(p(z)) totalstetig ist. 


Satz 12. Ist f(u) eine totalstelige und p(x) eine totalstetige und außer- 
dem noch monvtone Funktion, so ist die Funktion f(p(z)) in jedem abge- 
schlossenen Intervalle, in welchem sie definiert ist, ebenfalls totalstelig. 


Die Substitutionstheorie der einfachen Integrale. 
496. Es sei F(x) eine Funktion, die im Intervalle 
(1) I: a<x<sb 


beschränkte Differenzenquotienten besitzt; ferner sei x = p(f) 
im Intervalle _ 
(2) J: W<St<T 


totalstetig und in jedem Punkte dieses letzten Intervalles sei 


a<ypl)sb. 


$ 496 Die  Bubstitutionstheorie der einfachen Integrale 557 





Nach dem Satze 11 des vorigen Paragraphen | ist dann die Funktion 
(3) Pl) FipW) 


totalstetig im abgeschlossenen Intervalle (2). Sind also , und #, zwei 
beliebige Punkte dieses Intervalls und setzt man 


= pl), 3= Ph), 
F(2,) — F(z,) = ®(t,) — Dt) 


je 
- [Docyat, 
ı 


wobei D&(t) irgendeine Derivierte von @(t) bedeutet. 

Es sei tein beliebiger Punkt der Teilmenge e, des Intervalls (1, <t<{t,), 
in welcher die totalstetige Funktion „(£) differentiierbar ist und eine 
endliche Derivierte besitzt. Da die Derivierten DF(x) von F(z) im ent- 
sprechenden Punkte z = p(f) alle«beschränkt sind, gibt es nach dem 
Satze 7 des $ 471 mindestens eine unter ihnen, für welche 


Dö(t)= DF(p) - Dp(t) 


ist oder, wenn man wieder mit p(f) die Ableitung von Y(t) bezeichnet 


(8 486), 

(5) Do() = DF(90) 9) 

ist. In jedem Punkte der Komplementärmenge von e, ist p(t) = 0; für 
jede beliebige Derivierte von F'(z) im entsprechenden Punkte x = ) 
ist dann auch 

(6) DF(pO)S() — 0." 

Da ferner e, ein maßgleicher Kern des Integrationsintervalls ist, kann 
man nach (5) und (6) die Gleichung (4) durch 


so ist nach (3) 


4) | 


br 
() F(2,) — F(z) = [| DF(9&)- H(ddt 


ersetzen. Hierbei bedeutet aber D Fig) eine Derivierte von F(x) im 
Punkte z = p(t), die durch den sehr komplizierten Prozeß des $ 471 
bestimmt wird, und es ist von vornherein nicht sicher, daß, wenn man 
DF«(x) durch eine auf der x- Achse äquivalente endliche Funktion f(x) 
ersetzt, die Funktionen DF(p(t)) - P(t) und f(p(t)) Yp(t) als Funktionen 
von t einander äquivalent sind. Wir werden nun zeigen, daß dem so ist 
und dieses Kesultat, das man de la Vallee Poussin verdankt, ist 
umso überraschender, als die beiden Funktionen DF(g(h) und f(p(d) 


558 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 497 








als Funktionen von ? durchaus nicht äquivalent zu sein brauchen, und 
sogar die Funktion f(g(f)) gar nicht meßbar zu sein braucht, selbst 
wenn p(f) monoton ist ($ 351). 


497. Es sei also f(x) eine beschränkte Funktion, die einer Deri- 
vierten D.F(x) von F'(x) äquivalent ist; man hat dann für jeden Punkt z 
unseres abgeschlossenen Intervalls I 


() F(@) — Fa) = [-fa)dz, 


wobei x, einen beliebigen festen Punkt desselben Intervalls bedeutet. 
Ist nun erstens die Funktion f(x) stetig, so ist (x) überall diffe- 

rentiierbar und man hat ($ 452, Satz 3) für jeden in Betracht kom- 

menden Punkt x unseres Intervalls und für jede Derivierte von F'(x) 


DF() = flo); 
man kann also die Gleichung (7) des letzten Paragraphen durch. 


9)  F@)-Fa)-[foo)oWai 


ersetzen. 
Nun sei zweitens die Funktion f(x) von der ersten Baireschen 
Klasse (8 362); da man nach Voraussetzung 


(3) If@)|<M 


schreiben kann, gibt es nach dem Satze 5 des $ 364 eine Folge von | 
stetigen Funktionen f,(6r), die den Bedingungen 


@) lim f,(2) = fla), 
(6) Kal <M &=1,2,...) 
zugleich genügen. Setzt man also 

F,(@) = Fa) + | 1x@) dx, 
so ist nach dem Vorigen 


(6) F,(&) — Fı(&) - [ho6) p(i)dt. 


Nun wenden wir den Satz 16 des 8402 an; es ist erstens wegen (5) 


@ lim F,(a) = Fix) + [im f.@) de = Fa) 


6 497 Die Substitutionstheorie der einfachen Integrale 569 
und zweitens, weil für jeden Wert von k 


PO) <ME)| 
ist und die rechte Seite dieser Ungleichheit summierbar ist, nach (6) 








e 3 
8 lim (Fa) — Fa) -/ lim f,(P) p(t) dt -/ Kpi&o(t)dt. 
k=o A kmo th, 


Der Vergleich von (7) und (8) führt dann wieder auf die Gleichung (2). 
Dieselbe Schlußweise zeigt, daß die Gleichung (2) richtig bleibt, wenn 
die Funktion f(x) von der zweiten Bairexchen Klasse ist. 

Endlich sei f(x) eine beliebige meßbare Funktion, für welche die 
Relation (3) gilt; es gibt dann zwei zueinander und zu f(x) äyuivalente 
Funktionen »(z) und 7(zx) von der zweiten Klasse, die den Bedingungen 
genügen ($ 369, Satz 6) 
(9) | v2) Sf) Ss Plz), 

(10) r@ISH, IP) SM. 


Man kann also schreiben 
F(x) — F(r,) - (va) dx - (wie) dx 


und, nach dem Obigen, weil die Funktionen Y(z) und #(xz) von der 
zweiten Klasse sind, 


; s 
Fi) — Fa) = [ v0) 5 Wat = [ PlpW) (hat. 


Da nun die Punkte t, und i, ganz beliebige Punkte des abgeschlossenen 
Intervalls (2) waren, folgt aus der letzten Gleichung nach dem Satze 3 
des $ 485 die Äquivalenz der beiden Funktionen Y(Y(i))Yp(t) und 
P(opli))p(t). Die Punktmenge, in welcher diese beiden Funktionen 
voneinander verschieden sind, wird aus den Punkten gebildet, in denen 
YyH)FTlpM) ist und zugleich y(f)++O ist. Dies sind aber 
anderseits wegen (9) die einzigen Punkte, in welchen % p(f))p(£) 
und f(Y(d)Yp(f) voneinander verschieden sein können. Diese letzten 
Funktionen sind also auch äquivalent und die Gleichung (2) ist wie- 
derum erfüllt. Wir haben also den 


Satz 1. Es sei f(x) eine beschränkte summierbare Funktion und 


F(@) - Fa) = [ fla)az, 


560 __ Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8498 


De ten — 





für alle x, die im Intervalle ası sb liegen; ferner sei x = pi) eine 
beliebige totalstetige Funktion und es sei im Intervalle t, St < 7 


a<ypl)sb. 


Dann ist, wenn t, und t, zwei beliebige Punkte des letsten Intervalls 
bedeuten, 


Ft) - Fo&)—[ 19 H)Elddt. 


498. Aus dem letzten Satz kann man eine sehr merkwürdige Eigen- 
‚schaft der totalstetigen Funktionen entnehmen. Es sei e, eine Punktmenge 
des abgeschlossenen Intervalls 4, <t<T, die durch die totalstetige Funk- 
tion = p(t) auf eine Nullmenge «, ‚diei im Intervalle a<r<b liegt, 
abgebildet wird. Da einem Punkte x "des letzten Intervalles unendlich 
viele Punkte und sogar ganze Intervalle auf der ?-Achse entsprechen 
können, braucht natürlich die Punktmenge e, keine Nullmenge zu sein. 
Sıe braucht nicht einmal meßbar zu sein, weil das Bild einer nicht meB- 
baren Teilmenge von e, ($ 334, Satz 3) ebenfalls eine Nullmenge ist. 

Wir wählen jetzt, indem wir die Bezeichnungen des vorigen Para- 
graphen beibehalten, für f(x) eine Funktion, die in allen Punkten der 
Nullmenge e, gleich Eins ist, und die sonst verschwindet. Die Funk- 
‚tion f(x) ist beschränkt, summierbar und man hat Ä 


(re) de=0 


Es muß also auch nach dem letzten Satze für jedes Punktepaar t,; t, 
innerhalb ,<t<T | 


f (pO)oWdi= 


sein und hieraus folgt, daß die Funktion f(p(d))p(?) in allen Punkten 
‘von  <SEST außer höchstens in einer Nullmenge verschwinden muß. 

Wir bezeichnen mit e, diejenige Teilmenge von e,, in welcher 
‘p(t) +0 ist. In jedem Punkte von e, ist auch f(p(d)) und daher auch 
f(pd)Y(t) von Null verschieden; die Punktmenge e, muß also eine 
Nullmenge sein. Da ferner die Punktmenge, in der p(t) nicht differen- 
tiierbar ist oder lauter unendliche Derivierten besitzt, ebenfalls eine 
Nullmenge ist, haben wir den 


Satz 2. Ist die Funktin x = pit) im abgeschlossenen Intervalle 
i, StST totalstelig und ist e, eine beliebige Teilmenge dieses Intervalls, 





gebildet wird, so ist die Teilmenge von e,, auf welcher p(t) mindestens 
eine von Null verschiedene Derivierte besitst, ebenfalls eine Nullmenge. 

499. Zum Schluß wollen wir untersuchen, was aus unserem ersten 
Satze wird, wenn wir die Voraussetzung, daß die Differenzenquotienten 
der Funktion F(z) im Intervalle a <x<b beschränkt sind, fallen lassen. 
Wir setzen jetzt von dieser Funktion nur noch voraus, daß sie total- 
stetig ist; sie ist dann gleich einem unbestimmten Integral einer ge- 
gebenen endlichen summierbaren Funktion f(x) und wir haben die 
Gleichung 


(1) F(x) — F(z,) = J f(x) dx. 
Mit f,(x) bezeichnen wir eine beschränkte Funktion, die folgendermaßen 


definiert ist: 
f(a)=fe) uf M(fis@), 
(2) f.(@) -n ” M(f> n), 
u f.(&) =-oN „ M(f<—n). 
Setzen wir dann 
(8) F,(@) = Fin) + [I oddr, 


so haben die Funktionen der Folge F, (x), Fy(x), ... lauter beschränkte 
Differenzenquotienten; ferner ist 


(a lim fu) =) und II <INE) 
für jeden Punkt des Intervalls I. Nach dem Satze 16 des $ 402 ist also 
(5) F(x) = lim F‚(e). 


Auf die Funktionen F'(z) können wir aber den Satz 1 des $ 497 an- 
wenden und schreiben: 


& Fa) - F,@) = [1.90) 99 at. 


Der Vergleich von (5) und (6) liefert uns endlich den 


. Satz 3. Es sei F(x) eine totalstetige Funktion, für welche im Inter- 
volle a<rz sb die Gleichung (1) gilt; ferner sei p(t) im Intervalle 
1, SE<T definiert und totalsletig und für die Punkte dieses letzten In- 
tervalles sei 

a<pl)<sb. 


Carath&odory, Beelle Funktionen. 36 


562 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 5 499 
Dann gilt stets die Gleichung 


@) Plot) — Fly) lim [1,0) Wat, 


in welcher die Funktionen f(x) durch die Gleichungen (2) definiert werden. 


Die Funktion 7’(y(t)) braucht, wie wir sahen ($ 494), nicht total- 
stetig zu sein; ist aber die nach Voraussetzung endliche Funktion 


fa) 
im Intervalle (, <t < T summierbar, so folgt aus 


(pP) pl) = lim fu(pR) PH) 
und aus der Tatsache, daß 


PO) FH| <|IPO) PH) 


ist, nach dem Satze 16 des & 402 die Möglichkeit der Vertauschung des 
Integrationsprozesses mit dem Grenzprozeß in (7) und man kann folg- 
lich schreiben: 


(8) F(p@)) — Flo) - [@O) Hat. 


Aus der Summierbarkeit von f(p()) p(t) folgt also nicht nur die Total- 
stetigkeit von ®(t) = F(p(d), sondern sogar die Gleichung (8). 

Es sei umgekehrt © (t) = F(gp(i)) totalstetig im Intervalle ,<t<s7'; 
dann ist sowohl die Ableitung ®(t) dieser Funktion als auch ihr abso- 
luter Betrag |®(t)| summierbar über dieses Intervall. Wir bezeichnen 
mit E, den maßgleichen Kern dieses Intervalls, in welchem sowohl 
®(t) als auch YLt) differentiierbar sind und endliche Derivierte besitzen. 
Ferner sei e, die Nullmenge innerhalb des Intervalls a <x<b, in 
welcher F\x) entweder nicht differentiierbar ist oder eine unendliche 
Derivierte besitzt und e.” sei die Nullmenge, in welcber f(x) + F(x) ist. 
Dann ist auch e,=e/ +,’ eine Nullmenge. Endlich sei e, die (meß- 
bare oder nicht meßbare) Teilmenge von E,, die durch die Funktion 
x=p(t) auf e, abgebildet wird. In jedem Punkte von (E,—e,) sind 
®(t) und p(t) differentiierbar und im entsprechenden Punkte = gY(f’) 
ist F'(x) differentiierbar und alle Derivierten dieser Funktionen sind 
endlich in den betrachteten Stellen; außerdem ist A(2)= f(x’). Für 
jeden Punkt von (E,—e,) ist daher ($ 471, Satz 8) 


0) d() = Flp@) Hl) = FlPW) HC). 








8 500 Monotone Funktionen 568 


Nach dem vorigen Paragraphen ist die Teilmenge e, von e,, auf welcher 
o(t) = O ist, eine Nullmenge; in allen Punkten von (e,—e,) ist also 
(10) Ko) yd) = 0. 

Die Gleichungen (9) und (10) zeigen, daß in allen Punkten von (E,— e,)), 
d.h. in einem maßgleichen Kern des Intervalls << T die Relation 


MEO)e@ISIOM) 
stattfindet, und da die Funktion f(p(f))p(t) als Grenze der Folge von 
meßbaren Funktionen f,(p(H) p(t) meßbar ist, so muß f[p(l))Y(t) sum- 
mierbar sein ($ 395, Satz 6 und $ 386, Satz 5). Nach dem Öbigen ist 
also auch die Gleichung (8) richtig. 

Satz 4. Für die Totulstetigkeit der Funktion F(p(0) im InfBroalle 
it, <St<ST ist unter denselben Vorausselisungen wie im vorigen Salze not- 
wendig und hinreichend, daß die sicher meßbare Funktion f(p(H) P(t) 
über dieses Intervall summierbar sei und es ıst dann stets 


ea 
F(p)) — Flp6)) = [IPO) HC) at. 


Hierbei kann natürlich f(x) durch eine beliebige, ihr äquivalente 
endliche Funktion, z. B. durch F(x), ersetzt werden: die Totalstetig- 
keit von F(gp(d)) bedingt also insbesondere die Summierbarkeit von 


F(p)$(t) und umgekehrt. Ebenso kann man $(f) durch eine be- 
liebige ihr äquivalente Funktion, also auch 2. B. durch eine beliebige 
Derivierte Do(t) von p(t) ersetzen. 


Monotone Funktionen. 

500. Wir wollen jetzt monotone Funktionen, die auch Unstetig- 
keiten besitzen können, bezüglich ihrer Differentiierbarkeit unter- 
suchen. Es ist klar, daß man sich hierbei auf monoton wachsende 
Funktionen beschränken kann. 

Die Funktionen f(x), die wir betrachten, sollen alle im abgeschlos- 
senen Intervalle 
(1) I: asızsb 
definiert und dort endlich sein; ist dann 
(2) 2, sısı 
irgendein Teilintervall von (1), so bezeichnen wir mit 


(8) ı(A),, 
36° 


564 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 500 





die A-Variation ($ 458) unserer Funktion f(x) im Intervalle (2) und 
setzen 
(4) v(2)= (0) für 2>a und v(a)=0; 


die Funktion v(x) ist monoton wachsend und nur dann konstant, wenn 
sie identisch Null, d.h. wenn f(x) in (1) totalstetig ist. 

Wir bezeichnen mit d eine Summe von endlich vielen Intervallen, 
die alle in (1) liegen und keine gemeinsamen Punkte besitzen, mit S(d) 
die der Funktion f(x) zugeordnete positive Intervallfunktion ($ 458), 
und betrachten zwei beliebige Punkte x, und x, von (1), für welche 
a<z, <a, ist. Nun sei Öd eine Intervallmenge, die n a<z<z, 
a a ist, und es sei 
(5) | mösia. 


Mit ö’ und 6” bezeichnen wir den Durchschnitt von Ö mit den Inter- 
vallen a<r <a, bzw. 2, <2<ay; dann ist, wegen der Additivität 
von (6) 

(6) $(8) = S(8’ +6") = 8(8’) + 8(6"). 


Nun ist nach Konstruktion 
| S)<rüa, SEN) <rÜä) 
und daher wegen (6) | 





S() <r(a)t + rar. 


Da diese letzte Bedingung für alle Intervallmengen ö gilt, diein a<2z<a, 
enthalten sind und die Bedingung (5) befriedigen, und da die obere 
Grenze aller entsprechenden $(6) gleich der Zahl r(A) ist, so hat man 
schließlich 

7) a [el + rl)”. 


Zweitens ist für alle Intervallmengen ö’ und 8”, die wir wieder in den 
Intervallen a<xz<za, und 2, <x=<a, wählen, aber jetzt den Be- 
dingungen 

mö’<iA und mö’<i 

unterwerfen, | 


5(9) +86") = SO +) <r(22),; 


hier kann man wieder die Zahlen $(6’) und S(6”) durch ihre oberen 
Grenzen für alle betrachteten Intervallmengen ersetzen und erhält 


(8) (21), Zei), +). 


8 501 Monotone Funktionen 565 


Der Vergleich von (7) und (8) liefert endlich, wenn man in diesen 
Relationen A gegen Null konvergieren läßt, 











(9) (0), = (0), + 0); 
oder nach (4) 
(10) :(0), = va) - lan), 


und diese letzte Gleichung bleibt richtig, wenn man z, = a setzt. Nun 
ist wegen der Monotonie von f(x) 


(0) S fa) — fla) 


a, = 


und daher wegen (10) 
f(z) - va) 2a) - vl)- 

Satz 1. Selst man 
(11) f@)=v(@) + Pla); 
so sind die beiden Summanden v(z) und (x) monoton wachsende 
Funktionen. 

501. Um nun die A-Variation der Funktion v(x), die wir ım In- 
tervalle 
(1) J: asıs$ 
durch | 

.,@). 

bezeichnen, zu untersuchen, führen wir die Intervallfunktion S,(6) ein, 
die der Funktion v(r) zugeordnet ist. Es sei ö’ eine aus endlich vielen 
Intervallen ohne gemeinsame Punkte bestehende Intervallmenge, die inJ 
enthalten ist, und d’” die Punktmenge, die aus den inneren Punkten 
von (J— 6’) besteht. 

Von 6’ setzen wir voraus, daß 
(2) md.<Si (A>0) 
ist; die Intervallmenge 6” besteht ebenfalls aus einer endlichen An- 
zahl p von Intervallen: 

| =dr+rdrt tt Hr, 
6,:, Se SP 

Wegen der Monotonie von v(x) kann man schreiben 
® 8,(8°) + 8,(8°) = 8,(6°+ 8”) = v(&) — v(a) = v(E). 
Ferner folgt aus der Gleichung (10) des vorigen Paragraphen, daß in 


566: Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 5 501 


ner A ae en - = Be en ee ee 


jedem der (abgeschlossenen) Intervalle ö, eine Intervallmenge : & existiert, 
für welche die beiden Bedingungen 


4 
maSTz) 


Br d<S@)+5  (k=1,2...,P) 


zugleich erfüllt sind. 
Summiert man diese letzten Ungleichheiten über % und setzt 


s=4t&8+t°' 785, 


so kommt 
(4) mei, 
(5) S(")<S(e) +. 


Nun ist aber 
S(e) = S(&+ 6”) — S(6’) 
und wegen (4) und (2) 


(6) $() <r(22), — 80). 
Anderseits ist nach (2) und (3) 
(7) v(&) = 8,(8) + 8,(6”)<r,()F + 8,(8”) 


und daher, wenn man die Relationen (5) und (6) berücksichtigt, 
OSTÄLHAHS)ST, ++ re, — 80) 


1,0, > v(£) — s(20; + 88) — A. 


Die letzte Relation gilt für alle Werte von S(ö’), wenn nur die Inter- 
vallmenge ö’ der Bedingung (2) genügt und bleibt bestehen, wenn man 


8(6”) durch seine obere Grenze (A), ersetzt; man kann daher schreiben: 
1,4 >v()— 2) +70) —A. 
Hieraus folgt wenn man A gegen Null konvergieren läßt, 


oder 


(8) 1,00, 2 v(); 
anderseits ist nach Definition für jeden Wert von A 
(9) 0, << ve) 


and der Vergleich von (8) und (9) zeigt, daß 
(10) (0, = 7,4, = v(E) 


8 502 Monotone Funktionen 567 








sein muß, woraus folgt, daß in jedem Intervall a<xr<E$ die 
1-Varistion der Funktion v($) eine von A unabhängige Kon- 
stante bedeutet. 

Die Funktionen, die in einem Intervall und dann in jedem belie- 
bigen Teilintervall dieses Intervalls diese Eigenschaft besitzen, wollen 
wir Funktionen von konstanter A-Variation nennen. 

Satz 2. Ist f(x) im Intervalle a < x Sb monoton wachsend, so ist 
die Funktion 

v(z) = ı(0), 


von konstanter A-Variation in jedem Teilintervall des Definitionsbereiches 
von f(x). 

502. Um nun auch die A-Variation der Funktion 

p(2) = f(x) — v(@) 

zu untersuchen, machen wir zunächst fulgende Überlegungen. 

Es sein f,(z) und f,(z) zwei endliche monoton wachsende Funk- 
tionen im Intervalle a < r SD und 
(1) f&) = fı@) + h(@) 
ihre Summe. Wir bezeichnen mit 7,(A),, z,(A),, r(A)) die A-Varia- 
tionen dieser drei Funktionen, mit $,(6), S,(d) und S(ö) die Intervall- 
funktionen, die ihnen zugeordnet sind. 

Es sei jetzt im Intervalle a<r<s$ eine beliebige Intervallmenge ö 
gegeben, die nur der einen Bedingung 
(2) mö<siı 
genügen soll; dann ist 

DSH), S)<ua), 

und folglich, weil stets 
int S(6) = S,(6) + 8, (6) 
ist, . 
(3) SG<UÜA: +). 


Da nun die letzte Bedingung für alle Intervallmengen 6 gilt, die der 
Relation (2) genügen, und die rechte Seite von (3) von der Wahl der 
Intervallmenge ö unabhängig ist, so ist auch 


(4) TA, Su), +. 
Zweitens können wir, nach beliebiger Vorgabe der positiven Zah- 


568 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8.608 

















len A, u, s, zwei Intervallmengen ö’ und Ö” innerhalb des Intervalles 
a<x<E bestimmen, die den Bedingungen 


(5) | mö'<i, mö”’<u, 
(6) Ss) >rA;—:, S(")>r(u) —e 


genügen. Setzen wir dann 








Ö = Ö 4 6", 

so ist ö wieder eine Intervallmenge, die aus endlich vielen Intervallen 
besteht, und für diese ist nach (5) 

| mö<A+u. 
Es ist also auch | j 
Ve SH=-S(N)+EÖ)<TÜArR): 

Anderseits aber ist, wenn man die Monotonie der Funktionen /,(x) und 
fs(2) berücksichtigt, 

(8) 5(d)>8,(6), &(6) > 808”), 
und der Vergleich von (8) mit (6) und (7) liefert: 


Tate, > nl +, — 28. 


“Die letzte Ungleichheit ist für jeden positiven Wert von & erfüllt und 
man hat daher 


(9) at Du, + (u). 


Läßt man endlich in (4) und (9) die positiven Zahlen A und u gegen 
Null konvergieren und vergleicht die Resultate, so kommt 


(10) (0, = 7,0, +70). 
503. Wir wenden das letzte Resultat auf die Zerlegung 
(1) fa) = v(a) + p(«) 
an, die wir im $ 500 angegeben haben; es kommt 
(2) :(0), = 1,(0); + 1,(0); . 
Nun.ist nach der Gleichung (10) des $ 501 
(0), =2(E) 


und folglich wegen der Definition von v(«) 
(3) T, (0): = (0 I; 


8 503 Monotone Funktionen 969 


Aus (2) und (3) folgt 





1, (0); = 0, 


woraus wir schließen, daß p(x) totalstetig ist ($ 460). 

Die Zerlegung einer monoton wachsenden Funktion in eine total- 
stetige Funktion und eine Funktion von konstanter A-Variation, die im 
Punkte z = a verschwindet, ist eindeutig, denn setzt man z B. 


f(2) = (2) + 9ı(@) 
mit den Bedingungen 
| v(a)=0, rl), 7,0, 0, 
so folgt aus der Gleichung (10) des vorigen Paragraphen: 
(0, = 7,00, 47,0, = vd 
und es ist daher 
v,(&)=v(i), 9) = fl) — vd) = YpE). 

Satz 3. Jede im Intervalle a <x<b definierte monoton wachsende 
Funktion f(x) kann auf eine und nur eine Weise als die Summe von swei 
monoton wachsenden Funktionen 
(4) f(2) = pe) + v(@) 
angesehen werden, von denen die erste tolalstetig st, und die zweite im 
Punkte x = a verschwindet und von konstunter A- Variation ist. 


Ist nun f(z) selbst von konstanter A-Variation, so ist 


(5) flz) — fla) = 1(@— a)! = 1(0)? = v(2) 
und daher p(z) gleich einer Konstanten: 
(6) 92) = fla); 


ist umgekehrt p(x) konstant, so ist die A-Variation von f(x) in jedem 
Intervall gleich der von v(x) und daher unabhängig von A. 

Ist zweitens f(x) totalstetig im Intervall a<xr<b, so ist für 
jeden Punkt x dieses Intervalls | 


v(z) = (0), = 0, 


also v(z) konstant gleich Null und diese Bedingung ist natürlich für 
die Totalstetigkeit von f(x) hinreichend. 


Satz 4. Dafür, daß die Funktion 
| f(@) = pe) + v(a) 
von konstanter A-Variation sei, ist notwendig und hinreichend, daß p(x) 


370 | Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen & 504. 5056 
konstant sei; für die Totalsteligkeit von f(x) ist dagegen notwendig und 
hinreichend, daß v(x) identisch verschwinde. 
504. Es seien 

f(&) = 98) + vılR); 

fs(&) = 9x) + 9(®) 
zwei monoton wachsende Funktionen und 

f(x) = p(z) + v(e) 
ihre Summe. Hierbei soll mit den früheren Bezeichnungen 
v(@)= (0), v@)=r (0, va) = 1,(0), 

sein. Aus der Gleichung (10) des $ 502 folgt dann einfach 


Ad) v(x) = v,(&) + v2(2) 
und es ist also auch 
(2) 9(2) = 9p,(2) + 92). 


Nun bemerke man, daß (wegen der Monotonie aller dieser Funk- 
tionen) die Funktion @ x) nach der Gleichung (2) nur dann konstant 
sein kann, wenn beide Funktionen p,(z) und g,(x) es sind, und daß 
v(x) nur dann identisch verschwinden kann, wenn dasselbe von u 
und »,(x) gilt. Hieraus folgt der 

Satz 5. Die Summe von zwei monoton wachsenden Funktionen ist 
dann und nur dann totalstetig, wenn beide Summanden selbst totalstetig 
sind. Sie ist dann und nur dann von konstanter I-Variation, wenn das- 
selbe von beiden Summanden gilt. 


505. Es sei f(x) eine monoton wachsende endliche Funktion im 
Intervalle a<x<b, deren obere rechte Derivierte D, fix) in einer 
Punktmenge E, von der wir voraussetzen, daß sie keine Nullmenge ist, 
nicht verschwindet. Da f(x) nicht notwendig stetig ist, wissen wir 
nicht, ob D, f(x) eine meßbare Funktion von x ist; setzen wir aber 


r 1 
E,= m(D,f> x) DB. 
so bilden die Punktmengen ZE,, E,, .... eine monotone Folge 


E<E<RB,<.--;,, 


die gegen E konvergiert, und es besteht daher zwischen den äußeren 
Inhalten der Punktmengen E, und E Jie Relation ($ 265, Satz =) 


m* E = lim m*E,. 
k=o 


8 505 Monotone Funktionen 571 


_ —— [nn — 





Nun ist nach Voraussetzung 


m’E>0 
und es gibt also mindestens eine Zahl k,, so daB 
(1) m*E, > 0 
ist; wir setzen zur Abkürzung 

1 

(2) e == E,» gm ı a 
Es sei nun 
{3) I: . << 


irgendein Intervall, dessen Endpunkte im abgeschlossenen Intervalle 


a<sr sb liegen. 
Ist dann & ein beliebiger Punkt von Je, so ist nach unserer 
Konstruktion 
D,f&)>: 


und man kann unendlich viele gegen Null konvergierende positive Zahlen 


Rh, Ay ha, 
finden, so daß 
&) i+h<a, und fErh)-fd>eh (k=1,2,..) 


ist. Wir können also nach dem Vitalischen Satze ($ 2%, Satz 3) ab- 
zählbar unendlich viele abgeschlossene Intervalle ohne gemeinsame 


Punkte | 
9.:,<a<ß, n=1,2,..) 


finden, die die ganze Punktmenge J.e mit Ausnahme von höchstens 
einer Nullmenge überdecken, und für welche 


rB)—-fi)>emö, 
Dee, 
fa) - 1) 2 I(f@)-f%,) 
(5) . | >e:Dms, 


>s::mÜ. 


Nun sei & eine maßgleiche Hülle von e; dann ist ($ 263, Satz 12) die 
Punktmenge Je eine maßgleiche Hülle von Je. Anderseits ist nach 
‘Konstruktion 


ist. Setzt man 


so ist 


m(eJ—eU) = 0 


572 Kap. X. ‚Funktionen einer Veränderlichen 8 506 
und folglich 





m*eJ = m*eU <mU. 


Also ist auch N 
meJ<mU 
und nach (5) 


(6) fx) - fa) 8: med. 


Bezeichnen wir mit Y(x) die meßbare Funktion, die in jedem Punkte 
von € gleich Eins und sonst gleich Null ist, und setzen 


p(a)=s/ Y(a)dz, 
so ist (x) totalstetig und monoton wachsend und außerdem ist 
(1) P(2) — Pla) = 8: mJe. 
Nach (6) ist also 
f(23) - fr) 2 Pla) — Pla) 


und daher, wenn man 
f(&) = p(a) + 2(@) 
setzt, die Funktion x(x) ebenfalls monoton wachsend. Nun ist aber die 
totalstetige Funktion (x) nicht konstant im Intervalle a <z<b, denn 
es ist wegen (7) 
pıb) — yla)=em&e=e-mte>0; 

die Funktion „(z) ist also nicht konstant und nach dem Satze 5 des 
‘vorigen Paragraphen kann f(x) nicht von konstanter A-Variation sein. 


Dieses Resultat läßt sich wörtlich auf die linke obere Derivierte 
D_f(x) übertragen und so erhalten wir den 


Satz 6. Eine Funktion f(x), die im Intervalle a<x< b monoton 
wächst und von konstanter A-Variation ist, ist in einem maßgleichen 
Kern des gegebenen Intervalls differentiierbar und ihre Derivierte ist 
dort Null. 


9806. Es sei jetzt f(x) wieder eine beliebige endliche, monotone 
Funktion im Intervalle a<xz<Db, für welche wir mit den früheren 
Bezeichnungen schreiben: 


f(x) = ple) +v@). 


Die Funktion p(x) ist als totalstetige Funktion in einem maß- 
gleichen Kern des gegebenen Intervalles differentiierbar; das gleiche. 
gilt nach dem letzten Satze von v(x). Es gibt also ($ 466, Satz 2) einen 


8 506 Monotone Funktionen 673 


maßgleichen Kern des Intervalls, in welchem f(z) differentiierbar ist, 
und die Derivierten f’(z), 9’(x), v’(x) unserer Funktionen genügen dort 


der Relation 
f)- Pa) rd) pe). 


Hieraus folgt, daß jede Derivierte Df(z) von f(x) der Ableitung 
p(z) von $(x) äquivalent ist, 


Df(«) = pt), 


und daher im gegebenen Intervall summierbar ist; ferner gilt die 
Formel 


(1) S Dr) dz = Ye) — (a). 


Dies hat insbesondere zur Folge, daß die Punkte, in denen eine der 
oberen Hauptderivierten D,f(x) und D_f(x) gleich + oo ist, eine 
Nullmenge bilden. 


Satz 7. Jede monoton wachsende endliche Funktion f(r) ist ın einem 
maßgleichen Kern ihres Definitionsbereiches differentiierbar. Die Deri- 
vierten dieser Funktion sind alle meßbar und einander äquivalent. Außer- 
dem sind sie summierbar über jedes Intervall, in welchem die Funktion 
definiert ist, und die Differens zwischen f(x) und einem ihrer unbestimmten 
Integrale ist eine Funktion von konstanter A-Variation. 


Die Funktion f(x), die in allen Punkten, in welchen eine monotone 
Funktion differentiierbar ist und eine endliche Derivierte Df(x) besitzt, 
gleich dieser Derivierten ist, und die in den übrigen Punkten des De- 
finitionsbereiches verschwindet, nennen wir ähnlich wie im $ 486 die 
Ableitung von f(x). Es besteht dann natürlich die Gleichung 


Sta) dz = pa) — Ya). 


Ist eine der Derivierten Dfiz) in einem maßgleichen Kern des 
Definitionsbereiches von f(x) gleich Null, so ist nach (1) die Funk- 
tion (x) konstant und daher ($ 503, Satz 4) die Funktion f(x) von 
konstanter A-Variation. Wir können also den Satz 6 umkehren. 


Satz 8. Dafür, daß eine monoton wachsende Funktion f(x) von kon- 
stanter A-Variation sei, ist nicht nur notwendig sondern auch hinreichend, 
daß in einem. maßgleichen Kern ihres Definitionsbereiches eine jede be- 
_ liebige ihrer Derivierten verschwinde. 


574 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 507 








507. Es sei f(x) im abgeschlossenen Intervalle 

I: a<z<b 
monoton wachsend und von konstanter A-Variation. Ist f(x) nicht kon- 
stant, so gibt es im Intervalle / eine Punktmenge A, die nicht leer ist 
und in deren Punkten mindestens eine Derivierte von f(z) nicht Null ist. 


Nach dem $ 505 ist A eine Nullmenge. Mit U bezeichnen wir irgend- 
eine Umgebung von A und mit 


(1) b=d,+h+tiH+--- 

die aus endlich oder abzählbar unendlich vielen getrennt liegenden 
Intervallen | 

(2) (4, ,<ae<b, 

bestehende offene Punktmenge IT. 


Jeder Punkt & der abgeschlossenen Punktmenge 7 — 6 ist Mittel- 
punkt eines abgeschlossenen Intervalls 


(8) ed); e<a<d 
von der Eigenschaft, daß für jeden Punkt x’von s(£), der in I liegt, 
(4) re) fe <sle—l 


ist, wobei 9 eine feste vorgeschriebene positive aber sonst willkür- 
liche Zahl bedeutet; denn im Punkte & sind alle Derivierten von f(x) 
gleich Null. 

Nach dem Borelschen Überdeckungssatz ($ 59) kann man also 
endlich viele Punkte 


(5) <b<-..<$, 
finden, so daß die Vereinigungsmenge der entsprechenden Intervalle 
(6) & = &($,) (k=1,2,...,m) 


die ganze Punktmenge (T—6) enthält. Wir können hierbei voraus- 
setzen, daß von zwei verschiedenen Intervallen &, und &, der Folge (6) 
nicht das eine ganz im andern liegt, woraus folgt, wenn man mit 
c, und d, die Endpunkte von &, bezeichnet, d.h. die Bezeichnung 


(7) 4: SEI Sc, 
einführt, daß die Beziehungen 
(8) 4 <a <drı 


gelten müssen. Da nämlich &, und &,,, die Mittelpunkte von s, bzw. 
& +1 Sind, so würde z. B. aus 


a2 CH 


$ 507 . Monotone Funktionen 675 


ee a 


ao oo mn nn u m Tun 








mit Berücksichtigung von (5) folgen: 
dr 41 + 2er ar) 2 2 >23 ad, 


und es wäre daher 2, </e,,,. Ganz äbnlich würde man im Falle, daß 
d, > d,,, ist, schließen können. 
Wir nehmen nun erstensan, es sei 


(9) d< Gr 

da wegen (8) alle Intervalle z,, &,, ..-, ee BR Een 
&_, links vom Punkte d, und alle 

Intervalle &,,,, - - ;, &„ rechts vom Punkte c,, , liegen, ist jeder Punkt 
des Intervalls 


& 8, +1 


<r<irpn 
ın ö enthalten und daher in einem der Intervalle von 6, z.B. in 
6,: a, <r<b,. 
Anderseits sind die Punkte &, und &,,, keine Punkte von ö und 
daher ist 
S0,Scd, und Or +1 sb, Shrr- 

Man hat also nach (4) 

fa) fl) <#a,— 5); 

f(&41) =. f(b,) < (Er == b,), 
so daß, wenn man noch die Bezeichnung 

fl, — f(a,) = S(ö,) 

einführt, durch Addition der letzten drei Relationen die Ungleichheit 


(10) f(&+1) — fi&)< S(6,) + Hdırı —$#) 
entsteht. 
Im Falle, daß die Ungleichheit (9) nicht erfüllt ist, und also 
d 2 %+1 
ist, gibt es stets einen Punkt x, des Intervalles 
(11) 5, <r<gun 


der sowohl in e, als auch in &,,, enthalten ist, und man kann daher 


schreiben 
fa) fi) sn 8): 
Er) - fa) Sl 2%); 
hieraus folgt durch Addition 
(12) f(&rrı) = f(&) s (Er u 5. )- 


576 Kap X. Funktionen einer Veränderlichen 8 508 


Für jede in Betracht kommende Zahl %k ist also eine der beiden 
Relationen (10) oder (12) erfüllt und analoge Relationen gelten für die 


Differenzen 
f(&) —fla) und fd) fl&n); 


falls nicht schon &, = a oder E, = b ist. 
Durch Summation über alle diese Teilintervalle von / erhält man 
also, wenn man bemerkt, daß 


(13) s(- 280) 
nicht kleiner sein kann als die Summe aller $(d,), die in (10) vor- 


kommen, f() — f(a) < #(b— a) + 8(8). 


Diese Relation gilt für jeden beliebigen Wert der positiven Zahl 9 
und es ist daher 





(14) f(b) — f(a) < 80). 

Anderseits ist aber für jede positive natürliche Zahl j 
| B 

(15) r$ - fa) 22808). 


Durch Vergleich von (13), (14) und (15) folgt endlich: 
f(b) — f(a) = 5(8). 

Satz 9. Bezeichnet man mit A die Punktmenge, in der eine, inner- 
halb des abgeschlossenen Intervalls a <x <b monoton wachsende Funk- 
tion von konstanter A-Variation mindestens eine nicht verschwindende De- 
rivierte besitzt, und mit U=d,+0,-+ --- eine beliebige Umgebung von A, 
so gilt stets die Gleichung 


f(b) — fla) = Zr) — fa) 
in der a, und b, die Endpunkte der Intervalle ö, bedeuten. 
508. Mit Hilfe des Resultats des 8 153 kann man die kanonische 


Zerlegung 
f(«) = v(a) + p(«) | 

einer monoton wachsenden Funktion noch weiter vervollständigen. Da 
nämlich (x) stetig ist, ist in jedem Punkte des Detinitionsbereichs der 
Funktion | 
f(@+0)-fle) = »(«+0)—v(a) und f(e-0)-f(a) = v(e-0)-v(a). 

Die Funktion »(z), die wir im $ 153 definiert haben, und die nur 
von den Schwankungen von f(x) abhängt, bleibt also dieselbe, wenn 


% 509 Monotone Funktionen 577 


man bei der Konstruktion dieser Funktion statt von f (a) \ von ale: aus- 
geht. Setzt man also 





v(z) = va) + 2@), 
so ist x(x) eine monoton wachsende stetige Funktion, und nach dem 
Satze 5 des $ 504 sind beide Funktionen Y(z) und y(z) von konstanter 
A-Variation. | 
Wir haben daher das Resultat: 


Satz 10. Jede monoton wachsende endliche Funktion f(x) kann im 
abgeschlossenen Intervalle a < x Sb als Summe von drei monoton wach- 
senden Funktionen angesehen werden: 


f(x) = ve) + (a) + pa). 
Von diesen Funktionen ist die erste gleich der Summe der Diskontinuitäten 
von f(x) im abgeschlossenen Intervalle, dessen Endpunkte a und x sind, 
die sweite stetig und von konstanter I1-Variation, die dritte totalstetig. 
Diese Zerlegung ist eindeutig, wenn man verlangt, daß 


v(a) = z(a) = 0 
ist. Die Funktion f(x) ist dann und nur dann stelig im Intervalle, wenn 
Y(b) = 0 ist, dann und nur dann totalstetig, wenn yv(b) = y(b) = i 
dann und nur dann von konstanter L-Variation, wenn p(x) konstant ist 


Ferner haben wir noch den 


Satz 11. Ist die im Intervalle a< x <b definierte monoton wach- 
sende Funktion f(x) stets gleich der Summe ihrer Diskontinuitäten im ab- 
geschlossenen Intervalle, dessen Endpunkte a und x sind, so ist f(x) von 
konstanter 1-Variation. 


509. Es entsteht nun die Frage, ob es stetige monotone Funk- 
tionen von konstanter A-Variation gibt, die nicht selbst konstant sind. 
Im entgegengesetzten Falle würde die Funktion z(x) des vorigen Para- 
graphen immer verschwinden und wir hätten sie gar nicht einzuführen 
brauchen. Nun haben wir schon Beispiele von monotonen, stetigen 
Funktionen benutzt (8 337), von denen man beweisen kann, daß ihre 

4-Variation konstant ist. Es ist aber notwendig, darüber hinaus das 
Problem in seiner Allgemeinheit zu betrachten. 

Ist die monoton wachsende, endliche, stetige Funktion f(z) im In- 
tervalle 
(1) I: a<rz<b 


nicht konstant, so ist die obere Grenze L ihrer Differenzenquotienten 
in diesem Intervalle, und folglich ($ 476, Satz 5) die obere Grenze A 


Carath&odory, Reelle Funktionen. 87 


978 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 509 


mm nn nn Mn 


ihrer Hanpiderivierten größer als Null. Nach im Satze 10 des 8 480 
- enthält also 'schon die Punktmenge 








M(D,f>®) 
und: umsomehr die Punktmenge 
(2) M(D,f>0) 


eine perfekte Teilmenge A. | 

Ist f(x) im Intervalle (1) von konstanter 4-Var jation, 80 ist die 
Punktmenge (2) eine Nullmenge und dasselbe gilt von einer ihrer per- 
fekten Teilmengen 4. 

Die offene Punktmenge (I— A) ist dann ein maßgleicher Kern 
von / und hieraus folgt, daß (I — A) überall dicht und A nirgends dicht | 
auf dem Intervalle I liegt. 

Es sei umgekehrt A eine beliebige perfekte Punktmenge, die im 
Intervalle / enthalten ist und nirgends dicht auf / liegt. Dann ist die 
offene Punktmenge (7T— A), die aus abzählbar vielen Intervallen Öö, 
besteht: 

Ce Ge En 
überall dicht auf I. Sind 
6,:0,<rc<b,, 6,:0,<x&<b, 


» 
zwei beliebige Intervalle von (3) und liegt z. B. d, links von d,, so daß 
b <a 


P= 41 
ist, so kann nicht D),=.a, sein; denn es würde dann b, ein isolierter 
Punkt von A sein und A wäre nicht perfekt. Es ist also 

b, < d, 
und es gibt, weil (I — A) überall dicht auf I liegt, mindestens ein In- 
tervall der Menge 8), das sich zwischen d, und Ö, befindet. 

Nun definieren wir auf (I— A) eine Funktion f (x) folgendermaßen : 

f(x) ist konstant in jedem Intervall der Menge (3). Im Intervalle, dessen 
Anfangspunkt a ist, soll f(x) gleich Null sein, im Intervalle, dessen 
Endpunkt 5 ist, soll f (x) gleich Eins sein. Ferner soll, wenn f(x) auf 
zwei Intervallen ö, und öd, definiert ist und dort die Werte a, und «, 
annimmt, 


(a), 


sein, im längsten Intervalle ö,, das zwischen d, und Ö, liegt oder, falls 
e8 mehrere gleich lange Intervalle zwischen 6, und Ö, gibt, die größer 
sind als alle anderen, im ersten dieser (jedenfalls nur in endlicher An- 


s 510 Monotone Funktionen 579 


zahl vorkommenden) Intervalle, d. h. in demjenigen, dessen Anfangs- 
punkt die kleinste Abszisse besitzt. 

Hierdurch ist, wie man sich leicht überzeugt, fix) für alle Inter- 
valle der Folge (3) eindeutig definiert. 

Die für die überall dichte Punktmenge (Z— 4) definierte Fuuk- 
tion f(x) kann man zu einer stetigen Funktion ergänzen, die in jedem 
Punkte des abgeschlossenen Intervalls / definiert ist. Diese Funktion 
ist monoton wachsend, nicht konstant, in jedem Punkte von (I— 4) 
differentiierbar und ihre Derivierte in diesen Punkten ist gleich Null. 
Unter der weiteren Annahme, daß A eine Nullmenge ist, ist (I— 4A) 
ein maßgleicher Kern von I und die Funktion f(x) von konstanter 
A -Variation. 


Satz 12. /st 1 eıne beliebige perfekte Teilmenge des Intervalls 
I: a<zı<b, 


die nirgends dicht auf I liegt, so gibt es monoton wachsende, stetige Funk- 
tionen, die auf der abgeschlossenen Hülle I von I definiert und endlich 
sind, in jedem Punkte von (I — A) differentiierbar sind, dort die Derivierte 
Null haben und die trotzdem nicht konstant sind. Ist ferner A eine Null- 
menge, so Sind diese Funktionen von konstanter )-Variation. 





510. Wir haben noch nicht festgestellt, ob eine der oberen Haupt- 
derivierten einer monoton wachsenden Funktion von konstanter A-Va- 
riation auch nur in einem Punkte ihres Definitionsintervalls unendlich 
sein muß, was zwar für unstetige Funktionen selbstverständlich ist, 
aber für stetige Funktionen noch einer Erörterung bedarf. 

Wir beweisen dazu den folgenden Satz, den wir auch später be- 
nutzen werden: 


Satz 13. Ist die stelige endliche Funktion f(x) im abgeschlossenen 
Intervall I definiert und weiß man, daß ihre obererechte Derivierte D, f(x) 
höchstens in einer Nullmenge A, die in I enthalten ist, negativ sein er 
und höchstens in einer abzählbaren Teilmenge A, von A den Wert — 
besitzen kann, so ist f(x) monoton wachsend im Intervalle T und die Punkt 
mengen A und A, müssen notwendig leer sein. 


Wir betrachten eine monoton wachsende totalstetige Funktion p(z), 
die in jeden Punkte von A differentiierbar ist und dort die Derivierte + oo 
besitzt ($ 492, Satz 10). Ist dann u irgendeine positive Zahl, so genügt: 
die obere rechte Derivierte der Funktion 


f(z) +up(z) 
37° 


580 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 510 
in allen Punkten von (7 — A,) der Bedingung (8 467, . (2)) 


D,(f+up)=D,f+Dup=0, 
denn in allen Punkten von (7 — A) ist keine der beiden Zahlen D,f 
und D,ug negativ und in allen Punkten von (A— 4,) ist D,f endlich 
und Dupg=+ m». 

Die Zahl D,(f+ up) kann also nur in der abzählbaren Punkt- 
menge A, negativ sein, und nach dem Satze 10 des 8480 (in dem man 
ß = 0 zu setzen hat) muß also (f(x) + up(x)) monoton wachsend sein. 

Hieraus folgt, wenn x, und x, zwei beliebige Punkte von I be- 
deuten, und 2, < x, ist: 


f@) + up) 2 fa) + up) 
und weil die letzte Bedingung für jeden ‘positiven Wert von u gilt, 


; 2 f\&) > f(z,), 
was zu beweisen war. 


Der entsprechende Satz für die untere rechte Derivierte lautet: 


. Satz 14. Kann D, f(x) höchstens in einer Nullmenge A positiv, und 
höchstens in einer abzählbaren Teilmenge A, von A gleich + 00 sein ‚ 50 
ist f(x) monoton abnehmend. 

Für eine monoton wachsende nicht konstante Funktion ı von kon- 
stanter A-Variation ist aber die Punktmenge A, in welcher D, f(x) >O 
ist, eine Nullmenge; nach dem letzten Satze kann also die Punkt- 
menge 





| A, = M(D,f=+®) 
nicht abzählbar sein. 
Ist f(x) eine monoton wachsende nicht totalstetige Funktion, so ist 


bei der Darstellung 
fla) = v(e) + 9) 
des $ 503 die Funktion v(z) nicht konstant. Die Punktmenge 


M(D,v—-+%) 
ist also nicht abzählbar und dieses gilt umsomehr von der Punktmenge 
M(D,f=+). 


Nach den Resultaten des $ 473 enthält also diese letzte Punktmenge 
mindestens eine perfekte Teilmenge. 

Satz 15. Die rechten Derivierten einer in einem Intervalle monoton 
wachsenden stetigen aber nicht totalstetigen Funktion sind in mindestens 
einer perfekten Teilmenge dieses Intervalls alle gleich + &. 





8 511 Meßbare Abbildungen 581 
Meßbare Abbildungen. 
511. Es sei 
(1) y-f(@) 
im abgeschlossenen Intervall 
(2) I: a<sı<b 
monoton wachsend und stetig. Jeder Punktmenge e, auf dem Intervalle 
(3) I: a<xr<b 


entspricht dann eindeutig eine Teilmenge e, der abgeschlossenen Punkt- 
menge 
(4) J: fa)<y<sflb). 
Um den äußeren Inhalt m*e, von e, zu berechnen, kann man folgender- 
maßen verfahren. 

Wir bezeichnen mit $(6) die Intervallfunktion, die der Funktion f(x) 
zugeordnet ist, und setzen 


& = untere (irenze von S(U) 
für alle Umgebungen U der Punktmenge e,, die in I enthalten 
sind. Ist 
' U=d+%,+0,+--- 


eine beliebige unter diesen Umgebungen, und setzt man 
6: u <x<b, 


sv) - 276) —- fa). 


Nun bezeichne man mit 2, die Punktmenge, die aus der Vereinigung 
aller abgeschlossenen Intervalle 


so ıst 


(5) | f(a,) <y<sf(b,) (k=1,2,...) 
auf der y-Achse entsteht. Dann ist erstens 
1<:, 


und zweitens, weil für zwei verschiedene Werte von k die Punkt- 
mengen (5) höchstens einen Punkt gemeinsam haben, 


me,=S(U). 
Es ist also für jede Umgebung U von e, 
(6) m*e, < S(U) 


und also auch 
(7) me, <a. 


982 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 5 512 


u ie En 





Ist umgekehrt V eine beliebige Umgebung von &,, SO kann man 
um jeden Punkt & von e,, wegen der Stetigkeit von nr ,‚ ein Intervall‘ 


so abgrenzen, daß nicht nur 6, in / liegt, sondern auch die abge- 
schlossene Punktmenge 
fa) <y<f(b,) 


in V. Nun kann man aber die ganze Punktmenge e, mit Hilfe des 
Lindelöfschen Überdeckungssatzes ($ 60) durch abzühlbar viele dieser 
Intervalle überdecken; ihre Vereinigung bildet dann eine Umgebung U 
von e,, für welche 
| S(U)<mr 
ist. Also ist auch 
e<mV, 
und da die letzte Relation für jede beliebige Wahl von V gilt, so ıst 
auch 
a<m*e, 
und schließlich wegen (7) 
a= m*e,. 
512. Wir setzen u 
(1) . faa=vla)+ pl), 
wobei v(z) von konstanter A-Variation und @(x) totalstetig ist und 


betrachten eine beliebige in I enthaltene Nullmenge e, und eine Um- 
gebung U von e,, die der Bedingung 


(2) mU<i 
genügt; hierbei bedeutet A eine beliebige positive Zahl. Dann ist, wenn 


man die zu v(x) und (x) gehörigen Intervallfunktionen mit S,(6) 
und 8,(d) bezeichnet, 


(3) S(U)=8,(U) + 5,(0) 
und daher mit den Bezeichnungen des vorigen Paragraphen 
(4) m*e,=assS,(U)+S,(U). 


Nun bemerke man, daß 
S,(0) < v(b) = v(a) und S,(U) < T,(A) 
ist; man hat also 
m*e, < v(b) — v(a) + 1,(A) 


und, wenn man A gegen Null konvergieren läßt und die Totalstetigkeit 
von (x) benutzt, 
(5) m*e,<v(b) — v(a). 


& 513 Meßbare Abbildungen 583 


Wir betrachten nun den Fall, daß »(x) nicht konstant ist und be- 
zeichnen mit ©, die im Intervalle J liegende Nullmenge, in deren 
Punkten nicht sämtliche Derivierten von (rc) verschwinden, und mit 
?, das Bild von @, auf der y-Achse. Nach dem Satze 9 des & 507 ist 
dann für jede Umgebung T von €, 


S(T) = v(b)V— v(a) 


S(U) > v(bi — v(a). 
Die untere Grenze aller S(U) ist aber nach dem vorigen Paragraphen 
gleich m*@, und man hat daher 

m*z, > v(b) — (a) 
oder, wenn man (#1 berücksichtigt, 
(6) m*e, = v(b) — v(a). 
Dies alles liefert uns den 

Satz 1. Ist y= f(x) ein" monotone stelige Funktion. die ein abge- 

schlossenes Intervall I der x-.Achse auf ein abgeschlossenes Intervall J 
der y- Achse abbildet, so wird jedle Nullmenge e,, die in I liegt, auf eine 
Punktmenge e, von .J abgebildet, deren äußerer Inhalt m*e, die Null- 
variation von f(x) ın I nicht übertrifft. Es gibt Nullmengen e,, für 
welche diese obere (Grrenze von m*e, erreicht wird. 


und daher wegen (3) 


Aus diesem Satze kann man noch unmittelbar folgendes schließen: 


Satz 2. Die Funktion fix) ist dann und nur dann totalstelig in I, 
wenn jede Nullmenge e, von I auf eine Nullmenge e, von .J ahgebildet wırd. 
Sie ist dann und nur dann von konstanter A-Variation in I, wenn es 
mindestens eine Nullmenye € , innerhalb I gibt. deren Bild @, der Bedingung 


m*2, = f(b) — f(a) 
genügt. 
Nach diesem letzten Satze ist die monotone, stets wachsende, 
stetige Funktion z(x) des $ 337 zugleich mit ihrer inversen Funktion 
von konstanter A-Variation. 


513. Ist nun die Funktion y = f(x) im gegebenen Intervall stetig 
und stets wachsend, so ist die durch sie vermittelte Abbildung ein- 
eindeutig und stetig ($ 200). Nach dem vorigen Resultat ist also für 
die Meßbarkeit der Abbildung ($ 335) notwendig und hinreichend, daß 
sowohl f(z) als auch die inverse Funktion g(y) totalstetig seien. 

Man kann diese letzte Bedingung mit Hilfe des Satzes 2 des $ 498 
vorteilhaft transformieren. Nach diesem Satze sind nämlich, wenn e, das 


584 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 85 14 


Bild einer Nullmenge e, bedeutet und e, selbst keine Nullmenge ist, in. 
jedem Punkte von e,, außer vielleicht in einer Nullmenge, sämtliche 
Derivierten von fa) gleich Null. Hierbei ist f(x) als totalstetig und: 
stets wachsend angenommen worden. 

Wir sehen also, daß, wenn die durch y= f(«) vermittelte Abbil- 
dung nicht meßbar ist, eine Punktmenge auf der x-Achse existiert, 
deren Inhalt von Null verschieden ist und in welcher alle Derivierten 
von f(x) verschwinden. 

Anderseits bemerken wir, daß, wenn & einen Punkt des abge- 
schlossenen Intervalls I bedeutet, in dem sämtliche Derivierten von f (x) 
verschwinden, sämtliche Derivierten der inversen Funktion p(y) im. 


- Punkte 
=f() 


gleich + oo sein müssen ($ 470, Satz 5). Die Punktmenge 2,, in welcher 
sämtliche Derivierten von o(y) gleich + oo sind, ist aber nach dem 
Satze 7 des $ 506 stets eine N ullmenge. Die Abbildung ist also nicht 
meßbar, falls die Punktmenge e,, in welcher alle Derivierten von f(x) 
verschwinden, keine Nullmenge ist. 

Endlich sehen wir, daß bei jeder monoton wachsenden Funktion,, 
die nicht stets wachsend ist, die Punktmenge e, von der zuletzt die 
Rede war, keine Nullmenge ist, Vergleichen wir alle diese Überlegungen,. 
so folgt der 


Satz 3. Dafür, daß eine Funktion 
y=f(a) 


eine eineindeulige stetige und meßbare Abbildung eines abgeschlossenen: 
Intervalls I der x- Achse auf ein abgeschlossenes Intervall J der y- Achse 
liefert, ist notwendig und hinreichend, daß sie monoton und totalstetig sei, 
und daß die Punkte, in denen ihre sämtlichen Derivierten verschwinden, 
eine Nullmenge bilden. 

Diese Bedingung ist zugleich notwendig und hinreichend dafür, daß 
die Funktion f(x) stets wachsend (oder stets abnehmend) sei und die inverse: 
Funktion p(y) totalstetig sei. 


“Funktionen von beschränkter Variation. 
514. Es sei die endliche Funktion fı (x) im abgeschlossenen Intervalle- 
I: a<aı<b. 


definiert und von beschränkter Variation; diese Funktion kann alsdann 


& 514 Funktionen von beschränkter Variation 585 


. _ —— nm un 


als Differenz von zwei monoton wachsenden Funktionen fı(z) und f,(z) 
angesehen werden ($ 179) und man kann schreiben 


1) fe) na) - Ale). 

Nehmen wir an, daß die letzten Funktionen beide von konstanter: 
A-Variation sind, so können wir nach dem Satze 9 des. $ 507 zwei 
offene Punktmengen d’ und ö” bestimmen, die aus endlich oder abzähl- 
bar unendlich vielen Intervallen bestehen, .. Inhalt den m. 


(2) mö'<., mö’<, 
genügt, die außerdem in / enthalten sind, und ie welche die Gleichungen 
(3) Ss) he) —fıla), 88") = Alb) - Yr(a) 
stattfinden. Hierbei bedeuten S,(6) und S,(6) die den Funktionen f, (2) 
und /,(2) zugeordneten Intervallfunktionen und 4 eine Beheuie posi-- 
tive Zahl. 

Ist nun & eine zweite beliebige positive Zahl und setzt man 
(4) | 6=6'+6", 
so kann man eine Teilmenge 8, von Ö finden, die nur aus endlich 
vielen Intervallen besteht und für welche die Bedingungen 


6) Ser Aa), Si) lb)  Frla) — E 
zugleich gelten; überdies ist nach (2) und (4) 
6) md, <mö<mdö’+mö"<i. 

Es sei nun A, eine beliebige Intervallmenge, die aus endlich len 
Intervallen ohne gemeinsame Punkte besteht, die in der Punktmenge 
(T—ö,) enthalten sind; nach (5) ist mit Berücksichtigung der Mono- 
tonie der beiden Funktionen f,(x) und f,(x) 

) S(A)<e, S(A)<e. 


Nach diesen Vorbereitungen führen wir eine Intervallfunktion (6) 
folgendermaßen ein: ist 





= >, 
die Summe von endlich vielen Intervallen ohne gemeinsame Punkte 


6,2: 0, <r<Pß,, 
die alle in I liegen, so soll 


Ow 28) = Zi1@)-,) 


>. 


586 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen $ 515 


sein. Ist dann 
mö<im, 

so ist stets ($ 458) 

9) H(6) <s (A) 


und die obere Grenze von H(d) für alle Intervalleinteilungen von I in 
endlich viele Intervalle ist gleich der totalen Variation von f(x), d.h. 
gleich 1(b— a). Außerdem ist stets wegen (1) 


(10) H(6) < 8S,(6) + 8,(0). 


Nun bedeute A eine beliebige Einteilung von I in endlich viele 
getrennt liegende Intervalle. Durch Hinzunahme der Endpunkte der 
Intervalle der Menge d,, die wir oben definiert haben, bekommen wir 
eine neue Intervalleinteilung, die aus zwei Intervallmengen A, und A, 
besteht, so daß die Intervalle von A, alle in d,, die Intervalle von A, 
alle in (7 —6,) liegen; für diese gelten also insbesondere die Rela- 
tionen (7). Es ist jetzt wegen der Definition (8) von 7(6) 


| H(A)< H(A,) + H(A,); 
ferner ist, weil 
mA, <mö,s4 
H(A,)< (A) 
und anderseits wegen (10) und (7) 
H(A,)< 5,(&,) + S.(A,)< 28. 
Wir können deshalb schreiben 
H(A) <r(l) + 28 


und da die letzte Beziehung für jede beliebige Intervalleinteilung A 
gilt, ist 


ist, nach (9) 


rt(b—a)<r(A) + 2e. 


Läßt man in dieser letzten Relation & gegen Null konvergieren und be- 
rücksichtigt, daß stets ($ 458, Satz 1) 


(1) <t(b— a) 

ist, so erhält man für jeden beliebigen Wert von A die Gleichung 
tA)=r(b—a), 

d.h. die Funktion f(x) ist von konstanter A-Variation. 


515. Wir machen jetzt umgekehrt die Voraussetzung, daß f(x) von 
endlicher und konstanter 2-Variation im abgeschlossenen Interalle I und 


8 516 Funktionen von beschrüukter Variation 987 


daher von beschränkter Variation sei ($ 459, Satz 2). Wir können ($ 179) 
zweı monoton wachsende Funktionen p(z) und n(r) finden, so daß 
(1) f(x) = p(&) —- n(e) 
und die totale Variation von f(x) gleich der Summe der beiden Zahlen 
(ptb) —p(a)) und (n(b)—n(a;) ist. Da f(x) von konstanter 4-Variation 
sein soll, kann man daher schreiben 

t(A) = (pib; -- p(u)) + (nid, -- n(a)) 


oder, wenn wir mit t,(4) und z,(A) die k-Varintionen der Funktionen 
»(z) und n(z) im Intervalle 7 bezeichnen: 


(2) t)=rb—a+r (ba. 
Sind nun z, und z, zwei beliebige Punkte von I , so hat man wegen (1) 
K)- fa) = (pa) — pa) — (na — (nz) 
<.pl&) plz) + na) na) 
und daher mit den Bezeichnungen des vorigen Paragraphen für jede 
Intervallmenge ö, die in / enthalten ist: 
H(6) <S,(6) + S,(6). 
Hieraus folgt aber, falls md <A ist, nach einer Schlußweise, die wir 
oft, z.B. in $ 502, benutzt haben, 
A) <2,@) + 7,(), 
also nach (2) für jeden Wert von Ä 
z,(b—a) +1,(d—-a)<r, (ik +r,(A). 
Diese letzte Bedingung in Verbindung mit 
z,A)<r,(b—a) und 1,(A)<r,(b-a) 
zeigt aber, daß 
z,(A)=r,(b—a) und 7,(A)=1r,(b—a) 
sein muß. Alles ın allem gilt also der 


Satz 1. Eine Funktion f(x) ist dann und nur dann von konstanter 
endlicher A-Varsation im Intervalle a <x<b, wenn sie in diesem In- 
tervall als Differenz von swei monoton wachsenden Funktionen von kon- 
stanter A-Variation dargestellt werden kann. 

516. Ist im Intervalle / die Funktion f(z) gleich der Differenz von 
zwei monoton wachsenden Funktionen f, (x) und f,(z) und setzt man 


(1) ha) =n(a)+pMl), Ale) = via) + pl), 
wobei », (x) und v,(z) von konstanter A-Variation sind und 9, (X), 9, (z) 


588 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen g 516 
totalstetige Funktionen bedeuten, so gilt mit der Bezeichnung 


(2) v(2) = v,(8) — 93(2), PR) = Pı(@) — 94(@) 
die Gleichung 
(3) f(&) =v(2) + pa). 


Nach dem vorigen Paragraphen ist »(x) eine Funktion von konstanter 
A-Varistion und die Funktion (x) ist nach dem $ 487 als Differenz 
von zwei totalstetigen Funktionen totalstetig. 


Es sei _ 
fa) = (2) + $(@) 


eine zweite Darstellung von f(x) als Summe einer Funktion von kon- 
stanter A-Variation und einer totalstetigen Funktion; wir bilden die 


Differenz Pr u 
da) = va) — ve) = — ple) + Pe) 


und. bemerken, daß »(x) einerseits totalstetig ist, weil sie die Differenz 
von zwei totalstetigen Funktionen g(x) und Y(x) ist, und daß sie 
zweitens als Differenz von zwei monoton wachsenden Funktionen von 
konstanter A-Variation angesehen werden kann; dieses sieht man ein, 
‚wenn man P 5 _ 
v(2) = vl) — va“) 
setzt, wobei die beiden Funktionen rechts monoton wachsend und von 
konstanter A-Variation sind, und hierauf den Satz 5 des $ 504 auf den 
Ausdruck 
ve) = Wr HTR) - + r,@) 

an wendet. 

Für je zwei Punkte x, und x, des abgeschlossenen Intervalls I 


ist also 
a) -r@)l <ry(la- 2) = 0) = 0 


woraus folgt, daß y(x) konstant ist. 

Die Funktion v(x) ist daher eindeutig bestimmt, wenn wir ibren 
Wert in einem Punkt von I kennen, also z. B. festsetzen, daß v(a)— 0 
sein soll. 


Satz 2. Eine im abgeschlossenen Intervalle I definierte Funktion f(x) 
von beschränkter Variation kann auf eine und nur eine Weise dargestellt 
werden als die Summe einer totalstetigen Funktion p(x) und einer Funk- 
tion von konstanter A-Variation 2) die im A des Intervalls 
verschwindet. 

Die Funktion f («) ist dann er nur dann totalstetig, wenn v(x) iden- 
tisch verschwindet, sie ist dann und nur dann von konstanter 1-Variation, 
wenn p(x) konstant ist. 


$ 517 Funktionen von beschränkter Variation 589 





Diese letzte Behauptung sieht man folgendermaßen ein: Ist in der 
vorigen Zerlegung v(z):: 0, so ist f(x) selbst. totalstetig; ist $(x) 
gleich einer Konstanten c, so ist f(x) = v(z) +c von konstanter 
ı-Variation. 

Ist umgekehrt f(x) selbst eine totalstetige Funktion, so kann man 
y(z) = f(x) und v(z) = 0 setzen; ist f(x) von konstanter A-Variation, 
so kann man p(z) = f(a) und v(z) = f(x) — f(a) setzen. 

517. Es sei f(x) von beschränkter Variation im Intervalle I und 
Df(xz) eine beliebige ihrer Derivierten; die Funktion f(z) kann als 
Differenz von zwei monoton wachsenden Funktionen angesehen werden 

fa) = ha) - ha), 
und es gibt (8 506, Satz 7) einen maßgleichen Kern e von I, in dem 


beide Funktionen f,(x) und /,(x) differentiierbar sind und endliche 
Derivierten besitzen. In jedem Punkte von e ist also ($ 468) 


Dre) -h@)-h@); 
woraus erstens folgt, daß f(x) in jedem Punkte von e differentiierbar 
ist und zweitens, daß die Funktionen Df(x) und (f‚(«)—f,(2)) einander 
äquivalent sind. . 
Also ist Df(z) eine über I summierbare Funktion und es gelten 


nach dem $ 506 mit den Bezeichnungen des vorigen Paragraphen die 
Formeln 


a) S Dre) ar - [fo -hm)dr 
= (9,0 — 9, (a)) — (PT) — Y,(a)) 
—-op(2) — (a). 


Wir können hiermit den Satz aussprechen: 


Satz 3, Jede Funktion f(x) von beschränkter Variation ist in einem 
maßgleichen Kern ihres Definitionsbereiches I differentiierbar. Jede De- 
rivierte Df(x) von f(x) ist über I summierbar und der totalstetige 
Bestandteil p(xz) von f(x) ist gleich einem der unbestimmten Integrale 
von Df(z). 

Aus diesem Satze folgt ferner, daB die Funktion p(x) dann und 
nur dann konstant ist, und daher /(z) dann und nur dann von kon- 
stanter A-Variation ist, wenn das Integral (1) verschwindet: 


Satz 4. Eine Funktion f(x) von beschränkter Variation ist dann 
und nur dann von konstanter A-Variation, wenn eine ihrer Derivierten 


590 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 518. 519 


ne - ——o00.0{o. 


in einem maßgleichen Kern des Definitionsbei eiches I von “ (x) gleich 
Null ist. Dann gibt es aber auch einen maßgleichen Kern von I, in 
dem sämtliche Derivierten von f(x) verschwinden. - 


18. Es ist schon jetzt nützlich zu bemerken, daß die Summier- 
barkeit der Hauptderivierten einer Funktion, die Funktionen von be- 
schränkter Variation nicht charakterisiert. Wir betrachten z. B. die 
stückweise lineare Funktion p(z;a,b) des $ 184, deren totale Varia- 
tion im Intervalle a <x <b unendlich ist, und ersetzen in jedem der 
Intervalle 
<sesı, 


Zu+ı2 


p(x) durch eine stetige monoton wachsende Funktion y(z) von kon- 
stanter A-Variation, die an den Endpunkten dieses Intervalles dieselben 
Werte annimmt, wie p(z). Die so definierte Funktion ist stetig im 
Intervalle a<xz<b, ihre totale Variation in diesem Inter- 
valle ist unendlich, und in einem maßgleichen Kern des 
Definitionsintervalles verschwinden ihre sämtlichen Deri- 
vierten (vgl. aber hierzu die Sätze des $ 527). 


Die nirgends differentiierbare Funktion von Weierstraß. 


919. Wir sahen, daß die Funktionen von beschränkter Variation 
in einem maßgleichen Kern ihres Definitionsbereiches differentiierbar 
sind. Läßt man aber die Bedingung fallen, daß die betrachtete Funk- 
tion von beschränkter Variation sein muß, so kann man sogar stetige 
; Funktionen konstruieren, 
3 = 4 die in keinem Punkte ihres 
Definitionsbereiches diffe- 
x rentiierbar sind. 

Wir gehen dazu von 
einer stückweise linearen, 
stetigen,periodischenFunk- 
tion @(x) von der Periode 2 
aus, die für jeden positiven oder negativen Wert von x folgendermaßen 


definiert wird: 

a) en im Intervalle O<xz<1, 
ya@+1)=—- pe). 

Hieraus folgt, daß, wenn % eine ganze Zahl bedeutet, 

& P@+h) = (-1tple) 











0 






1 
® 


vom 
| 
x. 


Fig. 40. 


3 520 Die nirgends differentiierbare Funktion von Weierstraß 591 
ist. Ist ferner 


a=2n+]|1 
eine ungerade, positive ganze Zahl, so ist 
| p(al) = gp(k + 2nk) 
(3 | = (1) p(k) 
= ok). 


Endlich ıst p(x) in jedem Punkte nach rechts und nach links 
differentiierbar und, falls man eine beliebige Derivierte von (x) mit 
Dy(x) bezeichnet, so ist 
4) Dy@)l 1. 


Hieraus folgt, daß, wenn A und u zwei beliebige reelle Zahlen bedeuten 
und wenn man 


(5) y(z) = Ap(uz) 
setzt, für jede Derivierte von #(zx) stets die Gleichung 
(6) Dy(z):= Au 


gelten muß ($ 469 und $ 471, Satz 6). 


520. Nun sei a eine ganze, positive ungerade Zahl und 5 eine 
reelle positive Zahl, die kleiner als Eins ist: wir setzen 


(7) w(z) = P7L pıatz). 


Diese Reihe ist gleichmäßig konvergent ($ 171) für alle x, denn es ist, 


wenn man 


Ö 5,0) = Zt platz) 
und 2 

(9) R,(&) = Z’d'p(a'2) 
setzt und dabei - 

(10) vi <} 
berücksichtigt, . 
(11) Ral<i,n 


Ferner sind die Funktionen $,(x) nach rechts und nach links differen- 
tiierbar, weil sie gleich der Summe von endlich vielen Funktionen sind, 


592 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen S 521 


welche diese Eigenschaft nn ($ 466, Satz 2); nach (5) und 9 ist 
dann für jede Derivierte von $,(z) 


IDS,(«)| — 1 ab + + ar-Ipr-1— FZ. 
Hieraus folgt ($ 476, Satz 5), daB für je zwei beliebige Werte x, und 
&g VON X 


(12) 5. ma 





ist; hierbei ist stillschweigend vorausgesetzt worden, daß ab=#£1 ist. 


521. Es sei jetzt & eine beliebige Zahl; es gibt dann stets für 
jedes » eine eindeutig bestimmte ganze Zahl s,, die der Bedingung 


(13) a4 <,<arfrt 
genügt. Es ist dann nach (2) 


p(arE) = (1 pla"5—s,) 


a"5 u $, < z 
and daher p(a”&—s,) > 0 ist, können wir schreiben 


und da, nach (13), 





(14) (1 plark) = 'plard)]. 
Nun setze man 
(15) a  Jhzt; 


es folgt dann, wenn man s, aus (15) berechnet und in (13) einsetzt, 
(16) 0<a-8<;n, 0<$-0<, 

Ferner ist nach (9) und (15) 

AD) RB) +1) + tt glas, +) + pl, td) tr 


und weıl 


a"? 


— 1y)nti 
+1), — 
ist, erhält man mit Hilfe von (3) 
(18) Ba) = Det ztitb+4 4). 


Anderseits hat man aber, wenn man (14) berücksichtigt, 


(19) R,(&) = (- Dur (2 |p(art)| +(— 1mt12b p(ar+!E) 
as (— 1)n+12d®p(a"+?&) + ME 13 


$ 521 Die nirgends differentiierbare Funktion von Weierstraß 5493 


zieht man also die Reihe (19) von (18) gliedweise ab und bemerkt, daß 
wegen (10) 


1+2ip(@h)l21 und Dr — (- Ijmri2brg(artrk)>0 
ist, so folgt 
«20) R,(2) - R,(&) - (Yet (item, 
wobei « > 0 ist. Genau ebenso hätte man setzen können 
R,@,)=d#o,—-Dil+b+b+..-) 


und da also wegen der Periodizität von p(x) die Zahlen R,(z,) und 
R,(z;’) einander gleich sind, so folgt aus (20) 


; b" | 
RG) - Ra) = (- 1)", (le). 
Berücksichtigt man die Relationen (16), so kann man schreiben: 


421) u ne R,(8) — (1jat = Aa" (A’>1), 
22) ma = (a Zi: (— 1)" nn A (A > e 
Anderseits setze man 

{23) u ee (— 1) +ı9® G = — . :$ ” 


bemerkt man, daß wegen (12) der absolute n_ von $, nicht größer 
‚als Eins ist, und addiert (21) und (23), so kommt ' 


PR w(z n)— w(E) _ } a "nn" [7 " 6 "d* — 1 \ 
2: lm, 14a; +39, _ U 


Es ist nun stets möglich, die ungerade ganze positive Zahl a und 
‚die Zahl 5)< 1 so zu wählen, daß für . n 


. 8(a"b" — 1) 
(25) (ab — 1)a*d" = 


‘wird, denn es ist, falls ab > 1 ist, 


1 | 
3(a*b* — ı) s(1- u.) . 3 
ab Va ad-ı1ı “ab-ı 
und die Ungleichheit (25) ist erfüllt, sobald ab >7 ist. Man kann 
also z. B. 
(26) b=14i, a=1) 
wählen. 
Carath&odorrs, Reelle Fanktionen. 38 


594 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 522. 523 





Unter diesen Voraussetzungen f folgt aus (24) | 
@7) re year) 7 >0) 


x — 
und ebenso findet man mit Hilfe von (22) 
(28) rem lH) A>O)- 
522. In der Reihe 
Sy Sg Igy + e- 
gibt es sicher unendlich viele gerade oder unendlich viele ungerade- 
Zahlen. Im ersten Falle folgt aus (27) und (28), wenn man noch. 
dazu (16) berücksichtigt: 


(29) D,w($£) = 08, D_w(£) =+ 00, 
ım zweiten Falle aber 
(30) D,uk)=-+%, D_uß)--o. 


Da & nun eine ganz beliebige Zahl bedeutete, folgt hieraus, daß w(r)> 
in keinem Punkte differentiierbar ist. 

Ferner folgt, daß, wenn w(x) in einem Punkte z. B. nach rechts- 
differentiierbar ist, alle rechten Derivierten von w(x) unendlich sein. 
müssen. 

Es gibt übrigens tatsächlich Punkte, in denen w(x) sowohl nach. 
rechts als auch nach links differentiierbar ist, der Punkt 2=0 ist z. B.. 
ein derärtiger Punkt. 

Daher läßt unser Beispiel die Frage offen, ob es stetige Funktionen 
gibt, die in keinem einzigen Punkte nach rechts differentiierbar sind,,. 
oder auch ob es Funktionen gibt, die überall endliche — aber nicht 
beschränkte — Derivierte besitzen und die in keinem Punkte differen- 
tiierbar sind. 


Das Umkehrproblem der Differentialrechnung . 


923. Die sich von selbst darbietende Frage, ob man von einer be- 
liebigen gegebenen Funktion verlangen kann, daß sie gleich einer der: 
rechten oder linken Derivierten einer stetigen Funktion sei, läßt sich 
sofort, sogar für beschränkte Funktionen, verneinen. 

Ist nämlich g(x) eine beschränkte Funktion, von der wir verlangen,, 
daß sie gleich einer der Derivierten einer stetigen und endlichen Funk- 
tion f(x) sei, so folgt aus dem Satze 5 des $ 476, daß f(x) beschränkte 
Differenzenquotienten besitzt, und folglich ($ 491, Satz 8) totalstetig- 


8 524 Das Umkehrproblem der Differentialrechnung 595 


sein muß. Also muß g(x) meßbar und f(x) gleich einem der unbe- 
stimmten Integrale von g(x) sein (8 485, Satz 2). 


Satz 1. Eine beschränkte Funktion g(x\ ist dann und nur dann yleich 
einer der Derivierten einer stetigen und endlichen Funktion f(x), wenn 
g9(z) meßbar und gleich einer der Derivierten eines ihrer unbestimmten 
Integrale ıst. 

Ist nun f(x) irgendeine Funktion mit beschränkten Differenzen- 
quotienten und Df(zx) eine ihrer Derivierten, so gibt es eine endliehe 
Zahl A, so daß stets 

Df(e) sA 
ist. Wählt man 
9 (2) x Df(z), 
so daß in einer Nullmenge A 
9a), > A 


ist, so fällt (nach dem Satze 6 des $ 476) die gegebene Funktion g9(z) 
mit keiner Derivierten von f(x) zusammen. 

So ist z.B. eine beschränkte Funktion gır), die überall außer in 
endlich oder abzählbar unendlich vielen Punkten verschwindet, sicher 
keine Derivierte einer stetigen und endlichen Funktion. 


324. Wir nehmen nun an, wir wissen von einer Funktion y(2), 
die nicht beschränkt zu sein braucht, daß sie gleich einer der Haupt- 
derivierten einer stetigen und endlichen Funktion f(x) ist und stellen 
uns die Frage, ob es möglich ist, eine zweite Funktion p(x) zu finden, 
welche dieselbe Hauptderivierte g(z) besitzt, so daB (f(x) — g(z)) nicht 
konstant ist. L. Scheeffer bat Bedingungen gefunden, unter welchen es 
nicht möglich ist, eine derartige Funktion p(z) zu finden; wir sprechen 
diese Bedingung aus, indem wir uns auf die obere rechte Derimierte, 
beschränken. 

Satz 2. Ist fı ®) eine endliche und stetige Funktion, deren obere rechte 
Derivierte D, f(x) in einem abgeschlossenen Intervalle I außer höchstens 
auf eimer abeählbaren Punktmenge e endlich ist, so ist für jede endliche 
und stetige Funktion p(x), die der Bedingung 


D,p() = D,f(a) 
genügt, auch die (rleichung 
plz) — f(x) = konst. 
erfüllt. 
Wir setzen 


v(2)= Piz) — f(X) 
38* 


596 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen s 525 


und bemerken, daß in allen Punkten von (I ze nach der Relation a) 
des $ 468 r 2 5 
D,v(@) 2 D,y(a) - D,f@) = 


ist. Die obere rechte Derivierte von »(x) ist also überall in / außer 
vielleicht in der abzählbaren Punktmenge e nicht negativ und hieraus 
folgt, daß (x) monoton wächst ($ 510, Satz 13). Dasselbe schließt man 
aber auch von der Funktion 


(0) = —- va) = fa) - PR), 
die man erhält, indem man in der obigen Überlegung f(x) mit p(x) 
vertauscht, und hieraus folgt der Scheeffersche Satz. 











525. Man kann den Scheefferschen Satz umkehren und d folgenden 
Satz behaupten: 


Satz 3. Ist f (@) eine endliche und stetige Funktion, deren obere rechte 
Derivierte D, f(x) in einer nicht abzählbaren Teilmenge e des Definitions- 
intervalls I unendlich ist, so gibt es Funktionen p(x), so daß für jeden 
Punkt von I 


(1) D,9(e) - D,f(z) 
ist, und (fi) — p(x)) nicht konstant ist. 


Da die Punktmenge e, in welcher D, f(x) unendlich ist, nicht ab- 
zählbar ist, so ist mindestens eine der beiden Punktmengen 


MD,fo=+®) oder M(D,fo=— ®) 


nicht abzählbar und enthält eine perfekte Teilmenge A ($ 473, Satz 4); 
diese Punktmenge A ist außerdem nirgends dicht (8477, Satz 9). Es sei 
nun z(z) eine monoton wachsende, nicht konstante, stetige Funktion, 
deren Derivierten in jedem Punkte von (7— A) sämtlich verschwinden 
(8 509, Satz 12). Ist in jedem Punkte von A 


D,f(«) =+% 
p(@)= fl) +ı@); 


ist aber in jedem Punkte von A 
Df)=-—-», 
y(2) = flex) - le); 


in beiden Fällen ist für jeden Punkt von (T’— A) und in jedem Punkte 
von A die Gleichung (1) erfüllt und (p(x) — f(x)) ist nicht konstant. 


so Setze man 


so setze man 


$ 826. 627 Das Umkehrproblem der Differentialrechnung 597 


: 526. Vergleicht man die beiden letzten Sätze mit den Eigen- 
schaften der summierbaren Funktionen, so sieht man, daß das Pro- 
blem der Bestimmung einer Funktion, von der man eine 
Hauptderivierte kennt und das Problem der Integration einer 
summierbaren Funktion unter völlig verschiedenen Voraus- 
setzungen eine eindeutige Lösung zulassen. 

Eine Funktion, die nicht totalstetig und sogar nicht von be- 
schränkter Varintion ist, kann eine obere rechte Derivierte besitzen; 
die überall endlich ist. "Man 
braucht nur dazu eine Funk- 
tion zu konstruieren, die im 
Intervalle O<xr<1 der Be- 
dingung 

I<sfa, se 
genügt, in jedem Intervalle 
E<ı<iı (6>0) ei 


stückweise linear ist, und deren totale Variation nO<r<i1 gleich 
+ 00 ist. Hier ist also f(x) durch D, (x) eindeutig - bestimmt, die 
Funktion D, f(x) ist aber nicht summierbar ; im Definitionsintervall. 
Anderseits können sämtliche Derivierten einer totalstetigen mo- 
notonen Funktion f(x) in einer perfekten Punktmenge A gleich + oo 
sein ($ 492, Satz 10); dann ist D, f(x) summierbar, aber die Funktion 
selbst durch ihre obere rechte Derivierte nicht eindeutig bestimmt. 


527. Dagegen zeigt der folgende Satz, daß die beiden Probleme 
vollständig äquivalent sind, sobald die Voraussetzungen, die für jedes 
von ihnen gemacht werden müssen, alle erfüllt sind, d.h. wenn z.B. 
D,f(x) summierbar ist und nur in abzählbar unendlich vielen Punkten 
unendlich werden kann: 


Satz 4. Ist die Derivierte D, f(x) einer stetigen und endlichen Funk- 
tion f(x) in allen Punkten eines Intervalles I außer höchstens in den 
Punkten einer absählbaren Punktmenge e endlich und ist D, f(x) über I 
summierbar, so isi f(x) totalstetig und 


f(a) =c + / Dre) dx. 


Dieser Satz ist deshalb nicht selbstverständlich, weil das unbe- 
stimmte Integral der summierbaren Funktion D, f(x) eine obere rechte 
Derivierte haben könnte, die in einer perfekten Punktmenge unend- 


598 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen $ 6527 














lich wird. Von dieser Derivierten wissen wir nämlich nur, daß sie 
zum Integranden, d.h. zu D, f(x) äquivalent ist. Es ist also nicht von 
vornherein klar, daß die Differenz zwischen f(x) und diesem Integral 
konstant sein muß. . 

Wir führen eine Folge von Funktionen p,(z) ein, die durch die 
Gleichungen 


A | p,(2)= D,f in der Punktmenge M(D,f<n), 
P() iR a | „ M(D,f> n) 
definiert werden. In jedem Punkte von I ist 
(2) Ha <|D,r@|; 


die Funktionen ,(x) sind also summierbar, und aus (1) und (2) folgt 
(8 402, Satz 16) 


(3) lim / 9,(2)dz — [ lim g,(@)de— [ D,fa)dz 


für jedes Punktepaar z,, x, des Intervalls I. Wir setzen ferner 


(@) AOL FOrLZE 
und bemerken, daß wegen (1) stets 
(5) D,®,(«)<n 
sein muß ($ 450, Satz 1). 

In jedem Punkte von (I—e) ist nach Voraussetzung D_,f(x) end- 
lich, also ($ 468) 
(6) D,(f@ -9,9) 2 D,f@) = D,®,(e). 
Innerhalb des maßgleichen Kernes von (I—e), in dem 

D,O,() = 9,(2) <D,f@) 
ist, haben wir also wegen (6) 
D,(f@) —- ®,@) > 0. R 

Die einzigen Punkte, in denen die obere rechte Derivierte von 
(fi) —B,(@)) negativ sein kann, sind also einerseits die Punkte der 
abzählbaren Punktmenge e, und anderseits diejenigen Punkte von 


(I cn in welchen D,®,(2)-+ 9p,(x) ist; in diesen ist aber wegen (B5) 
und (6 


D,(f@ — ®,@) > D,f(@) —n 
und daher die Funktion D,(f)—®,(2)) jedenfalls von — oo ver- 


$3 527 Das Umkehrproblem der: Differentislrechnung 599 


schieden. Hieraus folgt, daB D,( fix) — ®,(z)) höchstens in der abzähl- 
%$aren Punktmenge e gleich — oo sein kann, und überhaupt nur in einer 
Nullmenge negativ sein kann. Nach dem Satz 13 des 8 510 ist’ also 
die Funktion (f(x) — ®,(x)) monoton wachsend und man kann schreiben, 
wenn man z,< x, wählt, 


fa) - fa) > fi p.(2) de. 


Diese letzte Bedingung ist für jeden } Wert von n erfüllt, also gilt auch 
nach (3) die Beziehung 


CE fa) - fa) 2 ; D,f@)dz (<a). 
Wir bestimmen zweitens eine Folge von Funktionen %,(x) durch 

die Gleichungen 

v.(z) = D,f(x) in der Panktrmenge M(D,f>-n), 

udn nn r M(D,f<-») 
and setzen 2 

$ (x) - (v,ia)dz. 
Bemerkt man nun, daß stets " 
D,P,.@)2—n 
ist, und daß in jedem Punkte von (T—e) nach dem $ 468 
D,(f - Pa) < D,f&) — D,P,(2) 


sein muß, so folgt durch eine ganz ähnliche Schlußweise wie oben mit 
Hilfe des Satzes 14 des $ 510, daß die Funktion (f(x) — Y(x)) ım ab- 
geschlossenen Intervalle / monoton abnimmt, und hieraus 


fÜ)-Ta)</v de (m-1,2,3,...). 


Läßt man in dieser letzten Beziehung n gegen Unendlich konvergieren, 
#0 kommt 


fa 


fa) - fin) <J D,f(@)dz (<2) 
und endlich durch Vergleich mit (7) 
- Ma) fa) - J D,fle) ar. 


wodurch unsere Behauptung bewiesen ist. 


’ 
600 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen N 528: 











Da die Hanpiderivierten einer Funktion: von beschränkter Variation, 
die auf einem abgeschlossenen Intervall definiert ist, immer summierbar- 
sind (8 517, Satz 3), so folgt aus dem letzten Satze folgendes Korollar,. 
das den Satz 15 des $ 510 als Spezialfall enthält. 


Satz 5. Ist die stetige Funktion f(x) in einem abgeschlossenen Inter- 
 vall I von beschränkter Variation und ist eine ihrer Hauptderivierten: 
höchstens nur in einer abzählbaren Teilmenge von I unendlich, so ist f(x} 
totalstetig in I. 


Berechnung von einfachen Integralen. 


:528. Das Problem der Integration einer summierbaren Funktion 
und das Umkehrproblem der Differentialrechnung sind, wie wir soeben 
sahen, unter gewissen Voraussetzungen äquivalente Probleme. Man 
benutzt diese Tatsache in Verbindung mit den allgemeinen Sätzen über‘ 
summierbare Funktionen ($8$ 392—402), um die bestimmten oder un- 
bestimmten Integrale einer summierbaren Funktion zu berechnen, ohne: 
auf die ursprüngliche Definition des Integrals zurückzugreifen. 

Durch die Rechnungsregeln der Differentialrechnung (88 465-—471). 
ist man imstande, die Ableitungen einer großen Anzahl von differentiier- 
baren Funktionen zu berechnen. Es sei z. B. F(x) eine solche Funktion,. 
die im Intervalle : 

(1) a<x<b. 


differentiierbar ist und dort eine bekannte beschränkte Ableitung f(x) 
besitzt. Dann wissen wir, daß f(x) in jedem Teilintervalle von (1) ‚mit 
den Endpunkten x, und x, summierbar ist und nach dem Satze 4 des- 
vorigen, Paragraphen folgt dann, daß 


(2) 2 flx) de = Fix) — Fa) 


ist.. Die letzte F bene) kann übrigens auch aus früheren Sätzen er-- 
schlossen werden, z. B. aus der Tatsache, daß wegen der Sätze des- 
$ 491 die Funktion F(x) totalstetig ist und daher gleich einem der: 
unbestimmten Integrale ihrer Ableitung (x). 

Man kann auf diese Weise die Integrale von vielen ‚Funktionen. 
berechnen; ist z. B. f(x) ein Polynom: 


fe) opt + +0, 
so kann man für F(x) setzen | 


Fo)=- a2 +0,% +. +a 


g 529 Berechnung von einfachen ‚Integralen sor 


Diese Methode besitzt natürlich nur ein beschränktes Anwendungs-- 
feld und liefert außerdem nur Integrale über Intervalle; in allen übrigen 
Fällen versucht man die zu integrierende Funktion fı (x) als Grenze einer 
Folge von Funktionen f,(z), fs(z), ... darzustellen, deren Integrale 
man kennt und z. B. den Satz 16 des 8 402 oder den Satz 13 des $ 399 
anzuwenden. 

Man kann, selbst wenn die offene und zusammenhängende Punkt- 
menge A, über die man integrieren will, aus einer Halbgeraden oder 
aus der ganzen x-Achse besteht, die Approximationsfunktionen f,(z) so 
wählen, daß sie nur in einem Intervalle von Null verschieden sind, so 
daß das Integral von f,(x) über A wieder durch eine Gleichung wie (2). 
berechnet werden kann. 


529. Anstatt f(x) durch die Folge fı(z), fs(2), ... zu approxi-- 
mieren, stellt man oft f(x) als unendliche Reihe dar: 


1) fÜ)=-al@)t+a(l)+-;, 
dieses ist aber nur eine andere Schreibweise für 
(2) den) +) +: +a,(e). 


Da man aber fast immer in den Anwendungen die Darstellung (1)- 
von f(x) als Reihe von Funktionen bevorzugt, ist es nützlich, die 
Sätze 13 und 16 der $$ 399 und 402 auch für die Reihe (1) auszu- 
sprechen. 

Es handelt sich darum, hinreichende Bedingungen anzugeben, um. 
die Summierbarkeit von f(x) über eine offene, zusammenhängende: 
lineare Punktmenge A festzustellen, für welche zugleich die Gleichung: 


(3) ‚|fe) dı = BR a,(z) dx 


k=1 A 


besteht. Wir setzen natürlich voraus, daß jedes a,(x) endlich und über 
A summierbar ist. Dann ist auch nach (2) für jedes n sowohl f, @ als- 
. auch |f,(z)| summierbar ($$ 394, 395) und 


a . Sn@) = D Ja)az 


Nun setzen wir 


(5) (x) = 'fı(@) 
und allgemein für jedes » > 1 


(6) o,(z) = der Bro der beiden Zahlen (o,_,(2), f,(z)'!- 


602 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen $ 529 


Die Funktionen o,(x) sind. für jedes n über A summierbar und die 
Folge dieser Funktionen ist monoton wachsend 
a) Sole) S-: 
Ist | 
(7) lim / 0,(2)d« 
NZ 4 


eine endliche Zahl, so ist ($ 399, Satz 13) die Funktion 
6(x) = lim 6, (x) 


über A summierbar. Außerdem ist für jedes » 
(8) Aal so) 
und daher die Bedingung (4) des Satzes 16 des $ 402 erfüllt. Unter 
der Voraussetzung, daß die Reihe (1) konvergiert, ist also naeh diesem 
Satze f(x) summierbar und das Integral dieser Funktion über ..A wird 
durch die Formel (3) dargestellt. 

Umgekehrt ist aber, wenn die Voraussetzungen des 2. be- 
nutzten Satzes erfüllt sind, d. h. wenn für jedes » 


(9) Aa) S SR) 
ist, wobei S(x) eine über A summierbare Funktion bedeutet, auch für 
eh 

°.(2) < S(a) 
und daher der Limes (7) eine endliche Zahl. 
| Endlich bemerke man, wenn die Folge von Funktionen f(x), 
fs(&), ... monoton wachsend ist, d.h. wenn die a, (x) fürn >2 nicht 
negativ sind, so ist für jedes n 


(2) < f(@) 
a) SD - AD + n@; 


ist also f(x) über A summierbar, so kann man setzen 

Se) = if) Aa + IA | 
und nach dem Obigen folgt, daß dann der Limes (7) endlich ist. Wir 
haben hiermit den Satz 13 des 8 399 in etwas anderer Gestalt wieder- 


gewonnen. Dasselbe Resultat bleibt überdies erhalfen, wenn die @,_(z) 
fürn >p, wo p eine beliebige natürliche Zahl ist, nicht negativ sind. 


Satz 1. Eine konvergente Reihe 
fa) =) tal) +aR) + 
von endlichen über ein lineares Gebiet A summierbaren Funktionen stellt 


und folglich ist 


$ 530 Berechnung von einfachen Integralen 603 
eine über A summierbare Funktion dar und ist gliedweise intergrierbar, 
wenn der Limes (T) eine endliche Zahl darstellt. Sind für np die 
a,(z) wicht negativ, so ist diese Bedingung nicht nur hinreichend, son- 
dern auch notwendig für die Summierbarkeit von f(x) über A. 

Man braucht natürlich die Zahl (7) nicht zu berechnen; es genügt, 
wenn man beweisen kann, daß sie endlich ist. Dies ist z. B. der Fall, 


wenn A ein Intervall und die if,(z)! sämtlich kleiner sind als eine feste 
von n unabhängige Zahl oder wenn für jedes n 


a,(2) Sb,(e) 
LAU ICE EEE 


eine über A summierbare Funktion darstellt. 


ist und die Summe 


>30. Es ist oft wichtig zu beweisen, daß eine konvergente Reihe 
(1) f)-b) rbb tble)+:-- 
von Funktionen b,(x), die in einem linearen Kontinuum A totalstetig 
sind, eine totalstetige Funktion darstellt. In den meisten Fällen genügt 
das folgende Kriterium. Wir nehmen an, daß die Summe 
(2) 'b,(@) + b,(2) 22 b, (2) ee 
der Ableitungen b,(z) von b,(z) in einem maßgleichen Kern von A kon- 
vergiert; setzt man für jede natürliche Zahl k; 

a,(2) = bu(@) 

in den Punkten von A, in denen (2) konvergiert, und a,(z)=0 in, den 
übrigen Punkten von A, so konvergiert die Reihe 


(3) ya) tale) t 
überall auf A; die a,(z) sind endliche Funktionen und wegen der Äqui- 
valenz von a,(z) mit d,(x) ist außerdem für jedes Punktepaar x,, x, in A 





(4) b,(2) -b,) = J ala) dr. 
2 


Genügt nun die Reihe (3) den Voraussetzungen des letzten Paragraphen, 
so ist (x) über A summierbar und 


IE dx - 2 2 a,(2) dz, 


604 Kap. x. Funktionen | einer " Veränderlichen $ 530 
‚also wegen 1) und (4) 


f 9a)dar=- fa) fa), 


womit die Totalstetigkeit von f(x) bewiesen ist. Außerdem ist in einem? 
maßgleichen Kern von A 


fa) ba) tb) tb) +, 
also die Reihe (1) gliedweise differentiierbar. 

Aus der Totalstetigkeit von f(x) folgt natürlich nicht die Diffe- 
rentiierbarkeit dieser Funktion in jedem Punkte von A, sondera nur 
ihre Differentiierbarkeit in einem maßgleichen. Kern von A. Um die 
Differentiierbarkeit in einem vorgegebenen Punkte von A festzustellen, 
besitzt man nur wenig allgemeine Mittel; man kann aber z. B. den 
Satz 3 des $ 452 benutzen, nach welchem in jedem Stetigkeitspunkte 
von (x) die Funktion f(x) differentiierbar ist. 

Wir spezialisieren etwas die obigen Voraussetzungen und sprechen 
_ einen Satz aus, der für die meisten Anwendungen genügt: 


Satz 2. Es seien in einem linearen Kontinuum A die Glieder b,(x) 
der konvergenten Reihe 
(5) f)=b(a) + ba) +ble) + -- 
totalstetige Funktionen. Ferner sei die Reihe der Ableitungen 
(a)=b(e) +bla) + bla) +: -- 


konvergent und gliedweise integrierbar. Dann ist f(x) totalstetig und gleich 
einem unbestimmtien Integrale von p(x). In jedem Stetigkeitspunkte vor 
p(x) sind außerdem alle Derivierten von f(x) gleich (x). 


Wir nehmen nun speziell an, die Funktionen b,(x) seien alle mo- 
noton wachsend und f(x) sei außerdem beschränkt; dann sind die Ab- 


leitungen b,(z) nirgends negativ und die Funktionen 


ed reed + +) (n=1,2,...) 
bilden eine monoton wachsende Folge von Funktionen. Außerdem ist 
aber für je zwei Punkte x, und x, von A, für die x, <z, ist, 


J 9.2) da< f(23) — f(&,) 


und hieraus folgt nach dem $ 529 die Summierbarkeit von p(x) und da- 
her auch die Totalstetigkeit von f(x). 


$ 531 Berechnung von einfachen Integralen 605 


Satz 3, 3. Sind die Glieder ba) der konvergenten Reihe 
fat) + -- 


ın emem linearen Kontinuum A totalstelig und monoton wachsend, ist 
außerdem f(x) beschränkt in A, so ist f(x) ebenfalls eine totalstetige 


531. In früheren Zeiten hat man die gliedweise Integration von 
Reihen nur für gleichmäßig konvergente Reihen und für beschränkte 
Integrationsbereiche bewiesen. Diese engeren Voraussetzungen sind in 
den Voraussetzungen des 8 529 enthalten: konvergiert nämlich die Reihe 


(1) f@)-ala)t+al@)+- 


gleichmäßig in A, so kann man eine natürliche Zahl p so bestimmen, 
daB für jedes n > p und für jedes x innerhalb A 


, , Aa ACJE <I1 
ist; setzt man hierauf 

Se) he) Hd + ha) Hl, 
so ist S(x) über den Integrationsbereich A summierbar, falls dieser be- 
schränkt ist, und genügt den Bedingungen (9) des $ 529. Die Reihe (1) 
ist also gliedweise integrierbar über A. 


Die Kriterien, die wir angegeben haben, sind aber nicht nur des- 
halb allgemeiner, weil wir,über die Beschränktheit von A nichts voraus- 
zusetzen brauchten, sondern auch, weil die Konvergenz der f,(z) gegen 
f(x) tatsächlich nicht gleichmäßig zu sein braucht. 


Dagegen konvergieren die unbestimmten Integrale 


F,@) | 1.) de 
gleichmäßig gegen “ 
F(x) - /r@ de. 
Denn es ist stets “ 
Fa) Pla) Sf) -Ila)ıda 


und nach der Gleichung (9) des $ 402 konvergieren die letzten Zahlen 
anit wachsendem rn gegen Null. 


606 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen $ 582, 535 


Uneigentliche Integrale. 
532. Es sei 
| A: a<as<b 
ein lineares Gebiet und F(x) eine Funktion, die auf dieser Punktmenge 
stetig und beschränkt ist und für welche die Grenzwerte 


(1) ‚im F(x) = F(a) und lim F(x) = F(b) 


existieren. Ist also A ein Intervall, so ist F'(x) im abgeschlossenen 


Intervalle _ 
A: asısb 


definiert und stetig auf A; ist A kein Intervall, so ist durch unsere 
Festsetzung das eine oder das andere der beiden Symbole F(— oo), 
F(+ 00) definiert. | 

Ist F(x) ein unbestimmtes Integral einer über A summierbaren 
Funktion f(x), so gilt in jedem Falle die Gleichung 


(2) Fb) — F(a) = [fa)da = | fo)dz, 

4 u 
die man nur zu beweisen. braucht, wenn a oder b unendlich sind. Es 
sei z. BB a=— oo und b endlich; mit x,, &,, ... bezeichne man eine 


Folge von Punkten, die gegen a konvergieren und mit f,(x) eine Funk- 
tion, die für z<x, verschwindet und für x2>x, gleich f(x) ist. Dann 


ist stets . 
NACES ic) 
im @) = fa). 
Also ist nach dem Satze 16 des $ 402 
(8) ‚Sf(e) dx = lim /f,(e) de. 
Anderseits ist aber 
(4) S 1.2) a2,— [1.@) da = F0) — F@,) 


und der Vergleich von (1), (3) und (4) liefert uns die Gleichung (2). 


533. Wir betrachten jetzt solche Funktionen F(x), die den Glei- 
chungen (1) des vorigen Paragraphen genügen und außerdem in jedem 
Teilintervall Ä | 
(1) 3, << 





8 583 Uneigentliche Integrale 607 
von A, dessen Endpunkte von @ und b verschieden sind, 
(2) [7 < X) Lg < b 


totalstetig sind. Dann ist F’(z) ein unbestimmtes Integral einer über: 
jedes Intervall (1), aber nicht notwendig über A summierbaren 
Funktion f(z). Es ist aber bequem, auch in diesem Falle von einem In- 
tegral der Funktion f(x) über A zu sprechen, das durch die Gleichung 


2 2 
3) Sta) dx — lim | fiz)dx = Fib) — F(a) 
auch 
definiert wird. Ein solches Integral heißt ein uneigentliches Inte- 
gral von f(x), falls f(x) nicht über A selbst summierbar ist. 


Die Zweckmäßigkeit dieser Bezeichnung ersieht man sofort, wenn 
man ‚bedenkt, daß die Formeln 


(4) So + g@)az- [fo)dz + viz)az, 
(5) Jar) dı = [fe dz, 
(6) Sra)az +/ fa)ar =) fe) dz, 


die für summierbare Funktionen gelten, auch dann bestehen bleiben, 
wenn uneigentliche Integrale in diesen Formeln vorkommen. 


Wenn 
(7) Sfa)ax 


ein uneigentliches Integral sein soll, darf f(x) nicht über A summierbar- 
sein; nun ist ($ 395) die Funktion f(x) dann und nur dann über A sum- 
mierbar, wenn dasselbe von |f(x)| gilt. Hieraus folgt, daß (mit unseren 
obigen Voraussetzungen) das Integral (7) dann und nur dann ein un- 
eigentliches Integral ist, wenn 


Ö im [If@)lda= + x 


ist. Die Funktion f(z) muß also ihr Vorzeichen derart wechseln, daß 
der Grenzwert (3), aber nicht der Grenzwert (8) endlich ist. 


608 u Kap. &. Funktionen einer Veränderlichen ze ö 634 


_— ZA nn mn nn 1 nn mn 





534. Es seien jetzt /, (2), %(&), -- . Funktionen einer ‚r konvergenten 
. Folge, die über die Punktmenge A summierbar sind, oder ein uneigent- 
liches Integral über diese Punktmenge besitzen. Setzen wir 


(1) Pf) = lim fa), 


so kann man sehr leicht hinreichende Bedingungen dafür aufstellen, 
daß f(x) ein eigentliches oder uneigentliches Integral über A besitze 
und die Gleichung 


vo b 
(2) St) dx = lim / f,(&) de 
bestehe. " j 
| Wir Le zuerst, daß wir den Satz 16 des 4 402 über jedes 
Intervall 
(3) % < <dg, 


dessen Endpunkte von a und 5 verschieden sind, anwenden können; es 
muß daher eine über das Intervall (3) summierbare Funktion $(z; &,,2,) 
existieren, so daß für jedes » die Bedingung 

(4) Aa) S Sa; %, 2%) 

erfüllt sei. Ä 

Nun seien &,', &,... und &”, &”, .... monotone Folgen von 


Punkten, die gegen a bzw. b konvergieren und von diesen Punkten 


Werschiaden sind: 
Ä 8a, & —b. 


Wir bezeichnen ferner mit n,,, ”,. die Differenz der oberen ao der 
unteren Grenze der Funktionen 


©) Fu) = [1,0)da 
in den Punktmengen - 


a<ai<E, & <a<b.. 
‘Setzen wir endlich 


(6) [ 1% = obere Grenze von (N Na eh 
| MmM=n „ „ (Men Mash 
80 ist die Gleichung (2) richtig; falls die Gleichungen 
(T) lim 7, = 7 "und lim 1 = 0 


k=» 
‚bestehen. 


8 535 Uneigentliche Integrale 609 
Sind nämlich «° und »” zwei Punkte, die den Bedingungen 
Ad < X < E. ie ı"< b 


genügen, 80 ist nach unseren Voraussetzungen 


(8) "I r) az — lim [f,(e) dr 


und hieraus findet man, wenn man sich an die Definition von n, und 
r. erinnert, 


ı" b 
9 Ifo)a: z lim Jf,@)da- mm 
und “ ö 
(10) Ira)ar < tim (f,ddr + m + m”. 


Aus den beiden letzten Relationen und aus 
h 


b 
lim | fulr)da < lim [fu@)dr 


folgt‘ ferner, daß diese beiden Limites endlich sind und daß 
| ; 
(11) lim / f,(2) d& — lim Sn dr <2:(n +) 


sein muß, und da die Relation (11) für jeden Wert von / besteht, ent- 
nimmt man aus (7) die Existenz des Grenzwertes 


b 
lim / fu(a) de. 
Nun kann man aber statt (9) und (10) schreiben 


x b 
Sre@)az = lim fs) dr + Hm +m”) -1<s<1), 
x’ n=% a 
woraus ohne Mühe die Existenz des Integrals von f(x) über A, sowie 
auch die zu beweisende Gleichung (2) folgt. 


>35. Es seien 
<< E, 


endlich viele Punkte, die in der offenen Punktmenge 


A: a<ı<b 


Carath&odory, Reelle Funktionen. 39 


610 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen ° $ 58% 53% 





— 


enthalten sind; ferner sei f(x) eine Funktion, die ein sin uneigentliches 
Integral in jeder der a 


besitzt. Man kann nun ein aneigentliches Integral von a) über A 
dadurch definieren, er man setzt: 


Ä (fie) dx _ (Ra) dx +fre) de-+--- +,fte)ar 


Nach dieser Definition, die man auf offene zusammenhängende Teil- 
mengen von A übertragen kann, existiert für jeden Punkt x von A die 
Funktion 


F(a)= fa) az; 


diese Funktion ist stetig in A, außerdem ist 


lim F(x) = F(a) = 


und in jedem abgeschlossenen Teilintervall von A, dessen Endpunkte 
von a und b verschieden sind, und das keinen einzigen der Punkte &, 
enthält, ist F'(x) totalstetig und gleich einem der unbestimmten Inte- 
‘ grale der in diesem Teilintervall summierbaren Funktion: f(x). Es ist 
klar, daß F(z) durch diese Eigenschaften eindeutig bestimmt ist. 


536. Endlich deuten wir kurz an, wie man den Begriff des un- 
eigentlichen Integrals noch weiter ausbauen kann. Es sei A ein lineares 
Gebiet und B eine offene Teilmenge dieses Gebietes, die aus abzählbar 
unendlich vielen Intervallen Ö,, d,,.... und eventuell aus einer oder 
zwei Halbgeraden Ö’ und ö” besteht. Wir sagen nun, daß eine Funk- 
tion f(x), die auf A definiert ist, ein uneigentliches Integral über A be- 
sitzt, wenn erstens f(x) über jedes abgeschlossene Intervall, das in R 
enthalten ist, summierbar ist und wenn es zweitens eine einzige 

. stetige und beschränkte Funktion F(x) auf A gibt, für welche der 
Grenzwert F(a-++0) = 0 ist und der Grenzwert F(b—0) existiert, und 
die auf jedem abgeschlossenen Teilintervall von B gleich einem unbe- 
stimmten Integral von f(x) ist. 

Die Punktmenge (A— B) ist entweder selbst abgeschlossen oder 
sie wird es, wenn man den einen oder die beiden Endpunkte von A ıhr 
hinzufügt. Sie ist also entweder abzählbar oder sie enthält eine perfekte 
Teilmenge ($ 64). In diesem letzten Falle kann man nach dem Satze 12 
des 8509 mehrere Funktionen F(x) finden, die unseren obigen Be- 
dingungen genügen, falls es überhaupt eine solche Funktion gibt. 


& 536 Uneigentliche Integrale vll 








Ist dagegen (A— B) abzählbar und existiert eine Funktion F(x) 
mit den angegebenen Eigenschaften, so betrachte man die Funktion 
&(z), die in jedem Punkte von (A— B) und auf den Halbgeraden 5’ 
und ö” (falls sie vorhanden sind) gleich F'(x) ist und die in jeden: der 
Intervalle ö, gleich einer linearen Funktion ist, die in den Endpunkten 
dieser Intervalle dieselben Werte wie F(z) annimmt. 

Die Funktion ®(zx) ist in jedem Punkte von A stetig: für die 
Punkte von B und die isolierten Punkte von (A — B) ist dies evident; 
um die Behauptung auch für die Häufungspunkte von (A — B) zu be- 
weisen, muß man die Tatsache benutzen, daß in jedem der Intervalle 6, 
die Variation von ®(r) nicht größer ist als die Differenz der oberen 
und unteren Grenze von F(z) in diesem selben Intervalle. 

Wäre nun eine zweite Funktion F\ (x) mit den geforderten Eigen- 
schaften vorhanden, so müßte die entsprechende Funktion ®,(z) inner- 
halb eines jeden ö, dieselben Derivierten wie ®(z) besitzen; in der 
Punktmenge (A— (6’+6”)) haben dann die beiden Funktionen @(zr) 
und ®,(x) überall endliche Derivierte, die einander gleich sind außer 
höchstens in der abzählbaren Punktmenge (A — B). Da außerdem | 
®(z)=®,(z) auf der Punktmenge Öd’ ist, müssen nach dem $ 524 diese 
beiden Funktionen auf A übereinstimmen und man schließt hierans, 
daß auch F(x) = F,(x) überall auf A sein muß. 

Hieraus entnimmt ınan, daß folgende Bedingungen dafür notwendig 
und hinreichend sind, daß ein uneigentliches Integral von f(x) über A 
existiere: 


1. Die Punktmenge (A — B) muß abzählbar sein. - 


2. Die Funktion f(x) muß über jede der Punktmengen Ö,, 6’, 6” 
entweder summierbar oder uneigentlich integrierbar sein. 


3. Die Konstruktion einer stetigen beschränkten Funktion ®(«), 
die linear in den 6, ist-und dort die vorgeschriebenen Variationen be- 
sitzt, muß möglich sein. 

4. Wenn man in jedem der Intervalle 
| 6: „<r<b 
die Funktion ®(x) durch 


5(a,) + /fia)dx 


ersetzt, muß man eine stetige Funktion F'(x) erhalten. 


Eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß diese 
vierte Bedingung erfüllt sei, ist folgende: man bezeichne mit o, die 
39* 


612 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen $ 587 





Differenz der oberen und unteren Grenze der Funktion 


[fe)aa 


lim 0, = 0 


k=» 


im Intervalle d,. Dann muß 


- sein. 
Der zweite Mittelwertsatz der Integralrechnung. 


537. In der Geschichte der Analysis hat ein Satz, den man den 
zweiten Mittelwertsatz nennt und den wir weiter unten formulieren, eine 
bedeutende Rolle gespielt. Man erhält ihn durch folgenden Kunstgriff, 
der unter dem Namen „partielle Summation“ bekannt ist. 

Es sei auf einem linearen Gebiet 


(1) A: a<a<b 
eine stetige und beschränkte Funktion F(x) gegeben, für welche die 


Grenzwerte 
(2) lim F(z2)= F(a), lim F(x) = F(b) 


existieren. Durch (n— 1) Punkte 
(3) <<< 


die alle in A liegen, werden n offene zusammenhängende Teilmengen von 
A definiert. Wir geben uns ferner eine monotone Folge von » Zahlen 


(4) SS: Sic, 
und betrachten den Ausdruck 
5) S=a(Fa)—- Fa) +o(Fa)— Fa))+:-: 
20 +1 (Fa) F_,) + 0, (F&$-F@,_)), 
den man durch Umordnung der Glieder schreiben kann 
(6) S=-a,Fla)(3-2,)Fl&)—-—(a,—e,_)F,_)+,Fb). 
Addiert man gliedweise zu der letzten Gleichung die Identität 
0=n4+ (3 — a) + +, )A—ayA, 
wobei 4 eine beliebige Zahl bedeutet, so kommt: 
S=a(-F(a)+e,(Fb)—ı)+ R() 
mit der Abkürzung 
RG) = (g—-&,)(A—-Fa))+ lg) A—-Fay)+-- 
| + (0,0, ,)A-F_2): 


8 538 Der zweite Mittelwertsatz der Integralrechnung ‚613 





— [1 nn 


Die Funktion R(A) ist eine lineare Funktion von A, die wegen n (4) 
einen nicht negativen Wert annimmt, wenn man für A die obere Grenze 
G von F(x) im abgeschlossenen Intervall 


(7) U SE<Sm_, 
einsetzt, und einen nicht positiven Wert, wenn man für A die untere 


Grenze g von F(x) in (7) nimmt. Entweder ist also R\A) identisch Null 
(dann muß aber « =, sein) oder der Wert von A, für welchen 


(8) Rü)- 
ist, liegt in der abgeschlossenen Punktmenge 
(9) g9<A<Q. 


Es gibt also jedenfalls mindestens einen speziellen Wert A, von A, der 
der Bedingung (9) genügt und für welchen (8) erfüllt ist, so daß 
S= «,(4,— F(a)) + «, (Fb) — A,) 


wird. Nun gibt es innerhalb des abgeschlossenen Intervalls (7), wenn 
man die Stetigkeit von Fr) benutzt, mindestens einen Punkt &, für 


welchen 
4,=F(6) 
ist, und man kann schreiben: | 
|S=«a(F—- Fa) + a,(Fib) —- FÜ), 
| 7] s 5 sa In-1' 


938. Wir setzen jetzt voraus, daß F(x) ein unbestimmtes Integral 
einer über A summierbaren Funktion f(x) ist und bezeichnen mit »(z) 
eine in A definierte, monoton wachsende endlichwertige Funktion, die 
in den n Teilgebieten von A, die durch die Punkte z,,2,,.. ., &,_ 
bestimmt werden, die Werte «,, «,,...,«, annimmt. Nach der Gleichung 
(5) des vorigen Paragraphen ist dann 


(10) 


b 
S=- /fle)- v(a)da 
und die Gleichung (10) läßt sich also schreiben 
: 
(11) Ste): vio)dz.= af f(a)ax + uf f(a) da. 


Wir bezeichnen ferner mit @(x) eine beliebige, in A definierte 
monoton wachsende und beschränkte Funktion und wählen zwei be- 


614 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen $ 538 


liebige endliche Zahlen & und ß, die den Bedingungen 


e<gpl(a+0), P= 9-0) 
genügen. 

Man kann nun die Funktion p(x) in jedem Punkte von A als 
Grenze einer Folge von endlichwertigen, monoton wachsenden Funk- 
tionen 

9, Rs: 


darstellen ($ 307), die in einer gewissen Umgebung von a den Wert « 
und in einer gewissen Umgebung von b den Wert ß annehmen. Da 


nun stets 
I9.(@)fle)ı S (lei + Bl) If@| 
ist, ist nach dem Satze 16 des $ 402 


(12) J f(x) 9(&) dx = lim nf f(&) 9,(@) de. 
Nun ist aber nach (11) für . n 


(13) f Or Er f fa)de +, f fla) de, 


wobei &, einen geeigneten Punkt der ns A bedeutet. 
Aus der Folge 
5 5, 5, : 


kann man eine konvergente Teilfolge 


Er Em En 


aussondern, die gegen einen Punkt & konvergiert, der entweder in A 
liegt oder einen der Werte a oder b annimmt. Dann ist aber wegen 
der Stetigkeit des unbestimmten Integrals einer summierbaren Funktion 
. als Funktion ihrer oberen oder unteren — 


lim [io dx - [ro de, 
(14) 


lim jr6 dx -/ f(x) da 
und folglich, wenn man 19), (13) ve (14) mn 


(15) fe) n@)ar = «ffa)az + of f(@) de. 


$ 539 Der zweite Mittelwertsatz der Integralrschnung 615 


— | | nn -— 1.2 - u - 


Der zweite Mittelwertsatz. Ist f(x) eine über das lineare Gebiet 
A: a<ı<b 
summierbare Funktion und p(x) eine monoton wachsende Funktion, die 
in A beschränkt ist, beseichnel man ferner mit « und ßB zwei endliche 
Zahlen, die den Bedingungen 
e<plur0), Bz2Pb-V0) 

‚genügen, so gibt es eine endliche oder unendliche Zahl E, die entweder in A 
diegt oder einem der Werte a, b BR ist, und für welche die Gleichung 


j Ke)pa)dı-a f fa)dz + B fi f(a) dx 
gü. 
539. Man kann den zweiten Mittelwertsatz auch auf uneigentliche 


Integrale übertragen. Ist z.B. f(x) in jedem abgeschlossenen Teilintervall 
von .1 summierbar und existiert das uneigentliche Integral 


I 
(1) f fia)d«, 
so muß auch das uneigentliche Integral 


(2) f f(z) p(x) dx 


existieren. Denn für je zwei Punkte x’ und x” von A ist nach dem 
vorigen Satz 


2: ) x” 
(3) Ste) p@) dr - uf fo)de+p/ta)d« @<n<e”) 


und daher auch 


re) a) az <|e| Nna)de + Bl.ffo) de . 


Die rechte Seite dieser Relation konvergiert aber gegen Null, wenn man 
x und x” beide gegen a oder beide gegen b konvergieren läßt, und 
hieraus entnimmt man etwa wie im $ 534 die Existenz des uneigentlichen 
Integrals (2). 

Läßt man also in der Gleichung (3) den Punkt x’ gegen « und den 
Punkt x” gegen b konvergieren, so beweist man genau wie im vorigen 
Paragraphen die Existenz eines Punktes &, für welchen die Gleichung (15) 
dieses Paragraphen gilt. 


616 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 540 
<<<, 
des uneigentlichen Integrals 


Fe) - [ode 


in endlicher Anzahl vorhanden, so bemerke man, daß der zweite 
Mittelwertsatz auf jede der m Teilmengen angewandt, in welche A 
durch die Punkte x, zerlegt wird, die Gleichung liefert 





[ne o@ar -[efte)az + vi) |e)aa] 
Ei 2 
I Hr [Ro ds + ven ro an] + 


es [p@,_ fr («) dz + -ere de |. 


Tm—1 


. letzte Gleichung läßt sich aber schreiben 


Re) ed «[F&,)- _ Po) + a) FEy)L- +B(RD-FG, ); 


sie ist genau von derselben Gestalt wie die Gleichung (5) des $ 537 
und läßt sich ebenso wie dort in die Form 


f f(@) p(@) dx = «(Fb — F(a)) + B(F&)— Fb) 
überführen. | 


540. Die geometrische Bedeutung des zweiten Mittelwertsatzes ist, 
folgende: man kann im Integrale 


Sr@) pe) da 


die monoton wachsende Funktion p(x) durch eine zweiwertige mo- 
notone Funktion x(x) ersetzen, ohne den Wert des Integrals zu ändern. 
Man kann sogar die beiden Werte von x(x) beliebig vorschreiben unter 
der einzigen Einschränkung, daß die Ungleichheiten 


Ä (a) <yp(a+0) und (b)> p(lb—0) 
bestehen. 


8 541 Erweiterung des Definitionsbereichs stetiger Funktionen 617 


Es ist klar, daß ein analoger Satz bestehen muß, wenn (x) eine 
monoton abnehmende Funktion bedeutet; um dieses einzusehen, braucht 
man nur in unseren Formeln die unabhängige Veränderliche x durch 
eine Veränderliche — y zu ersetzen. 


Erweiterung des Definitionsbereichs stetiger Funktionen. 


41. Mit Hilfe der Theorie der einfachen Integrale kann man sehr 
leicht Funktionen, die auf einer abgeschlossenen Punktmenge A des 
n-dimensionalen Raumes definiert und in jedem Häufungspunkt von A 
stetig sind, zu solchen ergänzen, die im ganzen Raume stetig sind. 

Wir wollen zunächst den Fall behandeln, in welchem die auf A 
definierte Funktion f(P) außer der verlangten Stetigkeitseigenschaft 
noch den Bedingungen 
(1) o<fim<1 
genügt. 

Man bezeichne mit KX(P;r) eine »-dimensionale Kugel mit dem 
Mittelpunkt P und dem Radius r und mit Y(P;r) eine Funktion, die 
gleich Null ist, wenn die Punktmenge 41 - K(P;r) leer ist, und sonst 
gleich ist der oberen Grenze von f(P) in dieser Punktmenge: 


(2) | v(P;r)= G(f; A-KiP;n). 


Ist jetzt P ein Punkt der (offenen) Komplementärmenge A’ von A 
und bezeichnet man mit o(P‘) die Entfernung zwischen P und A, so ist 


(3) e(P)= E(P, A) 
von Null verschieden und die Funktion 
2_ 
1 
(4) 5) = „4, | v(Pindr 


e 
hat einen Sınn, weil y(P;r) eine monoton wachsende und wegen (1) 
beschränkte, also summierbare Funktion von » bedeutet. 
Wir zeigen zuerst, daB p(P) in jedem Punkte von A stetig ist. 
Es sei P, ein zweiter Punkt von A’, ö seine Entfernung von P 


(5) E(P,P,)=0 
und oe, seine Entfernung von A 
(6) " E(P,A4)= 9: 


Da für jedes r, wegen des Dreiecksatzes, die Relationen 
K(P;r)<K(P,;r+6) und K(P,;r)<K(P;r+6) 


618 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen 8 542 


zugleich erfüllt sind, können wir schreiben 


MM) o<g+td, aSe+d 
und außerdem noch wegen (2) 
(8) v(P;r)<u(Pir+d). 


Nun ist aber nach (4) 
20, 
9 9(P) = SWR rar 


und, wenn man (8) benutzt, 


20, 20, +0 
(9) 0, P(Pı) < /UlP;r+ö)dr = [u(Pindr. 
0 0, +6 


Ferner ist nach (7) 
e<a+td, 2, +9S2e +30 
und nach (1) und (2) - 

0<u(Pjir)<i; 
also folgt aus (9) 


20+30 


0 9(B))< fw(Pin)dr<op(P) +38. 
E 


Durch Vertauschung von P mit P, erhält man 
ey(P)<o,9(P,) +30 


oder, wenn man die beiden letzten Relationen miteinander vergleicht, 
0, 9(P,)-ep(P) S30=3E(P, P,). 


Diese letzte Bedingung zeigt aber, daß die Funktion 0-gp(P) eine 
stetige Funktion von P in der offenen Punktmenge A’ ist, und da in 
dieser Punktmenge o(P) ebenfalls stetig ($ 191) und von Null verschie- 
den ist, so ist, wie wir beweisen wollten, die Funktion g(P) stetig in A’. 


542. Nun wollen wir zeigen, daß die Funktion F(P), die in jedem 
Punkte von A gleich f(P) und in jedem Punkte von A’ gleich p(P) 
ist, eine im ganzen Raume stetige Funktion bedeutet. Für die Punkte 
der offenen Punktmenge A’ und für die inneren Punkte von A ist die 
Behauptung evident, und wir brauchen bloß die Punkte der Begrenzung 
von A in Betracht zu ziehen. 

Ist P, ein soleher Punkt und & eine beliebige positive Zahl, so 
können wir wegen der Stetigkeitseigenschaft von f(P) eine positive 


$ 543 Erweiterung des Definitionsbereichs stetiger Funktionen 619 
Zahl 31, so bestimmen, daß innerhalb der Punktmenge 








(10) A: K(P,;3n) 
die Relationen 
(11) KPı) -s<f(PA<f{P)+e 


erfüllt sind. Es sei nun P ein beliebiger Punkt von A’, dessen Ent- 
fernung von P, kleiner als » ist, 


EP, F)<n, 


e=E(P,A)<y 
und ans den beiden letzten Ungleichheiten folgt 
K(P; 20) < K(P,; 3n). 
Daher ıst auch für jeden Wert von r, der zwischen o und 2 liegt, 
fP)-e<p(P, rn <f{P)+t: 


denn die Punktmenge A- K(P; r) enthält dann mindestens einen Punkt, 
für welchen f(P) > f(P,) —: ist, aber keinen einzigen Punkt, in dem 
P)>f(Po)+: ist. Nach der Definitionsgleichung (4) von g(P) ist 
also auch 

(12) fP)--e<p(P)Sf(B) +e. 


In jedem Punkte der Kugel K(P,; 7) ist eine der beiden Relationen (11) 
oder (12) stets erfüllt und hieraus folgt die Stetigkeit von F(P) im 
Punkte P,- 

Die Funktion F'( P), die wir konstruiert haben, ist nirgends negativ: 
für die Punkte von A folgt dies aus der Definition von f(P) und für 
die Punkte von A’ aus der Integraldarstellung (4) von g(P). Nun be- 
trachte man die Funktion 


FiPı+ E(P, A), 


wo E(P, 4) wieder die Entfernung zwischen einem Punkte P des 
Raumes und A bedeutet. Diese Funktion ist im ganzen Raume stetig 
‘8191, Satz 4), auf jedem Punkte von A nimmt sie den vorgeschriebenen 
Wert an, und in jedem Punkte von A’ ist sie von Null verschieden und 
positiv. 


Jann ist auch 


543. Wir erweitern jetzt die Voraussetzungen für die gegebene 
Funktion f(P) dahin, daß wir nicht mehr die Beschränktheit und nicht 
einmal die Endlichkeit von f( P) fordern, sondern nur noch, daß f(P) > 0 
und in allen Häufungspunkten von A stetig ist. 


620 Kap. X. Funktionen einer Veränderlichen $ 513 








Man a dann 


| h(P)=f(P) in der Punktmenge M(f(P)<1), 


1 h(P)= 1 „9 9» m(fB>1), 
un 
- 1 „ „ M(fP<s1), 
k(P)=f(P) „9 „ M(f{P>1). 


Man beachte, daß in jedem Punkte von A 
ff) = u KP) 
ist und daß die Funktionen f,(P) und r = 


Paragraphen genügen. Man kann also zwei Funktionen F,(P) und #F,(P) 
finden, die im ganzen Raume stetig sind und auf der Punktmenge A 
dieselben Werte annehmen wie f,(P) und 1:f,(P). Von F,(P) können 
wir nach der Schlußbemerkung des vorigen Paragraphen voraussetzen, 
daß sie in jedem Punkte der Komplementärmenge A’ von A von Null 
verschieden sei. Setzt man 

F,(P) 


F ‘(P N F.®) (P)’ 
so ist F(P) stetig im ganzen Raume, in jedem Punkte von A ist 
FP)= IP) und in jedem Punkte von A’ ist F(P) endlich. 
Es sei schließlich die gegebene Funktion f (P) von beliebigem Vor- 
zeichen; man setze dann 
| fi(P)=f(P) in der Punktmenge M(f(M>0), 
fi (P) == 0 ” „ ) M(f(P) < 0), 
| f(P) = 0 „»» „ M(fP)=0), 
f(P)=—-fP) „» „ M(fP)<O0). 
Die Funktionen f, (P) und f,(P) genügen den vorigen Bedingungen; man 
kann Funktionen F,(P) und F,(P) konstruieren, die im ganzen Raume 
stetig sind, in jedem Punkte von A’ überdies endlich sind und auf A 
mit f,(P) und fs,(P) zusammenfallen. Die Funktion 
F(P) = F,(P) — F(P) 
liefert dann eine Lösung unseres Problems. 
Satz. Ist A eine abgeschlossene Punktmenge des n-dimensionalen 
Raumes und f(P) eine Funktion, die auf A definiert und in jedem 
Häufungspunkte von A stetig ist, so kann man eine im ganzen Raume 


stetige Funktion finden, die in jedem Punkte von A gleich f(P) ist und 
in jedem Punkte der Komplementärmenge A’ von A endlich ist. 


den Bedingungen des vorigen 


$ 544 Der Satz von Fubini 621 


Kapitel XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen. 


Der Satz von Fubini. 
544. Wir betrachten einen (m+n)-dimensionalen Raum R,,, 
und bezeichnen die Koordinaten seiner Punkte mit 
1) Loy Ayy er, Imı Yır Yar : > Y: 


Jedem Punkt P des R,,,, entspricht dann eineindeutig ein Punkte- ' 
paar [P’, P”], wobei P’ ein Punkt des m-dimensionalen Raumes R, 


der x mit den Koordinaten 
Pe er 


und P” ein Punkt des n-dimensionalen Raumes R, der y mit den 
Koordinaten 
PT: Yır Yar - 5 9 
bedeutet. Wir können also P durch das Symbol [.P’, P”] ersetzen: 
2) P=({P/, P’]. 
Ein beliebiges Intervall / des R,,,, ist durch die Ungleichheiten 


m+rn 
3) (<a,<b (k=1,2,...,m) 
| | ,<y,<d, (je=1l,2,...,") 


definiert. Die erste Zeile von (3) bestimmt ein Intervall /’ des R,, die 
zweite Zeile aber ein Intervall /” des #,; und mit der Bezeichnung (2) 
ist ein Punkt [P’, P”] des R dann und nur dann in / enthalten, 
wenn die Relationen 

P'<I und P"’<T 
zugleich gelten. Wir können also auch hier schreiben 
(4 I=[T, I). 


Um Verwechslungen zu vermeiden, wollen wir den Inhalt einer 
meßbaren Punktmenge A des (m + »)-dimensionalen Raumes mit mA, 
den Inhalt einer meßbaren Punktmenge B des m-dimensionalen Raumes 
der x mit uB und den Inhalt einer meßbaren Punktmenge C des n- 
dimensionalen Raumes der y mit »C bezeichnen. Mit diesen Bezeich- 
nungen ist dann nach der Definition des Inhaltes eines Intervalls ($ 228) 
für das Intervall (+4) 

(5) mI=ul’.vI”. 


m+n 


622 Kap. x. Funktionen von mehreren Veränderlichen SL 545 


545. Es sei nun A eine meßbare und beschränkte Punktmenge 
des R,,,;., die in dem — 


(1) =[W,W| 


enthalten ist. Es sei P’ ein a fester Punkt des R, und mit 
B(P’) die Gesamtheit der Punkte P” des »-dimensionalen Raumes 
der y bezeichnet, für welche [P’, P'] einen Punkt von A bedeutet. 
D. h.: die Punktmenge B(P’) ist die Projektion des Durchschnittes 
von A mit einer zu RW, parallelen »-dimensionalen linearen Mannig- 
faltigkeit auf NR,; sie ist entweder leer (was z. B. der Fall ist, 
wenn P’ außerhalb des Würfels W” liegt) oder eine Teilmenge des 
Würfels W”, und daher immer beschränkt. Der äußere Inhalt »* B(P”) 
‚ist dann eine beschränkte Funktion von P’, die wir mit g(P’) be- 
zeichnen 
(2) PP) =v*B(P)), 

und die für alle Punkte P’ des ®,, definiert ist. 
| Genau ebenso können wir der meßbaren Punktmenge 
8) A=W-A | 
eine Punktmenge B,(P’) zuordnen, die für jeden Punkt P’ des ® 
definiert ist und hierauf die Funktion 
(4) p(P)=v*B(?) 
einführen. Da, falls P’ einen beliebigen Punkt von W’ bedeutet, für 
jeden Punkt P” des Würfels W” der Punkt [| P’, P”] des (m-+n)-dimen- 


sionalen Raumes entweder in A oder in A, enthalten sein muß, haben 
wir stets 


UL: 


(5) . B(P)+B(P)=W”, 
und hieraus folgt wegen (2) und (4) 
(6) yP)+gy(P)rW, (für 2<W’) 


Es ist gut zu bemerken, daß die (m + n)-dimensionale Meßbarkeit 
der Punktmenge A nicht die n-dimensionale Meßbarkeit der Punkt- 
mengen B(P”) nach sich zieht. Man wähle z.B. A so, daß B(P’) immer 
leer ist, wenn P’ nicht im Mittelpunkte P,) von W’ liegt, und daß 
B(P,) gleich einer nicht meßbaren Teilmenge des Würfels W” ist. 
Dann ist A eine Nullmenge des Ri, ,, und daher meßbar. 

Wir bezeichnen mit 


m+n 


on LE ee 
eine Folge von Intervallen 


(M ar pn, (k=1,2,...) 


S 545 Der Satz von Fubini ! 


des ®,,„, die erstens A überdecken, 
Ares 

zweitens alle im Würfel W enthalten sind, 

(8) 1„,<W. 

und für welche endlich die Relation 


(9) Dml.<mit, 
k=l 


erfüllt ist. 

Es sei nun %,,(}) eine Funktion des m-dimensionalen Raumes 
der z, die innerhalb des Intervalles 7,; den Wert vJ,, annimmt und 
sonst Null ist. Da wegen (7) und (8) 


I <W 

ist, hat man, wenn man die Funktion %,,(P’) über W’ integriert, 

nl )dw' ul vIn, 

4 
und daher wegen der Gleichung (5) des vorigen Paragraphen: 
(10) SoP) dw’ = ml. 

w’ 
Setzt man 

(11) vr)=tulP)rteslP)tYtslP)H+ 
so ist, weil die y_ ,(P’) lauter nichtnegative und meßbare Funktioner 
sind und weil nach (9) die Summe über k der Integrale (10) beschränkt 
ist, nach dem Satze 4 des $ 383 die Funktion P,(P’) eine über W” 


summierbare nicht negative Funktion, und man hat nach demselben 
Satze mit Berücksichtigung von (91 


; | | 
(12) / v(PduwsmArt BE 
m 
Setzt man endlich 
(13) B(P”) = untere Grenze von (X, (P), #,(P’),...}, 


so ist W(P’) ebenfalls über W’ sumnierbar ($ 400) und man hat: 
nach (12) und (13) 


(14) (we) dw’ <mA. 
y' 


Wir wollen jetzt die Funktion #(P’) mit der durch die Gleichung (2) 


624 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 545 




















definierten Funktion g(P’) vergleichen und bemerken hierzu, daB für 
jeden festen Wert von p jeder Punkt der Punktmenge B(.P') bei fest ge- 
wähltem P’ in mindestens einem der Intervalle J,, des n-dimensio- 
nalen Raumes liegt; für diesen Wert von k und für das betrachtete 7?’ 
ist außerdem 


| vB) = vl. 
Hieraus folgt aber nach (11) für jedes P’ 
w,(P) > »*B(P‘) = g(P‘) 
und da die letzte Bedingung für jede natürliche Zahl p gilt, können 


wir nach (13) schreiben 
(15) w(P) > g(P)). 


Genau ebenso können wir die Punktmenge A, =( W—.A) behandeln 
und eine nicht negative Funktion X(P’) bestimmen, die über W’ sum- 
mierbar ist und für welche die beiden Relationen 


(16) / xP)aw <mA,, 
w’ 


(17) AP)z2 pP) 
zugleich erfüllt sind. 
Nun bemerke man, daß wegen der Meßbarkeit von A 


(18) mA+mA, =mW 
ist, und daß die Gleichung 

mW=uW’'-vW” 
auch geschrieben werden kann 


(19) | S vW’dw = mW: 


w’ 


addiert man_also (14) und (16) und ber ücksichtigt (18) und (19), so 
kommt 


(20) St wP) + X(P) —- vW")aw' <o. 
w' 
Anderseits ist, wenn man (6) mit (15) und (17) vergleicht, 
(21) “P)+XP)2yP)+aP)zrW"; 


die Funktion unter dem Integral (20) ist also nie negativ und hieraus 
folgt erstens, daß in (20) das Gleichheitszeichen gilt: 


(22) tw) + x(P) —»W")aw' =0 


$ 546 Der Satz von Fubini 625 


und zweitens (8 405, Satz 2), daß in jedem Punkte des Würfels W’ 
außer höchstens in einer Nullmenge e’ des m-dimensionalen Raumes 


(23) BP)\+XP)=-rvW” 
sein muß. 

Die Gleichung (22), die man mit Hilfe von (18) und (19) schreiben 
kann 


fr YP)+XKP)due = mA4A+mA, 
iv’ 


ist nur dann möglich, wenn in den Relationen (14) und (16) das Gleich- 
heitszeichen besteht. In der Punktmenge ( W’—- e”\ des m-dimensionalen 
Raumes ist nach (21) und (23) 


(24) HP)+KP)=g(P)+gptPıi=vW”; 


für die Punkte dieser Menge muß also in (15) und (17) ebenfalls das 
Gleichheitszeichen bestehen, und da die Punktmenge e’ eine Nullmenge 
ist, folgt hieraus, daß W(P”) und g(P’) äquivalente Funktionen sind. 
Die Funktion g(P’) ist also ebenso wie F(P”) über W”’ summierbar 
und ınan hat 


(25) J Y(P’)dw' = [BP')dw’ = md. 
mw Lu 


Nach dem Satze 8 des $ 260 folgt ferner aus (24), wenn man bedenkt, 
daß p(P’) und p,(P’) gleich den äußeren n-dimensionalen Inhalten der 
Punktmengen B(P”) und B,(P”) sind, und daß die Summe dieser 
Punktmengen gleich dem Würfel 1” ist, die Meßbarkeit der Punkt- 
mengen B(P”) und B,(P’) als Punktmengen des R, für alle Punkte P’ 
von (W’—e)). 

Dieses schöne Resultat, das man @. Fubini verdaukt, bildet die Basıs 
der Integrationstheorie der Funktionen von mehreren Veränderlichen. 


546. Das Ergebnis des vorigen Paragraphen läßt sich ohne weiteres 
auf Punktmengen A übertragen, die meßbar im (m + »)-dimensionalen 
Raume und von endlichem Inhalte. aber nicht mehr notwendig be- 
schränkt sind. 

Es sei 
(1) w,=[W,W (k=1,2,...) 
eine beliebige Folge von konzentrischen Würfeln, deren Kantenlänge 
gleich % ist. 

Man setze 
(2) A4= Mh, . 
und für jeden Punkt P’ des m-dimensionalen Raumes der x sei mit 

Oarath&odory, Reelle Funktionen. 40 


626 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 546 








B,(P') bzw. B(P’) die Punktmenge des n-dimensionalen Raumes der % 
bezeichnet, für welche der Punkt [P‘, P”] in A, bzw. A enthalten ist. 
Die Punktmengen A, und B,(P”) bilden monoton wachsende Folgen 
von Punktmengen 


I A<A<A<, 
(8) B(P)<B(P)<B(P)<: > 
die gegen A bzw. B(P’) konvergieren; man hat also 
lim A4,=4, lim B(P)=B(P), 


und die Punktmengen A, sind außerdem ebenso wie A meßbar. Man 
kann also schreiben ($ 247 und $ 265) 


(4) mA = lim mA,, 
k=o® 

(5) | v* B(P’) = lim v*B, (PN). 
k=® 


Wir setzen ganz analog wie im vorigen Paragraphen 
9(P)=v*B(P)), pPLP)=v*B(P) 
und bemerken, daß die p,(P’) eine monoton wachsende Folge von Funk- 
tionen bilden, die gegen p(_P’) konvergiert und daß jedes p,(P') außer- 


halb des Würfels W,’' verschwindet und nach dem vorigen Paragraphen 
über diesen Würfel ummiörbar ist. Es ist ferner 


|?) dw = mA, 
und daher 
(6) | f 9,(P)dw' = mA, <mA. 


Un 
Nach dem Satze 4 des $ 383 ist also auch p(P) über den m- Ahgsn 
sionalen Raum der x summierbar, und mit Berücksichtigung von (4) 
gilt die Gleichung 


(7) [s(P)) dw'= mA. 
Rm 


Wir bezeichnen jetzt mit e,' die Punktmenge des m-dimensionalen 
Raumes der x, für welche die Punktmenge B,(P’) im Raume der y 
nicht meßbar ist. Die Punktmenge & die auch leer sein kann, ist 
nach dem vorigen Paragraphen immer eine Nullmenge; ebenso ist die 
Punktmenge &,', in der g(P’) unendlich ist, eine Nullmenge. Das Syeiche 
gilt also auch von 


e’ =,+e& +& at 


8 547 Der Satz von Fubini 627 


au 
‘ 


Für jeden Punkt der Komplementärmenge J£’ von e’ sind sämtliche 
BP’) meßbare Punktmengen des Raumes der y und daher müssen 
auch die Punktmengen B(P’’) meßbar sein, wenn P’in E’ liegt; außer- 
dem ist B(P’) in jedem dieser Punkte von endlichem Inhalte. 


Satz 1. Es sei A eine meßbare Punliimenge vun endlichem Inhalte 
in einem (m + n)-dimensionalen Raume R,, ,„, dessen Punkte durch das 
Symbol |P’, P"| dargestellt werden. Mit BP’) bezeichne man die Ge- 
samtheit der Punkte P" des R,, für welche [P’, P”] bei fest gegebenem 
P’ in A lieyt. Dann ist für alle Punkte P’ des R, außer höchstens für 
die Punkte einer Nullmenge e’ dieses Raumes die Punktmenge B(P’) meß- 
bar im R, und von endlichem Inhalt und es gilt die Formel 


(8) mA— [vB(P'): dw”. 
Rue 
Ist insbesondere A selbst eine Nullmenge, so muß 


[vBiP))aw'=0 
Ru-e 
sein, und hieraus folgt die Existenz einer Nullmenge &’ des m-dimen- 
sionalen Raumes, so daß für jeden Punkt P’ der Punktmenge R- «’ 
die Punktmenge B(P’) eine Nullmenge des R, ist. 


Satz 2. Ist A eine Nullmenge des Ri, , „, so gibt es eine Nullmenge €’ 
des R,„, so daß für jeden Punkt P', der in ®,— € enthalten ist, B(P’) 
eine Nullmenge des R, ist. 


547. Wir nehmen jetzt an, wir wissen von den Punktmengen 
B(P’) des vorigen Paragraphen, daß sie, außer wenn P’ in einer Null- 
menge €’ des R,, liegt, selbst Nullmengen sind. Dann können wir aus 
den vorigen Sätzen entnehmen, daß die Punktmenge A, von der wir 
nicht mehr die Endlichkeit des Inhalts voraussetzen, entweder nicht 
meßbar oder eine Nullmenge ist. 

Es ist nämlich mit den Bezeichnungen des vorigen Paragraphen, 
falls A meßbar ist, die Punktmenge 


A,=ANW, 
meßbar und von endlichem Inhalte und daher 
mA, — | vB(P)dw'< [ vB(P')dw' = 0. 
me Rm—e 


Da die A, lauter Nullmengen sind, so muß dasselbe auch von ihrer 


Grenze A gelten. 
40* 


628 Kap. Al. Funktionen von mehreren Verinderlichen s5 618 


Satz 3. Bildet man wie oben für eine beliebige Punktmenge A die 
Punktmengen B(P’) und sind diese Punktmengen B(P') stets Nullmengen 
des n-dimensionalen Raumes, außer wenn P’ in einer Nullmenge e’' des 
m-dimensionalen Raumes liegt, so ist A entweder nicht meßbar oder selbst 
eine Nullmenge des (m + n)-dimensionalen Raumes. 


Die wiederholten und die mehrfachen Integrale. 


548. Es seien 


2 #97 a 2, 


die Koordinaten eines p-dimensionalen Raumes und m, % zwei natür- 
liche Zahlen, deren Summe gleich p ist. Wir führen die Bezeich- 
nungen ein 


(k=1,2,...,n'), 


YAmr5 j=12,...,n) 
und bemerken, daß nach den Ausführungen der vorigen Paragraphen 
eine Funktion f(P), die von einem Punkte P des 9 = (m + n)-dimen- 
sionalen Raumes der 2 abhängt, als Funktion eines Punktepaar es[P',P”] 
angesehen werden kann, wobei P’ im Raume der x und P” im Raume 
der % liegt. Wir können also schreiben 


f(P) = f[P', P”]. 
Wir nehmen an, daß die Funktion f(P) nicht negativ und über 
den Raum der z summierbar ist. Dann ist ($ 381) das Integral 


fr (P)dw 

Intn 
nichts anderes, als der Inhalt einer Ordinatenmenge A von f{P) in 
einem (m +n-+ 1)-dimensionalen Raume, dessen Punkte mit 


Pi Be mi Yan nr Yu di 
bezeichnet sein mögen. Wir betrachten den (n+1)-dimensionalen Raum 
mit den Punkten 
Pi: Wen Ynj t 
und bemerken, daß dann | 
P,=[P, Pi’) 


geschrieben werden kann. Wir bezeichnen ferner, ähnlich wie im 
vorigen Abschnitt, mit B(P’) die Gesamtheit der Punkte P,”, für 
welche bei festgehaltenem P’ der Punkt [P’, P,”] in der (m+n-+1)- 
dimensionalen Ordinatenmenge A enthalten ist. Dann stellen diese 
Punktmengen B(P’) gewisse Ordinatenmengen der Funktion f[P’‘, P”] 
als Funktion von P” bei festgehaltenem P’ dar. Der Satz 1 des $ 546 


$ 548 Die wiederholten und die mebrfachen Integrale 629 


besagt, daß B(P’) für alle Punkte P’, die nicht in einer Nullmenge e' 
des Raumes der x liegen, meßbar und von endlichem Inhalt ist. Die 
Funktion f[ P’, P’] ist also für diese Punkte P’ als Funktion von P” 
über den Raum der y summierbar und man hat 


vB(P') = nr P’|dw”. 
Die Gleichung (8) des 5 546 kann also geschrieben werden 
(1) f Kalle du’ F fLP, P’|dwe”. 
RKutsn ec 


Wir bemerken nun, daß = a der Punkte [P’, P”], für 
welche P’ in der m-dimensionalen Nullmenge e’ liegt, selbst eine 
(m + n)-dimensionale Nullmenge e bilden. Wir bezeichnen mit 


y(P)=gLP, PP’ 


eine Funktion, die in allen Punkten von e gleich Null und sonst gleich 
f(P) ist. Dann sind die beiden Funktionen f(P) und p(P) einander 
äquivalent im p = (m + n)-dimensionalen Raume der z 


(2) KP)S pP) 
und außerdem ist, weil f(P) eine nicht negative Funktion bedeutet, 
(8) (PSP). 


Für jeden Punkt P’ des R,,, der nicht in der Nullmenge e’ liegt, ist 
nach Konstruktion 
MP, P’] =op[P, P’] 
und die Gleichung (1) kann geschrieben werden 
(4) f f(P)dw — fi dw fs pLP’, P’Jaw”. 


RKmtn 


Ferner ist für jeden Punkt P’, der in e' enthalten ist, 


ylP,P"]=0 
und folglich auch 


(5) j) an p[P', P’]au” = 
Der Vergleich von (4) und (5) liefert endlich die Gleichung 
J f(P) dw = JS dw’ [ P[P', P"]dw”. 

m Rn 


Amtrn 


Wir haben demnach die Sätze: 


630 Kap. Al. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 549 


Satz 1. Ist 
f(P) = LP), P”) 
eine über den (m-+n)-dimensionalen Raum R,,,. summierbare, nicht 
negative Funktion, so gibt es eine Nullmenge e’ des m-dimensionalen 
Raumes R,,, so daß für jeden Punkt P’, der in der Punktmenge (R.— €’) 
enthalten ist, die Funktion f[P’, P’], als Funktion von P” allein, über 
den n-dimensionalen Raum R, summierbar ist, und es gilt die Formel 


[rt du = faw' (rtP,, P’aw”. 
Rmtn Hm c' 8, 
| Satz 2. Man kann unter den Voraussetzungen des vorigen Satzes eine 
Funktion p(P) konstruieren, die den Bedingungen 
0<p(P)sf(P), PP)» fP) 


genügt und außerdem die Eigenschaft hat, daß für jeden Punkt P’ des 
N, die Funktion p[P’, P”], als Funktion von P” allein, über R, sum- 
mierbar ist und der Gleichung 


AP)dw =- ao [otP, P”]dw” 


genügt. en i 
549. Wir betrachten jetzt alle möglichen Spaltungen der Koordinaten 
Sy Par, % 


des »-dimensionalen Raumes der z in zwei Gruppen von Koordinaten 


1 ı De re 


Man muß dazu der Reihe nach m=1,2,..., (p—1) setzen und für 
jeden dieser Werte von m alle Kombinatianen von m. unter den p Zahlen 
(213:-:,2,) für &,,...,%, wählen und die übrigen 7 ahlen mit Yan, Um 
bezeichnen. Man findet leicht, daß im ganzen 


(1) 2» _-2=K& 


derartige Spaltungen der z-Koordinaten in zwei Gruppen existieren; wir 
bezeichnen sie mit 


(2) SS, ...; 8%. 
Ist für eine dieser m. S, mit a obigen Bezeichnungen 
(3) RK=- RR]; P -=[P, P’], 


so sagen wir von einer über Rt, summierbaren Funktion f(P), daß sie 
über $, summierbar ist, wenn für jeden Punkt P’die Funktion /[ P', P”] 


4 





& 549 Die wiederholten und die mehrfachen Integrale 631 


als Fanktiön von P’ allein über AR, summierbar ist: dann ae Euch 
nach den obigen Ausführungen das Integral 


(#) ‚Inp‘, P"Jaw” 
R . 
über R,, summierbar. 


Der zweite Satz des vorigen Paragraphen besagt nun, daß, wenn 
/(P) irgendeine über R, summierbare nicht negative Funktion bedeutet, 
eine Funktion p(P) gefunden werden kann, die den Bedingungen 


0<p(P)sfP), PP)» FR) 
genügt und über ein gegebenes S, summierbar ist. 
Wir konstruieren nun eine Folge von unendlich vielen Funktionen 


AP), PP). pP), -.- 
nach folgender Vorschrift. Es soll 
OSsp(P)sfP), pP flP) 
und außerdem g,(P) über 5, summierbar sein. Zweitens soll 
I<y(P)splP), MP) pP) 
und 9,(P) über S, summierbar sein. Allgemein soll. wenn 
g=ma+k und O<k<u 


0<syp(P)sp.,d, PAPn g,-1) 
und @,(P) über $, summierbar sein. 
Die monoton abnehmende Folge von nicht negativen Funktionen 
%,(P) konvergiert gegen eine ebenfalls nicht negative Funktion p(P) 


g(P) = Jim n9,(P). 


Außerdem sind die Funktionen p, D alle der Funktion IH) äquivalent 
und hieraus folgt ($ 360, Satz 5) 


(PP); 
die Funktion g(P) ist also über den Raum R, summierbar. Ist nun 


S, irgendeine der « Spaltungen, so ist für jede natürliche Zahl m die 
Fi unktien | 


ist, 


PnarzklF) 


über 8, summierbar und das gleiche gilt von unserer Grenzfunktion p(P), 
weil sie geschrieben werden kann 


p(P) == lim Qu«+ı(P) N) 








tion von P” allein über AR, summierbar. 

Satz 3. Ist f(P) eine nicht negative über R, summierbare Funktion, 

so gibt es mindestens eine Funktion p(P), die den Bedingungen 
0<p(P)<f(P) und pP) FB) 
genügt und über jede der « Spallungen 8, summierbar ist. 

550. Unter Benutzung des Satzes, daß man jede über den Raum R,, 
summierbare Funktion f{P) als Differenz von zwei nicht negativen, 
ebenfalls über RW, summmierbaren Funktionen auffassen kann, können 
wir die obigen Resultate auf Funktionen beliebigen Vorzeichens über- 
tragen. Wir haben zunächst den Satz: 

Satz 4. Ist | 

f(P) = fLP', P”] 
eine über den (m +n)-dimensionalen Raum R,, „= [R., R.] summier- 
bare Funktion beliebigen Vorzeichens, so gibt es eine Nullmenge e’ von R,; 
so daß für jeden Punkt P’ der Punktmenge (R,— e’) die Funktion 
f[P', P”’] als Funktion von P” allein betrachtet, über R, summierbar 
ist, und es gilt die Formel 


Sraau=f auf fLP', P"]aw”. 


Rntn Une 
Um den dritten Satz (der den zweiten enthält und allein betrachtet 
zu werden braucht) zu übertragen, führen wir die Bezeichnungen 
| AP)=fR) af MD), 
fı(P)= 0 ” M(f<0) 
und 


‚® © BP-AP)-fP) 

ein; dann ist ebenfalls in jedem Punkte des Raumes f,(P)>0. Be- 
zeichnet man jetzt mit g,(P) und 9,(P) Funktionen, die den Be- 
dingungen 

(2) Iı<p(P)sAh(P), ISplP)ShlP) 


und 
9(P)fı(P), (PP) f(P) 


genügen und über jede Spaltung S, des Koordinatenraumes summierbar 
sind, so ist die Funktion 


y(P) = yılP) — Px(P) 
in jedem Punkte des Raumes Ri, eindeutig definiert, da wegen (2) 


$ böl Die wiederholten und die mehrfachen Integrale 633 


die beiden Funktionen g,(P) und g.1P) nicht zu gleicher Zeit gleich 
+ 00 sein können. Ferner ist g(P) » f(P) und über jede Spaltung $, 
des Raumes R, summierbar. Endlich ist 


KAHN +HRP, PD) ling P 
und also nach (2) 
Ie(P) < IP); 

wir haben also den 

Satz 5. Ist f(P) eine über R, sunmierbare Funktion, so gibt es 
Funktionen p(P), die den Bedingungen 

y(P) s fP), PP) MP) 

genügen und über jede der « Spaltungen S, des Koordinatenraumes sum- 
mierbar sind. 


551. Wir betrachten jetzt eine der Funktionen p(P), die dem 
letzten Satze genügen, als Funktion der Koordinaten 2, &,.-., 2, 
des Raumes R, und setzen 

y(P) — p(2, eye Zu) 
Geben wir den Koordinaten z,, z,, .. ., 2, irgendwelche feste endliche 
Werte, so ist nach Voraussetzung die Funktion @(2,,...,2,) über 
den zweidimensionalen Raum der (z,, 2,) summierbar und da die Funk- 
tion p als Funktion von z, allein betrachtet ebenfalls summierbar ist, 
so kann man nach dem Satze 2 das Integral dieser Funktion über den 
Raum der (z,, z,) schreiben: 


Saz, / P(2,.-.,2,)d2- 
Aus der Tatsache, daß unsere Funktion ebenfalls über den dreidimen- 


sionalen Raum der (z,, 2,, 2,) summierbar ist, folgt nach derselben 
Schlußweise für den Wert dieses letzten Integrals die Formel 


Saz Saas fs, ..2,)d2, 


und mit Hilfe des Schlusses von # auf (n-++ 1) erhält man schließlich 
die Formel: 


re)au - [v(P)dw - far, fa: 2, un LICHRRAT 


Das letzte Integral nennt man ein p-faches Integral und man sieht 


634 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 552 








‚sofort ein, daß es unter den gemachten Voraussetzungen einen von der 
Reihenfolge der Integrationen unabhängigen Wert besitzt. 


552. Aus der Voraussetzung, daß die Funktion 


(1) KP)S pl, %-- 25) 
‚über den Raum %, summierbar ist, folgt, wie wir soeben sahen, die 
Existenz des mehrfachen Integrals 


(2) | Füh, 2 Re, da, 


und die Unabhängigkeit des Wertes dieses Integrales von der Reihen- 
‚folge der Integrationen. Die Existenz eines oder mehrerer dieser p-fachen 
Integrale hat aber im allgemeinen nicht die Summierbarkeit von f(P) 
über Rt, zur Folge, selbst wenn man die Meßbarkeit von N) im 9-di- 
mensionalen Raume voraussetzt. 

Man kann z. B. eine meßbare Funktion von zwei Veränderlichen 
x(z,y) so definieren, daß die wiederholten Integrale 


F ayf x(2,y)dx und F dz | 1, y) dy 


‚beide existieren und voneinander verschiedene Werte annehmen. Dann 
ist y(z, y) sicher nicht über die xy-Ebene summierbar. 
Dazu zerlegen wir etwa das Quadrat 


0<r<1l; O<y<il 


durch sukzessive Vierteilung gemäß der neben- 
stehenden Figur in abzählbar unendlich viele Teil- 
quadrate 


II 


a,db,c,  G=-12%...). 


n) 


In den Quadraten a, und auf der unteren Seite 
dieser Quadrate soll y(x, y) konstant sein und den 
Wert «, annehmen. In den Quadraten b, und 
auf der linken und der unteren Seite dieser Quadrate soll y(x, y) 
‚den Wert ß, annehmen; in c, und auf der linken Seite von c, soll 

(x, y) = y, sein. Für alle übrigen Punkte der Ebene soll y(x, y) ver- 
schwinden; die Funktion y(x, y), die in meßbaren Punktmengen stück- 
weise konstant ist, ist- sicher meßbar. Nun sei außerdem für : ya 
Wert von n 





ß.= 0, tm =0- 


$ 852 ı Die wiederholten und die mehrfachen Integrale 635 





————— (Em (m ———— 


Wir wollen jetzt die «, so bestimmen, daß” für alle Werte von y im 
Intervall O<y<1 das Integral 


Sue, y)dx 


einen von y unabhängigen Wert besitzt. Ist nun o, der Wert dieses 
Integrals über eine Parallele zur x-Achse, die das Quadrat a, durch- 
schneidet, so ist nach der Figur 
1 1 1 
Our 6, 2: gu+i +17 gr On + 9" In 
und die Gleichung o,,, = c, ist dann und nur dann erfüllt, wenn 
Ur 7 2(e,—Y,) = 4c, 
ist. Die gewünschte Bedingung ist also erfüllt, falls wir z. B. 


a4", y,=—-4# 
setzen. Dann ist aber 


oo 1 1 
e Sau fe nar = Say | va ndz 
nf anaN 
0 


= 2 
und anderseits wegen y, = — «, 


Sarfzena - — 


Für die Summierbarkeit einer meßbaren Funktion von zwei Ver- 
änderlichen über die Ebene genügt nicht einmal, daß die beiden Doppel- 
integrale existieren und denselben Wert haben. Z. B. ist die 
Funktion 


Y(z, y) = ı(z, y) = u — 1, Y- 1) 


nach dem Obigen sicher nicht summierbar über die Ebene xy, obwohl 
die Gleichungen 


Sau fve. y)dr - [az [vc. y)dy= 0 
bestehen. nz az 


636 ‘Kap. ı Funktionen von mehreren Veränderlichen S 653 





553. Man kann aber die , Voranssetzungen über f (P) so einschränken, 
daß aus der Existenz eines mehrfachen Integrals die Summierbarkeit 
von f{P) über R, gefolgert werden kann; es gilt nämlich der 


Satz 6. Eine im p-dimensionalen Raume R, meßbare Funktion 


Ad) PP) -fenin--+%) 
ist summierbar über R,, wenn man eine zu f (P) äquivalente Funktior 


p(P) finden kann, die nicht kleiner ist als eine über R, summierbare 
Funktion g(P), und wenn die mehrfachen Integrale 


(2) A f da, fi de, .. B; Pl2...,2,)d2, 


(8) | ’ -,/ a, = Ss , 2,) de, 


existieren und endliche Werte besitzen. 


Wir gehen von der Bemerkung aus, daß infolge von (2) und (3) 
die nach Voraussetzung nicht negative meßbare Funktion (9(P) — m) 
ein »-faches Integral besitzt, und daß 


(4) Fass Sor.. ed Iarr:-,2))dr, = A—-Y 


1st. 

Wir bezeichnen mit & eine natürliche Zahl, mit W, den p-dimen- 
sionalen Würfel, dessen Mittelpunkt im Anfangspunkt der Koordinaten 
liegt und dessen Kantenlänge %k ist, und mit %,(P) eine Funktion, die 
in jedem Punkte von W, gleich der kleineren unter den beiden Zahlen 
(p(P)—g(P)) und % ist, und die sonst gleich Null ist. Die Folge v, (P), 
vs(P),... besteht aus lauter meßbaren Funktionen, die über den ganzen 
Raum summierbar sind, denn sie verschwinden überall außer in einer 
beschränkten Punktmenge, auf welcher sie beschränkt sind. Ferner ist 
diese Folge monoton wachsend und man hat . 


lim 4,(P) = P(P) — 9(P) 


in jedem Punkte des Raumes. Um die Summierbarkeit von (pg(P)—g(P)) 
und daher auch die Summierbarkeit von g(P) über Ri, zu beweisen, ge- 
nügt es also (8 383, Satz 4) zu zeigen, daß 


(5) 2 Y,(P) dw 


s 554 Die wiederholten und die mehrfachen Integrale 637 


unterhalb einer von X unabhängigen Schranke liegt. Nach dem Satze 5 
des $ 550 gibt es nun Funktionen x,(#,...2,), die den Bedingungen 


6) N<yla,...,2)< BE) Pl, u ee 


M) 3 y(Pıdw “Jar el Bere, 
Ku _ x 

genügen. Der Vergleich von (4), (6) und (7) zeigt uns aber, daß das 

Integral (5) nicht größer als die von % unabhängige Konstante (A— 7) 

ist. Die Funktion g(P) und die ihr äquivalente Funktion f(P) sind 

daher über R, summierbar. 


554. Für die Summierbarkeit einer meßbaren Funktion f(P) über 
R, ist notwendig und hinreichend, daß jf(P) über R, summierbar sei 
(g 395, Satz 6). Ist aber |f(P) über R, summierbar, so gibt cs nach 
dem Satze 3 des $549 eine zu /(P) äquivalente nicht negative Funk- 
tion Y(P), für welche das p-fache Integral über den Koordinatenraum 
der z existiert. Nach dem letzten Satze folgt aber umgekehrt aus der 
Existenz einer solchen Funktion »(P) die Summierbarkeit von !f(P) ; 
wir haben daher den 


Satz 7. Eine nutırendior und hinreichende Bedingung dafür, daß 
eine meßbare Funktion 


fP)=feszu u 


über den p-dimensionalen Raum R, sunmmierbar sei, ist die Existenz einer 
u \f(P): äquivalenten nicht negativen Funktion es 8,), für welche 
das p-fache Integral 


Nas Fe 2 AK 1:7 z,)dz, 


m 


existiert und endlich ist. 


In unseren Beispielen des $ 552 haben wir nicht die Endlichkeit 
des Integrals 


1) J def fl, y) dy 


verlangt, sondern nur die Endlichkeit von 


(2) EN f(z,y)idx und Sir, y)idy, 


638 | Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 6555 








sowie auch die von 


9 Saziftr@way| ud Say, nae:. 


Der Vergleich unseres dortigen Resultats mit dem jetzigen zeigt also, 
daß die Endlichkeit der Zahlen (2) und (3) nicht die Endlichkeit von (1) 
nach sich zieht. Das ist eine ganz ähnliche Erscheinung, wie die des 
$ 111, wo wir Doppelsummen untersucht haben. 


555. Man kann in gewissen Fällen die Existenz von wiederholten 
Integralen behaupten, in denen die Meßbarkeit der Funktion unter dem 
Integrationszeichen nicht verbürgt ist. 

Es sei z. B. in einem (m +n)-dimensionalen Raume 


Narn =[R,, R,]; 
dessen Punkte durch die Bezeichnung 
| P=[P'‘, pP”) 
gekennzeichnet sind, eine Funktion 
f(P) = fLP', P’] 
gegeben, von der wir voraussetzen, daß sie bei festgehaltenem P” als 


Funktion von P’ betrachtet über R,, summierbar ist, und bei festge- 
haltenem P’ eine halbstetige Funktion von P” ist. Ferner sei 


(1) AP, PS SP), 
wobei S(P’) eine über R,, summierbare Funktion bedeutet. Wir be- 
trachten die Funktion | Ä 


(2) | p(P”) *J: fLP’, P’|dw’ 


und bemerken, daß g(P”) eine beschränkte Funktion bedeutet; in 
der Tat ist 


Ü) DE IrTP' Prjlau'< | S(P‘) dw”. 


Wir wollen nun zeigen, daß g(P”) ebenfalls eine halbstetige Funk- 
tion von P” ist. Wir betrachten eine Folge von Punkten 


2 P,, Py, FE 
die gegen P’” konvergieren, und setzen z. B. voraus, daß /[P’, P”]. als 
Funktion von P” allein nach oben halbstetig ist. Dann ist aber ($ 129, 
Satz 2) 
(4) ftp, Pr] Üim /[P', By], 


$ 556 Die wiederholten und die mehrfachen Integrale 639 


nn nn 





— — — -_ 


Anderseits ist aber sch dem Satze 16 des 8 402, Hessen: Vorsüs: 
setzungen hier wegen (1) erfüllt sind, 


(5) [him LP‘, P,’)dw’ > lim [ fIP', P”]dw”. 
Rn kuo ko Rn 
Der Vergleich von (4) und (5) liefert aber 
AP‘, P"\dw’ > lim J IP, Pılaw, 
Hm k=oy,, 
was geschrieben werden kann 
(P”) > lim p(P/). 


Da nun die letzte Beziehung für jede konvergente Folge von Punkten 


P, gilt, die gegen P” konvergieren, muß $(P”) nach oben halbstetig 
sein ($ 129, Satz 2). 


Die endliche und halbstetige Funktion g(P”) ist über jede meß- 
bare Punktmenge A” von endlichem (n-dimensionalem) Inhalt sammier-- 
bar und das wiederholte Integral 


(6) Saw" frP‘, P"]dw’ 
AR Rn 
stellt also lauter ausführbare Operationen dar. Die Frage aber, ob die: 
Funktion 
kP)=fP,P] 


als Funktion von P meßbar ist, ist dabei ganz unentschieden gelassen 
worden (vgl. dagegen den $ 558). 


Satz 8. Ist die Funktion f[P’, P"] als Funktion von P’ summierbar 
und als Funktion von P” nuch oben (unten) halbstetig, ist außerdem 


MP, PS S(P), 
wo S(P’) eine summierbare Funktion von P’ bedeutet, so ist die Funktion 
pP”) = [FLP', P"]dw 
Rn 


ebenfalls eine nach oben (unten) halbstetige Funktion, die außerdem be- 
schränkt und daher über jede Punktmenge A” von endlichem Inhalte: 
summierbar ist. 


556. Ein zweites Beispiel derselben Art ist folgendes: Die Funktion: 
f(P) = IP‘, P’] 


sei wiederum summierbar über R,, als Funktion von P’ und es sei 





640 Kap. ä. Funktionen von neheeien Veränderlichen 8 556 


auch hier 


ld). (IP, PFJ|sS S(P), 


wo S(P’) eine summierbare Funktion bedeutet. Ferner sei aber f[ P’, P”] 
als Funktion von P” integrierbar nach Riemann ($ 415) über eine 
quadrierbare beschränkte Punktmenge @” des n-dimensionalen Raumes 
R,. Man kann dann dieses letzte Integral als Grenzwert von gewissen 
Riemannschen Summen schreiben ($ 416). Bezeichnet man "mit d, 
die Zellen des Zellennetzes, mit o ihren Durchmesser und mit v6, dan 
(n-dimensionalen) Inhalt der Zellen, so erhält man: 


@) vB) a: fLP’, P'Jde” — lim Str, P,’\vö,”. 

Wir können voraussetzen, daß für alle betrachteten Jıellennetze 
BIT <2v0" 

ist; dann ist wegen (1) für ‚ade dieser Zellennetze 

(8) SP, Pv& <2-8(P))- vQ”. 

' Setzt man, wie im vorigen Paragraphen 


(4) p(P”) = Fi fLP', P"]dw, 


so kann män schreiben 


(5) Zar, 124 vo.) dw' = BAR vor. 


Nun folgt aber aus (2) und (3), daß »(_P’) die Grenze einer Folge von 
Funktionen ist, die über R,, summierbar sind und deren absoluter Be- 
trag nicht größer ist als die über R,, summierbare Funktion 28(P')-vQ 
Die Funktion y(.P’) ist daher auch über R,, summierbar und wenn wir 
die Gleichung (5) noch hinzuziehen, so bekommen wir die Gleichung 


[ve dw’ = lim D’e(P/) vö,. 
Hz e=0 % 


Die letzte Summe konvergiert bei jeder Wahl der Punkte P,” inner- 
halb der jeweiligen Zelle, und hieraus folgt (8 416, Satz 3), daß die 
Funktion g(P”) über 9” nach Riemann integrierbar ist und daß man 
schreiben kann 


f v(P’)dw’ ref o(P”) dw”. 


Rn 


8 557 Partielle Ableitungen. Differentiierbarkeit 641 


Die letzte Gleichung ist aber nur eine abgekürzte Schreibweise für 
„Tau [rtP, Pride" = [aw” | FLP, P*Iaw‘ 
m © « R 


Satz 9. Ist die Funktion f[ P’, P’] als Funktion von P’ summierbar 
über R, und als Funktion von P” nach Riemann integrierbar über eine 
quadrierbare Punktmenge Q” des R,, ist ferner 


rip, PS S(P), 
wo S(P’) eine über R,, summierbare Funktion bedeutet, so ist von den 
beiden Funktionen 


y(P’) - | fLP', P’]dw', y(P’) -/ f[P', P'|dw” 
Km gr 


die erste über Q” nach Riemann integrierbar, die zweite über AR, sum- 
mierbar, und es gilt die Gleichung 


[Hier an” = f Yr)dau' 
q” m 


Partielle Ableitungen. Differentiierbarkeit. 


557. Wenn man in einer endlichen Funktion f(x,, 2,, ...,2,) von 
mehreren Veränderlichen allen Veränderlichen bis auf eine feste Werte 
gibt, so erhält man eine Funktion einer einzigen Veränderlichen z,, auf 
welche man die Überlegungen des vorigen Kapitels anwenden kann. Ins- 
besondere kann man dann die Derivierten von f(x,,...,z,) als Funktion 
von z, allein bilden; man nennt diese Derivierten die partiellen Deri- 
. vierten von f in bezug auf x, und stellt z. B. die betreffenden Haupt- 
derivierten durch die Symbole 


——- 


D D usf. 


uk See dE 7" 
dar. Haben diese vier Hauptderivierten denselben Wert, so sagt man, 
daß f im betreffenden Punkte nach z, partiell differentiierbar ıst, 
und bedient sich dann eines der Symbole 

of 

0x; 
Wir woHen auch im folgenden unter partieller Ableitung nach z, 
eine Funktion verstehen, die gleich /,, ist in allen Punkten, in denen 
die gegebene Funktion nach x, partiell differentiierbar ist und eine 
endliche Derivierte besitzt, und die sonst gleich Null ist. Wir be- 
zeichnen diese partielle Ableitung mit 

a: 


Carathsodory, Beelle Funktionen. 41 


oder f,,- 


642 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen $ 568 


Ist die Funktion 
f(P) = f(z,, 9 ---,&,) 
einerseits eine meßbare Funktion des »-dimensionalen Raumes, ander- 
seits stetig in einer Veränderlichen x,, so kann man, indem man die 
partiellen Hauptderivierten nach x, nach der Methode berechnet, die 
im $ 472 benutzt wurde, ohne weiteres folgern, daß diese ebenfalls 
meßbare Funktionen des WR, sind. 

Die Punkte, in denen die partiellen Hauptderivierten nach z, ein- 
ander gleich, d. h. die gegebene Funktion nach x, partiell differentiierbar 
ist, bilden also jedenfalls eine meßbare Punktmenge und dasselbe gilt 
von den Punkten, in denen eine der Hauptderivierten unendlich ist. 


Hieraus folgt endlich, daß die partiellen Ableitungen f, ebenfalls meB- 
bare Funktionen sind. | 


Satz 1. Die partiellen Hauptderivierten und die partiellen Ablei- 
tungen nach x, von Funktionen mehrerer Veränderlichen, die meßbar und 
in %, steig sind, sind ebenfalls meßbar. 


558. Wir wollen nun zeigen, daß Funktionen, die in jedem Punkte 
eines n-dimensionalen Intervalles stetig in jeder Veränderlichen sind 
— und die, wie wir im $ 166 sahen, unstetig sein können —,. meßbare 
Funktionen sind. Der Beweis, den wir für Funktionen von zwei Ver- 
änderlichen führen werden, läßt sich ohne weiteres auf den allgemeinen 
Fall übertragen. 

Es sei also die Fonktion f(x, y) für alle Punkte des Quadrats 


(1) e—-2]<a, y-y|<a 


stetig in x für konstante y und stetig in y für konstante z. Außerdem 
sei zunächst die gegebene Funktion beschränkt in (1) 


{2) fI<M; 
setzen wir dann 
(3) p(z, y) - /f, y)dz, 


so ist P(x, y), so lange der Punkt (x, y) in (1) liegt, nach dem Satze 8 
des 8 555 eine stetige Funktion von y, für welche die Bedingung 


(4) r&ylsMie— a) 


gt. Da ferner die gegebene Funktion f(x, y) für konstante y stetig 
in x sein soll, ist (x, y) partiell nach x differentiierbar und man hat 


(5) P.(8, y) = f(, Y). 


8 558 Partielle Ableitungen. Ditferentiierbarkeit 643 
Endlich ist, wenn der Punkt (x -+h,y) ebenfalls in (1) liegt, 


6) path) -pinyi- [fand SM-Ihi. 


Nun setze man 
y 
Fiz, y) -/ plz, y)dy 


und bemerke, daß wegen der Stetigkeit von p(z, y) als Funktion von y 
für festgehaltene Werte von x 


(7 ) F(e, Y) Ze pir, y} 


ist. Liegt nun der Punkt (c+h, y+k%) im Quadrat (1), so kann man 


schreiben 
y+k 


y 
F(z+h,y+k) — F(r,y) -/ plarh,y)dy-- | pla,y)dy 


tk 


en p(z+h,y)—pla,y)\du+Sp(lath,y)dy 
Yo 4 
und hieraus folgt mit Hilfe von (6) und (4) 
IFlath,y+t)—-Fu,yIisä4y-ylirhi+ Ma+h—x|:|K, 


woraus die Stetigkeit der Funktion F'(x,y) im gewöhnlichen Sinne 
folgt. Die stetige Funktion F(x,y) ist aber eine meßbare Funktion 
und nach dem vorigen Paragraphen muß ihre partielle Ableitung nach y, 
die nach (7) gleich (x, y) ist, ebenfalls meßbar sein. 

Diese letzte Funktion ist aber stetig in x und da sie außerdem 
meßbar ist, ist auch ihre partielle Ableitung nach x, die gleich der ge- 
gebenen Funktion f(x, Yy) ist, eine meßbare Funktion. 

Ist nun die gegebene Funktion f(x, y) nicht beschränkt, so setze 
man, wenn n eine natürliche Zahl bedeutet, 


Ka)=la,y) auf M(fl<m), 
N; y) =n „ M(f> n), 
I„(z, „)—n ”„ M(f<n). 


Die Funktionen f.(2, y) sind beschränkt und in jeder ihrer Veränder- 
lichen stetig, wenn man die andere konstant läßt. Nach dem Obigen 
sind sie also meßbar und das gleiche gilt von 


fi, y) un r.(& Y). 
41” 


644 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 559. 560 


Wir haben also den 


Satz 2. Eine Funktion f(z,,...,x,) von mehreren Veränderlichen, die 
in jeder Veränderlichen x,, bei Festhalten der übrigen, stetig ist, ist eine 
meßbare Funktion. 


559. Ist die Funktion f(z,,...,x,) nicht nur stetig in jeder Ver- 
änderlichen, sondern auch von beschränkter Variation in x,, wenn man 
die übrigen Veränderlichen konstant hält, so ist sie auf jeder linearen 
eindimensionalen Mannigfaltigkeit, die zu der x,-Achse parallel ist, 
nach x, partiell differentiierbar außer höchstens in einer Punktmenge, 
die sich auf eine Nullmenge der x,-Achse projiziert ($ 517, Satz 3). 
Nun ist nach den zwei letzten Paragraphen die Gesamtheit der Punkte, 
in denen die Funktion partiell nach x, differentiierbar ist, meßbar; nach 
dem Satze 3 des $ 547 ist also die Punktmenge, in welcher die ge- 
gebene Funktion nicht nach x, partiell differentiierbar ist, eine »-di- 
mensionale Nullmenge. 

Ist f(x,,...,&,) in jeder Veränderlichen stetig und von beschränkter 
Variation, so gilt der obige Schluß für alle partiellen Derivierten und 
man kann den Satz behaupten: 


Satz 3. Eine Funktion f(&,,...,X,), die in einem n-dimensionalen 
Gebiete in jeder ihrer Veränderlichen stetig und von beschränkter Variation 
ist, ist in einem maßgleichen Kern dieses Gebietes nach jeder der n Ver- 
änderlichen x,,..., x, partiell differentiierbar. 


360. Bei Funktionen von mehreren Veränderlichen spielt der Be- 
griff des totalen Differentials eine wichtige Rolle; wir führen zu- 
nächst den Begriff der Differentiierbarkeit ein, wie ihn O. Stolz 
gebildet hat. 


Definition. Es sei f(&,,...,2,) eine endliche Funktion von 
einer oder mehreren Veränderlichen; mit 


(1) P: 2,..,% 


n 


bezeichnen wir einen inneren Punkt des Definitionsbe- 
reiches A von f(2,,...,2,), mit 


(2) ®: 7, au h,, vn I, + h, ” 
einen zweiten Punkt von A und mit 
8) 7 BP, Q) = VhrH SH 


die Entfernung der Punkte P und Q. 
Die Funktion f(zx,,...,x,) heißt dann im Punkte Pdifferen- 


$ 560 Partielle Ableitungen. Differeutiierbarkeit 645 


tiierbar, wenn mannkonstanteendlicheZahlen a,,...,a, finden 
kann, so daß in der Gleichung 


(4) Kath, th) fa. ,2)=aht+a,h,+trR(h,..,h,) 
die Funktion R(h,,...,h,) der Bedingung 


&) IRlh,...,h,)|< 50) 
mı 
(6) lim S(r) = 0 
r=0 
genügt. 


Die durch die Relationen (5) und (6) geforderte Eigenschaft der 
Funktion R(k,,...,A,) ist gleichbedeutend mit der Voraussetzung, daß 
die Funktion, die für r+0 gleich R(h,,...,h,) ist und im Punkte r= 0 
verschwindet, in diesem letzten Punkte stetig sein soll. Hieraus folgt 
aber nach (4), daß eine im Punkte P nach Stolz differentiierbare Funk- 
tion in diesem Punkte auch stetig ist. 

Setzt man alle Zahlen A, außer einer unter ihnen, z.B. h,, gleich 
Null, so bekommt man nach (3) 

r=|h,| 
und die Gleichung (4) nimmt dann die Gestalt an 
Fans thn..,2) nn) = a,h, + |h,| R(O,...,h,,...,0). 
Hieraus folgt aber, wenn man (5) und (6) berücksichtigt, 
. fan et h,, rt) Tan) 

Zn ET 
d. h. die Funktion f(x,,...,x,) ist im Punkte P nach jeder Veränder- 
lichen partiell differentiierbar, sie besitzt dort endliche partielle Deri- 
vierte und es gelten die Gleichungen 
(7) a, en j=1,2,...,n). 
Hiermit ist bewiesen, daß die Zahlen a,, wenn überhaupt, nur auf eine 
Weise so bestimmt werden können, daß unsere Voraussetzungen er- 
füllt sind. 

Hängt die gegebene Funktion nur von einer einzigen Veränder- 
lichen ab, so ist auch umgekehrt die Stolzsche Definition der Differen- 
tiierbarkeit eine Folge der gewöhnlichen Differentiierbarkeit der Funk- 
tion ($ 464), falls im betreffenden Punkte die Derivierte der Funktion 
endlich ist. 

Dagegen kann schon eine Funktion von zwei Veränderlichen f(x, y) 
in jedem Punkte des Raumes partiell nach x und y differentiierbar 


646 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 561 





sein und dort endliche partielle Derivierte besitzen, ohne stetig zu 
sein (vgl. das Beispiel von $ 166). Die Differentiierbarkeit von Funk- 
tionen von mehreren Veränderlichen folgt also nicht aus der partiellen 
Differentiierbarkeit nach jeder Veränderlichen und der Endlichkeit der 
partiellen Derivierten. 


561. Wir bemerken, daß nach der Gleichung (3) des vorigen 
Paragraphen 
Ih sr (k=1,2,...,n) 
ist. Ist nun die Funktion f(P) im Punkte P differentiierbar und Q ein 
Punkt des Definitionsbereiches der Funktion, der von P verschieden ist, 
und setzt man 


A) fe) -fP)=rB(P,Q), 
so ist nach der Gleichung (4) des vorigen Paragraphen 
(2) BRQSIt Hit Rn sh), 


woraus folgt, daß B(P,®) in einer Umgebung des Punktes P be- 
schränkt ist. 


Wir nehmen jetzt die Größen x,, 23, ...,%, als Funktionen 
(3) | % = %(Yı, Yaı +, Y,) (k= 1,2,..., n) 


von m neuen Veränderlichen %,, %,, - - -, 4,, an, die sämtlich in einem 
inneren Punkte Ä 
*. 
PR Yır Yar ı 4 +3 Ym 


ihres gemeinsamen Definitionsbereiches (nach Stolz) differentiierbar sein 
sollen. Dem Punkte P* des m-dimensionalen Raumes der y entspricht 
vermöge der Gleichungen (3) ein Punkt P des n-dimensionalen Raumes 
der x, in welchem eine gegebene Funktion f(z,,2,,...,%,) ebenfalls diffe- 
rentiierbar sein möge. Der Punkt P* ist nach Voraussetzung ($ 560) 
innerer Punkt des gemeinsamen Definitionsbereiches der Funktionen (3) 
und in diesem Punkte sind alle diese Funktionen nach dem vorigen Pa- 
ragraphen stetig; da nun der Punkt P nach Definition innerer Punkt 
des Definitionsbereiches von f(&,,...,x,) ist, gibt es eine Umgebung 
U,» von P*, so daß für alle Punkte 


Q*: Yı TPı; Ya + Ps, Um tm 
dieser Umgebung der Punkt 
9%: HN FB mt) tı (= 1, 2,...,n) 
im Definitionsbereich von f(z,,...,x,) liegt. 


8 561 Partielle Ableitungen. Differentiierbarkeit 647 


Nun ist, wenn man 
(4) e=Vp’+ + pP} 
setzt, wegen der Differentiierbarkeit der Funktionen 2,(Y,,.. ., Ym) 
h, er %,(Yı rPpı rue Y„+tP.) .— %,(Yı EN Y,) 


x 


(5) = y„P: T oR(B,,-- + Pin) 
J 





wobei die R, mit e gegen Null konvergieren; und überdies kann man 
schreiben 


(6) h,= eo: Bd: Pam)» 

wobei die Funktionen B, beschränkt sind. Aus der letzten Gleichung folgt 
— Yh?+---+h? 

(7) =eYB’+.- +B, 





— ep, es dm); 


wobei die Funktion C(p,,..., p,.) ebenfalls beschränkt ist. 

Nun ist, wenn man die Funktion g(y,,...,y,) einführt, die durch 
Substitution der Werte (3) in f(z,,...,x,) entsteht, diese Funktion für 
die Umgebung U>. von P* definiert, und man kann schreiben: 


Put Bat) PU) Ft) lern. 2 
0 
2 Dr Rlne..h,) 
[y 


Setzt man in diese Gleichung für h, und r die Werte (5) und (7) ein, 
und führt man zur Abkürzung die Bezeichnungen ein 


of 02 
(8) ve 2 im, oy,’ 
(9) T(pı,:--»P,) I SB. + C(p,.- Da) Bliss h,), 
so kommt: 
PlYH+ Pr :-:, Ymt Dom) — PYır - > Ym) 


=bin ++ dmPm te TB: --Pu)- 


Nun ist aber 7(p,,-..,2,„) eine Funktion von 9,,...,?,, die nach ihrer 
Definitionsgleichung (9) mit e gegen Null konvergiert; denn C(p,,...,2,.) 
ist beschränkt und R(h,,..., },) konvergiert nach (6) mit g gegen Null. 
Die Funktion g(Yy,,...,y,) ist daher im Punkte P* differentiierbar. 


\ 


648 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen $ 562 | 
Satz 4. Sind die Funktionen 

= ulYyır- ++ Im) (k=1,2,...,n) 
in einem Punkte P* des Raumes der y differentiierbar und stellen die 
Funktionen x,(P*) die Koordinaten eines Punktes P dar, in welchem die 
Funktion 

f(P) 7 M&,---,%,) 
differentüierbar ist, so ist die durch Substitution gewonnene Funktion 


p(Yı, . 3 Ym) =? f&; 0) %,) 
im Punkte P* differentiierbar, und man hat in diesem Punkte 


Op of 0%, ._ 
ak im 2m, a j=1,2,..., m). 


862. Der soeben bewiesene Satz kann dazu benutzt werden, um 
den Mittelwertsatz der Differentialrechnung ($ 481) auf Funktionen von 
mehreren Veränderlichen zu übertragen. Es sei f(&,,...,x,) in jedem 
Punkte eines Intervalls I des n-dimensionalen Raumes differentiierbar. 
Wir bezeichnen mit x, und (x, +h,) die Koordinaten von zwei belie- 
bigen Punkten dieses Intervalls und setzen 


p(t) Se fa 7 th,, ..27 %, 5 th,). 
Dann ist p(t) in jedem Punkte der Strecke O<t<1 differentiierbar 
und man hat nach dem erwähnten Mittelwertsatz 
1 fa, +h,..,%,.+h)- fan: 2% = p(l) — y(0) 
(1) ” 
p'(#), 


wobei ® eine Zahl zwischen Null und Eins. bedeutet. Bezeichnet man 
nun mit Q@ den Punkt 


9: u +t9h,.-,%, th, 
so ist nach dem Früheren 


’ org), 
(2) 98) DIE m, 
k 
und dieser Wert in (1) eingesetzt liefert die Gleichung 
fat, 2,+h,) - fl: 2%.) = rn h;: 
k 





Om 


Der Punkt @ befindet sich auf der Strecke, welche die Punkte mit den 
Koordinaten x, und (2,+ h,) verbindet; die Übereinstimmung mit dem 
Mittelwertsatz der Differentialrechnung ist also vollkommen. 








8 563 Partielle ‚Ableitungen. Differentiierbarkeit 649 





Ein anderes Korollar des im vorigen Paragraphen bewiesenen 
Satzes ist der 


Satz 5. Sind f(P) und g(P) zwei Funktionen von n Veränderlichen 
X%3- ++, %,, die beide in einem Punkte P differentiierbar sind, so sind ihre 
Summe und ihr Produkt ebenfalls in P differentiierbar. Ist außerdem 
9(P)+0, so ist auch der Quotient von f(P) durch g(P) in P differen- 
tiierbar. 

Setzt man nämlich f(P)=u und g(P)=v, so sind die Funktionen, 
deren Differentiierbarkeit in P bewiesen werden soll, die Funktionen 


u+rv, ur, — ; 
deren Differentiierbarkeit als Funktionen von w und v man sofort durch 


elementare Rechnungen beweist. 


563. Es sei f(P)=f(2,,...,2,) .eine in einer offenen Punkt- 
menge A des n-dimensionalen Raumes differentiierbare Funktion. Man 
führt n» neue Veränderliche ein, die man mit dz,, da,,..., dx, be- 
zeichnet und setzt, wenn der Punkt P in A enthalten ist: 


1) df= ar, 4 > day+:: + da, 
Die Funktion df, die von den 2» Veränderlichen x,,...,2, und 


dzy,..., dx, abhängt, heißt das Differential von f(P) und spielt in 
vielen Theorien eine wichtige Rolle. Die wichtigste Eigenschaft des 
Differentials ist eine Folge des Satzes 4 des $: 561. Führt man neue 
Veränderliche y,, .. ., y, ein und setzt 


Ka...) = Pr > Ym) 


so erhält man das Differential dp von p, indem man in df die Größen 
dx, durch die Differentiale von x,(y,,...,y„) ersetzt; man kann also 
gewissermaßen schreiben: 
dg =df. j 
Ebenso kann man den Satz des vorigen Paragraphen in die Glei- 
chungen kleiden: 


Uf+g)=df+dg, 
af) =ydf+fdg, 
(5) = „isaf-fag}. 


650 Kap. XL Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 564 











Die Vertauschung der Reihenfolge der Differentiationen. 
564. Wir wollen folgenden Satz beweisen: 


Satz 1. In einem Intervall I der xy- Ebene sollen die Funktion f(x, y) 
und ihre partiellen Ableitungen 


_IdeN) | _ If, y) 
(1) p(z,y) = er aa,y)= öy 
überall definiert und endlich sein. Ferner soll die Funktion 
opiz, 
(2) Ba) 


in I beschränkt sein und für konstante Werte von y stetig in x, für kon- 
stante Werte von x stetig in y sein. Dann ist in jedem Punkte von I die 
Funktion q(x, y) partiell nach x differentiierbar und man hat 

R 7) es 
(8) EN _ la, y). 

Es seien (2,,%,) und (x,+h,y,+ %k) zwei beliebige Punkte von I 
und der Bequemlichkeit des Ausdrucks wegen seien h und %k positiv ge- 
nommen. Liegt dann x im abgeschlossener Intervall ,<r<sa,+h, 
so ist p(x,y) als Funktion von y über das Intervall „<y<y,+ k 


summierbar und die Funktion 
Yotk 


(4) vw) - [pl Way 

Yo 
ist wegen der Beschränktheit von p(x,y) eine stetige Funktion von X 
(vgl. $ 555, Satz 8). Ebenso sieht man, daß 


Loth 


(6) u) [vl war 


im abgeschlossenen Intervall y, <y<y,+ k eine stetige Funktion von % 
ıst. Die Funktion p(x, y) ist ferner nach dem $ 558 meßbar in (x, y) 
und da sie beschränkt ist, ist sie summierbar über das Intervall 

| 9: m<Ea<mrh, W<Y<Yurk 


Wegen der Existenz der Integrale (4) und (5) hat man also (8550, 
Satz 4) 204 u 


(6) h pla, y)dw u Ya) da - 20) dy. 


Anderseits hat man wegen (2) and weil p(x, y) eine endliche Funktion 
bedeutet ($ 527, Satz 4) 


vr) = Pla, yo+l) — Plz, Yo). 


& 565 Die Vertauschung der Reihenfolge der Differentiationen 651 


Die Funktion (p(z,y,+k)—piz,y,)) ist die Ableitung der Funktion 
(fiz,yg+k‘—fir,y,)) nach r nnd daher ist 


Loth 


J Yla)dı - (froth,y tk — firt+h,y0) — (fr Yot+K) — fin, Yo))- 
Xo 


Dividieren wir die beiden Seiten der letzten Gleichung durch k, so 
können wir wegen (6) schreiben: 
+l 
(a dy= fa +h,% a Y) \ mn) — f{as Yo) 
2 


oder, wenn wir k gegen Null konvergieren lassen und die Stetigkeit 
von z(y) beachten: 


u) = 4Xe+ h, u) — 40 Wo)- 
Nach (5) ist also 


Karl 


(7) Sven) dr = alt h,%) — Aa, Yo): 
En 


Die Gleichung (7) ist nur für positive Werte von } bewiesen, aber man 
‚sieht sofort ein, daß hieraus ihre Richtigkeit für beliebige Werte von A 
folgen muß. Dividiert man also die beiden Seiten dieser Gleichung 
durch k und läßt k gegen Null konvergieren, so folgt wegen der Stetig- 
keit von p(x,Y,) ala Funktion von x die Existenz der Ableitung 


0 1X Yo) 
0x 


und die Richtigkeit der zu beweisenden Gleichung (3). 


Totalstetige Funktionen von zwei Veränderlichen. 


565. Es sei f(x,y) eine Funktion, die über die xy-Ebene sum- 
mierbar ist und für welche die Doppelintegrale 


(1) Iayffanar, / dz | f(x, Way 

existieren; diese Integrale sind dann auch einander gleich ($ 551). Wir 
betrachten das Intervall 

(2) 6: nn <ı<a, Y<y<y 

und bemerken, daß, da nach (1) für jedes feste y die Funktion f(x, y) 


652 - Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen & 566 





über die x-Achse summierbar ist, auch das Integral 


xy) = [ fe, y) de 


existieren muß. Die Funktion f; (2, y), die für jeden Punkt des Streifens 
2, <x <a, gleich f(x, y) und. sonst gleich Null ist, ist ebenfalls über 
die xy-Ebene summierbar ($ 396, Satz 9) und man hat für m be- 
liebigen Wert von y 


Fte, y) dx = a(y). 


Hieraus folgt aber ($ 550, Satz 4), daß «(y) eine summierbare Funktion 
bedeutet und danach ist die Existenz des Integrals 


Ya Ya Tg 
Seway=fay re, Wde 
verbürgt. " = 


.  Bemerkt man nun, daß das letzte Doppelintegral gleich dem (ebenen) 
Integral von f(x, y) über ö ist und wiederholt die letzten Überlegungen, 
indem man x mit y vertauscht, so kommt der Satz: 

Satz 1. Ist die Funktion f(P) = f(x,y) über die xy- Ebene sum-' 
mierbar und existieren die wiederholten Integrale (1), dann ewistieren auch 
die Integrale 


J ay fi f(x, y)dr und fr da %, fa, y)ay 


u Yyı 


und man hat mit der Bezeichnung (2) 


J FP) dw uf da J f@,y)dy -f if fa, y) de. 
866. Wir setzen jetzt | 
1% 2%: (D Fan) Stay) dx day 
00 


und berechnen die der summier- 
baren Funktion f(x,y) zugeordnete 
Intervallfunktion 

X Y%2 


0) / (fa, y)dzay; 


% Yı 





$ 567 Totalstetige Funktionen von zwei Veränderlichen 653 


nun ist aber 


z,0 
2, Yı =, Ya Za Yı ı, Yı 
V-IS-SS+lI] 
0 v0 00 


vv 


7,0 
EN, 
und daher mit Hilfe von (1) 
(2) 2(6) = Fa, 4) — Fi, y) —- Fl, y) + Fa, yı) 

Durch die Gleichung (2) können wir nun jeder beliebigen end- 
lichen Funktion von zwei Veränderlichen eine Intervallfunktion ®(6) 
zuordnen, genau wie wir es schon für Funktionen einer Veränderlichen 
getan haben ($ 458) und man sieht sofort ein, daß diese Intervallfunk- 
tion additiv ist, denn es ist, wenn wir ö in endlich viele Teilintervalle 
Ö,, 63, .. ., O,, zerlegen, 

D(d)= D6)+ Bd) + ---+8(6,). 
Wir nehmen nun an, die Funktion ®(ö) sei eine totalstetige 


Intervallfunktion ($ 457); wir haben gesehen ($$ 429, 453), daß man 
dann eine über jedes Intervall ö summierbare Funktion f(P) finden 


kann, so daß 
©(6) “ f(P)dw 


ist. Nach dem Satze 5 des $ 550 kann man dann eine zu /(P) äqui- 
valente Funktion f(P) = f(x, y) finden, so daß ®(ö) durch ein Doppel- 
integral über f(x, y) dargestellt wird, und man hat 
X, Ya 
(8) Fir, y) - Fia,y)- Fiau,y)+ Fa ,yı) - / [f«,y) dry. 
%, Yı 

Diese letzte Formel ist nur für den Fall 2, <x, und y, < y, abgeleitet, 
aber ihr. Bau ist derart, daß sie dann auch für ,<z, oder „<Yy, 
gelten muß. | 


567. Wir führen jetzt folgende Definition ein: 


Definition. Eine Funktion F(z,y) soll totalstetig genannt 
werden, wenn die ihr zugeordnete additive Intervallfunktion 
&(ö) selbst totalstetig ist und wenn außerdem noch die Funk- 
tionen F(z,0) und F(0,y) totalstetig sind. 

Man bemerke, daß man schreiben kann: 

(4) F(a,y)= F(0,0) + [F(&,0) — F(0,0)] + LF(0,y) — F(0,0)] 
+ [Ffx,y) — F(0,y) — F(2,0) + F(0,0)]. 


654 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 567 








Wegen der Totalstetigkeit von F(x,0) und F(0,y) gibt es nach dem 
Satze 2 des $ 485 zwei über die &- bzw. die y-Achse summierbare 
Funktionen, für welche die Gleichungen | 


F(a, 0) — F(0,0)- f g(a)dz, 
0 


y 
FO, 9) — F(0, 0) = | h(y)dy 
ö 
gelten. Durch Spezialisierung der Gleichung (3) erhalten wir ferner 


F(&, 9) — F(0, y) — F(2,0) + F(0,0) = / f fa, wdzdy; 


hier bedeutet f(x, y) eine über die xy-Ebene summierbare Funktion. 
Durch Einsetzen dieser Werte in (4) bekommen wir den Satz 
Satz 1. .Jede totalstetige Funktion von zwei Veränderlichen kann mit 


Hüfe von summierbaren Funktionen f(x, y), g(z), h(x) als Summe vor 
Integralen und zwar in der Gestalt 


(5) F(a,y) -/ J f(z, y)dady + F g(a)da + S uaay +6 


geschrieben werden. 
Gilt umgekehrt für F(x, y) die Gleichung (5), so ist für jeden festem 


Wert von y die Funktion gleich einem unbestimmten Integral der 
Funktion 


# fiz, day + 9); 


die Funktion F(z,y) ist also für konstante y totalstetig in x und 
ebenso sieht man, daß sie für konstante x totalstetig in y ist. Ferner 
ist, wie man sofort verifizieren kann, die Gleichung (3) eine Folge von 
(5) und daher ist auch die Totalstetigkeit der unserer Funktion F(x, y) 
zugeordneten Intervallfunktion ®(d) ebenfalls eine Folge von (5). Wir 
haben also den Satz: 


Satz 2. Jede Funktion F(x,y) von der Form (5) ist totalstelig. 


Da die Summanden der rechten Seite von (5) stetige Funktionen 
von (z,y) darstellen, gilt auch der Satz: 
Satz 3. Jede totalstetige Funktion F(x, y) ist auch stetig im gewöhn- 
lichen Sinne, und totalstetig als Funktion von x oder y allein. 


En 


$ 568 Totalstetige Funktionen von zwei Veränderlichen 655 


568. Im $ 491 haben wir gezeigt, daß Funktionen von einer Ver- 
änderlichen totalstetig sind, wenn ihre Differenzenquotienten beschränkt 
sind. Hier kann man ib ähnlichen Mitteln zeigen, daB F'(z, y) total- 
stetig ist, wenn die Ungleichheiten 


179 = Fa.) -Fay,y)tfin,y)' sNa nimoHh: 
| |F(2,,0) — F(a,,0)| s nn: 

| F(0,9,) — F(0,y,)| s N | — 
für einen festen Wert von N stets u statttinden. 

Allein aus der Beschränktheit der partiellen Differenzenquotienten 
von F‘(z, y) folgt dagegen die Totalstetigkeit dieser Funktion noch nicht, 
wie folgendes Beispiel zeigt. 

Es sei q ein Quadrat der xy-Ebene ınit der Seitenlänge 2a; mit 
p,.(2,y) bezeichnen wir eine Funktion, die im Mittelpunkte von q den 
Wert a annimmt und auf dem Rande eines jeden zu qg kon- 
zentrischen Quadrats von der Seitenlänge ?b konstant ist 
und den Wert 





@“—b)+la-b 
> 





besitzt. Wir zerlegen jetzt ein 
beliebiges Quadrat der xy-Ebene 
in abzählbar unendlich viele Teil- 
quadrate nach dem nebenstehen- 
den Schema und setzen 


f(&, Yy) == 
UF 627) I uk AR 6287) Br Rz 


Die absoluten Beträge der par- 
tiellen Differenzenquotienten die- 
ser Funktion, die für die ganze 
Ebene erklärt ist, sind, wie man 
leicht sieht, nicht größer als Eins: 





Ifw, ya) — 16, wI<la-ni- 
Dagegen ist der Wert der ent- 
sprechenden Intervallfunktion ®(8) für die schraffierten Teile ö, eines 
jeden der Quadrate g, gleich der halben Seitenlänge dieses Quadrats; 
wir haben also 


2(6,) + Bl) — Di) + + Di) = Bd) + + Bl.) 


Pig. 4. 


656 Kap. xl. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 569 








und allgemein 


0(8,) + 9(4,) ee: 6)  (m=23,3,...). 


Anderseits hat man für die Inhalte md, der Poakinangen Ö, 


‚n+l_, 


md, = 5; (md, + mö,) (n=2,3,...) 
k=2nN —1 
und hieraus folgt, daß die Intervallfunktion ®(ö) nicht totalstetig ist. 

Insbesondere haben wir also auch den Satz: 

Satz 4. Aus der Totalstetigkeit der Funktion F(x,y) als Funktion 
von & für konstante y und als Funktion von y für konstante x folgt nicht 
die Totalstetigkeit von F(x,y) in x und y. 

569. Um die partiellen Ableitungen einer totalstetigen Funktion 
F(z,y) zu untersuchen, müssen wir folgenden Satz beweisen: 

Satz 5. Ist f(x, y) eine meßbare Funktion von zwei Veränderlichen, 
die für jeden festen Wert von x über jedes beliebige Intervall der y- Achse 
summierbar ist, so ist die Funktion 


() af re,w)dy “ 
ebenfalls meßbar als Funktion von zwei Veränderlichen. 

Wir nehmen zunächst an, f(x, y) sei beschränkt 
(2) I@yI<N. 


Die Funktion f(x,y) ist einer (ebenfalls beschränkten) Funktion 
von der zweiten Klasse äquivalent ($ 369, Satz 6), d. h. man hat 


(3) fe, y) » u, y) 
zugleich mit der Gleichung 
(4) vr, y) an lim Yn(&, y) ’ 


in der die Funktionen Y,„(x, y) stetige Funktionen bedeuten, die eben- 
falls der Bedingung | 
(8) an WI< N 


genügen (8 364, Satz 5). Wegen der Bedingung (5) ist nach dem Satze 16 
des $ 402, den man hier zweimal nacheinander anwenden muß, (x, y) 


$ 569 Totalstetige ‚Funktionen von zwei Veränderlichen 657 


———_ in  —————n nn [m 


für jedes feste z summierbar über ein beliebiges Intervall der y-Achse 
und man hat mit den Bezeichnungen 


(6) Pun(, y) [ont y)dy 
(7) 9(z, 9) ee; va, y)ay 
die Gleichung 


Nun sind, wie man leicht sieht, die Funktionen (x, y) stetige Funk- 
tionen, denn man hat 
y+rk 


DmnEthy + NS Yunla th, y)dy Fe y)dy 
N) 0 


y 
— (nat RN — Ynnlz, M)Ay 
0 nk 
+ Vnn(E +h, y)dy 
und daher wegen (5) 


\Pmn(t+hy+H)— PEN <S um th Y) um yN)Ay+N-k. 
0 


Läßt man in dem letzten Ausdrucke h und k gegen Null konvergieren, 
so konvergiert ($ 402, Satz 16) die rechte Seite dieses Ausdrucks gegen 
Null, woraus dann die Stetigkeit von p,,„(x, y) folgt. Aus der Stetig- 
keit von p,„(2,y) entnimmt man mit Hilfe von (8), daß p(x,y) von 
der zweiten Baireschen Klasse und daher meßbar ist. 

Es sei nun E die Nullmenge der zy-Ebene, für welche nach (3) 


fa) + ra, 9) 


ist; wegen des Satzes 2 des $ 546 gibt es eine lineare Nullmenge e, 
auf der x-Achse, so daß für jeden Punkt x,, der nicht in e, enthalten 
ist, die beiden Funktionen von y 


fa,y) und Y(z,%) 


nur in einer Nullmenge der y-Achse voneinander verschieden sein können. 
Es ist also mit anderen Worten 


fa, y) m Yldo, y) 


Carathtodory, Reelle Funktionen. 42 


658: Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 570 








m nn ee nn ee, Dar 


und daher nach (1) und (7) 


Pl, Y) = Po, Y) 
für jeden beliebigen Wert von y ($ 424, Satz 1). Die Punktmenge 


MX 2,Y)=+YE,Y) 


projiziert sich also auf eine Punktmenge der x-Achse, die in e, ent- 
halten ist, und ist daher selbst eine zweidimensionale Nullmenge ($ 380). 
Hieraus folgt aber 








p(2,y) » Ya, y) 
und daher ($ 361, Satz 7) die Meßbarkeit von p(x,y) aus: der Meßbar- 
keit von p(z, Y). 
Ist nun die gegebene Funktion f(z,y) nicht beschränkt, so setze 
man, wenn 9 eine natürliche Zahl bedeutet 


f,(&,y) = f(x, y) in der Punktmenge M(|f|<») 
| f,(&, y)=p „» „ Mf>») 
hÜW)=-P nn » M(f<-—p). 
Dann ist nach dem Obigen 


y 
9,(%, y) -/ 1», y)ay 
Ö 
eine meßbare Funktion in beiden Veränderlichen. Anderseits ist, weil 


f(x,y) für jeden festen Wert von x summierbar über ein beliebiges 
_ Intervall der y-Achse sein soll und weil stets |/,| < |/| ist 


pt, y) =; m RZAcZ Y) 
ii ist 9(xX, Y) ebenfalls eine en Funktion g 353, Satz 11). 
840. Es sei 
xy EZ y 
Fa,9)= | | f@, y)azdy + | gle)dz + [aydy + C 
06 ö | ö 


eine totalstetige Funktion und DF', irgend eine ihrer partiellen Haupt- 
derivierten nach x. Setzt ınan 


(1) 9(&, y) = f(x, y)dy + 9(2), 


so kann F(r, y) für jeden festen Wert von y als ein unbestimmtes Inte- 


$ 571 Totalstetige Funktionen von zwei Veränderlichen. 659 


gral von p(z,y) nach z angesehen werden; man ı hat also insbesondere 


F(z, y) = F(0, y) ef pa. War. 
Anderseits ist aber auch , 

Fa, 1) = FO,9) + [ DE, ya 
und hieraus folgt, daß für jedes feste y = y, 


DF,(z, y,) 2 p(z, Y%) 
ist. Die Punktmenge 
(2) Ä M(DF,+ y) 


hat also die Eigenschaft, auf jeder parallelen y= y, zur x-Achse eine 
lineare Nullmenge zu sein. Diese Punktmenge ist aber meßbar; denn 
einerseits ist DF'(x,y) eine meßbare Funktion ($ 557, Satz 1) und 
anderseits ist nach den Ausführungen des vorigen Paragraphen die 
durch die Gleichung (1) definierte Funktion p(z, y) ebenfalls meßbar. 
Nach dem Satze 3 des $ 547 ist also die Punktmenge (2) eine (zwei- 
dimensionale) Nullmenge und die Funktion DF' (x, y) ist der F unktion 


p(x,y) äquivalent 
DF,(«, Y) m Ya, Y). 


Genau ebenso hätten wir beweisen können, daß die partielle Ablei- 
tung 
F,(a,y) » Pla, y) 

ist. Ferner ist die Punktmenge, in welcher die Funktion Z'(x, y) nicht 
partiell nach z differentiierbar ist oder eine unendliche Derivierte be- 
sitzt, eine Teilmenge derjenigen Punktmenge, in welcher unter den 
vier partiellen Hauptderivierten von F(x, y) nach x mindestens eine von 
F,ix,y) verschieden ist, also selbst eine Nullmenge. 


Satz 6. Die partiellen Derivierten nach x einer totalstetigen Funk- 
tion F(x,y) sind in einem maßgleichen Kern der Ebene sämtlich endlich 
und gleich der Funktion (x, y). 


Genau ebenso kann man zeigen, daß die partiellen Derivierten 
nach y der Funktion p(x,y) außer höchstens in einer zweidimensionalen 
Nullmenge alle gleich der summierbaren Funktion f(x, y) sind. 


571. Wir bezeichnen mit E, die ebene Punktmenge, in welcher 
unsere totalstetige Funktion F(x,y) sowohl nach x als auch nach y 
42° 


660 Kap. ZI. Funktionen von mehreren Veränderlichen S 671 











differentiierbar ist und endliche partielle Derivierten besitzt. In dem 
Punkte von E, ist dann . 


Fl@+h,y) — Fa, y) an + RR), 


(1) Flo, y+R) — Flo, y) = En + kR(k), 
im R,(h)-0, lim 20) - 


Ferner sei E, die Punktmenge, in welcher die obere mittlere Derivierte 
der totalstetigen additiven Mengenfunktion ($ 435) 


ve) fidw 


endlich ist; hierbei soll f(P) = f(x, y) dieselbe Bedeutung nn wie 
im vorigen Paragraphen. 

Es seien (x,y) die Koordinaten eines Punktes von E,, una h,k 
zwei beliebige Zahlen; wir setzen wieder 


‚- VRFR 
und bezeichnen mit Q das Quadrat, das den Punkt (x,y) zum Mittel- 
punkte hat und die Seitenlänge 2r besitzt. Es ist dann 

z+h y+k 


Sf Sta, y) az ay| <fIriaw 


und in der Gleichung 
ir dw — Ar? B(r) 


ist B(r) für r <1 eine SEEN Funktion, weil der Punkt (z, y) 
in E, enthalten ist. Setzt man also 
z+hy+rk 


(2) S .; fa, y)dedy=r?8(h, k), 


so ist die Funktion S ch, k) ebenfalls beschränkt, wenn r <1 bleibt. 
Die Punktmengen E,, E, und ihr Durchschnitt E=E,E, sind maß- 
gleiche Kerne der Ebene ($ 570 und $ 439). 
Nun bemerke man, dab. die Identität 
0 F@+h,y+b) — Fa, y) = 
(Fa+h,y— Fa,y) + (Fa,y+h—Fa,y) 
+ (Farh,y+b — Farh,y— Fa,y+k)+ Fe, y)) 


$ 572 _ PDifferentiation unter dem Integralzeichen 661 





geschrieben werden kann 
F(x+h,y+k)—F(z,y) = a a 


fs fa, y)dzdy; 
es folgt dann mit Hilfe von (1) ai (2) für jeden Punkt der Menge E 
cFx, oF(«, 
| Fa+n,y+) Fa) 4 Ge ktrR,h), 
k 
| Rh) " Rh) + ® R,(k)+r Sch, R). 


Die in der letzten Gleichung definierte Funktion A(h, k) konvergiert 
nach dem Früheren gegen Null, wenn r gegen Null konvergiert, und 
hieraus folgt ($ 560) der Satz: 


Satz 7. Jede totalstetige Funktion von zwei Veränderlichen F(x,y) 
ist in einem maßgleichen Kern E der Ebene differentiierbar. 


Differentisation unter dem Integralzeichen. 


872. Es sei f(P;t) eine endliche Funktion eines Punktes P des 
n-dimensionalen Raumes, die von einem Parameter t abhängt. Die 
Funktion f(P; t) soll definiert sein, wenn P in einer meßbaren Punkt- 
menge e des N, liegt und wenn ? im Intervalle 
(1) tu <a 
enthalten ist, und soll außerdem folgenden Bedingungen genügen: 

a) für jeden Wert von i, der in (1) liegt, ist /(P; t) als Funktion 
von P über e summierbar; wir setzen dann 


Ds pi) = [HP; Od. 


b) für jeden Punkt P von e ist f(P;t), als Funktion von t allein, 
im Punkte t, differeutiierbar; man kann also schreiben 
(3) lim KP;%o af to) m 
k=0 


c) Ist Pine undi=1t,+ hin (1) enthalten, so ist stets 
(4) nn <S(P), 


wobei S(P) eine über e summierbare Funktion bedeutet, die von h un- 
abhängig ist. 


662 Kap. XI. Funktionen: von mehreren Veränderlichen $ 578. 574 


— = Er, 





Es sei jetzt mit 


(5) K+h) . (ke 1,9...) 


eine Folge von Punkten des Intervalls (1) bezeichnet, die von Z, ver- 
schieden sind und gegen i{, konvergieren. Dann folgt aus (3) und (4), daß 


LEE) _ Tim Fi HD — IB) 
t k=o h, 
als Funktion von P über e summierbar ist, und aus (2) daß 
lim en — 9) _ BEE io) 
k=o 
ist (8 394, Satz 5 und $ 402, Satz 16). Da die letzte Gleichung für jede 


beliebige Wahl der Folge (5) stattfindet, ist (ft) im Punkte {, differen- 
tiierbar und hat dort eine endliche Derivierte, und man kann schreiben 


a of(P;t, 
5 SER Aw. 


573. Um die Bedingung (4) des vorigen Paragraphen zu verifi- 
zieren, wird man in den meisten Fällen den Mittelwertsatz der Diffe- 
rentialrechnung heranziehen können. Es genügt dazu, daß die Funk- 
tion KP; t) für jeden festen Punkt P von e als Funktion von £ nicht 
nur im Punkte i,, sondern in jedem Punkte des Intervalles (1) nach { 
differentiierbar sei, und daß stets 





wit ’)| "ı<S(P) 

ist, wo S(P) wieder eine über e summierbare Funktion bedeutet. Denn 
man hat in diesem Falle ($ 481) 

= bo u - KP;0)| _ OflP;te | <S(P) 


Ä AB 





(# <1), 
wie wir zeigen wollten. 


574. Die Überlegungen des 8 572 lassen sich leicht auf Funk- 
tionen f(P;t,,%,...,i,), die von mehreren Parametern i, abhängen, 
übertragen. Für diese Funktionen verlangen wir das Vorhandensein 
von folgenden Eigenschaften: 


a) Für jeden Punkt (f,,..., i,) eines gewissen Würfels 
(1) 4-1 <a (k=1,2,..., m) 


8 574 Differentiation unter dem Integralzeichen 663 


u — EN _— 


des m-dimensionalen Raumes soll f(P,t,,..., £„) ale Funktion von P 
über die meßbare Punktmenge e summierbar sein. Wir schreiben 


Bit) di 


b) Im Punkte (£,°, ..., 4°) soll die gegebene Funktion F(P;t,,...,t,) 
als Funktion der Parameter (tf,, £,,..., £,) differentiierbar sein und dies 
für jeden Punkt P vone. D.h. es ist 
63) f(P:tP+h,..,1%+h,) —- MKP;t,..., 6) = 


m 
or(Pit!,.. 
ot, 





N + r R(P: h; RE Rn); 
kz1 
wobeı wieder 


(4) r=yYhrto the 
bedeutet und R(P; h,,...,h,) mit r gegen Null konvergiert. 

c) Es ist stets, wenn der Punkt mit den Koordinaten t,°+ A, im 
Intervall (1) liegt, | 
56) At) FR, Ir SP), 
wobei ‚S(P) wieder eine über e summierbare Funktion bedeutet. 

Aus diesen Voraussetzungen folgt nun wie im $ 572, daB im 
Punkte (4,9, 4°, ....,t9) die partiellen Ableitungen von f nach den 4, als 
Funktionen von P über e summierbar sind und den Bedingungen 


of(P;tP,...,89) | 
(6) SEP) (be 1,2,...,m) 


genügen; ferner, daß g(t,,...,t„) als Funktion des Parameters {, im 
Punkte 4°, ..., t2 partiell differentiierbar ist und daß die Gleichungen 


Opli?,...,6° -Of(P;tP,...,68) 2 
(7) = ag LER (k=1,2,..., m) 


gelten. 
Die Gleichung 


plt’+h,..., a4 Rn) — pl, ) = 
StrP; + Ru... 10 +5) — CP; 4%... 1)]dre 
6 
kann also unter Benutzung von (3) und (7) folgendermaßen geschrieben 


werden: 


(8) AUS ed DPEEPZ 15 20 79 Enz TUVEEEFE N En 


SE ER 
Diver. Pin tr[RlPih.n Audi 


kz=1 


664 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 575 
Nun bemerke man, daß aus (3) folgt: Ä 
r|R(P; h,, .. Rn) s If(P; ut h,, ne 40 +h,) > AB; 1, need £9)] 


m 
.40 0\ | 
=: > ORPitt. 


| ot; 
| k=1 
und daher. wegen (5) und (6) 
Os IROP; hu... kml S (m +1) S(P). 


Man kann hier also wieder den Satz 16 des $ 402 anwenden und es 
wird dann, wenn man r gegen Null konvergieren läßt, 


lim J RB; h,...h,)dw=0. 


Hieraus folgt, daß die Funktion p(t,, ..., £,) im Punkte (4°, ..., 22) diffe- 
rentiierbar ist und daß man das Differential von @ erhält, indem man 
das Differential.von f(P;t,,..:, ti) für jeden festen Punkt P der Punkt- 
menge e bildet und dieses Differential über e integriert. 


575. Mit Hilfe des verallgemeinerten Mittelwertsatzes, den wir im 
$ 562 aufgestellt haben, kann man, indem man genau wie im $ 573 
schließt, folgenden Satz aufstellen, der zwar etwas mehr Voraussetzungen 
über die Funktion f{P; t,,...., t,) als die obigen Überlegungen erfordert, 
dafür aber nicht nur mehr aussagt, sondern auch viel bequemer für die 
Anwendungen ist. 


Satz. Ist die Funktion f(P;t,,.:.,t,) «ls Funktion von P allein 
für jeden Punkt eines gewissen Intervalls I des m-dimensionalen Raumes 
der t über eine meßbare Punktmenge e des n-dimensionalen Raumes sum- 
mierbar und als Funktion von t,,...,t, für jeden Punkt P von e in 
jedem Punkte von I differentiierbar, genügen außerdem für alle betrach- 
ieten Werte sämtlicher Veränderlichen die partiellen Differentialquotienten 
von f nach t, der Bedingung 


wobei S(P) eine über e summierbare Funktion bedeutet, so ist die Funktion 
p(t,, u Em) - | KPit,.., 6) dw 


in jedem Punkte von I differentiierbar und es gelten die Gleichungen 


op _ [Of Pit... 


@ ee 
FI dt, dw. 
e Ä 


8 576. 577 Differentialgleichungen 665 


Differentialgleichungen. 
576. Wir betrachten in einem linearen Gebiet 
(1) | a<z<b 


eine Funktion f(x,y), die für jeden festen Wert von y meßbar ist 
als Funktion von x und der Bedingung 

(2) f(z, )|s M(«) 

genügt, wobei M(z) eine über (1) summierbare Funktion bedeutet. 
Ferner soll f(x,y) für jeden Punkt x, der in (1) enthalten ist, als 
Funktion von y stetig sein. 

Ist nun e eine beliebige meßbare Teilmenge von (1) und « eine 
beliebige endliche Zahl, so ist die Funktion, welche in e gleich f(x, «) 
ist und für alle übrigen Werte von x verschwindet, eine meßbare Funk- 
tion von x. Hieraus folgt, daß, wenn man mit v(z) eine auf (1) endliche, 
meßbare und endlichwertige Funktion bezeichnet, die Funktion f(z, Yy(2)) 
meßbar ist. Eine in (1) meßbare und endliche Funktion p(x) kann man 
als Grenze einer Folge 


9ılE), Plz), --- 
von endlichen, endlichwertigen und meßbaren Funktionen darstellen 
(8 357, Satz 3). Wegen der Stetigkeit von f(x, y) in y ist ferner 
f(x, p(2)) = lim f(x, 9,(2)) 


und hieraus folgt (3 353, Satz 11), daß f(x, p(x)) eine in (1) meßbare 
Funktion von x bedeutet. Ferner ist wegen (2) 

fe, yo) < M(e) 
und daher die Funktion f(z, p(z)) über (1) summierbar ($ 395, Satz 6). 


577. Wir wollen jetzt folgenden allgemeineren Satz beweisen: 


Satz 1. Es sei die Funktion f(x, y,, -.-,Y,) als Funktion von x ım 
linearen Gebiete a < x <b meßbar und i in jedem y, stetig, wenn die 
übrigen Veränderlichen konstant sind. Endlich sei 


) a. WISM@), 


wobei M(x) eine über a < x <b summierbare Funktion bedeutet. Sind 
dann die Funktionen 9,(2), P(2),:--, 9(&) WERNE meßbare end- 
liche Funktion von x, so ist die Funktion 


(2) (2, PD), .--, Pu@) 
summierbar über a<x<b. 


066 Kap. xl. Fanktionen” von mehreren Veränderlichen 8 578 











Dieser Satz deckt sich für n— 1 mit dem Resultate des vorigen 
Paragraphen. Nehmen wir an, er sei für (an — 1) Veränderliche y, 
richtig. Dann ist 

fi&, 9 @, :.-, Pa-ı 9), Yu) 


für jeden festen Wert von y, meßbar in z, ferner ist die Funktion 
stetig in y, und endlich ist 
fa, po, +, 9-10 SUR). 
Nach dem vorigen Paragraphen ist aber dann die Funktion @& 
summierbar über a <x<-b, wie zu beweisen war. 


578. Wir betrachten jetzt n Funktionen 


(1) | fu@5 Yır 9a» 9m) (k=1,2,...,%), 


für welche wir dieselben Voraussetzungen machen, wie im vorigen Para- 
graphen, aber außerdem noch verlangen, daß sie nicht nur als Funk- 
tionen von , für (k=1,2,...,n), sondern sogar als Funktionen von 
(YyYar +9.) stetig sind. Dies ist gleichbedeutend mit der Forde- 
rung, daß, wenn man n konvergente Folgen 


yd,yd, ... (k=1,2,...,%) 
von Zahlen hat, die gegen endliche Werte konvergieren, aus 

im y9=9 | (k=1,2,...,n) 
stets die Relation 
(2) a fa; 9, ..., 4) = f@, Yır -- -» Yu) 


folgen soll. 

Wir wollen jetzt zeigen, daß, wenn man einen beliebigen Punkt 
der Punktmenge a <x<b mit x, bezeichnet, und wenn «,,..., «, irgend- 
welche endliche konstante Zahlen bedeuten, man im Intervalle a <zr<b 
stetige Funktionen y, (x), y(x), .. ., y„(2) finden kann, die den Glei- 
chungen 


(8) yı(2) = a, + Sta; Ya... ym)dz (k=1,2,...,n) 


genügen. Die Funktionen y,(x) müssen dann sogar totalstetig sein, 
da jede von ihnen sich als unbestimmtes Integral einer summierbaren 
Funktion darstellen läßt, und man kann ($$ 485, 486) statt (3) schreiben 


(4) CD Rasa FLCHE RC FERERE RO) 


& 579 Differentialgleichungen 667 


Spezialisiert man die Funktionen f,(2;y,,..., y„) und fordert, daß 
sie z. B. in allen Veränderlichen (x mit einbegriffen) stetig sein sollen, 
so hat man statt (4) ein System von Differentialgleichungen 


(5) ey.) 


und das Problem, das wir behandeln wollen, ist also eine Verallgemei- 
nerung des Problems der Integration eines solchen Systems. Wir werden 
der Einfachheit halber die Relationen (4) auch Differentialgleichungen 
nennen, da man stets in einem maßgleichen Kern des betrachteten Ge- 
bietes das Zeichen » durch das Gleichheitszeichen ersetzen kann. 


579. Es genügt, wenn wir die gesuchten Funktionen y,(xr) nur 
auf der Punktmenge z,S x <b bestimmen; ihre Bestimmung in der 
Punktmenge a <x<Sı, ergibt sich auf ganz analoge Weise. 

Es seien 2,, 2, ..., x, irgendwelche voneinander verschiedene 
Punkte, die in der Panktmenge %<x<b liegen. Wir bezeichnen 
mit &, "die kleinste der Zahlen x,,...,x,, mit & die kleinste der 
übrigen Zahlen usf., so daß 


5, << <E, 


ist. Nun bestimmen wir n stückweise konstante Funktionen %,(2;%,,..., 2.) 
durch folgende Festsetzung: 


für ,<Sı<$ it =, 
„ 1 Sı<E „ ma + Staa 9 9.) de, 


& 
„» BSı<h » at [hat nude, 


» r<b „ ONE SOHN .,Y,)dz. 


Durch diese Vorschrift werden die Funktionen Y,(2; 2%, ..., %,) 
eindeutig auf der Punktmenge 8, <S x < &,,, bzw. auf der Punktmenge 
&.<r<b definiert, sobald man sie auf dem linearen Intervall ,<r<E$, 
bzw., Sr <E$,, kennt. 

Für jedes x, genügen die Funktionen Y,(z; 2,,...,2„) nach ihrer 
Definition den Gleichungen 


() ee (#=1,2,...,m). 


668 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen $ 580 





Es ist wichtig zu bemerken, daß aus der Voraussetzung 


Om hey »WI<SM@ — (&=-1,2,...,n) 
die gleichmäßige Beschränktheit der Funktionen y, folgt. Der Mittel- 
wertsatz der Integralrechnung liefert nämlich, wenn man ihn auf die 
Definitionsgleichungen von %, anwendet, für jeden Wert von x im 
Intervalle 0, <x<b 


(3) u; Ne +S M(e) dx. 


Man kann also eine obere Schranke für die Funktionen |Y, | finden, die 
ganz unabhängig ist von der Wahl von &,,..., z,, 


580. Wir betrachten jetzt eine im Intervalle «,< x < b überall 
dichte abzählbare Punktmenge 


(4) Lyy Agı Ayı cn 
und für jedes % die Folge von Funktionen | 
N (m=1,2,3,...)- 
Um die Bezeichnungen etwas zu vereinfachen, setzen wir 
(5) VlR; %, Lpy +, &) = drlalm). 
Aus der Folge der natürlichen Zahlen 
m=1,2,3,... 
wollen wir jetzt eine Teilfolge m,, m,, m,, ... aussondern, so daß für 
jede Zahl x,, die in der Folge (4) vorkommt, die Grenzwerte 
| Im y,(a,Im,) &=1,2,...,n) 
existieren. Wir können zunächst aus der natürlichen Zahlenfolge eine 
monotone unendliche Teilfolge = 
(6) Mi, Myz, Msn -»« 
finden, so daß für alle » Werte von k die Grenzwerte 
(7) a Y,(a, my ,) (k=1,2,...,%) 
existieren. Wir setzen dann | 
(8) Mm m, 


und wählen aus der Folge « der übrig bleibenden Zahlen 


Ma, Mg, My --- 


8 581 Differentialgleichungen 669 


eine monotone unendliche Teilfolge 


(9) Mar Mazı Mass - - - 
aus, so daß für alle n Werte von X die Grenzwerte 
am Y,(& | ,) (k=1,2,...,n) 


existieren. Wir setzen nun 
m. =m, 


und wählen aus den übrig bleibenden Zahlen der Folge (9) eine neue 
monotone Teilfolge 

(10) My, Plyg, Mg, - - - 

aus, so daß für alle » Werte von k die Grenzwerte 


ige v(z5|m; ;) (k=1,2,...,n) 
existieren. Die Folge (10) liefert uns die Zahl 
My, = My 


und indem wir so fortfahren, erhalten wir eine monotone Folge von 
Zahlen 


(11) My My May een, 
welche folgende Eigenschaft hat: die Zahlen 


der Folge (11) sind alle in der Folge 
Mu Moss Mass - -- 
enthalten, für welche die Grenzwerte 
lim yu(2,Im,,) (k=1,2,...,n) 
existieren, und es existieren daher auch für jedes p die Grenzwerte 
(12) ‚m Y,(z,|m,) (k=1,2,...,R), 
wie wir beweisen wollten. 


Diese Auswahlmethode, die G. Cantor ersonnen hat, wird häufig 
das Diagonalverfahren genannt. 


581. Es ist nun leicht zu zeigen, daß auch für alle übrigen Werte 
von x, die im Intervalle 2,<x<(b enthalten sind, die Grenzwerte 


(13) lim v,(z|m,) = y,(®) (k=1,2,..., n) 


existieren müssen. Es sei & eine positive Zahl und, wenn 2 >, ge 


670 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 581 





m — = 


geben ist, sei & eine Zahl zwischen x, und x, für welche 
(14) f M(e)dr<; 


ist. Ferner sei x, ein Punkt der Punktmenge (4), der zwischen & und z 
liegt. Der Grenzwert (12) stellt, wie aus 8) folgt, eine endliche Zahl 
dar. Man kann also eine natürliche Zahl 5 > p finden, so daß für jede 
natürliche Zahl q 


(15) Iv.(z, |m M;,,) — Y,(2,|m,)| Ss, 
ist ($ 98, Satz 3). 
Für jedes j5>p, ist der Punkt x, unter den Punkten z,,...,%, 
und, da m, >; ist, um so mehr unter den Punkten 
(16) Ed, © 


m; . 


enthalten. Nach der Konstruktion von Y,(x|m,) ist dann 


v,(2,|m,) = a, + [file: vd, (alm),...,d,(@im))da (>P). 
En 


Bezeichnet man mit x, die größte unter den Zahlen (16), die nicht 
größer ist als die gegebene Zahl x, so ist erstens x, nicht kleiner als 
%,, aber eventuell gleich x, ‚ und zweitens ist nach der Definition von 
v,(2\m,) 


v,(z|m,) = vi(a,|m,) = 0, +/ la; du... d,)de. 


Die beiden letzten Gleichungen liefern uns 


v,(z|m,) — Y(z, |m,) = J @; Yu. Y)U8- 


Es ıst überdies 
E <a <a,<x 


Pat 
und daher nach (2) und (14) 
(17) | | |v,(2]m,) — v,(@,|m,)| < = 


Die Relation (17) ist unter. der einzigen Voraussetzung j >» be- 
wiesen worden; für jede natürliche Zahl q ist daher auch 


(18) \vu(elm;,,) — vı(® x,|m M;;)\< i 


& 583 | Differentialgleichungen 671 
und der Vergleich von (15), (17) und (18) zeigt, daß 
v,(z|m,,, — y,(2]m,)| S$ 


ist. Die letzte Relation ist nach beliebiger Wahl eines positiven & für 
ein bestimmtes j und für jede natürliche Zahl q bewiesen; aus ihr folgt 
nach dem Cauchyschen Kriterium (898, Satz 3) die behauptete Existenz 
des Grenzwertes (13). 

Wegen der Stetigkeit von f,(x; Y,,.--,Y,) in (Y,,-.., y„) ist daher 
für jedes x 


(19) lim Aa; u, @lm),.-., valm)) = hl, Ya). 
j=» 
Ist nun x, eine beliebige Zahl der Fölge (4), so hatten wir für j>p 


v,(2,.m,) = 4, + [fe v,(zlm),...,v,(z|m))de. 
x 


Lassen wir in der letzten Gleichung die Zahl j gegen unendlich kon- 
vergieren und bemerken, daß wir wegen (2) und (19) den Satz 16 des 
8 402 anwenden können, so kommt mit Berücksichtigung von (13) 


7 
(20) „aa +/ had, ..-, ya) de. 
Lo 


582. Wir wollen nun zeigen, daß die Funktionen y,(x) stetig 
sind; es seien x’ und x” zwei beliebige Punkte der Punktmenge 2,Sr <b 
und &,, &,” die größten unter den Zahlen 


Loy Fur Yaı + Im; 


die z’ und x” nicht übertreffen. Dann hat man einerseits, weil die 
Zahlen z, in z,< x <b überall dicht liegen, 


(21) lim &, — x, lim 5 zu x”, 
=» =» 


und anderseits 


5 
0,2” |m;) — uam) = | fala w,.., )de. 
; 
Aus der letzten Gleichung folgt „ 
% 
Ip, 'm,) — Y,(2|m,)| < a) di 
7 


672 Kap. XI. Funktionen yon mehreren Veränderlichen 8 583 


und daher in der Grenze, wenn män (13) us (21) beachtet, 


EN) nel <| f Mia)da.. 


Aus dieser letzten Gleichung folgt sofort die Brmee Stetigkeit 


von yı(2). 
Die beiden stetigen Funktionen % (x) und 


ar a, ad, 


von denen die zweite sogar ltr ist, sind nach (20) für alle Punkte 
Eis Ders 
einander gleich; diese Punkte liegen überall dicht auf der Punktmenge 


%<x<b. Außerdem ist noch y,(x,) = «,; man hat also für jeden 
Punkt von = <ae<b die Sehungen 


NORDEN ee ee 


Unser Resultat läßt sich, wie wir schon sagten, unmittelbar auf die 
Punktmenge a < x. < x, übertragen und wir haben den 


Satz 2. Sind n Funktionen 


.(&5 Yı3 -- +, Im) (k=1,2,...,%) Ä 
gegeben, die für konstante Werte von y,,...,y, in x meßbar sind und 
für konstante Werte von x in (y,,...,y,) stetig sind, ist außerdem im 
linearen Gebiete a<x<b | 

ha; yı, 2; y,)| < M(«) (k= 1, 2, ee n), 
wobei M(x) eine über diese Punktmenge summierbare Funktion bedeutet, 
so gibt es nach beliebiger Wahl eines Punktes x,, der swischen a und b liegt, 


und von n Konstanten «,,..., «, ein System von totalstetigen Funktionen 
Yı(%),...,y,(2), für welche die Gleichungen 


nat Kaya... ao)de (k=1,2,...,n) 
überall in a<x<b erfüllt nd 


583. Wie wir im nächsten Paragraphen an Beispielen sehen werden, 
kann es unter Umständen mehrere und sogar unendlich viele stetige 
Funktionen y,‚(x) geben, die im Punkte x, die Werte «, annehmen und 
unsere Gleichungen befriedigen. 


3588 Differentialgleichungen 673 


Man kann aber sehr allgemeine Bedingungen für die Funktionen 
F&;Yı,---,Y) angeben, die die Eindeutigkeit einer bestimmten 


‘Lösung des Systems gewährleisten. 


Wir nehmen an, 
Yyı(z) (k=1, 2, ..., 0) 


sei die zu untersuchende Lösung und man habe 


Yı(z0) = %- 
Wir machen jetzt die Voraussetzung, daß in jedem Punkte von a<r<b 
und für jede beliebige Wahl der endlichen Zahlen %,,..., 7, die Be- 
dingungen 
«1) IY.(2; Yı,-- , y.) —- — fı(&; Yı (@,.. > BR 
sNJ lH -<nl+t + -u@l] 

erfüllt sind; hierbei soll N(x) eine über a<x<b summierbare Funk- 
tion bedeuten. Die Bedingung (1) ist unter dem Namen „Lipschitzsche 
Bedingung“ bekannt. 

Nun seien %,(x), ..., 7,(2) irgendwelche stetige Funktionen, welche 
die Gleichungen 


(2) nd) + [HR Aw... 9,0) da 


befriedigen. Wir wollen beweisen, daß die Gleichungen 


(3) y.(2) = yı(@) . 
in der Punktmenge 2,< x <b stets erfüllt sind; der Beweis für die 
Punktmenge a << x, ist dann ebenso zu führen. 

Wie betrachten die stetige Funktion 


(4) rd) - HD -Hr+ +-u) 

und bezeichnen mit #($&) das Maximum dieser Funktion im abgeschlos- 

senen Intervall u <x<$. Sind die Gleichungen (3) nicht stets in 

21,<x<b erfüllt, so gibt es einen Punkt & in dieser Punktmenge, für 

on u($) positiv ist. Ist dann &, die untere Grenze der Werte von £, 
für welche u(&) > 0 ist, so ist, weil u(£) eine stetige und monoton 

wachsende Funktion darstellt, die für z = z,: verschwindet, 


u&)-0 und n<h<b; 
für jedes &, das zwischen &, und 5 liegt, ist dann. had 
(5) u(E)>0. rue 


Carath&odory, Beelle Funktionen. 43 


614 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 588 


Es sei also & eine beliebige Zahl zwischen &, und b und mit & eim 
Punkt des abgeschlossenen Intervalls 2, <x<& bezeichnet, in welchem 
die stetige Funktion v(x) ihre obere Grenze annimmt. Es ist dann 


(6) | vd) =uß) 
und da die Funktion a2 in der Punktmenge 2,<2<&, verschwindet, 
so ıst 


(2) | H<E<E. 
Nun hat man aber, wenn man bedenkt, daß 7,(&,) = „.(&) ist, 


E/GBRROE (58 Hr) = (ONE) . 
/ 97) er ld 
und daher nach a) und SZ | | 
| 9-0 fi N@): vo) dr 





< of Ne)da. 
Mit Benutzung von (6) und (7) ist also : 


& — 
Od -=-WHO|l<u) A N(a)dx 


und wenn man über k summiert und @ und (6) beachtet, 


ul) <nu(E) / N(a) dz., | 


Nun ist aber nach (5) die Zahl u(&) von Null Trier: es müßte also 
für nn Wert von: &,:der ne & und b liegt, die Ungleichheit. 


Een: af Na)az>1 

erkilit sein, was. a anmöglich Be a ER rn ‚dab. u) 
nicht stets verschwindet, ist also; falsch. und es müssen’ dbber auch die- 
Gleichungen (3) bestehen. | 


Satz 3. Wenn die Lipschitzsche Bedingung für eine Lösung y,(£), - 
y„(x) unseres Systems erfüllt ist, ’so ist diese Lösung durch ihre Anfangs- 
werte &, bestimmt. 


vo 


8 584 Differentialgleichungen 675 


Ist die Lipsebitzsche Bedingung 


'fı(&; Yır--- Y,) = f(z; Yın--- y.)| 
sl 1 -Nlt+ +94) 


für jedes Punktepaar (y,,. ) und (%,,-..,%,) des Raumes der y er- 
füllt, so können unsere obigen Ren AR auf jedes beliebige System 
von Funktionen y,(z) übertragen werden, das unsere Gleichungen be- 
friedigt. Hieraus folgt dann der Satz: 


Satz 4. Ist im Raume der z, Yı, Ye, - - -, Y, die Lipschitssche Be- 
dingung in jedem Punkte des Streifens a < x <.b erfüllt, so geht durch 
jeden Punkt dieses Streifens eine und nur eine Lösung unseres Systems 
von Differentialgleichungen. 


984. Als Beispiel betrachten wir in der xy-Ebene die Kurven 
schar, die für |y| < 1 die Gleichung | 


y-(@-e)’ 
und für |y| > 1 die Gleichung 
y-3lr-c) 





besitzt. Hierbei bedeuten c und c, ver- 
änderliche Parameter. Diese Kurven- 
schar genügt der Differentialgleichung 


y’ za f(z, y) ) . 
f(x,y)=3y* oder f(z,y) = 3 


ist, je nachdem |y| < 1 oder ‚y| > 1 ıst. Diese Differentialgleichung 
wird aber auclı durch die Linie y= 0 befriedigt. Durch den Punkt 
z=y= gehen also zwei Lösungen unserer Differentialgleichung, 
nämlich 


wobei 


y-xı° und y=0 


und die Lipschitzsche Bedingung ist hier nicht erfüllt, was auch 
leicht (direkt verifiziert werden kann. 
Als zweites Beispiel betrachten wir das Kurvensystem 
| y- für C<0, 
y- (x „ 0<Ca<1T, 
\y-a.+G ai 0,>0. 


43* 


676 Kap. x. Funktionen von mehreren Veränderlichen S 585 





nn nn nn EEUBEENEER DIR —_—--- 


Dieses Kurvensystem genügt der Diferentialgleichung 


y=fle,y), 
wobei 


fa,y)— 0 für y<o, 
fa,)-% „ 0<ysa? und c#0, 
fa,y)=2#2 „ y>.a’ 


ist. Hier sind auch alle unsere Be- 
dingungen bis auf die Lipschitzsche im 
Intervalle |x]<1 erfüllt und es gehen 
in der Tat unendlich viele Kurven der 
Fig. 46. . Schar durch den Punkt z=y=0. 


, 
| 
) 
I 





585. Man darf aber nicht vergessen, daß die Lipschitzsche Be- 
dingung nur eine hinreichende Bedingung für die Eindeutigkeit der 
Lösungen ist. Es kann daher sehr wohl vorkommen, wie das folgende 
Beispiel zeigt, daß eine Lösung unseres Systems von Differential- 
gleichungen auch dann durch die Anfangswerte «, eindeutig bestimmt 
ist, wenn die Lipschitzsche Bedingung nicht erfüllt ist. 

Wir bezeichnen mit ß eine beliebige positive Zahl und betrachten 

- im Streifen ß?<y<4ß? der xy-Ebene eine Kurvenschar 
(1) yarlııd)) 1<ı<4, 
die vom Parameter A abhängt und folgendermaßen definiert ist. Die 
Kurven y= F(x;4,ß) sind stück- 
weise linear, periodisch von der 
Periode 28 und besitzen Ecken in 
den Punkten 2=0, ß, —ß, 2ß, 
| me —2Pß, -. .. ‚Die auf die Ecke mit 
den Koordinaten 0, Aß? nächst- 
folgende Ecke, deren Abszisse ß 
„tab, besitzt die ‚Ordinate 
E @ N ß?+2(2-1)P* für 1<I<2, 
—g Tr BB 440-2 „ 2<ı<a. 
Man sieht sofort ein, daß 
durch jeden Punkt des Streifens 
A Ä B?<y<4ß? eine einzige Kurve 
der Schar (1) hindurchgeht und daß diese Kurve eine eindeutig be- 
stimmte rechte Derivierte besitzt, die wir also durch eine Funktion 
$(z,y; ß) darstellen können. 


4p° 204 


m 


L= zo... oo gmromuampew7a 


S 
" 
N] 


v 


N 556 Differentialgleichungen 6 { 


Für 2-1 und A=4 fallen die Kurven (1) mit den Geraden y- A 
und „=4ß? zusammen; für y=ß? und y=4ß? ist also p(z, y; ß) = 
Ferner ist nach unserer Konstruktion längs der Kurve A = 2 
(3) IP@, u; A)l—P, 
und da in jedem Punkte dieser Kurve 

y= F(2;2,9) Ss 3P 
ist, hat man stets längs dieser Kurve 
& MODE 
Nun definieren wir in der ganzen xy-Ebene eine Funktion f(x, y) durch 
folgende Vorschrift: 
für y>1 stfe,y)=0, 


1 1 1 
„ <y< ui „ fa, y) = P(z,v: „) (n=1,2,...), 


„ y=V0 „Ia,y)=V%, 
f(z, —$) = f(&, y). 

Die Funktion f(z, y) ist für konstante y stückweise stetig, also meßbar 
als Funktion von z, für konstante x stetig als Funktion von y; außerdem 
ist in jedem Punkt der Ebene |f(z,y)| < 1:4. Also genügt die Funk- 
tion f(x, y) innerhalb eines jeden beliebigen Streifens a < x <b allen 
Bedingungen des Satzes 2 und durch jeden Punkt der Ebene geht daher 
mindestens eine Lösung der Differentialgleichung 
(6) yfa,y)- 

Außerdem besteht für ö = 1:4” die Kurvenschar (1) aus lauter 
Lösungen der Differentialgleichung (6), die keinen einzigen Punkt 
der Achse y= 0 enthalten; durch jeden Punkt der Ebene, der nicht 
auf der x-Achse liegt, geht eine derartige Lösung. Bedenkt man nun, 
daB nach unserer Konstruktion die Lipschitzsche Bedingung längs jeder 
dieser Lösungen erfüllt ist, so folgt nach dem Satze 3, daß diese Kurven 
die einzigen sind, die überhaupt Punkte enthalten, für die y= 0 ist. 
Hieraus entnimmt man wiederum, daß jede Lösung von (6), die Punkte 
der Geraden y = O0 enthält, mit dieser Geraden zusammenfallen muß. 

Durch jeden Punkt der Ebene geht also eine einzige, eindeutig 
bestimmte Lösung von (6). Trotzden ist auf der Geraden y= 0 die 
Lipschitzsche Bedingung, wegen (4), nirgends erfüllt. 

586. Wir betrachten jetzt Systeme von Differentialgleichungen 


yo hl yo... (k=1,2,...,n), 
die von einem Parameter i abhängen, und untersuchen die Lösungen 


678 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 8 586 





dieser Systeme in ihrer Abhängigkeit vom Parametar it. Es gilt 
dann der Ä 


Satz 5. Es seien für k=1,2,...,n die Funktionen f(x; Yyyy-:-» Yn» ©) 
unter folgenden Voraussetzungen gegeben: 

a) für jeden festen Wert von t innerhalb einer gewissen Umgebung U, 
des Punktes ti, ist f(x; Yı, ---,Y,; t) meßbar als Funktion von x für jedes 
feste y,, stelig als Funktion von (yı,...,y,) für jedes x, beides, wenn x 
im linearen Gebiete a <x< b liegt, und außerdem ist, wenn M(x) eine 
von t unabhängige über a<x<.b summierbare Funktion bedeutet, 


I; Yır-- + Um) | <S M(x) &k=-1, Dans N); 


b) für t= ti, und für jedes beliebige Wertesystem y,, Ya; - - -, Y, sind 
die fu(25 Yı, ---, Y,5 ©) stetig als Fumktionen von (Y,,-.., 4,3; 

c) für t=t, und «,(t,) = «, gibt es ein einziges System. von 
Funktionen y,(z, io) = y (x), welche die Gleichungen 


(1) va, =) +f Kay @d,..rhe)dr (k=1,2,...,n) 


befriedigen. 
Dann bestehen, für jedes Lösungssystem der Gleichungen (1) und für 
jeden Punkt des betrachteten Gebietes, zugleich mit 


(2) i lım &,(t) = a (k= 1, 2, oo %) 
H t=b 

auch die Gleichungen 

(8) lim 94(2, 0) = u.a) 


und die betrachteten Lösungen y,(x, t) sind in den Punkten 
| a<z<Ib, t=h 
überdies stetig als Fumktionen der swei Veränderlichen (x, t). 


Es sei 
4) 


eine Folge von unendlich vielen Zahlen, die gegen t, konvergieren, und 


A Fee 


8) IE e E 

eine Folge von Punkten, die in der Punktmenge a<x<b überall dicht 
liegen. Wir betrachten die Funktionenfolge . 

(6) 0  Yala dm) | (m=1,2,3,...), 
die man erhält, wenn man in (1) die Werte (4) von ? der Reihe nach 


$ 586 Differentialgleichungen | 679 


einsetzt, und beweisen genau wie im $ 580, daß man aus @ eine 
Teilfolge 

(7) Re RE RERPER: 

aussondern kann, so daß für jeden Punkt z, der Folge (5) die Grenz- 
werte 


(8) 2 yı(z T,; Im) F= 9,(T, ) (ko 1,2, ..., n) 
existieren. 
Nun betrachte man die Relation 
| ya in, I ya imIS < Iyı(® ur br) — yı(t T,, bm)| 
TOR + an rt, 
| + |y,(@ p’ tn) — y.(z,t n)|» 


die für jeden Punkt x innerhalb des Gebietes « <z<.b und für alle 
natürliche Zahlen p, j und g gilt, und bemerke, daß wegen (1) für 
Wert von t 


10) ne) na O1 < Made 
ist. j | 
Ist nun & eine beliebige positive Zahl, so kann man, weil in jeder 
Umgebung yon « Punkte von (5) liegen, zunächst z, so bestimmen, daß 


If Me): <; 


ist und hierauf wegen (8) die natürliche Zahl ; so bestimmen, daß für 
jede natürliche Zahl q 
EAGCZE RR Yı(z,» Em) <z 


ist. Dann folgt aber aus (9) für jede beliebige natürliche Zahl q 
I, Umjr )— Yılz, El Se, 


q 
woraus man die Existenz des (Grenzwertes 


(11) um Yyılz, 4m.) = PılR) 
entnimmt. 
Setzt man für / die Werte (7) der Reihe nach in die Gleichungen (1) 


ein und fährt den Grenzübergang aus, so kommt wegen der Be- 
dingung 5b) mit Berücksichtigung von (1), (2) und (11) 


12) le) + SA, hd 


680 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen ° 587 











Nun waren nach der Bedingung c) die Funktionen y,(z; {,) die. einzigen, 
welche die Gleichungen (12) befriedigen, und hieraus folgt für jeden. 
Wert von x | 
(13) | 9(0) - ya, bo). 

‘Wäre nun für irgendeinen Wert Z von x die Gleichung (3) Haie, 
erfüllt, so könnte man eine Folge (4) von Zahlen i,, Becummen, so daß. 
nicht ı nur die Relation (8), sondern noch außerdem" 


lim y,(2, m) = P 
j=» 


existiert und 


(14) | Ir +ylE, io) 
ist. Dies ist aber unmöglich, weil dann auch nach (11) 
TE) 


wäre und die Bedingungen (13), (14) und (15) sich widersprechen. 
Von den Funktionen y,(z, it) müssen wir endlich zeigen, daß sie im 
allen Punkten der x?-Ebene, die auf der Geraden ? = t, innerhalb des 
Streifens a <x<-b liegen, sogar als Funktionen von zwei Veränder-. 
lichen aufgefaßt, stetig sind. Dies folgt aber sofort aus der Relation 


nathY)— yo) <SIunlatht)— ul, ö)| T Iy@, Er Ylz,to)| 


z+h' 


<S Mo) dr + ad Heil, 


wenn man unser früheres Resultat hinzunimmt. 


587. Es kommt sehr oft vor, daB man von den Funktionen 
(a2; yı,.-,%,) oder f(&; Yyı,--., Yy„; {) nur weiß, daß sie in einem ab- 
geschlossenen Intervall | | a 
(1) | I: „<sy<b ° . (k=1,2,...,n) 


des Raumes der y,, ..., y, den Bedingungen ‚genügen, die wir für die 
obige Theorie verlangt haben. Man kann sie aber dann durch andere‘ 
Funktionen f,(&;%,,...,Y,) ersetzen, die in I gleich den gegebenen. 
sind, und außerhalb dieses abgeschlossenen Intervalles so definiert sind, 
daß unsere früheren Bedingungen überall erfüllt sind. 

Dazu benutzen wir am zweckmäßigsten folgenden Kunstgriff, der 
darin besteht, den Definitionsbereich von /, ‚ sukzessive zu erweitern. 
In I setzen wir f,= fi; hierauf sei für y, <a, oder 9, > b,, während. 
die übrigen y, den Bedingungen (1) genügen, 


fa; Yır-+ Y,) = f.(a; A, Yay---,Y,) bzw. f.(a; b,, Yay +; Y.)- 


S$ 538 Differentielgleichungen 68I 
Jetzt ist f, für alle Werte von y, und für 
a,<y,<b, (k=2,3,...,n) 


definiert, und wir können nach derselben Methode die Beschränkung 
für y, und hierauf die Beschränkung für y, usf. aufheben. 
Nun sind die un der Differentialgleichungen 


’ iD f (23 Yıy +++, Yu) 
auch sangen der BE Re 


oh: Yır-- Yu)» 
solange sich der Punkt 


Ylz), Yl®), -- -, Yu(2) 


im Intervalle ] befindet. Dies wird wegen der Stetigkeit der Funk- 
tion y,(z) in einer gewissen Umgebung des Punktes r, stets der Fall 
sein, falls die Anfangswerte «, den Bedingungen 


a,<a,<b, (k=]1,2,...,n) 


genügen. Wir werden aber nicht mehr wie oben ohne weiteres. 
schließen können, daß die Lösungen der ursprünglichen 
Differentialgleichungen im ganzen Gebiete a<xz<b fort- 
setzbar sind. ur er 


588. Es kann auch vorkommen, daß die Funktionen f,(z; Y,,---,Y,) 
keiner Bedingung der Form u 
RI<M(e) 
ım ganzen Raume der y, genügen, wohl aber der Bedingung 


Ih Ss M(zıG(y,.--, 9%)» 


in welcher M(z) summierbar ist und G(y,,...,y,) ın jedem abge- 
schlossenen Intervall I des Raumes der y,, ...., y,; beschränkt ist. 

Dann kann man, wenn die Anfangsbedingungen «, im Punkte x, 
gegeben sind, das Intervall 7 so wählen ‚ daß der Punkt «,,..., «, im 
Inneren dieses Intervalls liegt. Die Differentialgleichungen haben dann 
stets eine totalstetige Lösung ın einer gewissen Umgebung von x, und 
zwar für jede beliebige Wahl der Anfangswerte «,; man muß aber nicht 
daraus schließen wollen, daß die Lösungen im ganzen Gebiete a<<x<b 
endlich bleiben. | 

Z. B. besitzt die Differentialgleichung 


y-y°’ 


682 _ Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen 5589 





die Lösung 
1 
Tea 


.die im Punkte £ —= c unendlich wird. 


Satz 6. Wenn die Voraussetzungen, die wir in den Sätzen 2, 5 
und 5 dieses Abschnittes über die Funktionen f,(2; Yı,-..„y,) und 
I(&; Yı,---,Y.;t) gemacht haben, nicht für beliebige Werte Y,,.. -, Yms 
sondern nur für die Punkte eines Intervalls I des Raumes y, gelten, so 
existiert um jeden Punkt x, des linearen Gebiets a<a<b eime ihm 
‚zugeordnete Umgebung, in welcher die früheren Sätze gelten. 

Dies ist insbesondere der Fall, wenn statt der Bedingungen |f,|<M (x) 
nur noch die Ungleichheiten |f,| < < M(z)@(y,,...,y,) gelten, in denen 
.M (x) über a <x<b summierbar und G(yıs---, y.) auf jeder beschränkten 
‚Punktmenge des Raumes der y, beschränkt ist. 


589. Als letzte Frage, die uns beschäftigen soll, behandeln wir die 
Differentiation der bösungen eines Systems von Differential- 
gleichungen 
(1) o ful®; Y- :, Ym3 8) 
nach. einem Parameter £. Es gilt hier der | 

Satz 7. Für k=1,2,...,n seien die Funktionen f,(25 Yyı, --- Im; Ö 
unter folgenden Voraussetzungen gegeben: 

a) Für jeden festen Wert von t innerhalb einer gewissen Umgebung 
U, des Punktes t, sollen die Funktionen fx(z; Yı, -- -, y,;t) meßbar sein 
als Funktionen von x für feste y,, stetig sein als Funktionen von (Yı,---,Y,) 
für_feste x, beides, wenn x im linearen Gebiete a<x<b liegt, und es 
soll außerdem 
(2) a9; SHRHD k=i,2,...,n) 
‚sein, wo M(x, t) eine für die betrachteten Werte von t über dieses Gebiet 
summierbare Funktion von x bedeutet. 

b) Die Funktionen 5 yır--- 458) sollen für t= 1, und längs 
einer bestimmten Lösung: 


(8) y.(2) = Yılz, io) (k=1,2,...,n) 
von (1) als Funktionen von (yı,..-,9,;Ü) differentüerbar sein (8 560). 
c) Mit der Bezeichnung u 


(4) r=yYht+ı.-+h2+M 


& 589 Differentialgleichungen 683 
soll, wenn (t,+ h) in der betrachteten Umgebuny U, vun 1, liegt, 
(5) falzi yo + hy yet Ani vr Mh) — alziYylı +», 4m; to) ' < K(x) 


) 
(k=1,2,...,®) 
sein, wobei K(x) eine über a<a<b summierbare Funktion bedeutet. 
Dann sind die Lösungen 


y(a,l- a, (t) + [Aa y(z,d,...,y,(2,0;t)dz (k =1,2,..5; n), 


falls sie im Punkte z= x, und t=t, nach t differentiierbur sind, für 
beliebige Werte von x innerhalb des Gebietes a<xz <b und fürt=4, 
s#ach t differentiierbar und ihre Ableitungen nach t sind Lösungen des 
Systems von Differentialgleichungen (26), das weiter unten gebildet wird. 

Es sei z, ein beliebiger fester Punkt des Gebietes a <r<b und 
«,(t,) seien die Werte der Funktionen (3) im Punkte z,; wir betrachten 
eine Schar von Funktionen 
(6) Ya,buth),.., vl, uth), 
die von einem Parameter k abhängen, unsere Differentialgleichungen (1) 
für den Parameterwert ?=4,+ h befriedigen und im Punkte z, die 
Werte @,(#,+h) annehmen. Ferner setzen wir voraus, daß die Grenz- 
we 
(7) lim a En = en _ ß; 

A=0 

existieren und endlich sind. Wir wollen nun zeigen, daß die Funk- 
tionen (6) als Funktionen von k im Punkte k = O differentiierbar sind 
und ein System von Differentialgleichungen für die Ableitungen dieser 


Funktionen nach h aufstellen. 
Wir bedienen uns zu diesem Zweck der Abkürzungen 


(8) I 
(9) f(x) == (8; Y ©), ... ya); to) ) 
(10) Fr = zn fir „,=yP(&) Q=12,...,n) und t=4,. 


Für die letzten Zahlen ist nach den Relationen (4) und (5), wenn man h 
und sämtliche A,, ..., A, außer der einen Zahl h, gleich Null setzt und 
h, gegen Null konvergieren läßt, 


cn) 2 <K(2). 


684 Kap. x. Funktionen von mehreren V eränderlichen. 9 589 


Nun Be wir für alle h, die von Null ver schieden sind und für “eich 


(4+h) in T, liegt, 


(12) Ya; m, Nm; Rh) = 
für h = 0 dagegen 


(13) ve; Nr An 0) = Nı nt+°' + er 


Aus (8) und (12) folgt, daß für 4 betrachteten aa von h, die von 
Null verschieden sind, 


ha;y'thns- .. en Anal, t, + -h— 


2 0 ur 


h) — ® ; 
(14) ma, n) = / Ya m@,h), ..., N, hl; h)dr 


sein muß. Wir bemerken ferner, wenn wir die Zahlen 7,,..., 9, in 
(12) und (13) als unabhängige Veränderliche ansehen, daß die Funk- 
tionen Y,(25 N, -- +, Nu; h) folgende Eigenschaften besitzen: 

1. Sie sind für alle betrachteten Werte von h (auch für k = 0). 
meßbar als Funktionen von x (8 577). 

2. Sie sind ebenfalls für alle% und für feste x stetig in (> Mares Na)r- 
wie aus den Gleichungen (12) und (13) unmittelbar oe | 

3. Wenn man beliebige endliche Zahlen mit n,°, 72°, ..., n,0 be- 

zeichnet, so sind die Funktionen %, als Funktionen von (n,, 193 -- +; Na» RY 
stetig im Punkte 


=9% (k=12..,n, h=0. 
Setzt man in der Tat S 
(15) r=-hYl+n?+ +93, 
so folgt aus der unter b) ver anglan Differentiierbarkeit der Funk- 
tionen fı 


f.(&; yt+hnı--» Ynt An: + Rh) — fr (&) = 
PA 00 2222.07 


wobei S(r) eine Funktion bedeutet, a mit r gegen Null konvergiert 
und für r= 0 verschwindet ($ 560). Aerans folgt aber nach (12),. 
(13) und (15) 


(16) Y(2; Nr: Mm} R) — v,(E; 2. ... 1; 0) = 
en y, (Mı 2.) 2. = „ale (Mn N) Eu S(r) vi. + M° + - + N. 


8 59U Differentialgleichungen 685 


und dieser Ausdruck konvergiert gegen Null, wenn man irgendwie die 
27, gegen n,° und h gegen Null konvergieren 1äßt. 

4. Man hat endlich wegen (5), (12) und (15), solange h + 0 ist, 
(17) vl, Mr Nm h)|< Kiez) yi +n°+ ee, 
und diese Ungleichheit ist wagen der soeben bewiesenen Stetigkeit der 
%, auch für h = U erfüllt. 


5%. Wir bezeichnen mit y die größte der Zahlen 


l, Iıl, Iß.|, eg IB.|; 


wobei die ß, dieselbe Bedeutung wie in (7) haben. und betrachten im 
Raume der n,, ..... n, den abgeschlossenen Würfel 


(18) | |< 37 (k=1,2,...,n). 
Ferner bilden wir nach der Konstruktion des $ 587 die Funktionen 

VlX;Ns---, 0,5), die ım Inneren des abgeschlossenen Würfels (18) 

mit unseren Funktionen y, zusammenfallen, und betrachten das System 

von Differentialgleichungen 

(19) N EN NR): 


Wir können jetzt auf der x- Achse ein lineares Gebiet angeben, das 
den Punkt z, enthält und die Eigenschaft besitzt, daß die Lösungen des 
Systems (19), die den Anfangsbedingungen 


(20) nl TR e,2,...,n) 


genügen, für hinreichend kleine Werte von k im Würfel (18) liegen. 
Dazu bemerken wir, daß nach der Konstruktion von vr mit Berück- 
sichtigung von (17T), (18) und von > 1 folgt: 


(21) ol <Kla)yYl + I9ny? <yKlz)Yl+ 9n. 


Wählen wir nun mit Berücksichtigung von (7) die positive Zahl h, 
derart, daß für || <A, die Zahlen (20) dem absoluten Betrage nach 
kleiner als 2% bleiben, so ist 


Im(z,h|<2y+ Vi +9n| | K)dz 


und es genügt daher, das gesuchte lineare Gebiet 
(22) E& < L < & 


686 Kap. XI. Funktionen von mehreren Veränderlichen S 591 





so zu wählen, daß für jeden Punkt dieses Gebietes 


23 | 

(23) [Kar ns 
ist; dabei ist wichtig zu ale daß die Bestimmung des Gebietes (22)) 
ganz unabhängig von der Zahl 7 ist. 


891. Für das Gebiet (22) und für |h|<h, fallen also die Lösungen 
des Systems (19), welche die Anfangsbedingungen (20) besitzen, mit 
‘den Lösungen des Systems von Differentialgleichungen 


(24) MD DE} My ++ 5 Rh) 

zusammen. Außerdem sind alle Bedingungen, die für die Beweisführung 
des $ 586 notwendig waren, hier erfüllt. Die erste dieser drei Be- 
dingungen ist eine Folge von $ 589 unter 1) und 2) und von (21), die 
zweite wurde explizite im 8 589 unter 3) bewiesen, und die dritte ist 
erfüllt, weil hier sogar die Lipschitzsghe Bedingung für = 0 unbe- 
schränkt gilt. Man hat nämlich wegen (11) und (13) 


Wela; Mr ++ 95 0) — zz mr m IS 
Ka)lm-m + +m ml): 
‘Aus den Resultaten des $ 586 folgt nun, wenn wir berücksichtigen, 


daß nach (14) die Funktionen n,(z, h) für h-++0 Lösungen von (24) 
sind, daß innerhalb des Gebietes (22) die Grenzwerte 


17,2, 0) = lim N(2, h) = (& —.- =b 


existieren und Lösungen der Gleichungen 


1.2, 0) = Pi + [6 Die (8; 0)+- +6 y. In; 0) + Bar 


sind.. 
Man kann nun wegen der Summierbarkeit von K(x) über das 


lineare Gebiet a <x<b dieses Gebiet mit endlich vielen übereinander- 
greifenden Intervallen (oder Gebieten) Ö,, ö,, ..., 0, überdecken, so 
daß für je zwei Punkte &’ und 8” eines beliebigen unter diesen Ö, die 


Bedingung 


F: K (x) da, < — 
befriedigt ist. Hieraus folgt aber, daß die Eigenschaften der Funk- 


$ 592 Ditferentialgleichungen 687 


tionen n,(2,h), die wir zunächst nur für das Gebiet (22) bewiesen 
haben, sich auf das ganze lineare Gebiet a < x < b übertragen lassen.. 
Existieren also in einem Punkte z, die Ableitungen 


(25) GM (k=1,2,...,n), 
so sind die Funktionen y,(z,t) in jedem Punkte von a<xz<D für 
t=1, nach t partiell differentiierbar und die Ableitungen (25) sind 
Lösungen des Systems 

. fi? fr fr 
(26) neo, Te dy, Mt; (k=1,2,...,n),. 


et 


das man die Variationsgleichungen des gegebenen Systems von 
Differentialgleichungen nennt. 


Bemerkung. Die Sätze 5 und 7 dieses Abschnittes sind auch 
dann vielfach von Nutzen, wenn die Funktionen f,(z; y,,...,%,) nicht 
explizite von einem Parameter ! abhängen und man nur die Anfangs- 
werte «,(t) als Funktionen von t betrachtet. Beim Satze 5 fällt dann 
die Bedingung b) fort, beim Satze 7 muß man die Differentiierbarkeit. 
der Funktionen f,(x; Y,,..-, y„) als Funktionen von (y,,...,y,) postu-- 
lieren. 

592. Wir betrachten für k=1,2,...,n zwei Systeme von Funk- 
tionen f,(2; Y%,-- „Yy,;5 0) und 9,(8; Yı, ---, 4,5), die für alle Werte von 
Yıy---, Y%, definiert sind, wenn x in einem linearen Gebiet a <r<b 
enthalten ist und t in einer Umgebung U, des Punktes t, liegt; wir 
nehmen ferner an, daß für alle Punkte des Definitionsbereichs dieser 
Funktionen die Gleichungen 


” KR NY Hy) (K=i2,...,n) 
erfüllt sind, sobald x in einem maßgleichen Kern E des Gebietes on b- 
enthalten ist. 

‚Sind dann y, , y..., 4„(2) irgendwelche Funktionen von z, so 
sind die Funktionen 
Bl, ya) und, la; Yılz), ..., ya; &) 
als Funktionen von x einander äquivalent und hieraus folgt, daß die 
Differentialgleichungen 
yon ha 9,9058) 
ONE Nr Yu) 
bei gemeinsamen Anfangsbedingungen und gemeinsaniem Wert des Pa- 


rameters #, wenn sie überhaupt Lösungen besitzen, dieselben Lösungen. 
haben müssen. 


4588 Kap. XI. Funktionen von ınehreren Veränderlichen 8 592 


Diese Bemerkung erlaubt sämtliche Sätze dieses Paragraphen uuter 
etwas allgemeineren Voraussetzungen zu beweisen, als wir es getan 
haben. | a 
So gilt z. B. der Satz 2 des $ 582, wenn man die Stetigkeit der 
Funktionen f,(2;Yy,,.-..,y,) in (Y,.-.,‚y,) nur innerhalb eines maß- 
gleichen Kernes E des Gebietes a <x<b postuliert. Denn die Funk- 
tionen 9,(&; Y,---,Y,), die in E gleich f,(z;Y,,...,y,) sind und in 
allen übrigen Punkten des Gebietes a <x<{b identisch verschwinden, 
genügen den Voraussetzungen des Satzes 2. 

Ebenfalls genügt es, wenn man die Bedingungen b) der Sätze 5 
und 7 nur innerhalb des maßgleichen Kernes E verlangt. Trotzdem ist 
die Differentiierbarbeit der Lösungen y,(x, t) als Funktionen von ? für 
alle Werte von x vorhanden. 


1. 


2. 


Pen 


Literatur. 


A. Zusammenfassende Berichte. 


A. Pringsheim, Grundlagen der allgemeinen Funktionentheorie 1899. 
Enzyklopädie der Mathem. Wissensch. Bd. II 1, i. Leipzig 1899-1916. 


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‘t900). Enzyklopädie der Mathem. Wissensch. Bd. I ı, !. Leipzig 1899 
bis 1916. 


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Deutsch. Mathem. Vereinig. 8 (1900), 1I. Teil Jahresber. d. Deutsch. Mathem. 
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1, 1. Paris, Leipzig 1909. 


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gegeben von P. Epstein und H.E. Timerding, Bd. I, ı. Leipzig und 
Berlin 1910. 


. E. Borel, L. Zoretti, P. Montel, M. Frechet. Recherches contempo- 


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Bd. I, 3 (Nachträge in Vorbereitung. 


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. P. du Bois-Reymond, Die allgemeine Functionentheorie I. Tübingen 1882. 


G. Peano, Applicazioni geometriche del calcolo infinitesimale. Torino 1887. 
U. Dini, Grundlagen für eine Theorie der Functionen, deutsch bearbeitet 
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. 0. Stolz, Grundzüge der Differential- und Integralrechnung. Leipzig Bd. 1, 


1893; Bd. 2, 1896; Bd. 3, 1899. 


. E. Borel, Lecons sur la theorie des fonctions. Paris 1898. 
. H. Lebesgue, Lecons sur l'integration et la recherche des fonctions primi- 


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Carath&odory, Reelle Funktionen. 44 


690 Literatur 


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. Ch. J. de la Vall&e Poussin, Cours d’analyse infinitesimale (2° edit.). 


Paris-Louvain T. I 1909; T. II 1912; (3° edit.) T. I 1914. 


. W. H. Young, The fundamental theorems of the differential calculus. (Cam- 


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. J. Pierpont, Lectures on the theory of functions of real variables. Boston 
. Vol. 1 1905; Vol. 2 1912. 
A. Schoenflies und H. Hahn, Entwickelung der Mengenlehre und ihrer An- 


wendungen (Umarbeitung des im VII. Bande d. Jahresber. d. Deutsch. Ma- 
them.-Vereinig. erstatteten Berichts). Erste Hälfte: Allgemeine Theorie der 
Punktmengen von A. Schoenflies. Leipzig und Berlin 1913. 


. F. Hausdorff, Grundzüge der Mengenlehre. Leipzig 1914. 
. A. Pringsheim, Vorlesungen über Zahlen- und Funktionenlehre Leipzig 


1916. 


. Ch. J. de la Vallee Poussin, Integrales de Lebesgue, fonctions d’ensemble, 


classes de Baire. Paris 1916. 


C. Abhandlungen.!) 


. W. Alexandrow, Elementare Grundlagen für die Theorie des Maßes. Diss. 


Zürich 1915. 


. R. Baire, Sur les fonctions de variables reelles, These (Paris). Ann. di ma- 


tem. pura ed appl. 8), 8, 1849. 


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. E. Borel, Sur quelques points de la theorie des fonctions. Ann, scient. de 


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. —, Le calcul des integrales definies. _ Journ. Liouv. (6) 8, 1912. 
. G.Cantor. Von den zahlreichen Abhandlungen dieses Forschers sind acht 


der wichtigsten in französischer Übersetzung in Act. Mathem. Bd. 2, 1883 
gesammelt erschienen. 


. C. Carath&odory, Über das lineare Maß. Gött. Nachr. 1914. 


1) Vollständige Literaturnachweise, in denen auch die verschiedenen Abhand- 


lungen ihremInhalte nach charakterisiert werden, findet man in den unter A. ange- 
gebenen Berichten, vor allem im vorzüglichen Enzyklopädieartikel Rosenthal, 
dessen Fahnen ich wiederholt benutzt habe. Hier soll nur eine Auswahl von 
Originalabhandlungen gegeben werden, die sich durch ihr historisches Interesse 


auszeichnen oder die im Buche abgeleiteten Resultate vervollständigen und ver- 
allgemeinern. 


Literatur 691. 


. G. Darboux, Memoire sur les fonetions discontinues. Ann. scient. de l'Ec. 


Norm. (2), 4, 1878 et 8, 1879. 


. A. Denjoy, Une extension de l’integrale de M. Lebesgue. Comptes rendus 


154, 1912. 
‚ Caleul de la primitive de la fonction derivee la plus generale. Comp- 
tes rendus 154, 1912 





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Matem. di Palermo 22, 1906. 


. G. Fubini, Sugli integrali multipli. Rendic. della R. Acc. dei Lincei (5) 16, L 
. 1907. 
. H. Hahn, Über den Fundamentalsstz der Integralrechnung. Monatsh. f. 


Matbem. u. Phys. 16, 1906. 


. —, Annäherung an Lebesguesche Integrale durch Riemannsche Summen. 


Wiener Sitzungsber. 123, 1914. 


. —, Über balbstetige und unstetige Funktionen. Wien. Sitzungsber. 126, 


1917. 


. C. Jordan, Remarques sur les integrales definies. Journ. Liouv. (4) 3, 


1892. 


. H. Lebesgue, Integrale, Longueur, Aire. These. Ann. di Matem. (3) 7 


1902. 


. ——, Sur les fonctions representables analytiquement. Journ. Liouv. (6) 1 


1905. 
‚ Sur les integrales singulieres.. Ann. de Toulouse (3) 1, 1909. 





. —, Sur l’integration des fonctions discontinues. Ann. scient. de l’Ec. Norm. 


(8) 27, 1910. 


. L. Lichtenstein, Über die Integration eines bestimmten Integrals in Bezug 


auf einen Parameter. Gött. Nachr. 1910. 


. —, Über die zweimalige Integration von Funktionen zweier reeller Ver- 


I 


änderlichen. Sitzungsber. d. Berl. Mathem. Gcs. 10, 3, 1911. 


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Rendus 137, 1903. 


. ——, Remarques sur un theoreme fondamental de la theorie des ensembles. 


Acta Mathem. 29, 1905. . 


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math. Soc. 2, 1901. 


. H. Rademacher, Eineindeutige Abbildung und Meßbarkeit. Diss. (ött. 


Monatshefte für Mathem. u. Phys. 27, 1916. 


.J. Radon, Theorie und Anwendungen der absolut additiven Mengenfunk- 


tionen. Wiener BRUDER DEE. 122, 1913. 


30. B. Riemann, Über die Darstellbarkeit einer Funktion durch eine trigono- 


metrische Reihe. (Habilitationsschrift 1854.) Abhbandl. d. Gött. Ges. der Wiss. 
13, 1868, Gesammelte Werke (2!° Auflage) p. 227. 


. A. Rosenthal, Beiträge zu Carath&odory’s Meßbarkeitstheorie. Gött. Nachr. 


1916.) 


32. L. Scheetfer, Allgemeine Untersuchungen über Rectification der (urven. 


Acta Math. 5, 1884. 


1) Diese Arbeit ist eine weitgehende Fortführung der Untersuchungen der 


88 335—342 dieses Buches. 


44* 


692 Literatur 
38. 


B4. 


86. 
36. 


37. 
38. 
39. 
40. 


41. 











L. Scheeffer, Zur Theorie der stetigen Functionen einer reellen Ver- 
änderlichen. Acta Math. 5, 1884. 

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—— , Sui gruppi di punti e sulle funzioni di variabili reali. Rend. del R. 
Acc. di Torino 43, 1908. | 

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mathem. 35, 1903. 

——, Über die Einteilung der unstetigen Funktionen und die Verteilung ihrer 
Stetigkeitspunkte. Wien. Sitzungsber. 112, 1908. 

E. Zermelo, Beweis, daß jede Menge wohlgeordnet werden kann. Math. 
Ann. 59, 1904. Sn 

—— , Neuer Beweis über die Möglichkeit einer Wohlordnung. Math. Ann. 
65, 1908. ° 

—— , Untersuchungen über die Grundlagen der Mengenlehre I. Math. Ann. 
65, 1908. 


Verzeichnis der Beispiele. 


1. Divergente Reihe. . . : 2 2. Cm rn RR 

2. Absolut konvergente Reibe . . . 2.2: 2: HE nn ren. 

3 Nicht absolut konvergente Reihe. . . . . 2.2: 2: Er nn 2 nen 

4. Beispiele für die Nichtvertauschbarkeit der Summationsfolge bei einer 

Doppelsumme: . 2:2 2.6... 2.2.0... a Baar ee ee 

5. Limites von Folgen von Punktmengen . . . ... 2.2.2 2 2 2 nn. 

6. Funktion, die nirgends halbstetig ist. . . . . 2: 2 2 no 2 rn nen 

7. Stetige, nicht endliche Funktion...» : 2... 2 rm rn nen 

8. Im Kleinen beschränkte, nicht beschränkte Funktion . . ...... 

9. Monotone Funktion mit überall dicht liegenden Unstetigkeitsstellen. . 

10. Beschränkte Funktion als Grenze einer nicht gleichmäßig beschränkten 
Funktionenfolse . 2. 2. Vene 

11. Unstetige Funktion als Grenze einer Folge von stetigen . . . . . . . 
12. Monotone, gegen eine totalunstetige Funktion konvergierende Folge von 
halbstetigen Funktionen . . 2 2. : om m ren 

13. Funktion, die in keinem Intervall von beschränkter Variation ist. . . 
14. Unstetige Funktion, die in jedem Intervall, alle Werte zwischen Null 
und Eins annimmt . 2. 2 2 oo Con 

15. Beispiele von Maßfunktionen . . .:.:.: 2: mn rn Air 
16. Punktmenge, die keine Borelsche Menge ist (Fußnote). . .. ... . 
17. Nirgends dichte perfekte Punktmenge . . . . 2: 2:2 2 2 2 2 nen. 
18. Perfekte Nullmenge. . . 2. 2 22 2 m mn m rn u ee 
19. Nullmengen, deren Kondensationspunkte den Raum ausfüllen . . 286, 
20. Nicht quadrierbare abzählbare Punktmengen . . . . . 2 2222 .. 
21. Nicht quadrierbare offene Punktmengen . . . .. 2.2... SR: 
22. Nicht quadrierbares Gebiet . . 2 2: 2 vo rn rn 
23. Punktmengen vom inneren Inhalt Null mit dem Gesamtraum als maß- 
gleiche: Hülle;  .... 4 ae... SE an een Pe ea 

24. Nicht meßbare eineindeutige stetige Abbildung. . . . . . 2 2 2.. 
25. Nicht reguläre Maßfunktion . . 2.2: > u m nr rn. 
26. Nicht meßbare Funktion, für die für jedes beliebige & die Punktmenge 
M(f=«) meßbar ist . . 2.2: 2:2 rn 

27. Meßbare Funktion @(x«) und monotone stetige Funktion f(x), für welche 
p{fia)) nicht meßbar ist. . 2... oo m en 

28. Konvergente Folge meßbarer Funktionen, die auf keinem maßgleichen 
Kern ihres Definitionsbereiches gleichmäßig konvergiert . . . ... . 

39. Stetige Funktion, die nicht von der nullten Klasse ist... ..... 
80. Funktionen, die mindestens von der zweiten Klasse sind. . . . ... 
831. Funktionen erster Klasse, die sich nur zu Funktionen zweiter Klasse auf 


der abgeschlossenen Hülle ihres Definitionsbereiches ergänzen lassen . 


395 


694 Verzeichnis der Beispiele 





Seite 

32. Meßbare Funktion, die keiner Funktion erster Klasse äquivalent ist . 407 

33. Meßbare nicht summierbare Funktion . . 2 2 2 2 2 22 nn. 434 

34. Halbstetige nicht nach Riemann integrierbare Funktion . . ..... 463 
85. Nach Riemann nicht integrierbare Funktion, deren Limesfunktionen 

nach Riemann integrierbar sind . . . 2: : 2: rn En. 464 


. Nach Riemann integrierbare Funktion, die von keiner endlichen Klasse ist 467 
. Funktion mit unendlicher A-Variation . . : 2: 2 2 2 2 2 2 nee. 513 
. Totalstetige Funktion, deren sämtliche Derivierten in. einer Nullmenge 


gleich 509 8nd 2.2.8 2 5: Al a a ee 551 
. Totalstetige Funktion, deren sämtliche Derivierten in überall dichten 

Puriktmengen gleich S DOHBINA. 4 2 we ee Be Se er eek 553 
. Beispiel von zwei totalstetigen Funktionen (uw) und p(z) so daß f(p«)) 

nicht totalstetig ist. . . 2 2: 2 ron ern 554 
. Stetige monotone Funktion von konstanter A-Variation. . . ..... 578 


. Monotone Funktion, die mit ihrer inversen von konstanter 4-Variation ist 583 


43. Stetige Funktion von unendlicher Variation mit summierbaren Haupt- _ 
ÜOLIVIOTLEN ua va ee I rt re ee Be eh ee ae 590 
44. Nirgends differentiierbare Funktion . . . .. 2 2 2 220. .. 590 
45. Meßbare beschränkte Funktion, die mit keiner Derivierten einer stetigen 
Funktionen zusammenfällt. . . 2: > 2: Co mE m rer. 595 
46. Stetige Funktion von unendlicher Variation mit endlichen Hauptderi- 
vierten... . . ee a En a ee ee a een Be ee 547 
47. Mehrfaches Integral einer nicht summierbaren Funktion ....... 634 
48, Partiell differentiierbare Funktion, die beschränkte partielle Ableitungen 
besitzt und nicht total differentiierbar ist . - » : 22 2 2 202. 646 
49. Funktion mit beschränkten partiellen Differenzenquotienten, die nicht | 
totalstetig ist . 2. oo Co oo. 655 


50. 


Beispiele zur Lipschitzschen Bedingung . . . ...... 2.675, 676 


Register. 


‘Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten des Buches.) 


Abbildung 72, (stetige Abbildung) 205, 


(meßbare Abbildung) 854, 581. 
abgeschlossen (relativ) 58. 
abgeschlossene Hülle 57. 
abgeschlossene Punktmengen 39, 218. 
abgeschlossenes Intervall 41. 
abgeschlossene Zellen s. Zellen. 
Abgeschlossenheit der Menge der Häu- 

fungspunkte 48. 

Ableitung einer Funktion 546, 573. 
Ableitung einer Funktion von konstanter : 

1-Variation 572, 589. 

Ableitung einer Punktmenge 39. 
Ableitung partielle 641. 
Abschätzung (von Integralen) 447. 


Abschnitte der natürlichen Zahlenreihe 6 


absoluter Betrag (einer Zahl) 16, (eines 
Vektore) 313. 


absoluter Betrag von meßbareu Funk- 


tionen 376. 


absoluter Betrag von nach Riemann in- 


tegrierbaren Funktionen 465. 
absolute Konvergenz einer Reihe 103, 
107. 
abwärts halbstetig 137. 
abzählbare Punktmengen 26. 
Abzählbarkeit der rationalen Punkte des 
Raumes 30. 
Abzählbarkeit eines quadratischen Sche- 
mas 29. 
Achse 18. 
Addition von Zahlen (Axiome) 2 
additive Mengenfunktion 470. 
algebraisches Komplement 324. 
analytische Geometrie 18. 
Anordnungsaxiome 1. 
Anzahlbegriff 9. 


Approximation von beliebigen Funk- 
tionen durch monotone Folgen end- 
lichwertiger 388. 

Approximation von Integralen 447. 

äquivalente Funktionen 389, ihre Inte- 
grale 427, 431, 470. 

‚äquivalente Ordinatenmengen 418. 

| Äquivalenz der mittleren Derivierten 490. 

' Äquivalenz meßbarer Funktionen mit 
Funktionen 2! Klasse 406. 

; Äquivalene der verallgemeinerten Deri- 
vierten 496. 

' Archimedes 11, 420. 

‚assoziative Eigenschaft der Addition 2. 

‚assoziative Eigenschaft der Multiplika- 

tion 4. 

ı assoziative Eigenschaft der Summe von 
Punktmengen 28. 

assoziative Eigenschaft des Durchsehnitts 
von Punktmengen 22. 

aufwärts halbstetig 127. 

äußerer Inhalt s. Inhalt. 

| Außeres Maß s. Maß. 

' Auswahl 88. 

Auswahlaxiom 33. 

Axiome der Addition 2; — der Division 5; 
— der Multiplikation 4; — der Sub- 
traktion 3. 

Axiome der natürlichen Zahlen 6. 


Baire: Satz über Grenzen von stetigen 
Funktionen 178. 

Bairesche Klassen 393. 

Basis eines linearen Vektorgebildes 310. 

Basis eines Zylinders 414. 

Begrenzung einer abgeschlossenen Punkt- 
menge 218. 


696 Register 


Begrenzung einer Punktmenge 216. ; Derivierte bare, untere 516, 517. 
Bendixson 50. Derivierte rechte, linke 516. 
Berechnung der Hauptlimites 87. Derivierte; verallgemeinertte — einer 


Berechnung eines Integrals 600, nach | Mengenfunktion 492. 
Lebesgue 450, nach Riemann 462, durch Derivierte von f(x) als Funktion von x 
Grenzübergang aus Integralen von 527. 


stetigen Funktionen 469. Determinante 318; Multiplikation von 
beschränkte Differenzenquotienten 550 | — 340. 

(s. Funktionen). Diagonalverfahren 669. 
beschränkte Funktion 121 (Definition) | dicht (in sich —) 39. 

ihre Summierbarkeit 424, 434. dicht (nirgends —) 64. 
beschränkte Punktmengen 37. ‚dicht (überall —) 61. 
beschränkte Punktmengen ohne Häu- : Differentialgleichungen 667. mit Para- 

fungspunkt 48. - meter 678. 

Beschränktheit einer stetigen Funktion | Differentialrechnung 518. 

139. Differential (totales) 644, 649. 
Beschränktheit im Kleinen 141. Differentiation der Lösungen von Diffe- 
bestimmtes Integral 420. rentialgleichungen nach einem Para- 
Borelsche Mengen 256. ' meter 682. 

Borels Überdeckungssatz 46. ' Differentiation unter dem Integralzeichen 
Breite einer Skala 450. 661. 
Bruch 13, ' Differentiierbarkeit der additiven total- 


stetigen Mengenfunktionen 496, 502. 
'Differentiierbarkeit der Funktionen von 
' beschränkter Variation 589. 
| Differentiierbarkeit der monotonen Funk- 


Cantor 31, 39, 50, 298, 669. 
Cantor-Bendixsonscher Satz 50. 
Cauchy 92. 


Cauchys Konvergenzkriterium 92, un tionen 578 
Darboux 453. ' Differentiierbarkeit (nach rechts, linke) 
Darbouxsche Summen 453. ı einer Funktion einer Veränderl. 518. 


Differentiierbarkeit nach Stolz 644. 

Differentiierbarkeit (nirgends differen- 
tiierbare stetige Funktion) 590. 

Differentiierbarkeit partielle 641. 

Differentiierbarkeit von Funktionen meh- 
rerer Veränderlichen 644, 658. 


Darstellung von Funktionen als Grenzen 
monoton wachsender Folgen endlich- 
wertiger 388. 

Darstellung von Funktionen durch Fol- 
gen von Punktmengen 869. 

Darstellung von offenen Punktmengen 








durch feste Grundmengen 57. Differentiierbarkeit von totalstetigen 
Definitionsbereich einer Funktion 71, 72. Funktionen 545, 661. 
de la Vallee Poussin 557. ' Differenz (von Zahlen) 3, (von Punkt- 
Derivierte einer Differenz 521. mengen) 23. 
Derivierte einer Funktion 515. _Differenzenquotient 515. 


Derivierte einer inversen Funktion 524. | Dimension eines Punktgebildes 334. 
Derivierte eines Produktes 522, 649. ' Dimension eines Vektorgebildes 312. 
Derivierte eines Quotienten 522, 649. Dirichletsche Funktion 171. 


Derivierte einer Summe 519, 649. Diskontinuität (s. totale Diskontinuität). 

Derivierte einer zusammengesetzen Funk- | distributive Eigenschaft der Multiplika- 
tion 526, 648. tion 4. 

Derivierte; mittlere — einer Mengen- | distributive Eigenschaft des Durch- 





funktion 480. schnitts und der Summe von Punkt 
Derivierte; Punktmengen, in denen eine mengen 23. 
Derivierte x wird 529, 579. Division (Axiome) 5 


Register 697 


Doppelsummen 109. endlichwertige Funktionen (ibre Sum- 
dreidimensionaler Raum 18. mierbarkeit) 424. 
Dreieckssatz 198. *; Entfernung eines Punktes von einer 
Durchmesser einer Punktmenge 201. Punktmenge 196. 
Durchmesser eines Zellennetzes 294. Entfernung von zwei Punkten 191. 
Durchschnitt einer offenen und einer in | Entfernung E(A,B) von zwei Punkt- 
sich dichten Menge 58. '  mengen 199. 
Durchschnitt einer offenen und einer per- | Entfernung von zwei Punktmengen ist 
fekten Punktmenge 63, 65. gleich der Entfernung ihrer Begren- 
Durchschnitt von abgeschlossenen Punkt- : zungen 219. 
mengen 54. ‚ entgegengesetzte Zahlen 3. 


Durchschnitt von Intervallen 34, 41. Entwickelung von Determinanten 324. 
Durchschnitt von linearen Gebilden | erreichbarer Punkt 42. 


317, 334. S . Erweiterung des Definitionsbereiches 
Durchschnitt von meßbaren Punktmen- | stetiger Funktionen 617. 
gen 251. "Erzeugung meßbarer Punktmengen 256. 


Durchschnitt von Punktmengen 22, 27. | Erzeugung stetiger Funktionen 167. 
Durchschnitt von quadrierbaren Punkt- | Euklid 18. 


mengen 290. Existenz der Lösungen von Differential- 
Durchschnitt von relativ abgeschlossenen | gleichungen 672. 
Punktmengen 59. Existenz meßbarer Punktmengen 199. 
Durchschnitt von relativ offenen Punkt- | Existenz nicht meßbarer Punktmengen 
mengen 60. 352. 
Durchschnitt von überall dichten Punkt- | Existenz von Determinanten 325. 
mengen 63. | 
Durchschnitt von Vereinigungen abge- | Fehler der k'*® Approximation 173. 
schlossener Punktmengen 71. ‘Folgen von Funktionen »'° Klasse 588. 
Folgen von Punktmengen 27; reguläre 
Ebenen ((n — 1)-dimens. Eb. sind Null-ı — 497. 
wengen) 285, 334.  Fubini 621, 628. 
ebene Punktmengen 20. "Funktion 71. 
echte Teilmenge 6, 21. Funktionen einer Veränderlichen; obere 
eigentlich divergente Folgen 89%. ‘ und untere Limites rechts und links 
eigentlich divergente Reiben 102. ‚ eines Punktes 144. 
eindeutige Funktion 71. ı Funktionen mit beschränkten Differen- 


Eindeutigkeit der Division 5. | zenquotienten 550. 
Eindeutigkeit der Lösungen von Diffe- | Funktion von beschränkter Variation 


rentialgleichungen 675. | 180, 584. 
Eindeutigkeit der Subtraktion 3. ‚Funktion von beschränkter Variation 
eineindeutige Abbildung 72. innerhalb eines Gebietes 183. 
einfaches Integral 542. :Funktion von beschränkter Variation 
Einheitspunkt (einer Achse) 18. "zerlegt in eine stetige Funktion und 
Einheitsvektoren 312. : der Summe ihrer Diskontinuitäten 189. 
Eins, die, 5. Funktion von beschränkter Variation — 
Element (einer Zahlenmenge) 6, (einer| Kanon. Zerlegung 588. 
Determinante) 318. Funktionen von konstanter 4-Variation 
endliche Funktionen 120. , 567, 587. 
Endliche Punktmengen 25. 
Endlich viele Elemente 9. Ganze Zahlen 12. 


Endlichwertige Funktionen 385. . Gebiet 222. 


098 


Gebiet (lineares —) 149, 227. 
Gebiet (nicht quadrierbares —) 292. 
gerade Linie 834. 

Gesamtraum 21. 


gleichnäßig beschränkte Funktionenfol- | 


gen 170, 173. 

gleichmäßige konvergente Folgen; ihre 
Integration 445, 465. 

gleichmäßig konvergente Folgen von 
Funktionen pt" Klasse 399. 

gleichmäßige Konvergenz 173, 1738. 

gleichmäßige Konvergenz bei Folgen 
meßbarer Funktionen 382. 

gleichmäßige Konvergenz 
Funktionenfolgen 176. 

gleichmäßige Stetigkeit 205. 

gleichzeitige Derivierte 519. 

gliedweise Addition konvergenter Reihen 
106. . 

gliedweise Integration von Reihen 602, 
— Differentiation 604. 

Graph einer motonen Funktion 161. 

Grenze, 8. obere, untere Grenze. 

Grenzen eines einfachen Integrals 543. 

Grenze (obere, untere) einer Folge von 
meßbaren Funktionen 3831. 

Grenzwert einer Folge von Potenzen 97. 

Grenzwert einer konvergenten Zahlen- 
folge 88. 

Grenzwert einer Summe 94. 

Grenzwert eines Produkts 95. 

Grenzwert eines Quotienten 96. 

größtes Element einer Zahlenmenge 10. 

größte offene Teilmenge 217. 

Grundmengen 58. 

Grundoperationen an Punktmengen 21. 


Halbstetige End ONWETUES Funktionen 
886. 

halbstetige Funktionen 136, 137, 373. 

halbstetige Funktionen als Grenzen mo- 
notoner Folgen von stetigen 402. 

Halbstetigkeitspunkte 127. 

harmonische Reihe 103. 

Häufungspunkt 38. 

Häufungspunkte von Durchschnitts- und 
Vereinigungsmengen 52. 

Hauptderivierte 517, Bestimmung einer 


- Funktion durch ihre Hauptderivierte | 


595, sie sind von der 2ten Klasse 528. 





| Inhalt des 














ı Hauptdiagonale von Determinanten 318. 


Hauptlimites der Summe von zwei 
Zahlenfolgen 82. 


: Hauptlimites des Produktes von nicht 


negativen Zahlenfolgen 87. 
Hauptlimites einer Folge von meßbaren 
Funktionen 382. 
Hauptlimites einer Zahlenfolge 77. 
Hauptlimites einer Zahlenfolge und ihrer 
Teilfolgen 79. 
Hauptlimites (ihre Berechnung) 87. 
homogene lineare Gleichungssysteme 
329. 


monotoner | Hülle (abgeschlossene) 57. 
nn maßgleiche 260, 269, 279, 281. 


‚ Induktion (vollständige) 6 
‚Inhalt (äußerer —) einer Punktmenge 


232. 
Intervalls 229, 
schlossenen Intervalls 234. 


des abge- 


| Inhalt (innerer —) einer Panktmenge 274. 


Inhalt (Transformation des —) 840. 


Inhalt von quadrierbaren Punktmengen 


nach Jordan 298. 
innerer Punkt 37. 
inneres Maß 258, 365. 
inneres Produkt 313. 


|in sich dichte Punktmengen 39. 


Integral 420, 431. 

Integral äquivalenter Funktionen 427, 
431. 

Integral der Hauptlimites einer Funk- 
tionenfolge 443. 

Integral der oberen Grenze einer Funk- 
tionenfolge 442. 

Integral des absoluten Betrages 434, 435. 

Integral einfache 542, ihre Berechnung 
600. 

Integral einer Grenzfunktion 422, 441, 
444, 445. 

Integral einer monotonen Folge 441, 442. 

Integral einer positiven Funktion 448. 

Integral eines Produkts 488. 

Integral einer Summe 429, 433. 

Integral mehrfaches 683. 

Integral (unbestimmtes) 469, einer Funk- 
tion f(x) 544. 

Integral (unbestimmtes von äquivalenten 
Funktionen) 470. 


Register 699 


Integral, wiederholtes 628, 630, 682. ‚ Konvergenz der Darbouxschen Summen 
Integral, wiederholtes einer nicht not- 459. 
wendig summierbaren Funktion 688. Konvergenz der Riemannschen Summen 


Integrierbarkeit nach Riemann 460, 502. 482. 


Intervall 19, 20. Konvergenz des Inhalts einer Folge von 

Intervall als Kontinuum 213. Punktmengen 282. 

Intervallfunktionen 502, additive und Konvergenz einer Punktmenge gegen 
totalstetige 503, 510. einen Punkt 111. 

Intervall lineares 19. Konvergenz von monotonen Zahlenfol- 

Intervall, n-dimensionales, 0. gen 97. 

inverse Funktion 166.. Kreis 192. 

irrationale Zahlen 33. Kriterien für die Additivität und Total- 

isolierte Pnnkte 38. ‚ ‚stetigkeit einer Intervallfunktion 503, 

510. 

sorunn als Kriterien für die Äquivalenz von zwei 

Kantenlängen eines Intervalls 20. Funktionen 342, 481, 470. 

Kardinalzahlen 9. ‚Kriterien für die Beschränkheit eines 

Kern (maßgleicher) 261, 269, 279, 281. urbestimmten Integrale 473. 

Kette von Puukten (ö-Kette) 210. "Kriterien für die Halbstetigkeit in einem 

Klasse einer Funktion 393. ' Punkte 129. 

Klasse, Funktionen 2%" Klasse 406. : Kriterien für die Halbstetigkeit (Stetig- 

Klassifizierung unstetiger Funktionen ' keit) auf einer Punktmenge 137, 138. 
412. Kriterien für die Integrierbarkeit nach 

kleinste natürliche Zahl 7. ' Riemann 460, 462. 

kleinstes Element einerendlichen Zahlen- Kriterien für die Meßbarkeit einer Funk- 
menge 9. tion 376 ff. 

kleinstes Element einer Menge von na- |Kriterien für die Stetigkeit in einem 
türlichen Zahlen 8. | _ Punkte 130. 

kolonnen einer Determinante 318. ‚ Kriterien für die Summierbarkeit einer 


kommutative Eigenschaft der Addition 2.) Funktion 426, 434, 636. 
kommutative Eigenschaft der Multipli- Kriterium dafür, daß eine Funktion 


kation 4. punktiert unstetig sei 143. 
kommutative Eigenschaft der Summe !Kritik der Definition des Maßes 359. 
von Punktmengen 23. Kugel als Kontinuum 214. 


kommutative Eigenschaft des Durch- Kugel (offene, abgeschlossene) 192. 
schnitts von Punktmengen 22. | Kugeloberfläche 214. 
Komplement s. algebr. Komplement. 





Komplementärmenge 21. "Lagrange 518. 
Komponenten eines Vektors 307. ı Länge (eines Intervalls) 19. 
Kondensationspunkt 38. 'Lebesgue 228, 282, 298, 450, 544. 
Kontinuen 208, — (Existenz) 218. ‚leere Mengen 6, 21. 
Kontinuen (linesre —) 218. | Leibniz 421. 518. 
konvergente Folgen summierbarer Funk- Ä Limes (— des Wertevorrats einer Funk- 
tionen 444. | tion) 74, 75. 
konvergente Folgen von Punktmengen , Limes einer Zahlenfolge 76. 
117. Limesfunktionen 122 —126. 
konvergente Funktionenfolgen 170. Limesfunktionen der Derivierten einer 
konvergente Reihen 101. | add. totalstetigen Mengenfunktion 499. 
kunvergente Zahlenfolgen 88. ' Limesfunktionen der Derivierten einer 


Konvergenz (absolute — einer Reihe) 103... Funktion einer Veränderlichen 534. 


700. Register 


Limesfunktionen einer Funktion von be- | Meßbarkeit der Funktionen p'*" Klasse 


schränkter Variation 187. Ä 403. 
Limesfunktionen einer monotonen Funk- | Meßbarkeit der Punktmengen vom Maße 
tion 151. Null 257. 
Limesfunktionen von nach Riemann in- | Meßbarkeit der Vereinigungs-, Durch- 
tegrierbaren 463. we schnitte- und Komplementärmengen 
Limes superior und inferior einer Folge) 248. u. ff. 
von Punktmengen 114. Meßbarkeit des Inhul s 231. 
Lindelöfs Überdeckungssatz 46. Meßbarkeit des Limes superior und in- 
linear abhängige und unabhängige Vek- ferior 252. 
toren 309. | Meßbarkeit in zwei Veränderlichen eines 


lineare Gleichungen 329. | einfachen Integrals 656. 

lineare Punktgebilde 333. ı Meßbarkeit nach Lebesgue 282. 

lineare Punkttransformationen 335, 338. Meßbarkeit und Summierbarkeit 423, 434. 

lineare Schar von additiven totalstetigen Minimum einer Funktion (Definition) 121. 
Mengenfunktionen 499. Minimum einer nach unten halbstetigen 

lineares Intervall 19. Funktion (Existenz) 13%. 


; ; Minuszeichen 4. 
lineares Kontinu 215. Nas: Ai 
Imeares Vektorgebil de 309. ‚ Mittelpunkt (eines Intervalls, Quadrats 


Lipschitzsche Bedingung 673. | oder Würfels) 19, ae 
Mıktolwertsatz der Ditferentialrechnung 
540. 


Maß, Außeres — 238, 271, Inneres — Mittelwertsatz d. Integralrechnung 449, 


258, 360. j : 
ge I: zweiter Mittelwertsatz 612. 
en 238, reguläre MaBfunktion | „ittlere Derivierte 480: 


monotone Folgen halbstetiger Funktionen 
maßgleiche Hülle 260, 269, 279, 281. 175, 406. 


maßgleicher Kern 261, 269, 279, 281. 
Maß Null (Punktmenge vom —) 257. 


> : | 
Matrix (8. Schema en klementen) ı monotone Folgen von Punktinengen (ibre 
Maximum einer Funktion (Definition) 121. Konvergenz) 119, (Maß der Grenz- 
Maximum einer nach oben halbstetigen | menge) 270. 

Funktion (Existenz) 139. "monotone Funktionen 149, 563. 
mehrdeutige Funktionen 72. | monotone Funktion (Integrierbarkeit nach 
mehrfaches Integral 633. Riemann) 463. 

Mengenfunktion 72, additive — 470, | monotone Funktion, Kanonische Zerle- 


Mengen von Kondensationspunkten 49, 50. | monotone Funktion, Unendlichkeitsstel- 


'monotone Folgen summierbarer Funk- 
tionen 441. 





Mengen von Punktmengen 27, 72. : len der Derivierten 580. 

meßbare Abbildung 354, 581. Ä monotone Funktion von konstanter A- Va- 

meßbare endlichwertige Funktionen 386. | riation 567. 

meßbare Funktionen 374. ‚monotone Funktion (Zerlegung in einer 

' Meßbarkeit 246, 263. stetigen monotonen Funktion und einer 

Meßbarkeit, Bedingungen für die Meß- | anderen, deren totale Diskontinuität 
barkeit 263, 267, 269, 282. gleich ihrer Variation ist) 157. 

Meßbarkeit der Derivierten 484, 496, | monotone Funktion, Zerlegung in total- 
628, 642. stetige und in Funktion von konstanter 





Meßbarkeit der Funktionen die in jeder: 4-Variation 569. 
Veränderlichen stetig sind 644.  monotone Zahlenfolge 96. 


Register 


Multiplikation absolut konvergenter 
Reihen 110. 

Multiplikation (Axiome) 4. 

Multiplikation der Determinanten 840. 


Natürliche Zahl (Zahlenreihe) 6. 

n-dimensionaler Raum (R,) 18. 

n-dimensionales Intervall 20. 

negative Variation s. Variation. 

negative Zahlen 3. 

Nenner (eines Bruches) 13. 

nichtabzählbare Punktmengen 49. 

Nichtzählbarkeit der perfekten Punkt- 
mengen 50. 

Nichtabzählbarkeit des Intervalls 31. 

Nicht meßbare Funktionen 379. 

Nicht meßbare Punktmengen 246, 268, 
349. 

Nicht quadrierlareabgeschlossene Punkt- 
mengen 291. 

Nicht quadrierbare Gebiete 292. 

nirgends dichte Punktmengen 64. 

Normalformen der Determinanten 319, 
32V. 

normierte Vektorensysteme 314. 

Normierung einer Basis eines Vektorge- 
bildes 815. 

Null 3. 

Nullmenge 232, perfekte — 286. 

Nullpunkt (einer Achse) 18. 

Nullvariation 513. 


Obere Grenze 11. 

Obere Grenze der Limesfunktionen einer 
Funktion 133. 

Obere Grenze einer Funktion auf einer 
Punktmenge 121. 

obere Limesfunktion 122. 

oberer Limes des Wertevorrats einer 
Funktion 74. 

oberer Limes einer Funktion in einem 
Punkt 122. 

oberer Limes einer Zahlenfolge 77. 

oberer Limes von Teilfolgen einer Zahlen- 
folge 93, 94. 


offen (relativ zu einer Punktmenge) 60. 


offene Punktmengen 40, 218. 
offene Punktmengen als Summen von 
Gebieten 226. 


ol 


offene Zelle s. Zell& 
Ordinatenmengen 418. 
Ordinatenmengen einer Funktion 420. 
Ordnung einer Determinante 818. 
orthogonale lineare Gebilde 817. 
orthogonale Transformation 347. 
orthogonale Vektoren 314. 


Parallelmengen 220. 

Parameterdarstellung von Punktgebil- 
den 834. 

partielle Ableitungen 641. 

partielle Derivierte 642. 

partielle Differentiierbarkeit 641. 

partielle Integration 549 

partielle Sammation 612. 

partielle und totale Difterentiierbarkeit 
einer totalstetigen Funktion 659, 661. 

Peano 298. 

perfekte nirgends dichte Punktmengen 
287, 291. 

perfekte Punktmengen 39, 41, 50, 67. 

Polynome 16%. 

positive Variation s. Variation. 

positive Zahlen 8. 

Potenz 97. : 

Prinzip der vollständigen Induktion 6. 

Produkt der halbstetigen Funktionen 131. 

Produkt von meßbaren Funktionen 878. 

Produkt von nach Riemann integrier- 
baren 464. 


Produkt von Zahlen 4. 


Projektion einer Punktmenge a. e. li- 
neare Mannigf. 622. 

Punkt des R, 18, 20. 

Punktfunktion 71. 


 punktiert unstetige Funktionen 143. 


Punktmengen meßbaren Inhalts 281. 
Punktmengen ohne Häufungspunkt 48. 


Punktmengen ohne Kondensationspunkte 
48, 


Quadrat 20. 

quadrierbar 290, (nach außen, innen —) 
289. 

Quadrierbarkeit nach Jordan 298. 

Quotient von halbstetigen Funktionen 
132. 


702 Register 








Quotient von nach a Rieann integrier- | stetige Abbildung 205. Ä 
baren Funktionen 464. stetige Abbildung eines Kontiauums 212. 
Quotient von totalstetägen Funktionen | stetige Funktion 136, 138, (— integrier- 





551. bar nach Riemann) 463. 
Quotient (von Zahlen) 5. stetige Funktionen — Erweiterung des 
Definitionsbereiches 617. 
Rand einer Punktmenge 216. stetige Funktionen nehmen jeden Zwi- 
Rang eines Schemas 329. '  schenwert an 227. 
Kationale Zahlen 13. | Stetigkeit bei gleichmäßiger Konvergenz 


Rechnen mit den Hauptlimites 79 u. fl. 
Rechnen mit konvergenten Reihen 106. 
Rechnen mit konvergenten Zahlenfolgen 


174. 
Stetigkeit der Entfernung E(P, A) 198. 
Stetigkeit der Lösungen von Differential- 








94. gleichungen nach einem Parameter 678. 
Rechnen mit Maßfunktionen 252, 270, Stetigkeitsaxiom 10. 

272, 273. . : Stetigkeitspunkte einer Funktion 127. 
Rechnen mit 4 © 14. ‚stets wachsende, abnehmende Funk- 
Rechteck 20. | tionen 149. 
reelle Funktionen 71. : Stolz 644. 
reelle Zahlen 1. ‚Strecken als Kontinuum 213. 


reguläre Folge von Punktmengen 497. Streckenrechnung 18. 
reguläre Maßfunktion s. Maßfunktion. | Strecken zwischen zwei Punkten 196 


Reihen 101. i er stückweise lineare Funktionen 168. 
Reihen — ihre Integration 601, Diffe- | suustitution bei meßbaren Funktionen 


Belativbegriffe 28: ‘ Substitution der einfachen Integrale 556. 
Backen Bi Substitution von Funktionen in eine ge- 
iemannsches Integral 459. gebene 122, 139. 
ne 2 Subtraktion von Zahlen (Axiome) 3. 
Summe von halbstetigen Funktionen 131. 
Satz von Baire 178: Summe von konvergenten Reihen 106. 
Satz von Fubini 697. un von meßbaren Funktionen 378. 
Satz von Scheefär 898; | Summe von nach Riemann integrierbaren 
Sutz von Weierstraß 134. 1, EUBENOREN SON. 
Satz von Young 69. (en von positiven Zahlen 98. 
Summe von Punktmengen 22, 28. 


Scheeffer 595. : ; 
Schema von Elementen 396. Summe von unendlich vielen absolut 
konvergenten Reihen 109. 


Schluß von n auf (n-+1) 6. 
Schwankung der Limesfunktionen von | Jumme von Zahlen 2. 
Summierbarkeit 420, 430. 


P) 142. 
kung einer Funktion 141. Summierbarkeit der mittleren Derivierten 


rentiation 604. | 376, 377, 379. 
| 
| 


Satz von Archimedes 11. 


Schwankung von monotonen Funktionen w: 

152. Summierbarkeit eines Produkts 438. 
senkrechte Vektoren 314. ur Summierbarkeit und Meßbarkeit 423. 
Skala 450. | Summierbarkeit verallgemeinerter Deri- 

| vierten 496. 


Spalten einer Determinante 318. 

Spaltungen der Koordinaten 630. 

Spiegelung an der Hauptdiagonale von | Teilfolgen einer Folge von Punktmengen 
Determinanten 322. 117, 118. 

Steigung einer Strecke 515. Teilfolgen einer Zahlentolge 79, 92,93, 94. 


Register 103 


Teilmenge von gegebenen Inhalt 288. 

Teilmenge 6, 21. 

Teilszummen 98. 

totale Diskontinuität von Funktionen be- 

‘  schränkter Variation 188. 

totale Diskontinuitüt von monotonen 
Funktionen 158. 

totales Differential 649. 

totale Variation a. Variation. 

totalstetige Funktionen als unbestimmtes 
Integral 490. 

totalstetige Funktionen einer Veränder- 
lichen 513, 547. 

totalstetige Funktionen von zwei Ver- 
änderlichen 653. 

totalstetige Mengenfunktion 475. 

Totalstetigkeit der Funktionen mit be- 
schränkten Differenzenquotienten 551. 

Totalstetigkeit des absoluten Betrages 
547. 

Totalstetigkeit des unbestimmten Inte- 
grals 475. 

Totalstetigkeit einer Funktion mit sum- 
mierbaren und nur in abzählbar vielen 
Stellen oo Hauptderivierten 597. 

Totalstetigkeit einer Summe 547, eines 
Produkts 549, eines Quotienten 55U. 

Totalstetigkeit von f(g(x)) 555. 

total unstetige Funktionen 143. 

Transformation des Inhalts von Punkt- 
mengen 340. 


Überall dichte Punktmengen 61, 62. 
Überdeckung des Raumes durch abzähl- 
bar viele Würfel 36. 
Überdeckungssatz von Borel 45. 
Überdeckungssatz von Lindelöf 46. 
Überdeckungssatz von ' Vitali 299, 304, 
305. 
Umgebung einer Punktmenge 40. 
Umgebung eines Punktes 37, 40. 
Umkehrproblem der Differentialrechnung 
594. 
Umkehrung einer Funktion 166. 
Unabhängigkeit der Fundamentaleigen- 
schaften der Maßfunktionen 359. 
unbestimmtes Integral s. Integral. 
Unbestimmtheitsgrenze s. Limes (oberer, 
unterer); Hauptlimites. 


uneigentliche Integrale 606. 

Unendlich 11. 

unendliche Punktmengen 26, unendlich 
beschränkte Punktmengen 48. 

Unendlich (Rechenregeln) 14. 

unhomogene lineare Gleichungssysteme 
830. 

unstetig (punktiert, total) 143. 

Unstetigkeitsstellen von Funktionen be- 
schränkter Variation 187. 

Unstetigkeitsstellen von 
Funktionen 154. 

untere Grenze 12. 

untere Grenze einer Funktion auf einer 
Punktmenge 121. 

unterer Limes des 
Funktion 75, 76. 

unterer Limes einer Funktion in einem 
Punkt 122. 

unterer Limes einer Zahlenfolge 77. 

untere Limesfunktion 122. 


monotonen 


Wertevorrats einer 


Variation (positive, negative, totale) 
einer Funktion 181, (4-Variation) 510. 

Variation einer Funktion von beschränk- 
'ter Variation 182. 

Variation einer monotonen Funktion 156. 

Variationsgleichungen 687. 

Vektor 307. 

Vektorensystem 312. 

Vektorgebilde s. lineares Vektorgebilde. 

verallgemeinerte Derivierte 492. 

Vereinigungsmengen 23, 27. 

Vereinigungsmenge von abgeschlosse- 
nen Punktmengen 55. 

Vereinigungsmenge von in sich dichten 
Punktmengen 55. 

Vereinigungsmenge von meßbaren Punkt- 
mengen 251. 

Vereinigungsmenge von nirgends dichten 
Punktmengen 6. 

Vereinigungsmenge von perfekten Punkt- 
mengen 56. 

Vereinigungsmenge von quadrierbaren 
Punktmengen 290. 

Vereinigungsmenge von relativ abge- 
schlossenen Punktmengen 59. 

Vereinigungsmenge von relativ offenen 
Punktmengen 60. 


704 | Register 
Vereinigungsmenge von überall dichten | | Zahlentrippel 18. 
Punktmengen 61. ; Zähler (eines Bruches) 13. 





Verhältnis (von Strecken) 18. Zeilen einer Determinante 318. 
Verknüpfungsaxiome 1. ' Zelle. (offene, abgeschlossene) 294. 
Vertauschung der Reihenfolge der Diffe- : Zellennetze 293. 

rentiationen 650. "Zermelos Auswahlaxiom 33. 


Vitalis Überdeckungssatz 299, 304, 305. , zugehörige Intervallfunktionen 511, 661. 

vollständige Induktion 6. | zugeordnete Derivierte 1m. 

Vorzeichenregel der Multiplikation 4 Zuordnung 71. 

| Zuordnungsaxiom 18., 

 Zusammenhängende abgeschlossene 
Punktmengen 208. 

zusammenhängende offene Punktmengen 
222. 

zusammensetzung von linearen Trans- 
formationen 339. 


Weierstraß 134, 590. 
Widerspruchslosigkeit (der Axiome) 1 
wiederholte Integrale 628, 630, 632. 
Würfel, n-dimensionaler Würfel 20. 


Zahlenfolge 71. Zylinder deren Basen Nullmengen sind 
Zahlenmengen #6, 1V. 420. 
Zahlenpaar 18. Zylindermengen 414. 


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